Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
2. November 1997

Vom Ewigen Leben

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zum Totengedächtnis Versammelte!

Bei Beerdigungen erstaunt es mich immer, mit welcher Selbstverständlichkeit die Zelebranten das ewige Leben beschwören. Ja, wissen sie nicht, daß 70 % aller Deutschen nicht an das ewige Leben glauben? Ist ihnen nicht bekannt, daß höchstens 30 % vom Weiterleben des Menschen nach dem Tode des Leibes überzeugt sind? Wie kann man da so selbstverständlich und ohne Erklärung vom ewigen Leben, in das der Verstorbene angeblich eingegangen ist, sprechen? Müssen wir nicht erst bei der Menge derer, die an einer Beerdigung teilnehmen, den Glauben an das ewige Leben auferbauen?

Die Einwände gegen das ewige Leben, die ich Ihnen heute vor Augen führen will, sind vor allem zwei. Der erste lautet: Es ist noch keiner wiedergekommen. Von denen, die die Pforte des Todes überschritten haben, ist keiner zurückgekehrt. Sie sind alle dort geblieben, wohin sie gegangen sind. Ja, wenn einer wiederkäme, das würde die Menschen überzeugen; dann würden sie glauben. So sagen diejenigen, für die das ewige Leben keine Realität ist.

Was ist auf diesen Einwand zu sagen: „Es ist noch keiner wiedergekommen.“? Der Einwand, meine lieben Christen, ist nicht neu. Er ist auch schon dem Heiland bekannt gewesen. Er hat ihn beantwortet im Gleichnis vom reichen Prasser und vom armen Lazarus. Bekanntlich hat er in dem Gleichnis geschildert, wie der reiche Prasser in der Hölle begraben wurde, sich in der Glut befand und darum bat, es möchte doch der Lazarus ihm gesandt werden, „daß er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und meine Zunge abkühle; denn ich leide große Pein in dieser Flamme“. Auf diesen Wunsch gab ihm Abraham, in dessen Schoß (das ist ein Bild für den Himmel) er sich befand, zur Antwort: „Sohn, bedenke, daß du Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus hingegen Böses. Jetzt wird er getröstet, du wirst gepeinigt.“ Und jetzt kommt die entscheidende Wendung: „Zu alledem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, daß die, welche von hier zu euch hinübergehen wollten, es nicht können; und ebenso auch niemand von dort hierher zu uns kommen kann.“ Der Grund für die Unmöglichkeit, daß Lazarus den reichen Prasser trösten könnte, besteht in der Kluft, in dem Abgrund, der zwischen Himmel und Hölle klafft, und – so müssen wir ergänzen – der zwischen der ganzen jenseitigen Welt und der diesseitigen Welt klafft.

Der reiche Prasser gab sich damit nicht zufrieden. Für sich hatte er nichts erlangen können, aber er wollte wenigstens etwas für seine Brüder erreichen. Er bat, Abraham möge doch wenigstens den Lazarus in das Haus des Vaters senden und dort die fünf Brüder warnen, damit sie nicht wie er an diesen Ort der Qual kommen. Abraham entgegnete: „Sie haben Moses und die Propheten. Auf die sollen sie hören.“ Der reiche Prasser gab sich damit wiederum nicht zufrieden. „Nein“, sagte er, „Vater Abraham, sie hören ja nicht auf Moses und die Propheten, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, dann werden sie sich bekehren.“ Darauf gab Abraham seinerseits zur Antwort: „Wenn sie auf Moses und die Propheten nicht hören, so werden sie sich auch nichts sagen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.“ Ich meine, meisterhafter kann man den Einwand: „Es ist noch keiner zurückgekommen von den Verstorbenen“ nicht abfertigen, als es der Heiland getan hat. Es ist eine große Kluft zwischen Diesseits und Jenseits, die durch menschliches Vermögen nicht überschritten werden kann. Und wenn die Menschen auf das Evangelium, auf die Offenbarung, auf Gottes Wort nicht hören, ja wie werden sie sich dann verhalten, wenn einer von den Toten kommt? Das ist ein Gespenst, werden sie sagen; das ist eine Einbildung. Und sie werden auch dann sich nicht bekehren.

Allerdings, meine lieben Freunde, besteht nur für die Menschen, für die Menschen im Pilgerstande und für die Menschen im Jenseits, die Unmöglichkeit, die Kluft zwischen Diesseits und Jenseits zu überschreiten. Für Gott besteht diese Unmöglichkeit nicht. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich, auch nicht, daß einer von den Toten zurückkehrt. Im Jahre 1839, als Johannes Bosco sich im Priesterseminar befand, hatte er einen Mitbruder namens Alois Comollo. Comollo war auch auf dem Weg zum Priestertum, aber er war todkrank. Die beiden Freunde, Johannes Bosco und Alois Comollo, machten gegenseitig das Versprechen: Wer zuerst in die Ewigkeit eintritt, soll dem anderen eine Nachricht geben, ob er dort gut angekommen ist. Comollo starb. In der Nacht nach seinem Begräbnis, in der Nacht vom 4. zum 5. April 1839, schliefen die Priesterkandidaten, wie das damals üblich war, gemeinsam in einem großen Schlafsaal. Auf einmal um Mitternacht erhob sich ein furchtbares Getöse. Bosco, dem wir den Bericht verdanken, berichtet: Es war, als ob ein Kanonenschlag sich erhob, als ob Donner ertönte, als ob ein Eisenbahnzug vorüberrollte, als ob jemand mit Wucht auf Eisenplatten hämmerte. Und dieses Getöse kam immer näher an den Schlafsaal der Alumnen; die Tür öffnete sich wie von unsichtbarer Hand, ein Licht strahlte auf und dann ertönte eine Stimme: „Bosco, Bosco, Bosco!  Ich bin gerettet!“ Alle Alumnen haben es gesehen; alle haben es gehört. Keinem ist es entgangen. Bosco knüpft an dieses Ereignis gar keine Belehrungen. Er sagt: Jeder mag denken davon, was er will. Ich kann nur bezeugen, was ich und meine Mitbrüder gesehen und gehört haben. Wenn Gott will, kann auch ein Verstorbener sich den Lebenden bemerkbar machen.

Der zweite Einwand, der gegen das ewige Leben erhoben wird, besteht darin, daß man sagt: Die Verstorbenen, die durch ärztliche Kunst wieder zum Leben erweckt wurden, wissen nichts von einer Begegnung mit Gott, wissen nichts von einem Gericht, von Himmel oder Hölle. In Wien wurde eine 17jährige Tänzerin auf der Bühne durch einen Schuß versehentlich getroffen und starb auf der Bühne. Man brachte sie in die Klinik. Der Arzt gab keine Ruhe; er führte ihr zwei Liter Blut zu und massierte das Herz. Nach wenigen Minuten fing es wieder an zu schlagen, die Tänzerin wurde gerettet. In den USA fiel ein Mann vom Gerüst. Er kam in die Klinik. Der Herzschlag hatte ausgesetzt, die Pupillen waren starr. Aber der Arzt fand sich damit nicht ab. Er mühte sich durch Massage, das Herz wieder in Gang zu setzen. Nach 30 Minuten fing das Herz tatsächlich aus eigener Kraft wieder an zu schlagen. Der Mann wurde dann von einem Psychiater vernommen, was er denn erlebt habe in dieser Zeit, in der er, wie man sagte, tot war. Er sagte: „Nichts. Ich habe dann, als ich aufwachte, hier am Bett eine Pflegerin sitzen sehen, von der ich dachte, es sei meine Mutter. Aber ich habe keine Erinnerung an das, was ich im sogenannten Tod erlebt habe.“

Was ist auf diese Argumentation zu erwidern? Meine lieben Freunde, wer durch ärztliche Kunst ins irdische Leben zurückgerufen werden kann, der war nicht tot. Bei ihm hatte das Sterben begonnen, aber es war noch nicht beendet. Gewiß, wenn die Atmung aussetzt, wenn der Herzschlag nicht mehr spürbar ist, dann beginnt das Sterben. Aber der Tod, der endgültige, der unwiderrufliche Tod ist damit noch nicht eingetreten. Die Kirche hat das immer gewußt, und ich habe es meinen Studenten immer vermittelt: Man kann das Sakrament der Letzten Ölung (Krankensalbung) bis 2 Stunden nach dem Aussetzen der Lebenszeichen spenden. Welche Weisheit der Kirche, die erkannt hat, daß mit dem Absterben von Zellen der Tod noch nicht eingetreten ist! Es ist einem Forscher gelungen, mit einer Salzlösung das Herz eines Kindes bis 25 und 30 Stunden nach dem angeblichen Tode am Schlagen zu erhalten. Nicht alle Zellen sterben sofort ab; manche leben lange weiter. Man kann durch Züchtungen die Zellen praktisch unbegrenzt erhalten.

Also noch einmal: Wer durch menschliches Bemühen von dem Zustand des Sterbens wieder ins Leben zurückgerufen werden kann, der war nicht tot, der war auch nicht im Jenseits und kann deswegen auch über das Jenseits nicht berichten. Das Jenseits bricht dann an, wenn der Tod unwiderruflich und nicht mehr rückgängig zu machen ist. Und darüber vermag niemand etwas zu sagen, dem Gott es nicht auf wunderbare Weise schenkt.

Was sich im Tode ereignet, gibt der Katechismus, den der Heilige Vater erlassen hat, mit den Worten wieder: „Im Tode, im endgültigen, im unwiderruflichen Tode, trennt sich die Seele vom Leib.“ Der Mensch ist ein körperlich-geistiges Wesen. Er besteht aus Leib und Seele. Der Leib ist aus Teilen zusammengesetzt, aus Zellen und deren Bestandteilen. Die Seele ist immateriell, sie ist geistig, sie ist einfach, sie ist nicht zusammengesetzt. Und da sich nun die Zerstörung dadurch vollzieht, daß Zusammengesetztes in seine Teile zerfällt, ist die Seele unzerstörbar. Sie hat keine Teile; sie kann deswegen nicht in Teile zerfallen. Die Seele lebt, auch wenn der Leib, das Instrument, das sie beseelt hat, im Tode zerfällt.

Als die Prinzessin Diana vor einigen Monaten eines schrecklichen Todes starb, da war ihr letztes Wort: „Oh my God!“ O mein Gott! So hat diese Frau unmittelbar vor ihrem Tode gesagt. In diesen Worten liegt alles: Erstaunen, Entsetzen, Vertrauen, Hoffnung. Oh my God! O mein Gott! Diana hat an Gott gedacht. Denn sie war ja gläubig. Wir aber haben noch ein viel schöneres Wort, eines der schönsten Worte, das im Neuen Testament steht. Als der rechte Schächer den Mann in der Mitte zwischen den beiden Missetätern leiden und sterben sah, da wußte er: Der hat nichts Böses getan! Und so bat er ihn: „Gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst!“ Er ahnte vielleicht: Wenn der Herr seiner gedenkt, dann ist das eine Seligkeit, dann ist das ein Himmel, dann ist das ein immerwährendes, ewiges Glück. Dieser reuige Schächer durfte das trostreichste Wort hören, das ich für Sterbende kenne: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“ Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein! Denn wo ich bin, da ist das Paradies!

Amen.

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