Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
10. Juni 2012

Die siegreiche Gnade Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Evangelium des heutigen Sonntags wird uns der Ruf Gottes und die Antwort der Menschen vor Augen geführt. Jesus gebraucht ein Bild: Ein König hält ein großes Gastmahl. Er lädt Viele dazu ein. Aber die Eingeladenen wollen nicht kommen. Alle, das ist das Merkwürdige, alle – wollen nicht kommen. Jeder tut, als könne er nicht kommen. Als wäre er ja bereit, mit bestem Willen, die Einladung anzunehmen, aber – er ist verhindert. Der Herr durchschaut sie. Er weiß, wer seine Einladung bejaht und wer sie ablehnt. Ohne Bild gesprochen: Gott weiß von Ewigkeit her, wer selig werden und wer verloren gehen wird. Es ist eine allgemeine Erscheinung, die wir an den Menschen, aber auch an uns, beobachten können, wenn eine Leistung verlangt, eine Aufgabe gestellt, eine Anforderung ergeht, dann sagen die Menschen: ich kann nicht. In Wirklichkeit müssten sie sagen: ich will nicht! Diese Beobachtung gilt allgemein. Die Menschen reden sich heraus, als ob sie nicht können, während sie in Wirklichkeit das Nichtwollen zugeben müssten. Die Gebote Gottes sind eine solche Beanspruchung. Sie stellen an uns große Anforderungen, aber es ist nicht unmöglich zu erfüllen. Es ist falsch, wenn Menschen sagen: Gott verlangt zu viel. Mir sagte einmal ein Priesterkandidat, die Kirche überfordert die Priester. Da bin ich ganz anderer Meinung. Die Kirche fordert viel von den Priestern gewiß, aber sie vermittelt auch die Kraft, diesen Forderungen nachzukommen. Und so ist es auch bei den Anforderungen Gottes. Sie stellen an uns hohe Ansprüche, aber es ist möglich, sie mit der Kraft Gottes, mit der Gnade Gottes, zu erfüllen. Es ist ein Dogma des katholischen Glaubens: Gott gibt jedem Menschen hinreichende Gnaden, das ewige Ziel zu erreichen. Gott gibt jedem Menschen hinreichende Gnaden, das ewige Ziel zu erreichen. Es gilt also das Wort: Du kannst, wenn Du willst, Du kannst, weil Du musst.

Die Gnadenführungen Gottes können wir im Leben der Menschen – auch in unserem eigenen Leben – immer wieder beobachten. Manchmal ist die Gnade von einer dramatischen Wucht. Es gibt Bekehrungserlebnisse, die nicht anders erklärt werden können als durch das sieghafte Eingreifen der Gnade Gottes.

Sie kennen alle den polnischen Komponisten Chopin. Er hat sein Leben in liederlicher Weise geführt. In Salons, in den besten Salons, war er zu Hause, verwöhnt von seinen Verehrern, aber ohne Gottesglauben und ohne Gehorsam gegen seine Gebote. Er zog sich früh eine tödliche Krankheit zu: Tuberkulose. Damals unheilbar. Wenige Tage vor seinem Tode besuchte ihn ein geistlicher Freund und erinnerte ihn daran, dass dies der Namenstag seines verstorbenen Bruders sei, der auch Chopin gut bekannt war. Er merkte, wie Chopin davon berührt war und fragte ihn: willst Du mir nicht ein Geschenk machen zum Namenstag meines Bruders? Chopin antworte: ich gebe Dir, was Du willst. Dann gib mir Deine Seele. Ich gebe sie Dir. Nimm sie. Der Freund drückte ihm ein Kreuz in die Hand und fragte ihn: glaubst Du? „Ich glaube!“ „Wie Deine Mutter Dich es gelehrt hat?“ – „Wie die Mutter mich gelehrt hat!“ Chopin beichtete unter heißen Tränen, verlangte nach der heiligen Wegzehrung und nach der Letzten Ölung. Herzensfriede zog in seine verwundete Seele, in seine ausgezehrte Seele. „Ich bin an der Quelle des Glückes, auf Wiedersehen im Himmel.“ Und so starb er.

Ich kann Ihnen noch ein anderes Beispiel, ebenfalls ein wahres Beispiel der Bekehrung, erzählen von dem deutschen Komponisten Max Reder. Reder war ja ein gebürtiger Niederbayer, also auch katholisch erzogen. Aber er hatte seine gläubige Seele ins Böse getaucht. Es war in Amsterdam. Da saßen in einem Hotel drei Herren zusammen. Noch spät bis in die Nacht hinein. Auf einmal stürmte, mitten in der Nacht, Max Reder in das Hotel. Er fragte den einen, ob er katholischer Priester sei. Dieser bejahte. Dann bat er ihn an einen Nebentisch und da enthüllte er ihm seine Todesahnungen, die mit furchtbarer Wucht auf ihm lägen. Er müsse noch in dieser Nacht mit dem Himmel abrechnen und er bat, eine Lebensbeichte ablegen zu dürfen. Auf dem Zimmer des Priesters fiel er ihm zu Füßen und sagte: Ich fühle den Tod in meinen Adern und will mich mit meinem Schöpfer aussöhnen. Er möge ihm eine Lebensbeichte abnehmen, denn er habe seit seiner Jugend nicht mehr gebeichtet. Es geschah und Reger machte seine Rechnung mit Gott. Am nächsten Morgen traf er den Priester. „Hochwürden – ach nein,“  sagte er,  „ich nenne Sie fortan meinen besten Freund, denn Sie haben mich gerettet! Ich sterbe bald, aber ich bin glücklich und ruhig. Ich habe nichts mehr auf dem Gewissen.“  Das war am 23. März. Am 11. Mai 1916 starb Reger. Das sind Erlebnisse, welche die siegreiche Gnade im Leben der Menschen zeigen. Ich könnte noch manche Beispiele anführen, zum Beispiel von Manzoni. Manzoni war ein radikaler italienischer Dichter. Als er einmal in Paris an der Kirche St. Rochus vorbeikam, hörte er Orgelspiel. Er trat ein in die Kirche und da überfiel ihn ein unerklärliches Gefühl und er sprach die Worte: „!Gott, wenn du bist, so offenbare dich mir.“ Von dieser Stunde an fand er den Glauben wieder. Im letzten Kriege war ein Soldat zerschossen und wimmerte seinem Ende entgegen. Er bat den Feldgeistlichen, er möge seinen Eltern einen Zettel übergeben. Da, auf diesem Zettel stand geschrieben: „Ich habe hier draußen im Feld meinen Herrn und Erlöser wiedergefunden.“

Solche Gnadenstunden, meine lieben Freunde,  können sich auch in unserem Leben ereignen. Wir alle wissen, dass der Strahl der Gnade bei bestimmten Gelegenheiten treffen kann, vor allem in Stunden der Niederlage. Niederlagen können einen Menschen mehr belehren als Siege. Beschämungen sind häufig der Anlass, dass wir zu Gott finden, dass wir zu Gott zurückfinden. Es gibt Gnadenstunden. Und diese Gnadenstunden müssen wir nutzen. „Time Jesum Transeuntum“. Fürchte Jesus, wenn er vorübergeht. Fürchte dich, dass du ihn vorübergehen lässt, ohne dich an ihn zu klammern. „Wir sind alle Bettler Gottes“, schreibt einmal der hl. Augustinus, und deswegen braucht sich niemand zu scheuen, Gott um Kraft zu bitten. Er ist reich für alle, die ihn anrufen. Die Gnade ist mächtig, sie kann im Nu einen Menschen bekehren, aber sie verlangt das treue Mitwirken. „Der dich ohne dich erschaffen hat, will dich ohne dich nicht erlösen“, schreibt der hl. Augustinus. Der dich ohne dich erschaffen hat, will dich nicht erlösen ohne dich. Niemand erreicht das ewige Ziel ohne seinen guten Willen. Umgekehrt: niemand wird verdammt ohne seinen bösen Willen. Die Liebe Gottes zu uns schwachen Menschen ist sichtbar geworden in dem Heiland, dem Heiland der Sünder. Beim letzten Gericht wird jeder, der Gerettete wie der Verlorene, erkennen, dass nicht der Wille Gottes, sondern das Nichtwollen der Menschen die Hölle bevölkert. „Wie oft habe ich gewollt, du aber hast nicht gewollt.“

In der jüngsten Zeit, meine lieben Freunde, wird von katholischen Theologen, katholischen Theologen, gesagt: Diese Worte des Herren, die dutzendfach im Evangelium stehen, seien so gemeint, dass er die Mensch nur erschrecken will. Verdammt wird niemand. Ja, meine lieben Freunde, wie kann denn der Herr schrecken, wenn niemand verdammt wird? Wenn man diese Absicht Jesu durchschaut, dann ist ja der Schrecken aufgelöst, dann ist ja der Schrecken verschwunden.  Schrecken kann doch die Hölle nur, wenn sie wirklich ist, d. h. wenn es Verdammte gibt. Wie kann man einen solchen Unsinn reden als katholischer Theologe.

Der große Zuchthausseelsorger Arthofer, der ein ergreifendes Buch geschrieben hat mit dem Titel „Zuchthaus“, berichtet einmal, wie in seinem Zuchthaus ein Mann starb, der drei Morde begangen hatte. Lange Jahre hatte er gebüßt. Fast immer schwieg er. Keinem schenkte er Vertrauen. Die Religion schien er zu hassen. Seine Augen waren Mörderaugen. Aber als er drei Tage lang mit dem Tode rang, da drang der Gnadenblick Gottes auch in diese Seele. Er bat um die Sterbesakramente und entschlief im Frieden. Die Beamten des Zuchthauses machten den Seelsorger darauf aufmerksam, dass der Verstorbene seinen unheimlichen Blick von dem Augenblick verloren hatte, wo er die Sakramente empfangen hatte. Sie sahen ihn zum ersten Mal freundlich lächeln. Ein verfehltes, ein verunglücktes Leben, leere Hände vor dem Richterstuhl Gottes und dennoch Barmherzigkeit in den Händen aus dem unendlichen Erlöserverdienst Jesu Christi.

Es gibt Menschen, die darüber nachgrübeln, ob sie gerettet werden oder ob sie verloren gehen. Diesen Menschen kann man helfen. Man braucht sie nur auf das Kennzeichen zu verweisen, das der barmherzige Gott gegeben hat, um die Auserwählung beurteilen zu können, nämlich: Wo ein guter, wo ein ehrlicher, wo ein aufrichtiger, wo ein bester Wille ist, da ist auch begründete Hoffnung auf das Heil. Wo Früchte, Früchte des Lebens sind, Friede, Heil und all die anderen, die Paulus in seinem Galaterbrief aufführt, da können wir gewiss sein: wir werden nicht verloren gehen. Die Früchte des Baumes, die gut sind, werden uns die Rettung bringen, denn wo Früchte sind, da ist auch Lebenskraft. Wo irgend etwas Gutes im Menschen ist, da hat die Gnade ihr Werk getan und wird dieses Werk auch vollenden. Wir beten in diesen Tagen mit der Kirche: „Gott, du Kraft derer, die auf dich hoffen, sei unserem Flehen gnädig. Und weil ohne dich die menschliche Schwäche nichts vermag, gewähre die Hilfe deiner Gnade, damit wir in der Befolgung deiner Gebote dir durch den Willen und durch die Tat gefallen.“

Amen.

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