Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Juni 2003

Der Geist der Wahrheit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Herabkunft des Heiligen Geistes Versammelte!

75 Prozent der Deutschen wissen nicht, welches Ereignis an Pfingsten gefeiert wird. Von vier Deutschen sind drei in Unwissenheit, daß an Pfingsten der Heilige Geist ausgegossen wurde über die Apostel und die Kirche begründete. Millionen von denen, die unwissend sind, haben einmal den Geist empfangen, anfanghaft in der Taufe und zur Stärkung in der Firmung. Sie sind also Geistträger geworden. Der Geist hat das Licht des Glaubens in ihnen entzündet, aber das Licht leuchtet nicht mehr aus ihnen. Sie haben vergessen, daß der Herr gesagt hat: „Ihr seid das Licht der Welt. Ihr sollt vor den Menschen leuchten, und die Menschen sollen eure guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen.“ Nicht als ob das Licht von ihnen selbst käme, es ist ein geschenktes Licht. Es ist das Licht des Geistes, das sie reflektieren, das sie zurückwerfen. Aber dieses Licht ward einmal in ihnen entzündet. „Ihr seid das Licht der Welt.“ Es ist das Licht, das der Herr selbst ist und das er in ihnen angezündet hat. „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wandelt nicht im Finstern, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Der Christ ist ein Lichtträger, weil er ein Geistträger ist. Der Heilige Geist entzündet in ihm das Licht des Glaubens, und dieses Licht des Glaubens soll aus den Menschen, die er begabt hat, leuchten.

Das Licht, das in den Geistträgern entzündet ist, wirkt sich aus in einer doppelten Weise, einmal in der Wahrheit und zum anderen im Wandel. Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit. „Wenn der Geist kommt, wird er euch in alle Wahrheit einführen“, hat der Herr verheißen. Wahrheit ist die offenbare Wirklichkeit Gottes. Wahrheit ist die Übereinstimmung von Rede und Wirklichkeit. Wahrheit ist die Deckungsgleichheit von Wort und Tat. Die Wahrheit, die der Heilige Geist in den Menschen entzündet, ist die Wahrheit Gottes und die Wahrheit des Menschen. Der Geist belehrt die Menschen, daß es einen Gott gibt, daß es einen Schöpfer gibt, daß es einen Erlöser gibt. Er belehrt die Menschen, daß Gott wirklich ist, keine Schimäre, keine Illusion, keine Phantasie. Gott lebt, Gott wirkt; er ist der allwirkende und der allmächtige Herrscher Himmels und der Erde. Das lehrt uns die Wahrheit des Heiligen Geistes.

Und er lehrt uns über den Menschen, was der Mensch ist, nämlich ein Geschöpf Gottes, ein Diener Gottes, ein Pilger Gottes. Der Mensch ist nicht eine nutzlose Leidenschaft, wie Camus sagt. Der Mensch ist nicht ein bloßes Körperding, wie Nietzsche gepredigt hat. Der Mensch ist ein Geschöpf Gottes und als solcher ein Diener und ein Pilger Gottes. Die Wahrheit macht den Menschen frei; denn wer in der Unwahrheit lebt, der ist unfrei, der ist gebunden. Der Irrtum ist eine Bindung. Wer im Irrtum lebt, der lebt als Gefesselter; erst die Wahrheit macht ihn frei, weil die Wahrheit ihn von den Fesseln löst. Wer an der Wahrheit vorbeigeht, der geht an der Wirklichkeit vorbei. Wer die Wahrheit abwirft, der wird zu einer manipulierten Masse der irrtumsfähigen und irrtumsbereiten und irrtumswilligen Menschen. Wer an der Wahrheit scheitert, der scheitert am Leben. Die Wahrheit ist es, die unser Leben führen muß, die unser Leben gestalten muß, die unser Leben leiten muß.

Als Papst Leo XIII. die vatikanischen Archive öffnete, da hatten manche besorgte Christen die Furcht, daß die dort herauskommenden Dinge der Kirche schaden könnten. Papst Leo XIII. erklärte: „Das Papsttum hat keine Wahrheit zu fürchten.“ Was wir fürchten, ist die Unwahrheit. Was wir fürchten, ist die Täuschung. Was wir fürchten, ist die Niederhaltung der Wahrheit. Vor wenigen Tagen erklärte mir eine Dame: „Mein Bekannten, meine Verwandten ziehen mich fortwährend auf mit den Untaten der Kirche, mit den Kreuzzügen, mit der Inquisition.“ Ich sagte zu ihr: „Haben Sie sich jemals über die Kreuzzüge unterrichtet? Haben Sie jemals etwas Gediegenes über die Inquisition gelesen?“. „Nein.“ „Ja, wie wollen Sie dann diesen Unwahrheiten begegnen? Wie wollen Sie für die Wahrheit zeugen, wenn Sie nichts wissen? Sie können sich nicht dauernd von Urlaub zu Urlaub bewegen. Sie müssen sich auch Wissen schaffen, um dadurch den Irrtum zu widerlegen.“ Die Kreuzzüge waren ein großartiges Unternehmen, ein Aufmarsch des Abendlandes gegen den Feind, der das Abendland überfluten wollte, die Mohammedaner, die Türken. Die Inquisition war eine Abwehr, eine Abwehr gegen die Häretiker, die den Glauben umstürzen wollten und mit dem Glauben die gesellschaftliche Ordnung. Es war ein römischer Kaiser, Friedrich II., „stupor mundi“, wie man ihn nannte, „das Erstaunen der ganzen Welt“, es war dieser Friedrich II., der die Feuerstrafe, den Feuertod auf die häretische Abweichung gesetzt hat, nicht die Kirche. Ja, warum wissen Sie das nicht? Man sagt immer, man muß beten. Natürlich muß man beten, aber man muß nicht nur beten, es gibt auch andere Dinge zu tun als bloß zu beten. Es gibt auch andere Dinge zu tun, als Wallfahrten zu machen. Man muß sich Wissen verschaffen, um die Wahrheit zu vertreten.

Die Wahrheit ist eine strenge Herrin, und wir, die wir in die Fußstapfen des Herrn treten, wissen, wie streng diese Herrin ist. Rastlos und unermüdlich muß man ihr dienen, muß sich um sie bemühen, muß sie zu erkennen trachten. Der Herr ist gekommen, der Wahrheit Zeugnis zu geben, und er ist der Wahrheit zum Opfer gefallen. Wie könnte es dann jemals gleichgültig sein, was Wahrheit ist? Das ist das Licht, das aus uns leuchten soll, die Wahrheit, die Wahrheit, die in uns ist und für die wir Zeugnis geben sollen.

Aber auch in einem zweiten Bereiche will sich das Licht bemerkbar machen, nämlich im Wandel. Wir sollen wandeln als solche, die das Licht des Heiligen Geistes in sich tragen. Der Apostel Paulus stellt im Brief an die Galater die Früchte des Geistes den Werken des Fleisches gegenüber. Fleisch und Geist sind die Gegensätze. Fleisch, das ist die Versklavung an die Welt, Geist, das ist die Hingabe an Gott. Und welches sind die Werke des Fleisches: Unzucht, Unkeuschheit, Schamlosigkeit, Wollust, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Ränke, Spaltungen, Parteiungen, Haß, Mord, Trunkenheit, Schlemmerei. Das sind die Werke des Fleisches. Das sind die Werke, die jene tun, die nicht im Geiste leben. Das sind die Werke derer, die den Geist in sich erstickt haben. Dahin zieht es sie, zu den Werken des Fleisches. Die Phönixhalle in Mombach,  meine lieben Freunde, die Phönixhalle in Mombach war ausverkauft, als Jürgen von der Lippe seine Schweinereien verbreitete, zwei Stunden lang. Die Mainzer Zeitung berichtete: „So jagt von der Lippe salopp Säuisches über die Rampe, daß die Schwarte quiekt. Zotenzauber in der ausverkauften Phönixhalle.“ Das sind die Werke des Fleisches.

Dagegen stehen die Früchte des Geistes. Der Geist ist nicht fruchtlos; der Geist ist nicht wirkungslos. Er bringt in den Menschen, die ihn aufnehmen, Früchte hervor. Und welche sind sie: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Treue, Sanftmut, Mäßigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit. O welch köstliche Früchte,  meine lieben Freunde! Nicht die Schweinereien, die von der Lippe von sich gibt, sollen uns bewegen, sondern die Früchte des Geistes: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Treue, Sanftmut, Mäßigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit. Um diese Früchte sollen wir uns bemühen. Sie werden uns geschenkt, wenn wir den Geist wirken lassen. Kein Flugzeug kann landen, wenn nicht ein Landeplatz da ist. Auch der Heilige Geist kann nicht landen, wenn er keinen Landeplatz findet in den Herzen, wenn die Herzen nicht aufnahmebereit sind, wenn sie ihn nicht entgegennehmen wollen, wenn sie sich nicht öffnen, wenn sie nicht bereit sind, mit ihrem Willen endlich einmal von ihren Schweinereien zurückzukommen zur Heiligkeit und zur Gerechtigkeit alle Tage unseres Lebens. Früchte des Geistes sollen in uns sein in unserem Herzen, auf unserer Stirn. In unseren Augen muß das Feuer des Heiligen Geistes leuchten. Die Menschen sollen unser Licht sehen, das Licht, das wir reflektieren, das Licht des Geistes, damit sie den Vater im Himmel preisen.

Wir sollen Zeugnis geben, Zeugnis geben vom Heiligen Geist, Zeugnis geben von dem Licht, das in uns ist durch die Wahrheit und durch den Wandel. Vor geraumer Zeit,  meine lieben Freunde, war einmal in der Ostzone, wo ich ja fünf Jahre tätig war, eine Firmung, eine Firmung in einer Barackenkirche. Von weither waren die Jungen und die Mädchen herangekommen, um den Heiligen Geist zu empfangen aus der Hand des Bischofs. Und die Firmung war vorüber. Der Bischof richtete noch ein letztes Wort an die Firmlinge: „Bald werdet ihr wieder hinausgehen“, sagte er, „in eure Dörfer, in eure glaubenslose Umgebung. Wird man es euch noch anmerken, daß ihr Gefirmte seid, daß ihr Geistträger seid? Wird man euch das noch anmerken, morgen und übermorgen, in der Schule und auf dem Sportplatz?“ Und dann forderte er die Jungen und die Mädchen auf, sich zu äußern, wie man das anmerken könnte. Es kamen gute und schlechte Antworten. Zum Schluß meldete sich der kleine Günther. Günther hatte keine Eltern mehr; er lebte in einer glaubenslosen Umgebung. Aber er fehlte in keiner Sonntagsmesse und in keinem Religionsunterricht. Und Günther antwortete: „Wir sollen die anderen anstecken.“ Wahrhaftig, das ist es: Wir sollen die anderen anstecken. Es soll etwas von uns ausgehen. So wie man mit einer Krankheit angesteckt wird, so sollen wir andere mit dem Heiligen Geist anstecken, mit dem Feuer des Geistes, mit der Begeisterung des Geistes, mit unserem Glauben, mit unserer Zuversicht, mit unserer Treue. Damit sollen wir die anderen anstecken. Anstecken, das ist es, meine lieben Freunde.

So wollen wir an diesem Tage unsere Entschlossenheit erneuern, mit dem Heiligen Geiste zu leben und für den Heiligen Geist zu zeugen. Wir können das nicht, ohne daß wir ständig um sein Kommen beten, indem wir rufen:

Komm herab, o Heiliger Geist,

der die finst're Nacht zerreißt,

strahle Licht in diese Welt.

Komm, der alle Armen liebt,

komm, der gute Gaben gibt,

komm, der jedes Herz erhellt.

Komm, o du glückselig Licht,

fülle Herz und Angesicht,

dring bis auf der Seele Grund.

Amen.

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