Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Dezember 2001

Heute ist uns der Heiland geboren

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Weihnachtsfreude Versammelte!

Heute ist uns der Heiland geboren worden. Das ist die Botschaft der Weihnacht, der geweihten Nacht. Heute ist uns der Heiland geboren worden. Zu Ende ist das Warten, zu Ende ist das Harren.  Heute ist uns der Heiland geboren worden. Jahrhundertelang haben die Gläubigen die grauen Horizonte abgespäht nach dem ersten Schimmer seines Lichtes. Heute ist in Erfüllung gegangen, was sie erwartet haben. Weihnachten ist das Fest der Erfüllung. Das Harren der Jahrhunderte war nicht umsonst. Die Propheten haben ihre Verheißungen nicht in die Luft gesprochen. Heute ist uns der Heiland geboren. Diese Geburt überragt alle Geburten, die je sich auf dieser Erde zugetragen haben. Wir können auch die Geburt anderer großer Männer und Frauen begehen und bedenken, aber niemand unter den Großen dieser Erde kann für sich in Anspruch nehmen, daß bei ihm gesungen werden muß: „Heute ist uns der Heiland geboren.“ Es gibt nur einen Heiland. Es ist jener, von dem vorherverkündet wurde, er sei der Wunderrat, der Gottheld, der Vater der Zukunft, der Friedensfürst. „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt, auf seinen Schultern ruht Weltherrschaft.“ Auch diejenigen, die im Advent gewartet haben und die gewacht haben, sind jetzt mit der Erfüllung konfrontiert. Heute ist uns der Heiland geboren. Das Wachen und das Harren war nicht umsonst. Wir vereinigen uns mit den Hirten, die über ihren Herden wachten und denen die Botschaft des Engels zuteil wurde: „Heute ist uns der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Man wartet nie umsonst auf Gott, meine lieben Freunde. Es ist niemals vergeblich, auf Gott zu warten, Gott kommt immer. Freilich, er kommt häufig eine Viertelstunde später als wir meinen, um unseren Glauben zu erproben. Heute ist die Stunde der Erfüllung, heute ist uns der Heiland geboren.

Heute ist der Beginn der Heilszeit. Wir schreiben unsere Jahre als „Jahre des Heils“ in den Kalender, nämlich als Jahre des wiederhergestellten Heils. Weil Christus geboren wurde, ist die Heilszeit angebrochen, denn er ist der Heilsbringer. Jetzt vermag jeder das Heil zu finden, der sich ihm in Glaube, Reue und Liebe zuwendet. Jetzt ist es nicht mehr schwer, zum Heil zu gelangen; wir brauchen nur dorthin zu gehen, wo Christus ist. Heute ist uns der Heiland geboren. Darum ist das Weihnachtsfest ein Aufruf, das Heil zu ergreifen. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“ Versöhnt euch mit Gott, versöhnt euch mit den Menschen! Denn heute ist uns der Heiland geboren, der Versöhner, der Friedensfürst, der Friedensbringer.

Weihnachten ist das Fest des Lebens. Gott wollte ein Mensch werden, indem er die Gestalt eines Kindes annahm. Gott war ein Kind, Gott war ein Junge. Er wollte es sein, um das menschliche Leben in seiner ganzen Härte zu durchmessen, um als der Weltkämpfer, als der Weltarbeiter in diese Zeit einzugehen. Ein Kind, das zur Welt kommt, weint, und auch vom Jesusknaben dürfen wir annehmen, daß er geweint hat. Er wollte ja das ganze Elend der Welt auf sich nehmen, und so mußte er es auch in der ersten Stunde, in der er hier erschien, tragen. Aber die Wehen der Geburt sind verbunden mit der Hoffnung, und der Schmerz der Mutter ist getragen von der Seligkeit, daß ein Mensch zur Welt gekommen ist. Heute ist uns der Heiland geboren worden. Das Christentum ist eine Religion des Lebens, und es war immer der Vorzug der katholischen Christen, daß sie eine besondere Beziehung zum Leben hatten, zur Lebensweckung. Allezeit war der katholische Volksteil geburtenfreudiger als andere. Wenn sich das heute geändert hat, dann ist das zu beklagen, dann ist das ein Schmerz für uns, und wir sollten uns zu Weihnachten besinnen, daß die Religion des Christentums, daß die katholische Religion die Religion des Lebens ist. Der Heiland, der geboren wurde, ruft uns auf, dem Leben die Tür zu öffnen.

In diesen Tagen bekam ich den Anruf einer alten Dame von 86 Jahren. Ich fragte, wie es ihr ergehe und wie sie sich behelfen könne, ob sie hilflos sei. „O“, sagte sie, „mitnichten.  In meiner Straße wohnen drei meiner Töchter“, denn sie hat acht Kindern das Leben geschenkt. „In meiner Straße wohnen drei meiner Töchter, und sie nehmen sich meiner an.“ Weihnachten ist das Fest des Lebens, und es muß in uns der Wille aufstehen, dem Leben zu dienen und dem Tod zu wehren. Eine politische Bewegung, die sich dem Leben verschrieben hat, hat mir zu Weihnachten ein kleines Gebet zugesandt, das so gut zu dem Urheber des Lebens paßt, der an Weihnachten geboren wurde:

Herr, sieh die Not, sieh dein Gebot zertreten und entehrt, das Lebensrecht verwehrt.

Viel Kindlein arm zum Gotterbarm, in Todeshand das Vaterland.

Aufwecken laß aus Kält‘ und Haß den Sündenknecht, der bricht das Recht,

verwehr‘ uns nicht dein Angesicht, denn im Gericht erstrahlt dein Licht!“

Wahrhaftig, meine lieben Freunde, heute muß es uns zu Herzen gehen, nämlich, daß Gott von uns das Ja zum Leben will.

Heute ist uns der Heiland geboren. Er wollte geboren werden aus Liebe. Die Apostel werden nicht müde hervorzuheben, daß Gott ein Mensch ward aus Liebe. „Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen, hat Fleisch angenommen und ist ein Mensch geworden.“ „Er hat mich geliebt und sich für mich dahingegeben“, jubelt Paulus im Galaterbrief. Und Johannes sagt es anders, aber im selben Sinne, nämlich: „Er hat uns geliebt und sich für uns als Sühneopfer für unsere Sünden dahingegeben.“ So ist also Weihnachten das Fest der Liebe, und ein wenig von dieser Liebe haben wir ja alle gespürt in dem Schenken, das gewiß zu den Äußerlichkeiten von Weihnachten gehört, aber in dem sich doch auch etwas von Liebe bekundet. Es ist doch ein letzter Widerschein jener Liebe, die aufging, als es auf den Fluren von Bethlehem hieß: „Heute ist uns der Heiland geboren.“

Wenn Gott uns so geliebt hat, dann müssen auch wir einander lieben. Es ist mir unbegreiflich, meine lieben Freunde, wie man Weihnachten immer noch harten Herzens sein kann, immer noch unversöhnt leben kann. Heute ist uns der Heiland geboren! Da muß doch Versöhnung sein, da muß doch Friede sein! Der Herr, der uns seine Liebe schenkt, erwartet von uns die Gegenliebe. Wenn wir in der Liebe auf Gott zugehen, wie er aus Liebe zu uns kam, dann wird wahrhaft Weihnachten. Dann wird Weihnachten eine gnadenreiche Zeit, dann können wir wirklich singen: „O du fröhliche, o du selige, o du gnadenreiche Zeit.“

Unser schlesischer Dichter Joseph von Eichendorff hat diese Empfindungen einmal in ein schönes Gedicht gefaßt:

Markt und Straßen stehn verlassen, still erleuchtet jedes Haus.

Sinnend geh‘ ich durch die Gassen, alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen buntes Spielzeug fromm geschmückt.

Tausend Kindlein stehn und schauen, sind so wunderstill beglückt.

Und ich wand’re aus den Mauern bis hinaus ins freie Feld.

Hehres Glänzen, heil’ges Schauern. Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen. Aus den Schnees Einsamkeit

steigt’s wie wunderbaren Singen: O du gnadenreiche Zeit!

Heute ist uns der Heiland geboren worden. Heute müssen unsere Herzen neu werden. Heute muß in uns der Wille aufstehen, in einem neuen Leben zu wandeln. Heute müssen wir entschlossen sein, Zeugen seiner Liebe zu werden. Heute müssen wir unsere Schritte endlich auf den Weg des Friedens lenken. Denn heute ist uns der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.

Amen.

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