Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. Januar 2015

Die Chronologie des Lebens Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Heute ist der erste Tag des neuen Jahres 2015. Unser bürgerliches Jahr ist die Zeitdauer des Umlaufs der Erde um die Sonne und beträgt 365 – oder im Schaltjahr 366 – Tage. Seit der Julianischen Kalenderreform, also seit Julius Cäsar, ist der 1. Januar der Jahresanfang. Papst Gregor XIII. führte im Jahre 1582 den Julianischen Kalender einer Reform zu. Er hinkte nämlich um zehn Tage hinter der astronomischen Zeit zurück, und seitdem sprechen wir vom Gregorianischen Kalender. Die Menschen pflegen sich am Beginn eines neuen Jahres Glück und Gelingen zu wünschen; das ist ja durchaus angebracht. Aber wenn diese Wünsche einen Sinn haben sollen, dann müssen wir sie als Bitten zu Gott emportragen. Was wir den Menschen wünschen, das müssen wir von Gott erflehen. Und in diesem Sinne, meine lieben Freunde, wünsche ich Ihnen das Geleit und den Schutz Gottes für das neue Jahr. Es möge dieses Jahr für Sie ein Fortschritt zum Herrn und Heiland werden, in der Gesinnung und in den Werken. Er möge sie weiter auch in allen irdischen Unternehmungen schützen und segnen, dass Sie durchhalten können in den Fährnissen dieser Zeit.

Die Zeitrechnung und die Zeiteinteilung werfen viele Fragen auf. Sie können nur von der Wissenschaft beantwortet werden, und diese Wissenschaft ist die Chronologie. Chronologie ist die Wissenschaft und die Lehre von der Zeitrechnung, der Datierung und der zeitlichen Abfolge früherer Ereignisse, auch der Altersbestimmung von Gegenständen und des Kalenderwesens. Die Chronologie bemüht sich um die Erstellung einer Zeitskala und um die zeitliche Einordnung vergangener Ereignisse in diese Skala. In der Stadt Rom zählte man die Jahre nach ihrer Gründung. Als Schüler lernten wir: 7, 5, 3 – Rom kroch aus dem Ei. Im Jahre 753 vor unserer Zeitrechnung wurde Rom gegründet. Wir leben in der christlichen Zeitrechnung; sie setzt ein mit der zeitlichen Geburt unseres Herrn Jesus Christus. Sein Erscheinen und sein Leben sind uns überliefert in den vier Evangelien. Darin fehlt es allerdings oft an zeitlichen Angaben. Das einzige genaue Datum im Evangelium ist das 15. Jahr des Kaisers Tiberius, in dem Johannes der Täufer auftrat. Das 15. Jahr des Kaisers Tiberius läuft vom 19. August 28 bis zum 18. August 29 – vom 19. August 28 bis zum 18. August 29. Unsere heutige Zeitrechnung verdanken wir dem römischen Mönch Dionysius Exiguus; er lebte im 6. Jahrhundert. Nach seiner Berechnung – ich muss gleich dazusagen: nach seiner falschen Berechnung – nach seiner Berechnung fällt die Geburt Jesu in das Jahr 753 seit Gründung der Stadt Rom. Er setzte jedoch die Geburt Jesu um mehrere Jahre zu spät an, sodass das wirkliche Geburtsjahr Jesu vor dem Jahre 1 unserer Zeitrechnung liegt. Das Geburtsjahr Jesu ist nicht ganz einfach zu berechnen. Lukas stellt fest, dass Jesus, als er seine öffentliche Tätigkeit begann, ungefähr 30 Jahre alt war – ungefähr; es können also mehr oder weniger gewesen sein. Wenn man diese Zahl genau nähme, käme man in das Jahr 2 vor Chr., in dem Jesus geboren ist. Aber diese Auskunft genügt nicht. Von Matthäus erfahren wir, dass Jesus in den Tagen des Königs Herodes geboren wurde. Es handelt sich um Herodes den Großen. Er regierte sein Reich von 37 v. Chr. bis 4 v. Chr. – bis 4 v. Chr., also muss Jesus in diesem Zeitraum geboren worden sein. Jesus ist also in jedem Falle nicht im Jahre 1 unserer Zeitrechnung geboren. Diese Ansicht geht auf den erwähnten Dionysius Exiguus zurück. Er nahm das Datum des 25. Dezember 753 von der Gründung der Stadt Rom in Einklang mit dem liturgischen Kalender an als Geburtstag Jesu – leider irriger Weise. Jesus ist zu Lebzeiten des Königs Herodes geboren. Aber wann? Wie lange vor seinem Tode im Jahre 4? Dazu ist die Angabe über den Besuch der Magier wichtig. Sie haben Herodes noch als Regenten angetroffen. Wieviel Zeit liegt zwischen der Ankunft der Magier und dem Tode des Herodes? Aus dem Verhalten des Herodes gegenüber den Magiern müssen wir annehmen, dass er noch nicht von der qualvollen Krankheit befallen war, der er dann zum Opfer fiel. Er sagte ja, er wolle selbst nach Bethlehem gehen – er muss also noch beweglich gewesen sein, nicht ans Lager gefesselt. Vom Eintreffen der Magier bis zum Tode des Herodes liegen mindestens mehrere Monate – wie ja auch für die Reise der Heiligen Familie nach Ägypten und dem Aufenthalt dort mehrere Monate angesetzt werden müssen. Jesu Geburt kann also kaum nach dem Frühjahr 6 v. Chr. geschehen sein – kaum nach dem Frühjahr 6 v. Chr. Dann ist weiter zu fragen: Wieviel Zeit liegt zwischen der Geburt Jesu und der Ankunft der Magier? Da ist ja auch noch allerhand passiert, wie wir aus dem Evangelium erfahren, nämlich die Geburt Jesu, die Beschneidung Jesu, die Darstellung im Tempel. Genaueres lässt sich aus dem Mordbefehl des Herodes erheben. Herodes ließ die Knaben von Bethlehem von 2 Jahren und darunter töten. Warum in diesem Alter? Entsprechend der Zeit, die er von den Magiern erfahren hatte. Er hat sich also bei den Magiern erkundigt: „Wann ist dieser König geboren, den ihr hier verehren wollt?“ Sie verwiesen auf das Erscheinen des Sternes. Sie müssen ihm geantwortet haben: „Der Stern ist vor einem Jahr oder vor anderthalb Jahren erschienen.“ Und damit ist die Frage beantwortet, wann Jesus geboren ist. Der Knabe Jesus ist, als die Magier ankommen, wenigstens eineinhalb Jahre alt. Also nicht, wie wir meinen, wenn wir die Könige an die Krippe stellen, 13 Tage nach der Geburt, sondern was die Magier uns lehren, ist, dass Jesus zur Zeit der Ankunft der Magier wenigstens eineinhalb Jahre alt war. Wir haben noch andere Möglichkeiten, um das Geburtsjahr des Herrn Jesus einigermaßen wahrscheinlich zu machen, so z.B. den Zensus des Quirinius. Quirinius war ja der Mann, der die Aufschreibung vornahm, deretwegen Josef nach Bethlehem kam. Und diese Aufzeichnung fällt in die Jahre 6 oder 7 n. Chr.

Jesus wird in dem Evangelium der Nazoräer oder der Nazarener genannt. Damit wird ausgedrückt, dass er aus Nazareth stammte. Die Familie Jesu ist ja nach der Flucht aus Ägypten nach Galiläa in den Ort Nazareth gegangen und hat sich dort niedergelassen. Galiläa ist der nördlichste Teil von Palästina. Matthäus spricht vom „Galiläa der Heiden“. Er will damit aussagen, dass in Galiläa eine gemischte, eine aus Juden und Heiden gemischte Bevölkerung lebte. Landesherr in Galiläa war Herodes Antipas, ein Sohn Herodes des Großen. Unter seinen Augen verlief das Leben Jesu; er hat ihn auch verhört im Prozess vor Pilatus. Um sich verständlich zu machen, musste Jesus die Sprache und die Begrifflichkeit seiner Zeit verwenden, d.h. Jesus und seine Jünger sprachen aramäisch, genauer: den galiläischen Dialekt des Aramäischen. Es ist durchaus denkbar, dass manche Apostel auch griechisch sprachen, eben weil Galiläa eine von Juden und Heiden gemischte Gegend war. Es ist sogar nicht unmöglich, dass Jesus Kenntnis der griechischen Sprache hatte. Die Evangelien sind in griechischer Sprache abgefasst. Das bedeutet, dass die Überlieferung die Worte Jesu übersetzt hat. Über Jesu Jugend, Erziehung und äußere Erscheinung erfahren wir aus den Evangelien nichts, abgesehen von dem Besuch in Jerusalem. Jesu übte den Beruf eines Tekton aus. Tekton besagt: Er verstand sich auf die Verarbeitung von Holz und Stein – wir würden heute sagen: ein Bauhandwerker. Die Evangelien übergehen das verborgene Leben Jesu; sie sind allein interessiert am öffentlichen Wirken Jesu. Es ist für uns schmerzlich, dass wir nicht mehr über Jesu vergangene dreißig Jahre wissen, aber was die apokryphen Schriften, die von der Kirche nicht anerkannt sind, darüber berichten, ist nicht beglaubigt; es ist unsicher. Es kann manches geschichtliche Element darin enthalten sein, aber insgesamt lehnt die Kirche diese Apokryphen – also diese verborgenen Schriften – ab.

Jesus begann sein öffentliches Wirken nach der Verhaftung Johannes des Täufers. Wie lange hat es gedauert? Aus dem Wort Jesu: „Jerusalem, Jerusalem, du mordest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind. Wie oft – wie oft! – wollte ich deine Kinder sammeln, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt, ihr aber habt nicht gewollt“, aus diesem Worte Jesu können wir schließen, dass er mehrmals in Jerusalem gewirkt hat. Und das heißt, dass er nicht nur ein Jahr öffentlich gewirkt hat, sondern mehrere Jahre. Aber wie viele? Lukas berichtet, es kamen Leute zu Jesu und meldeten ihm, dass Pilatus in Jerusalem Galiläer habe niederhauen lassen am Altare – und das geschah während eines Passahfestes. Also haben wir schon zwei Passahfeste (Osterfeste), an denen Jesus in Jerusalem war. Das überschreitet also eine einjährige Tätigkeit. Aus dem Evangelium nach Johannes erfahren wir von drei Passahfesten. An drei Passahfesten war Jesus in Jerusalem, d.h. er muss mindestens über zwei Jahre öffentlich gewirkt haben. Es gibt noch eine andere Angabe. Jesus hat ja gesagt, er werde den Tempel niederreißen, und da entgegneten ihm seine Feinde: „46 Jahre ist an dem Tempel gebaut worden.“ Aus dieser Angabe können wir berechnen, in welches Jahr die Auseinandersetzung Jesu mit den Gegnern erfolgte, denn der Tempelbau begann im Jahre 19 v. Chr. 46 Jahre später, also im Jahre 28, muss diese Begebenheit stattgefunden haben.

Aufgrund dieser Überlegungen können wir auch fragen: In welches Jahr nach unserer Zeitrechnung fällt der Tod Jesu? Als die früheste zusammenfassende Erzählung eines Teiles der öffentlichen Wirksamkeit Jesu gilt der Bericht über sein Leiden und Sterben. Vermutlich stand am Beginn der Leidensgeschichte Jesu ein Urbericht von der Kreuzigung. Daran gliederten sich dann die damit zusammenhängenden Begebenheiten: das letzte Abendmahl, die Gefangennahme Jesu, die Verleugnung des Petrus. Auf seinem letzten Zuge nach Jerusalem wurde Jesus von galiläischen Festpilgern jubelnd begrüßt – Einzug in Jerusalem. Sein Protest gegen den Missbrauch des Tempels führte zum Ergreifen. Sein Gegner waren die Hohenpriesterlichen Kreise, vor allem Kaiphas. Die Verhaftung erfolgte am Ölberg. Nach einer ersten Voruntersuchung durch Annas und nach der Verurteilung im Religionsprozess durch Kaiphas wurde er im Prozess von Pilatus zum Kreuzestode verurteilt. Das Urteil gründete auf einem politischen Vorwurf, wie man ja aus dem Titel sieht: „Jesus, König der Juden.“ Der Tod Jesu ist auch durch profane Schriftsteller beglaubigt. Der bedeutende römische Schriftsteller Tacitus spricht von „Christus, der unter der Herrschaft des Tiberius auf Veranlassung des Prokurators Pontius Pilatus hingerichtet worden war“ im 15. Buch seiner Annalen. Der Tag der Hinrichtung Jesu liegt fest: es war ein Freitag, aber welcher Freitag? Es muss ein Freitag gewesen sein, der auf den 14. Nisan (das ist der hebräische Monat), ein Freitag, der auf den 14. Nisan gefallen ist. Und das war der Fall im Jahre 30. Wir dürfen mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen: Die Hinrichtung Jesu erfolgte am 14. Nisan, am 7. April des Jahres 30.

Wir wüssten gern mehr, meine lieben Freunde, vom Leben Jesu, mehr, als unsere Quellen hergeben. Im Besonderen sind wir an Datierungen seines Lebens interessiert, aber wir müssen uns bescheiden. Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des zeitlichen Ablaufes des Lebens Jesu haben auf dessen geschichtliche Wirklichkeit keinen Einfluss; sie liegt fest. Dass wir so wenig wissen, hängt mit der Sorglosigkeit zusammen, mit der die Evangelisten über Jesus berichtet haben. Sie waren an Daten nicht interessiert, sondern an seinem Leben, an seinem Wirken, an seinem Heilswirken. Wir brauchen uns deswegen nicht besorgt zu zeigen, wenn wir chronologische Schwierigkeiten im Leben Jesu feststellen. Das Heilswirken Jesu liegt fest und ist unbezweifelbar. „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit.“

Amen.          

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