Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. Mai 2010

Das Verhältnis des Heiligen Geistes zur Offenbarung Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Herabkunft des Heiligen Geistes Versammelte!

Den Sohn kennen wir aus dem Evangelium. Vom Vater hören wir durch den Sohn. Aber der Heilige Geist ist für uns schwer zu fassen und vorzustellen. Schon was Geist überhaupt ist, fällt uns schwer zu begreifen. Und nun ist ja der Heilige Geist auch in den Büchern des Neuen Testamentes nicht gerade im Vordergrund, eher im Hintergrund. Wir wissen, er ist die dritte göttliche Person, er ist die Gabe des Auferstandenen, er ist das Geschenk des in den Himmel Erhöhten. Wenn wir also auch das Wesen des Heiligen Geistes schwer begreifen können, so vermögen wir uns doch aufgrund seines Wirkens eine Vorstellung zu machen. Wir lesen im 1. Buch der Heiligen Schrift, in der Genesis: „Der Geist Gottes schwebte über den Wassern.“ Die Kraft, die schöpferische Kraft Gottes ist damit gemeint, die freilich eine Person ist,  die schöpferische Kraft, die das Chaos gestaltet.

Gottes Geist belebt alles und bewegt alles. Es gibt einen wunderbaren Psalm, in dem es heißt: „Du schickst deinen Lebensodem aus, und alles wird lebendig, und wenn du ihn zurückziehst, dann fallen die Geschöpfe in den Staub. Sendest du deinen Geist aus, so wird alles neu geschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde.“ Der Heilige Geist ist auch eine heilsgeschichtliche Kraft. Er erfaßt die Propheten im Alten Bunde, er erweckt charismatische Führer für das Gottesvolk Israel, er ist die Gabe des kommenden Messiaskönigs. „Siehe meinen Knecht, ich lege meinen Geist auf ihn.“ Der Heilige Geist ist die bewegende Kraft im alttestamentlichen Gottesvolkes. Der Heilige Geist schafft ein neues Herz. Er ist auch die versittlichende Kraft, wie es im 50. Psalm heißt: „Erschaffe mir, o Herr, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist.“ Der Heilige Geist ist eine umgestaltende Kraft.

Das Neue Testament knüpft in seinem Verständnis an das Alte Testament an. Die Zeugen des Pfingstereignisses meinten, die Männer, die da in erregter geistlicher Sprache zu ihnen redeten, seien betrunken. „Unmöglich“, sagt der Apostel Petrus, „es ist erst 9 Uhr früh, und um 9 Uhr früh ist man nicht betrunken, sondern was hier geschieht, das ist die Erfüllung des Wortes des Propheten Joel: ,Am Ende der Tage will ich meinen Geist ausgießen auf alles Fleisch.’“

Der Geist ist es, der an Pfingsten über die Apostel gekommen ist, der Geist, das österliche Geschenk des Heilandes, die Gabe des Erlösers, dir Frucht der Erlösung. Der heilige Johannes berichtet, wie am Ostertage der Herr seinen Jüngern den Heiligen Geist verleiht: „Empfanget Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen.“ Der Evangelist Lukas schildert ausführlich den Pfingsttag, die Herabkunft des Heiligen Geistes. Unter gewaltigen Zeichen wie einem brausenden Wind, wie Feuerflammen, die sich auf den Jüngern niederließen.

Wie verhält sich nun die Offenbarung des Heiligen Geistes zu der Offenbarung des Sohnes? Überbietet er diese Offenbarung, bringt er neue Inhalte, oder stellt er die Bedeutung des Sohnes heraus? Diese Frage ist von erheblichem Gewicht für unser Verständnis des Wirkens des Heiligen Geistes. Es gibt nämlich Strömungen, die den Heiligen Geist vom Sohne lösen wollen. Die Montanisten des 2. Jahrhunderts, eine Sekte, die sich von der Kirche gelöst hatte, verkündeten ein drittes Reich des Heiligen Geistes, das das Gottesreich des Sohnes überbieten sollte. Und der Presbyter Gaius in Rom ging so weit, dass er das Evangelium nach Johannes aus den kanonischen Schriften ausscheiden wollte. Im Mittelalter gab es einen Abt, Joachim von Fiore in Kalabrien. Dieser Abt erwartete ein Reich des Heiligen Geistes, und seine Gedanken wurden übernommen von den Franziskaner-Spiritualen. Sie meinten, das Reich des Geistes sei schon gekommen, nämlich in der Franziskanischen Bewegung. Und was das Fatale war: Sie lehnten die sichtbare Kirche ab. Sie verkündeten eine unsichtbare Kirche ohne Priestertum, ohne Sakramente, ohne Klerus.

Diese Strömungen sind nicht vergangen. Es gibt bis in die Gegenwart Theologen, verirrte Theologen, die davon sprechen, dass der Christomonismus, also die einzigartige Stellung Christi, überwunden werden muss. In der Existentialtheologie heißt es, das Kerygma bedürfe nicht mehr des historischen Jesus, es komme allein auf die innere Betroffenheit an, nicht auf eine Wahrheit, die sich vom historischen Jesus herleiten läßt. Man will Jesus und seine Menschwerdung und seinen Kreuzestod aus der Mitte der Theologie entfernen.

Dagegen erhebt das ganze Neue Testament Einspruch. Der Apostel Paulus erarbeitet Kriterien, Unterscheidungsmerkmale, um das Wirken des Geistes beurteilen zu können. Er gibt zu: Es gibt Gnadengaben: die Zungenrede, also das unverständliche geistige Sprechen, es gibt die Gnadengabe des Prophezeiens, es gibt die Gnadengabe des Führens, und die Korinther waren ja stolz auf diese Gnadengaben. Aber der Apostel Paulus weist sie darauf hin, dass nur die Gnadengaben aus Gott stammen, die zur Erbauung der Kirche dienen, die zum Nutzen für die Gemeinde sind, die der Verständigkeit des Christuszeugnisses angepaßt sind. Er weist darauf hin, dass nicht Paulus, nicht Apollo, nicht Petrus gekreuzigt worden sind, sondern Christus. Er weist im Namen des Herrn den Unzuchtsünder in Korinth zurecht. Er weist auf den Herrn hin, als er von der Scheidungsfrage spricht: „Nicht ich, sondern den Verheirateten gebietet der Herr, dass die Frau sich vom Manne nicht trennen darf, und wenn sie getrennt ist, dann muss sie ehelos bleiben und sich versöhnen.“ Vor allem in den maßgebenden Inhalten des Glaubens kommt er auf den Herrn zu sprechen, in der Eucharistie: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe.“ Und als er von der Auferstehung spricht, da erklärt er: „Ich habe empfangen, was ich euch überliefert habe.“ Also das Christusereignis ist die Mitte der Heilsgeschichte. Zentral ist die Menschwerdung, ist das Kreuzesopfer des Heilandes.

In diese selbe Richtung weist der Apostel Johannes. Für ihn ist das entscheidende Kriterium für die Echtheit des Geistes die Anerkennung der Menschwerdung Christi. Ist das nicht selbstverständlich? O nein! Es gab damals Häretiker, Irrlehrer, Gnostiker genannt, die nur den in den Himmel erhöhten Christus kennen wollten. Sie sprachen immer nur von dem präexistenten und erhöhten Logos, nicht von dem fleischgewordenen Logos. Dagegen betont Johannes: Man muss den gesamten Christus festhalten, den Christus vor der Menschwerdung und den Christus, der Mensch geworden ist. Und so mahnt er: „Traut nicht jedem Geiste, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind, denn viele falsche Propheten sind ausgezogen. Daran erkennt man den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleische gekommen ist, ist aus Gott, und jeder, der nicht bekennt, dass Christus im Fleische gekommen ist, ist nicht aus Gott.“ Also die Menschwerdung des Logos ist das entscheidende Kriterium für die Echtheit eines Geistes, der aus den Menschen zu sprechen vorgibt.

Dieses Kriterium ist heute so aktuell wie gestern, meine lieben Freunde. In einer beispiellosen Verwirrung werden heute die verschiedenen Religionen nebeneinander gestellt, als ob sie alle von Gott gewollt wären und zum Heile führen könnten. Da steht der Islam neben dem Buddhismus, das setzt man den Lamaismus neben den Shintoismus. Das ist alles fremd, exotisch, interessant. Aber alle diese Religionen stehen im Vorraum der Erlösung, sie sind Erwartungshaltungen von Menschen. Sie haben keinen göttlichen Ursprung. Allein das Christentum stammt von Gott, und Gott ist ein Mensch geworden in Jesus von Nazareth. „Auf ihn sollt ihr hören!“

Damit ist aber auch gleich die zweite Gefahr angesprochen, nämlich heute besteht nicht die Gefahr, dass man in Jesus allein ein göttliches Wesen sieht. Nein, heute besteht die Gefahr, in ihm einen bloßen Menschen zu erblicken. Die Häretiker von Tübingen bis Münster entkleiden Jesus seiner göttlichen Würde. Sie reißen ihm den Königsmantel der Gottesherrlichkeit von den Schultern. Sie lösen Christus auf. Damit verraten sie, dass der Geist Gottes nicht in ihnen wirksam ist, denn wie erklärt der Apostel Johannes: „Jeder Geist, der Christus auflöst, ist nicht aus Gott.“ Wer löst ihn auf? Wer Jesus neben Mohammed stellt, wer das Heil aus dem Nirwana schöpfen möchte, wer den Dalai Lama als einen Ersatzmessias aufbaut, wer nicht bekennt: „Dieser Jesus, den ihr gekreuzigt habt, ist von Gott zum Herrn und Messias gemacht worden. In keinem anderen ist Heil.“

Der Geist ist nur echt, wenn er die zentrale Bedeutung der Menschwerdung und des Kreuzestodes Christi aufschließt. Der Geist ist nur echt, wenn er die Absolutheit und Einzigartigkeit des Christusereignisses wahrt. Der Geist ist nur echt, wenn er den irdischen Jesus und den himmlischen Logos als identisch ansieht. Der Geist ist nur echt, wenn er Christus offenbart. Denn der Geist verherrlicht Christus. Der Geist zeigt uns Christus, wie er wirklich ist.

Auch der Evangelist Lukas hat uns ein Kriterium für den Geistbesitz aufbewahrt. Er schildert uns, wie die Jünger zur Zeit des irdischen Wirkens Jesu unverständig waren. Sie stellten sich das Reich Gottes weltlich-politisch vor. Sie hatten auch ein partikularistisches Verständnis von der Sendung Jesu. Sie meinten, Jesus sei nur zu den Juden gesandt. Wegen dieses Unverständnisses von Person und Werk Jesu wäre es fatal gewesen, wenn sie sofort nach der Auferstehung Jesu mit der Verkündigung begonnen hätten. Warum? Ja, weil sie noch mit den Scheuklappen ihres Unverständnisses behaftet waren, weil der Geist sie noch nicht befreit hatte. Es mußte erst die Kraft aus der Höhe kommen, bis sie erkannten, dass das Reich Gottes nicht von dieser Welt ist und dass sie gesandt sind in die ganze Welt, von Judäa bis nach Galiläa und in alle Enden der Erde. Der Geist hat ihnen die Augen geöffnet. Das ist ein Zeichen dafür: Zeuge für Christus kann man nur sein, wenn man im Besitz des Geistes ist, wenn man vom Geist erfüllt ist, wenn man sich vom Geiste treiben läßt.

Der Heilige Geist hat die ganze junge Kirche bewegt. Er hat dem Petrus eingegeben, Zeugnis abzulegen für Christus am Pfingsttage und vor dem Hohen Rate. „Erfüllt vom Geiste“, heißt es in der Apostelgeschichte, „erfüllt vom Geiste.“ Stephanus, der Erstlingsmartyrer, war voll des Glaubens und des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist veranlaßt die Taufe des Äthiopiers. Der Heilige Geist spricht sich dafür aus, den Hauptmann Cornelius zu taufen, obwohl er nicht beschnitten ist. Der Heilige Geist veranlaßt, dass Saulus und Barnabas ausgesondert werden zur Verkündigung und zur Missionierung.

Der Geist, meine lieben Freunde, ist der Kirche nicht abhanden gekommen. Der Geist ist auch heute die Kraft der Kirche. Was in der Kirche überhaupt belebt ist, das stammt vom Heiligen Geist. Er läßt auch die Kirche, die Führer der Kirche erkennen, was zu tun ist, was dringlich ist. Der Heilige Geist ist allerdings ein anspruchsvoller Gott. Sein Wirken ist an eine Bedingung gebunden: Die Menschen müssen auf das hören, was der Geist ihnen zuspricht. Sie müssen sich seiner Leitung unterwerfen. Das war in München gewiß nicht der Fall! Mir sagte einmal ein Nachbar: „Herr May, Sie müssen mit der Zeit gehen.“ O ja, das tun die meisten Menschen: mit der Zeit gehen. Wir wissen, was das bedeutet: die Kinder antiautoritär erziehen. Die Kinder können machen, was sie wollen. Gehorsam, Respekt, das brauchen sie nicht zu beweisen. Mit der Zeit gehen, was heißt das? Mir sagte einmal eine Frau: „Heute geht doch niemand mehr in die Kirche.“ Sie gehen mit der Zeit. Heute ist es zeitgemäß, sich geschlechtlich auszuliefern, den Schulmädchen die Pille in die Schultasche zu packen. Das ist zeitgemäß. Man muss mit der Zeit gehen. Das heißt politisch: gestern dem Hitler zujubeln, heute den Parlamentarismus zum Dogma erheben. Es ist leider so, dass die meisten Menschen dem Zeitgeist nachlaufen. Sie wollen sich nicht isolieren, sie wollen modern, sie wollen fortschrittlich sein. Auch Christen erliegen diesem unseligen Trend; sie wollen nicht konservativ sein. Ich behaupte, der Heilige Geist ist konservativ, denn wir haben es eben im Evangelium gehört: „Er wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Ja, das ist konservativ! Konservativ sein heißt nicht an dem hängen, was gestern war, sondern aus dem leben, was immer bleibt. Konservativ sein heißt auch nicht Asche bewahren, sondern ein Feuer am Brennen erhalten.

Der Heilige Geist wird nicht dulden, dass die ganze Kirche dem Rausch der Mode verfällt. Er wir dafür sorgen, dass lebendig bleibt, was hilfreich ist. Was die Menschen brauchen, ist gerade das Unzeitgemäße, das, was beiseite geschoben wird, weil es unbequem ist. Sie brauchen das, was sie vergessen haben, was aber nicht vergessen werden darf. Was die Menschen brauchen, ist das zeitlos Wahre, das immer Gültige, das ewig Bestehende. Sie brauchen den Geist, der in die Wahrheit einführt und in der Wahrheit erhält. Sie brauchen den Geist, der sie vor dem Ungeist der Welt bewahrt. Sie brauchen den Geist, der sie die Unterscheidung der Geister lehrt. Der heilige Apostel Johannes mahnt: „Geliebte, glaubet nicht jedem Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind.“

Amen.

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