Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. Juni 2008

Die Kirche – Grundfeste der Wahrheit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Volksmund sagt: Undank ist der Lohn, den man für gute Taten bezieht. Das hat sich im Leben unseres Heilandes deutlich gezeigt. Wohltaten spendend ging er durch die Lande, und wie hat das Volk, wie haben die Führer des Volkes seine Heilandsliebe vergolten? Indem sie ihn ans Kreuz schlugen.

Ähnlich geschieht es auch dem fortlebenden Christus, seiner Kirche; Verachtung, Hohn und Spott trifft sie. Das Strahlende ihrer Gestalt, ihre Leistungen werden unterschlagen, aber die Flecken und Makel, die ihre Glieder ihr zugefügt haben, werden unaufhörlich den Menschen unterbreitet; vor allem der Jugend weiß man manches Wahre und vieles Unwahre über die Kirche zu erzählen. Leicht ist die Jugend zur Geringschätzung zu verführen, schwer aber zur rechten Würdigung und zu einer Verehrung für das Große, von dem sie so wenig Kenntnis besitzt. Was nützt es, meine Freunde, wenn wir immer tiefer eindringen in die Geheimnisse der Natur, wenn wir immer schärfer die Ereignisse der Geschichte durchschauen? Was nützt es, wenn wir die Gesetze des Weltenbaues ergründen und zum Nutzen der irdischen Wohlfahrt verwenden, wenn wir aber den letzten Sinn des großen Weltenbaues und das letzte Ziel eines jeden Lebens nicht kennen? Durch Nachsinnen aus einem lauteren Herzen ist es möglich, auf diese Gegenstände seine Aufmerksamkeit zu richten und auch zu gültigen Erkenntnissen zu kommen. Aber der Mensch ist nicht nur von seinen besten Gedanken, sondern auch von seinen schlimmsten Neigungen heimgesucht. Und deswegen finden viele durch eigenes Nachdenken nicht den Sinn der Welt und das Ziel ihres Lebens. So hat Gott uns seine Offenbarung gegeben, in der er uns beides erklärt hat. Und er hat diese Offenbarung seiner Kirche anvertraut, im besonderen dem unfehlbaren Lehramt seiner Kirche anvertraut, auf dass die Wahrheit nicht zugrunde ginge. Es sollte die Wahrheit irrtumslos und unabänderlich erhalten werden.

Dieses Lehramt besteht in der Kirche seit der Aussendung der Apostel. Es ist durch die Führung des Heiligen Geistes geleitet, und dank des Beistands des Heiligen Geistes weiß es die Wahrheit der Offenbarung zu hüten und zu bewahren. Es hat deutlich genug gesprochen; es ist ihr immer treu geblieben, und es hat gewaltiges Geistesgut der Welt geschenkt. Ein Segensstrom ist von dem Lehramt der Kirche ausgegangen.

Keine Rettung, kein Halt, so haben viele Menschen geklagt, nirgends Rettung, nirgends Halt. Und so haben viele den Weg gefunden in unsere Kirche. Denken Sie nur an die beiden großen Engländer Newman und Manning, die der Papst dann zu Kardinälen erhoben hat. Sie haben Ordnung gesucht und sie in der Kirche gefunden. Sie haben nach Sicherheit gesucht, und sie haben sie in der Kirche erfunden. Sie haben nach einem Zusammenhang der Wahrheit geforscht, und sie haben ihn in der Kirche entdeckt. Was hätte es genützt, wenn Gott eine Offenbarung gegeben hätte, aber nicht dafür gesorgt hätte, dass sie irrtumslos weitergegeben würde? Das Wort Gottes hätte ja auch verfälscht werden können durch Rechthaberei, durch Verbilligung. Wenn jeder es sich selbst deuten müsste – wie der Protestantismus behauptet –, wenn jeder es sich selbst deuten müsste, dann kommt er eben zu unmöglichen Ergebnissen. Wenn Gott sein eigenes Wort retten wollte, dann gab es nur zwei Möglichkeiten: entweder dass er jeden einzelnen mit der unfehlbaren Schriftdeutung ausrüstete oder aber dass er seine Säule und Grundfeste der Wahrheit errichtete, die wir die katholische Kirche nennen.

Die Kirche erfindet die Geheimnisse Gottes nicht. Sie ist nicht die Schöpferin der Wahrheit, sondern sie fasst sie nur in begriffliche Form, ähnlich wie ein Goldschmied das Gold nicht selber erzeugt, sondern es nur nach den Gesetzen der Technik und des Handwerks bearbeitet. So ähnlich tut es die Kirche mit der Wahrheit; sie fasst sie nur, sie fasst sie in begriffliche Formen, die freilich dank des Beistandes des Heiligen Geistes unaufgebbar und richtig, wenn auch nicht erschöpfend sind. Wir wissen: Die Dogmen sind auf dem Amboß der Geschichte gehämmert worden, und diese Dogmen sind wahrhaftig in ihrer Majestät erschütternd und in ihrer Lieblichkeit verlockend. Dass es ein Dogma von Gott gibt, dem Vater im Himmel, dem Schöpfer Himmels und der Erde, das ist ja die Grundlage für jede Religion. Religion heißt nämlich Bindung, Bindung an Gott. Diese Bindung ist nur möglich, wenn wir zuvor wissen, wer Gott ist.

Im 18. Jahrhundert lebte der Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing. Er ist einer der Aufklärer. Von Lessing stammt das Wort: „Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den einzigen, immer regen Trieb nach Wahrheit, obwohl mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir: „Wähle!“ Ich fiele ihm mit Demut in seine Linke und sagte: „Vater, gib; die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein.“ Diesen inhaltsschweren Satz haben Lessing viele nachgesprochen. Die reine Wahrheit ist nur für Gott, uns Menschen ist nur der Trieb nach Wahrheit, der aber immer zum Irrtum führt, überlassen. Meine lieben Freunde, das ist eine trostlose Weltanschauung. Sie hat vor allem den Nachteil, dass sie falsch ist. Eine Suche nach Wahrheit, die stets zum Irrtum führt, ist kein Anlaß zur Hoffnung, sondern zur Verzweiflung. Eine Suche nach Wahrheit, die immer in den Irrtum führt, ist sinnlos. Man braucht sie überhaupt nicht zu beginnen. Ohne das Finden der Wahrheit ist eine Suche nach Wahrheit zwecklos.

Wir brauchen aber die Wahrheit, weil die Wahrheit ja das Abbild der Wirklichkeit ist. Ohne die Wahrheit vermögen wir die Wirklichkeit nicht zu begreifen und auch nicht zu bewältigen. Deswegen musste Gott uns Anteil an seiner Wahrheit geben. Gewiß, die reine, die vollkommene, die alles umfassende Wahrheit, das ist Gottes Sache allein, aber er hat uns Anteil daran gegeben, wir partizipieren an der Wahrheit durch die Bemühungen unseres Verstandes, durch das Suchen in der Erfahrung, durch das Nachdenken in der Spekulation, aber auch und vor allem durch die Offenbarung Gottes. Offenbarung heißt Kundmachen der Wahrheit, und diese Wahrheit hat uns Gott gegeben. Er ist ja auf Erden erschienen voll der Gnade und Wahrheit, wie wir am Schluß jeder heiligen Messe bekennen. Und diese Wahrheit hat er uns vermacht, in dieser Wahrheit will er uns erhalten. In seinem Lehramt bürgt er dafür, dass diese Wahrheit nicht zugrunde geht. Denn dieses Lehramt, meine Freunde, ruht auf einem Felsengrund; es ruht auf dem Felsengrund, der Christus selber ist. „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“ Wäre die Wahrheit nicht mehr bei uns, würde die Wahrheit endgültig zugrunde gehen, dann hätte Jesus uns verlassen, dann hätte er seine Verheißung nicht wahr gemacht. Aber nein: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“ Und noch eines hat er gesagt: „Ich werde ihn euch senden, den Geist der Wahrheit, den Tröster, der in alle Ewigkeit bei euch bleibt.“ Wenn die Wahrheit zugrunde geht, dann wäre der Tröster von uns gegangen, aber nein, der Herr hat ihn uns verheißen, und sein Wort ist untrüglich. Er wird in Ewigkeit bei uns bleiben. Er führt die Kirche und durch die Kirche uns in alle Wahrheit ein.

Und diese Wahrheit macht uns frei. Das heißt: Sie löst die Bande der Triebe, und sie zerschlägt die Fesseln, die uns an das Niedrige binden wollen. Die Wahrheit fördert alle Wohlfahrt der Völker, und sie beschert uns die Gaben des Geistes und der Natur. Am 9. Januar 1882 erklärte der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck im Deutschen Reichstag: „Auch diejenigen, die an die Offenbarungen des Christentums nicht mehr glauben, möchte ich daran erinnern, dass doch die ganzen Begriffe von Moral, Ehre und Pflichtgefühl, nach denen sie ihre anderen Handlungen in dieser Welt ausrichten, wesentlich nur die fossilen Überreste, nur die fossilen Überreste des Christentums ihrer Väter sind, die unsere sittliche Richtung, unser Rechts- und Ehrgefühl von heute, so manchem Ungläubigen unbewußt, bestimmen, wenn auch die Quelle selbst sie vergessen haben, aus der unsere heutigen Begriffe von Zivilisation und Pflicht geflossen sind.“ Ja, so ist es. Wir leben – eingestanden oder nicht eingestanden – aus dem Fundus, den uns Gott in seiner Offenbarung geschenkt und den die Kirche bewahrt hat. Die christliche Sitte, der christliche Glaube, das ist es, wovon wir heute noch leben. Es ist das wie mit einem Stein, auf den die Sonne lange Zeit geschienen hat. Wenn die Sonne untergegangen ist, ist der Stein noch geraume Zeit warm. So ist es auch mit unserer nachchristlichen Zeit, von der man spricht. Sie lebt noch von den Resten des Christentums, sie lebt noch von der Nächstenliebe, von der Gerechtigkeit, von der Reinheit, welche das Christentum verkündet und die Kirche bewahrt hat. Warten wir nur einmal ab, bis auch diese Restbestände vernichtet sind, dann ist das Ende gekommen!

Wir brauchen die Wahrheit, aber wir brauchen auch die Kraft, ihr zu folgen. Wir brauchen die Kraft, die Wahrheit festzuhalten. Wir brauchen die Kraft, nach der Wahrheit zu leben. Und auch das vermittelt uns die Kirche. Sie ist ja die Kirche desjenigen, der gekommen ist, uns die Wahrheit und die Gnade zu bringen. In der Kirche sind göttliche Gnadenkräfte wirksam, die ihr Christus anvertraut hat. Wir sind nicht allein mit unseren Schwächen und Trieben. Wir fühlen Impulse, die uns vom Bösen abhalten und zum Guten hinführen. Wir besitzen des Geist Gottes, der uns mahnt und warnt, der uns leitet und führt. „Alles vermag ich in dem, der mich stärkt“, sagt der Apostel Paulus. Und so ist es, meine lieben Freunde. So ist es, und ich erlebe es immer wieder beglückend als Beichtvater, wie die Macht Gottes in den Menschen über ihre Schwäche und über ihre Triebhaftigkeit obsiegt. Die Kirche ist wahrhaftig die mächtige Ruferin Gottes, die die leisen Mahnungen des Gewissens verdeutlicht und verstärkt. Sie ist es, die die Menschheit die Wahrheit lehrt. Menschlichkeit und Christlichkeit schließen sich nicht aus, sondern je mehr eine Christ wird, desto mehr wird er Mensch. Denn der vollkommene Mensch ist Christus, und wenn wir nach seinem Bilde gestaltet werden, dann werden auch wir vollkommene Menschen.

Die Missstände auf der Erde zu verbessern ist nicht falsch. Aber sie werden so lange nicht wahrhaft überwunden werden, als nicht die Gesinnung der Menschen, als nicht die Herzen der Menschen verändert werden. Und das ist es ja, was sich die Menschen immer wieder leicht machen: Sie versuchen sich der schweren Aufgabe, die Herzen zu verändern, zu entschlagen und Strukturen zu verändern. Deswegen erleben wir ja dauernd diese Hektik, diese Betriebsamkeit in der Kirche, neue Strukturen für Pfarreien und so weiter. Das ist alles umsonst, wenn wir nicht die Gesinnungen ändern, wenn wir nicht die Herzen verbessern, wenn wir uns nicht nach dem Bilde Jesu ausbilden lassen. Ein neues Paradies wird auf Erden nicht kommen, aber die Herzen können wir nach dem Bilde Christi formen. Und die Aufgabe der Kirche ist es, ihnen die höchsten Ziele zu zeigen und sie unermüdlich zu mahnen, danach zu streben. Dabei soll nicht vergessen sein, dass die Kirche auch den irdischen Anstrengungen immer wieder ihre Aufmerksamkeit gewidmet hat. Sie hat immer und zu allen Zeiten Wissenschaft und Kunst gefördert. Die Blüte der Religion war auch immer mit einer Blüte der Wissenschaft und der Kunst verbunden. Und wenn Wissenschaft und Kunst ihre Bindung an die Religion verlieren, dann werden sie zu zersetzenden Erscheinungen.

Ich habe hier vor mir, meine lieben Freunde, einen Bericht über das Theaterstück „Corpus Christi“. Das Theaterstück „Corpus Christi“ hat folgenden Inhalt: Darin werden Jesus Christus und seine Apostel als homosexuell, das Letzte Abendmahl als ein Saufgelage und die Gottesmutter Maria als intelligente Hure dargestellt. Ich meine, tiefer kann es nicht mehr hinabgehen! Das ist der Abgrund, der absolute Abgrund! Das ist Gotteslästerung in Potenz! Immer wenn die Kunst ihre Bindung an die Religion aufgibt, wird sie zu einem zersetzenden Element. Die Kirche hat Wissenschaft und Kunst immer gefördert, nicht nur die Geisteswissenschaften, auch die Naturwissenschaften. Das will ich Ihnen beweisen. Solange die Menschen einen Willkürgott annahmen, war auch die Welt ein Spielball der Willkür. Unberechenbar war Gott, und unberechenbar war die Welt. Bei einem solchen Gottesbegriff kann man von Naturgesetzen nicht reden, weil ja Gott selber als Gesetz nicht existiert, sondern ein Willkürgott ist. Erst als das Christentum die Wahrheit predigte, dass die weltschöpferische Weisheit die Welt regiert, dass alles nach Zahl, Maß und Gewicht geordnet ist, dass Gott alles nach Zahl, Maß und Gewicht geordnet hat, erst da ist der Begriff des Naturgesetzes möglich. Erst wenn Gott selbst ein mathematischer Geist ist, kann man auf Erden mit der Mathematik und mit der Physik eine Technik und eine Zivilisation schaffen. Jawohl, die Kirche ist von weltgeschichtlicher Bedeutung geworden dadurch, dass sie den richtigen Gottesbegriff verkündet hat. Sie ist die Mutter der Naturwissenschaft.

Finstere Mächte des Umsturzes gefährden heute den Kulturbestand. Nur unter Aufbietung aller religiösen und moralischen Kräfte können die drohenden Gefahren, kann die drohende Katastrophe abgewendet werden. An diesem Rettungswerk sich zu beteiligen, ist die Kirche berufen und befähigt. Die Kirche, die so viele Schlachten geschlagen, so viele Niederlagen erlitten, aber auch so viele Siege errungen hat, schreckt vor dieser Aufgabe nicht zurück; denn sie weiß, Christus steht ihr bei in ewiger Treue.

Halten wir uns, meine lieben Freunde, halten wir uns an die Kirche! Folgen wir ihren gerechten Weisungen! Verteidigen wir sie gegen Schmähungen! Schmücken wir die Kirche mit unserer Persönlichkeit!

Amen.

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