Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. November 2014

Der Jüngste Tag

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Fantasie und die Sehnsucht, die Ungeduld und der Forschergeist der Menschen schauten von jeher nach dem Ende der Welt aus. Die moderne Physik hat uns den Entropiesatz gelehrt. Dieser Satz besagt, dass die Welt langsam im Lauf von Jahrmillionen, aber unfehlbar, mit mechanischer Notwendigkeit den Wärme- oder den Kältetod sterben wird. Falls die jetzige Ausdehnung des Weltalls nach einer endlichen Zeit in die Zusammenziehung umschlägt, dann führt das zu einer unendlich hohen Energiedichte und auch entsprechend einer unendlich hohen Temperatur, und das Weltall stirbt den Wärmetod. Wenn dagegen das Weltall unbegrenzt weiter sich ausdehnt – wie es ja jetzt der Fall ist –, dann wird die Energiedichte im Weltall beliebig klein, und das Weltall stirbt den Kältetod. Ich bin überzeugt, dass diese kosmologischen Theorien der Physik sich mit unserem Glauben vereinbaren lassen. Auch wir sind überzeugt, dass es ein Ende der Welt geben wird, nur führen wir diese Erscheinung auf den Herrn der Welt zurück. Er ist Herr über den Kältetod wie über den Wärmetod. Viel mehr als das Ende der Welt bewegt uns die Frage: Was wird aus den Menschen? Die Naturwissenschaft weiß darüber nichts zu sagen. Auch die ungläubige Philosophie kann uns keinen Aufschluss über die Zukunft des Menschen geben, wenn sie sich nicht das Gebet des „Fliegenden Holländers“ in der Oper von Richard Wagner zu Eigen macht, wo es heißt: „Ewige Vernichtung, nimm mich auf!“ Der Glaube hat eine Botschaft, eine frohe Botschaft, sogar für den Jüngsten Tag. Das Ende dieser Weltzeit wird der Anfang der Ewigkeit sein. Das Ende des Weltalls ist der Anbruch des neuen Himmels und der neuen Erde. Es kommt nicht zur Vernichtung, sondern zur Verwandlung und Verklärung. Und unser Herr Jesus wird wiederkommen, uns zu richten, und alle, die im Gericht bestehen, in seine eigene Herrlichkeit beim Vater einzuführen. Diese Glaubensbotschaft haben die größten Meister der Kunst auszusagen oder zu gestalten versucht: Thomas von Celano mit dem ergreifenden Gedicht „Dies irae“ – Tag der Zähren, Tag des Zornes, Michelangelo mit seinem wunderbaren Bild des Jüngsten Gerichtes in der Sixtinischen Kapelle in Rom, und Verdi mit seinem gewaltigen Requiem. Aber was diese Größen der Kunst uns geliefert haben, ist nur ein Stammeln angesichts dessen, was uns bevorsteht. Wir wollen in drei Sätzen aussagen, was wir zu erwarten haben. Nämlich

1.        Der Jüngste Tag wird ein Tag der Wahrheit und der Klarheit sein.

2.        Der Jüngste Tag wird ein Tag des Jubels und des Sieges sein.

3.        Der Jüngste Tag wird ein Tag des Zornes und der Zähren sein.

Erstens: Der Jüngste Tag wird ein Tag der Wahrheit und der Klarheit sein. Kein Geschichtsschreiber, kein Menschenkenner, kein Denker und kein Dichter vermag uns hienieden, die Weltgeschichte vollkommen zu deuten. Im 18. und 19. Jahrhundert haben Philosophen und Geschichtsschreiber gemeint, die Welt – vor allem die Erde – entwickle sich in unaufhaltsamem Fortschritt. Die Menschen werden immer mehr zur Tugend kommen, und die Erde wird allmählich ein Paradies werden. Über diese Träume können wir nur lachen. Wir wissen, dass es einen Fortschritt gibt in der Technik, in der Industrie, in der Landwirtschaft, aber es gibt keinen Fortschritt im Menschen. Der Mensch bleibt immer derselbe. Ja, es kann sein, dass er immer mehr entartet. Im Augenblick des Gerichtes wird die Weltgeschichte ganz offen vor unseren Augen liegen. Es wird kein Geheimnis, kein Rätsel, kein Sichverstecken mehr geben. Da wird offenbar werden, was Politik und Regierungen bedeuteten. Da wird sich zeigen, was Ideen und Ideologien bewirkt haben. Da werden wir sehen, was Kriege und Friedensschlüsse angerichtet haben. Da werden die Institutionen gerichtet: der Staat, die Länder, der Völkerbund, die Europäische Union, aber auch die Kirche, auch das Papsttum, auch das Kardinalskollegium, auch das Bischofskollegium, auch die Synoden in der Kirche. Diese Offenbarung wird der Rechtfertigung Gottes vor den Engeln und vor den Menschen dienen. Dann wird endlich Gott als der Heilige und Gerechte anerkannt werden müssen. Hier auf Erden fragen viele Menschen bei Unglück und Katastrophen: Wie kann Gott das zulassen? Müsste er nicht eingreifen? Sinnlose Zerstörung, Gemetzel, Krieg verhindern? Die Ungläubigen höhnen: Wo ist denn euer Gott? Heinrich Heine hat geschildert, wie der König Belsazar in Babylon die heiligen Gefäße aus dem Tempel von Jerusalem bringen ließ und bei einem Gelage benutzte. Er trank aus diesen Gefäßen und rief: „Jehova! Dir künd’ ich auf ewig Hohn – Ich bin der König von Babylon!“ Die Gläubigen haben gefragt: Wo bist du, unser Gott? Die Schar der Bekenner schmilzt zusammen, der Nachwuchs an Priestern bleibt aus, ein Kloster nach dem anderen schließt. Ein Priester fragte mich einmal: „Hat denn Gott Freude daran, wie seine Kirche zugrunde geht?“ Diese Fragen, die uns quälen, finden am Ende der Tage eine Antwort, eine befriedigende, eine erschöpfende Antwort. Gottes unendliche Weisheit, Heiligkeit und Gerechtigkeit werden aufstrahlen, unwiderstehlich die Bösen niederschmetternd und herrlich aufrichtend die Guten. Es wird sich zeigen, dass alles Verdienst und alles Missverdienst, die kleinste Schuld und die geringste gute Tat, ja das innerste Wesen und Streben des Menschen aufgezeichnet ist und fein gewogen wird. Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar werden wird. „Was ihr ins Ohr geflüstert habt, das wird man ausrufen von den Dächern.“ Alles, was wertvoll war, wird in seinem Werte gewürdigt werden, und alles, was hienieden erfolglos war, das wird als gut und richtig sich zeigen. Das Hohe, das auf Erden vielfach verlacht und verhöhnt und geschmäht wurde, das wird wunderbar aufragen. Das Böse aber, das sich hier schon im billigen Triumphe tummelte, das Böse wird in seiner Nichtswürdigkeit gezeigt werden. Der Jüngste Tag, meine lieben Freunde, wird sein ein Tag der Wahrheit und der Klarheit. Manche Menschen hatten auf Erden ein Schicksal, das – äußerlich gesehen – ganz auf der Schattenseite war. Das Menschenleben auf Erden ist ja voller Ungleichheit, voll von Missklängen. Die Rätsel lösen sich nicht auf dieser Welt. Am Ende der Tage aber wird einem jeden Gerechtigkeit zuteil werden. Da wird es zeigen: Es gab kein sinnloses Leiden; es wurde keine Träne umsonst geweint; es war keine Sorge verloren. Jeder erhält sein Siegel: Die Auserwählten das Siegel der Auserwählung, die Verworfenen das Siegel der Verwerfung. Niemand wird es wagen, zu widersprechen. Der Trotz der Verneinung ist ein für alle Mal verstummt. Es erfolgt der große Ausgleich, aber auch der große Austausch der Rollen. „Über den Sternen, da wird es einst tagen, da wird dein Hoffen und Sehnen gestillt; was du gelitten und was du getragen, dort ein Allmächtiger Vater vergilt.“

Zweitens: Der Jüngste Tag ist ein Tag des Jubels und des Sieges. Die Posaunen des Jüngsten Tages kündigen die Wiederkunft des Herrn an – natürlich ist das ein Bild, ein Bild für den nicht zu überhörenden Weckruf Gottes. Wir können nur mit Bildern sprechen, weil wir keine anderen Ausdrücke haben. Also der Siegestag wird durch den mächtigen Schall der Posaunen angekündigt werden. Millionen und Abermillionen von Menschen werden vor Gott erscheinen. Das macht Gott gar keine Schwierigkeit. Er, der das Weltall regiert, der unendliche Scharen von Engeln um sich hat, er gerät nicht in Verlegenheit über der unermesslichen Menge von Menschen, die zu richten sind, er kann auch die Menschen in einem Nu vor sich sammeln und durchschauen. Es ist ausgespielt und abgeräumt die Bühne des Weltgeschehens, jetzt wird sie zum Schauplatz des Weltgerichtes. Da strahlt das Zeichen des Menschensohnes auf: das Kreuz, das Kreuz von Golgatha. „Sei gegrüßt, du unsere einzige Hoffnung“, so werden die Gerechten jubeln. „Nun ist er doch vom Kreuze herabgestiegen“, werden die Bösen sagen. Und Christus erscheint auf den Wolken des Himmels. Einst kam er als das Lamm Gottes zur Erlösung, jetzt kommt er zum Gericht als der Herr der Herren.      

„Und ein Buch wird aufgeschlagen,

Treu darin ist eingetragen

Jede Schuld aus Erdentagen.

Sitzt der Richter dann zu richten,

Wird sich das Verborgne lichten;

Nichts kann vor der Strafe flüchten.   

Weh! Was werd ich Armer sagen?

Welchen Anwalt mir erfragen,

Wenn Gerechte selbst verzagen?“

So wird der Gerichtstag in der Sequenz der Totenmesse beschrieben. Aber nur in der alten Messe. In der neuen Messe ist die Sequenz getilgt. Man will sich offenbar nicht mehr beunruhigen lassen vom Jüngsten Tage! Aber das Gericht findet statt, ob das die Verfasser der neuen Messe wollen oder nicht. Aber wehe denen, die den Menschen die Verkündigung des Gerichtes erspart haben!

Die Engel stehen bereit, die große Scheidung zu vollziehen, die Guten von den Bösen zu sondern. Gott gibt ihnen das Merkmal an, wonach die Teilung vorzunehmen ist. Die einen tragen das Siegel Gottes, die anderen das Siegel des Satans. Der Richter wendet sich – und das ist natürlich auch wieder nur ein Bild – an diejenigen auf der rechten Seite, seine Arme breiten sich aus, um wahrzumachen, was er einst allen Willigen verheißen hat: „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen.“ Diese Auserwählten hier haben im Leben sich der Aufnahme in die geöffneten Arme des Herrn nicht erwehrt, sondern sich danach gesehnt. Und deswegen dürfen sie jetzt das Erlöserwort hören: „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmt in Besitz das Reich, das euch bereitet war vom Anbeginn der Welt.“ Sie haben auf den Herrn gehofft und sind nicht zuschanden geworden. Am Anfang der bolschewistischen Revolution in Russland fragten die Anführer der Bolschewisten einen russisch-orthodoxen Bischof: „Wer wird wohl siegen, euer Christus oder wir?“ Der Bischof erwiderte: „Ihr werdet siegen. Aber nach allen euren Siegen wird Christus siegen.“ Am Jüngsten Tage wird es sich zeigen: Der Fürst dieser Welt hat zwar grausam seine Macht ausgeübt, aber seine Opfer, die Getreuen Christi, sind ihm entrückt; er kann ihnen nichts mehr anhaben. Ihr Sieg wird sichtbar sein und der Sieg Christi in ihnen, der Sieg, den er schon auf Golgatha errungen hat und der nun aus seiner Verborgenheit für Menschenaugen hervortritt in die Öffentlichkeit der ganzen Welt.

Drittens: Der Jüngste Tag wird auch ein Tag des Zornes und der Zähren sein. Der göttliche Richter wird sich zu denen wenden, die auf der linken Seite stehen. Er hält ihnen ihre Schuld vor, namentlich – aber nicht allein – das, was sie ihm und seinen Geschöpfen an Liebe verweigert haben. „Ich war hungrig, und ihr habt mich nicht gespeist. Ich war durstig, und ihr habt mich nicht getränkt. Ich war fremd, und ihr habt mich nicht beherbergt. Ich war nackt, und ihr habt mich nicht bekleidet. Ich war krank und im Kerker, und ihr habt mich nicht besucht.“ Jetzt hören die letzten Selbsttäuschungen, Ausreden und Entschuldigungen der Menschen auf. Sie werden alles vorbringen, was zu ihren Gunsten zu sprechen scheint, aber es wird widerlegt. „Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder im Kerker gesehen?“ Noch einmal wird ein Alibiversuch gemacht. Alles vergeblich! „Wahrlich, ich sage euch. Was ihr einem dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Jetzt wird jede Missetat gerächt, jede Bosheit bestraft. Jetzt erfolgt die Vergeltung nach Verdienst, und das besagt für die Verlorenen: „Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinem Anhang bereitet ist.“

Ich kenne die Einwände, die von modernistischen Theologen gegen die Lehre von der ewigen Verdammnis vorgebracht werden. Erstens. Es gibt eine Hölle, aber es ist niemand drin. Ich antworte: Wenn die Hölle leer ist, gibt es keine Hölle. Denn die Hölle ist der Zustand der Verdammten. Ohne Verdammte existiert kein Zustand der Verdammten. Eine Möglichkeit, die niemals Wirklichkeit wird, ist keine Möglichkeit. Zweitens. Die Leugner der Hölle sagen: Jesus warne nur deshalb so oft vor der Hölle, weil er die Menschen heilsam erschrecken und von der Sünde abhalten will. Ich frage: Wenn niemand verdammt wird, wer erschrickt dann noch vor der Verkündigung von der Hölle? Das ist ja dann eine leere Drohung. Die Lehre der Kirche lautet anders. Papst Paul VI. lehrte im Glaubensbekenntnis des Gottesvolkes vom 3. Juli 1968: „Jene, die bis zum Ende ihres Lebens die Liebe und das Erbarmen Gottes ablehnten, werden dem Feuer überantwortet, das niemals erlischt.“ Ich halte mich an die Lehre der Kirche; sie ist der Niederschlag der Verkündigung Jesu. Ich bin nicht gewillt, das Wort des Herrn zu unterschlagen. Jesus forderte seine Zuhörer auf, nicht diejenigen zu fürchten, die nur den Leib zu töten vermögen, wohl aber den zu fürchten, der Leib und Seele in die Hölle stoßen kann. „Ja, ich sage euch, den sollt ihr fürchten.“ Bei einer Gelegenheit fragte einer der Hörer Jesu: „Herr, sind es wenige, die das Heil erlangen?“ Jesus antwortete: „Müht euch, hineinzukommen durch die enge Pforte. Denn ich sage euch: Viele werden hineinzukommen versuchen, und es nicht vermögen.“ Wir kennen nicht die Zahl der Verlorenen. Aber wenn auch nur ein (einziger) Mensch verdammt würde, sollte jeder Mensch in Furcht sein, er möchte dieser eine sein. Gott lässt seiner nicht spotten. Was der Mensch sät, das wird er auch ernten. Nur wer das Feuer der Hölle fürchtet, der entrinnt ihm. Der Bischof Polykarp von Smyrna wurde von dem heidnischen Statthalter aufgefordert, der Lehre Christi zu entsagen. Wenn er sich weigere, werde er ihn auf den Scheiterhaufen bringen und den Flammen überliefern. Polykarp antwortete: „Du drohst mir mit einem Feuer, das nur eine Stunde brennt und dann erlischt. Du kennst nicht das Feuer des zukünftigen Gerichtes und der ewigen Qual, das auf die Gottlosen wartet. Doch was säumest du? Tu, was du willst.“ So geschehen im Jahre 156 nach Christus.

Welches Los wird nun uns beschieden sein? Werden wir zu den Seligen gerechnet werden oder zu den Verdammten? Jetzt noch können wir entscheiden, auf welcher Seite wir stehen wollen. Dieser Entscheidung wird sich dereinst der göttliche Richter anschließen. Beherzigen wir die Mahnung des Apostels Paulus: „Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern!“ Das ewige Leben ist es wert, dafür alles, was Mühe und Plage heißt, auf sich zu nehmen. Wir rufen jeden Tag zu unserer himmlischen Mutter, für uns zu bitten in der Stunde unseres Todes. Flehen wir zu ihr mit dem frommen Josef von Eichendorff:

„Wenn die Menschen mich verlassen,

in der letzten stillen Stund`,

laß mich fest das Kreuz umfassen!

Aus dem dunklen Erdengrund leite liebreich mich hinaus,

Mutter, in das Vaterhaus.“

Amen.

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