Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. Oktober 2012

Die Erhöhung Christi als Proklamation seines Königtums

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier des Königsfestes unseres Herrn und Heilandes Versammelte!

Im Jahre 1925 hat Papst Pius XI. das Christkönigsfest eingesetzt. Man könnte fragen: Ist das nicht reichlich spät? Nein! Warum nicht? Weil es das Königsfest Christi schon immer gab. Das Königsfest Christi, das uralte Königsfest Christi, ist das Fest der Auferstehung und der Himmelfahrt Jesu. Da wurde er zum König des Weltalls vor aller Welt eingesetzt. Als der Vater seinen Sohn aus dem Grabe rief, als er ihn sieghaft auferstehen ließ, als er ihn glorreich in die Herrlichkeit des Himmels aufnahm, da hat er ihn vor aller Welt beglaubigt, da hat er ihn als seinen König proklamiert, da hat er ihn vor aller Welt als König offenbar gemacht. Die Schrift nennt diesen Vorgang die „Erhöhung“, hypsosis im Griechischen. Sie verkündigt Petrus am Pfingstfest. „Jesus starb und wurde begraben. Gott aber hat ihn auferweckt. Gottes Rechte hat ihn erhöht.“ „Hat ihn erhöht.“ So bezeugen die Apostel auch vor dem Hohen Rate: „Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr umgebracht habt und den ihr ans Kreuz gehängt habt. Diesen Führer und Heiland hat Gott zu seiner Rechten erhöht – erhöht, um Israel Umkehr und Sündenvergebung zu gewähren.“

Wenn Jesus durch die Erhöhung zum König proklamiert wird, erhebt sich die Frage: „Ja, ist er es vorher nicht gewesen?“ Ohne Zweifel! Tatsächlich ruht das Königtum Jesu, also des Mannes von Nazareth, ruht das Königtum Jesu nicht auf Auferstehung und Himmelfahrt, sondern auf der hypostatischen Union. Das Wort müssen Sie sich merken, meine Freunde: Es ruht auf der hypostatischen Union. Was ist das? Das ist folgendes: Die göttliche und die menschliche Natur sind in Christus hypostatisch, d.h. in der Einheit der Person verbunden. Göttliche und menschliche Natur in der Einheit der Person, des LOGOS, verbunden. In Christus ist eine Person, nicht zwei, wie Nestorius wollte, und in ihm sind zwei Naturen, eine menschliche und eine göttliche, aber beide werden von der göttlichen Person getragen. Die göttliche Person wirkt in der menschlichen Natur und durch die menschliche Natur. Durch diese Verbindung ist der Mensch Jesus von Nazareth König des Weltalls geworden, weil er die göttliche Natur und die göttliche Person angenommen hat. Die hypostatische Vereinigung der menschlichen Natur Christi mit der göttlichen Person, mit dem LOGOS, erfolgte im Augenblick der Empfängnis. Von dem Moment an, da der LOGOS begann, ein Mensch zu werden, ist er auch Gott, und von diesem Moment an ist er auch König. Sein Königtum ruht auf seiner Gottheit.

Die hypostatische Union wurde niemals unterbrochen. Auch im Tode war Jesus mit der Gottheit vereinigt. Die Verbindung von Leib und Seele hat sich gelöst, aber die Gottheit war mit beiden Teilen, mit dem Leibe und mit der Seele. Die hypostatische Union wird auch nie aufhören. Sie hält auch im Himmel an, und deswegen ist das Königtum des Jesus von Nazareth ein ewiges Königtum. Was bedeutet dann die Erhöhung? Nun, sie bedeutet das Offenbarwerden des Königtums Jesu vor aller Welt. Da kam heraus, was immer schon in ihm war. Da hat sich der himmlische Vater vor aller Welt zum Königtum seines Sohnes bekannt. Da hat er ihm einen Namen gegeben, der über allen Namen ist. Ohne Auferweckung und Himmelfahrt würde Jesus als ein Gescheiterter dastehen, als ein gerichteter Verbrecher, als ein ohnmächtiger Wanderprediger. Erst die Auferstehung und die Himmelfahrt, also die Erhöhung, macht deutlich, wer er wirklich ist: Der Gottgesandte, der Anführer des Lebens, der HERR, vor dem jedes Knie sich beugen muss.

Dass auch der Apostel Paulus das Königtum Jesu in seiner Verbindung einer menschlichen Natur mit dem göttlichen LOGOS festmacht, das ergibt sich aus seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth. Da schreibt er: „Wenn sie“, er meint die Henker Jesu, „wenn sie die verborgene Weisheit Gottes erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.“ Also wen haben die Henker gekreuzigt? Den Herrn der Herrlichkeit! Jesus war immer schon der König, auch als seine Feinde ihn dem Tode überlieferten. Dasselbe ergibt sich aus dem Briefe an die Philipper, wo Paulus schreibt: „Der Herr Jesus Christus befand sich in Knechtsgestalt, aber er hat sich der Knechtsgestalt entäußert, ward im Äußeren erfunden wie ein Mensch. Und hat sich erniedrigt, bis zum Tode, ja – bis zum Tode am Kreuz.“ Für das Königtum Jesu liegt auch sein Selbstzeugnis vor, wir haben es eben gehört. Der Prokurator Pontius Pilatus fragte ihn: „Du bist also ein König?“ Da gab er die Antwort: „Du sagst es, ich bin ein König!“ Christus ist freilich ein König anderer Art, als die Herrscher dieser Erde. Die gebieten kurze Zeit über ein begrenztes Gebiet. Seine Königsgewalt umfasst sie gesamte Schöpfung. „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden!“ Ein Wort, das den ungläubigen Exegeten nicht passt. „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden!“ Christus ist kein Herrscher über ein territorial begrenztes Gebiet. Er ist der Herr über alles. Und infolgedessen schreibt der Apokalyptiker Johannes: „Christus ist der Gebieter der Könige der Erde. Er ist der König der Könige und der Herr der Herrscher!“

Die Kirche bekennt sich in ihren Glaubensbekenntnissen zum Königtum Jesu. Im apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es: „Er sitzet zur Rechen Gottes, des allmächtigen Vaters, von dannen er kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten.“ Die Rechte, das ist ein Bild natürlich, die Rechte ist der Ehrenplatz. Die Rechte ist die Teilhabe am Throne Gottes. Und das nicänisch-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis verkündigt die ewige Dauer dieser Herrschaft: „Und seines Reiches wird kein Ende sein.“

Wir wollen heute, meine lieben Freunde, am Feste des Königtums Jesu, bei der Erhöhung Christi verweilen und fragen: Welche Bedeutung hat die Erhöhung für Weg und Werk Christi? Nun erstens: Mit der Erhöhung hat Jesus den Gipfel seines Aufstieges erreicht. Er ist erhöht zum Himmel, um einst wiederzukommen, sein Werk zu vollenden. Bis dahin wird er in der himmlischen Herrlichkeit aufbewahrt. Erfüllt ist, was der Sohn Mariens vor dem Hohen Rat verhieß: „Ich sage euch, ihr werdet den Menschensohn sitzen sehen zur Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels.“ Einer hat ihn schon gesehen: Stephanus! Als er zu Tode gesteinigt wurde, da sah er den Himmel offen und Christus stehend zur Rechten Gottes. Warum denn stehend? Weil er sich aufmacht, seinen Bekenner, seinen Märtyrer zu sich zu nehmen. Da steht er auf – alles bildlich gesprochen selbstverständlich. Aber dieses Bild, diese Bilder haben einen Hintergrund, einen realen Hintergrund. Jesus, der Arme, der Demütige, der Zerschlagene, der Blutverkrustete, ist dem Leid entnommen, dem Schmerz entronnen. Ihn kann niemand mehr bedrohen. Ihn kann niemand mehr zu Tode hetzen. Er lebt in ungefährdeter Sicherheit, in seliger Geborgenheit, in himmlischer Freude. Der große Ausgleich ist da. Geschaffen durch Gottes Macht, gewirkt durch Gottes Gerechtigkeit. Der Sohn hat seinen Auftrag vollendet. Er ist heimgekehrt ins Vaterhaus. Erfüllt ist, was der Engel Gabriel verkündete: „Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird herrschen über das Haus Jakob in Ewigkeit, und seines Reiches wird kein Ende sein.“ Ach was! Er hat ihm noch viel mehr gegeben als den Thron des Vaters David. Er hat ihn gesetzt auf einen Thron, der über das ganze Weltall herrscht.

Zweites: In der Erhöhung vollzieht sich die Machtergreifung des Auferstandenen. Gott hat ihm einen Namen gegeben, der über allen Namen ist, den Namen Kyrios, HERR. Er hat ihm damit überragende Autorität verliehen. Vor ihm müssen sich nun alle niederwerfen: Engel, Menschen, Unterirdische. Es hat sich erfüllt die Verheißung des Psalms 109: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde dir zum Schemel deiner Füße setze.“ Wer sind die Feinde, die Gott ihm zu Füßen legt? Es sind die Höllenmächte! Wann werden sie zu Füßen gelegt? Endgültig und für immer am Ende der Tage. Aber der Anfang ist gemacht. Die Höllenmächte müssen den Stärkeren weichen. Sie können keinen Menschen mehr zwingen. Sie vermögen keinen Menschen unter ihre Macht zu beugen, es sei denn, er liefere sich ihnen selbst aus. Der volle Triumph ist der Endzeit vorbehalten. Dann wird sich erfüllen, was der Apokalyptiker Johannes schreibt: „Alle werden ihn sehen. Auch die, die ihn durchbohrt haben!“ Der Kyrios hat jetzt schon alle Gewalt im Himmel und auf Erden, auch wenn sie den Menschen in ihrer Verblendung nicht sichtbar ist. Sein Königtum ist universal, umfasst Recht und Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Sie alle sollen sich ihm unterwerfen, auch wenn sie es nicht tun. Gott lässt ihnen noch die Freiheit. Er gibt ihnen noch die Zeit, sich zu bekehren. Aber unterworfen ist ihm alles! Er ist auch der König der Kirche. Er führt seine Kirche durch alle Fährnisse und Dunkelheiten, bis zum Ende dieser Weltzeit. In der Kirche setzt er sein Wirken fort. Wir, meine lieben Freunde, sind seine Werkzeuge. An uns liegt es, wie weit er kommt auf dieser Erde. Die Christenheit war stets vom Königtum Christi überzeugt. Schon zu Beginn des 2. Jahrhunderts ist eine christliche Interpolation, eine Einfügung, in den 95. Psalm nachweisbar: Dominus regnavit a ligno. Der Herr regiert vom Holze. Damit ist natürlich das Kreuz gemeint. Am Kreuze hat der Herr seine Herrschaft angetreten, denn da hat er sich durch sein Blut eine ganze Menschheit erworben. Der vom Holze herrschende Herr ist Christus, der König. Die Christenheit hat daran nie gezweifelt. Christus ist nicht ein unverbindlicher Weisheitslehrer. Er ist nicht ein harmloser Wanderprediger, er ist der HERR, und als solcher ist er Gesetzgeber, Verwalter und Richter.

Drittens: Mit der Erhöhung hat die Kirche ihren Fürsprecher im Himmel erhalten. Jawohl – Christus ist unser Anwalt vor dem himmlischen Vater. Zu seiner Rechten, also an seinem Ehrenplatz, da steht er, da sitzt er, um für uns einzutreten und für uns Fürbitte einzulegen. Denn, wiederum bildlich gesprochen, zur Linken steht ein anderer: Der Satan, der Widersacher Christi. Er will uns vor Gott verklagen. Doch Christus aber ist mächtiger als der Satan. „Wer will uns verdammen?“, fragt der Apostel Paulus im Römerbrief. „Wer will uns verdammen? Christus ist es, der für uns eintritt!“ So hatte Jesus einst dem Nikodemus verheißen: „Der Menschensohn muß erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe.“

„Ich werde“, sagt er selbst am Ende seines öffentlichen Wirkens, „wenn ich von der Erde erhöht bin, alle zu mir ziehen!“ Nun ist er erhöht. Nun zieht er alle an sich. Nun schenkt er allen Gnade um Gnade, Erlösung, Befreiung von der Schuld, sieghafte Tugend. Nun schenkt er allen das ewige Leben, die an ihn glauben.

In der Zeit der Apostel baute eine hellenistische Kultgenossenschaft, also eine heidnische Sekte, in Rom eine unterirdische Basilika. Das Apsisbild stellt Sappho da. Sie wissen, wer Sappho ist. Das ist die Frau von der Insel Lesbos, wovon die lesbische Liebe herkommt. Bald bauen die Christengemeinden ihre Katakomben und Kirchen und statten sie mit einem anderen Bilde aus, nämlich mit dem Bilde Christi, des Allherrschers. Im Thronsaal seines Palastes nimmt der Kaiser die Huldigung seiner Völker entgegen. In seiner Basilika aber thront Christus, und in himmlischer Majestät grüßt er seine Gläubigen. Die kaiserlichen Triumphbögen verherrlichen die Siege der Kaiser auf den Schlachtfeldern. Die Triumphbögen in den Basiliken der christlichen Kirche feiern die Proskynesis, das Sich-Niederwerfen der Himmelswesen vor dem Allherrscher, vor dem Pantokrator, vor dem Kyrios Jesus Christus. Er ist der Gott, der göttliche Menschensohn. Ich bin der Erste und der Letzte, so spricht er in der Apokalypse, und der Lebendige. Ich war tot und siehe, ich bin lebendig in alle Ewigkeit und halte die Schlüssel des Todes und der Unterwelt in meiner Hand. Er hat den Satan vom Gottesthron, den Drachen aus der Himmelswelt verdrängt. Ihm bringt die Kirche ihre Hymnen dar, wenn auch verfolgt von dem verstoßenen Drachen, und dennoch von einer ungeheuren Last befreit. Nun ist geworden das Heil und die Kraft und die Herrschaft unseres Gottes und die Gewalt seines Gesalbten, denn gestürzt ist der Ankläger unserer Brüder, der sie verklagt hat vor Gott, Tag und Nacht. Sie haben ihn besiegt um des Blutes des Lammes willen. Ostern und Himmelfahrt, meine lieben Freunde, stehen in einem untrennbarem Zusammenhang. Sie sind die Proklamation der Erhöhung Christi.

In der Pfarrgemeinde meiner Heimat war eine Christkönigskirche. Der Erbauer der Kirche hatte auf dem Altar ein Kreuz aufgestellt. Ein nachfolgender Pfarrer ersetzte das Kreuz durch eine Auferstehungsstatue. Das eine ist so richtig wie das andere. Der Gekreuzigte ist der Auferstandene. Und der Gekreuzigte ist König genauso wie der Auferstandene und in die Herrlichkeit des Himmels Aufgenommen. Auf einem Kirchenfenster in meiner Heimatkirche, auf einem Kirchenfenster, stand das wunderbare Wort:

Christ ist erstanden, wahrhaft vom Tod,

du Sieger, du König, sieh’ unsere Not.

Amen. Alleluja.

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