Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. März 1989

Jesus lebt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

„Jesus lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo sind nun deine Schrecken? Jesus lebt und wird auch mich von dem Tode auferwecken.“ So singt die Christenheit seit zweitausend Jahren am Ostertag. „Jesus lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo sind nun deine Schrecken? Jesus lebt und wird auch mich von dem Tode auferwecken. Er verklärt mich in sein Licht. Dies ist meine Zuversicht.“

Man kann sagen: Das Christentum ist die Religion der Auferstehung. An der wirklichen, leibhaftigen Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus hängt buchstäblich unsere ganze Religion. Der Inhalt dieses Geheimnisses ist der folgende: Gott hat den am Kreuze gestorbenen, in ein Grab gelegten Jesus von Nazareth am dritten Tage wieder lebendig gemacht. Er hat ihn in eine himmlische Seinsweise erhoben und aus dem Grabe in die Herrlichkeit des Himmels versetzt. Frauen waren die ersten, die am dritten Tage das leere Grab entdeckten. Der auferstandene Heiland erschien seinen Jüngern, aber auch zwei Männern, die nicht an ihn glaubten, dem Thomas und dem Saulus, und überzeugte sie von seiner wahrhaftigen, leibhaftigen Auferstehung.

An dieser Wahrheit hängt unser ganzer Glaube, hängt auch unsere ganze Hoffnung. „Jesus lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo sind nun deine Schrecken? Jesus lebt und wird auch mich von dem Tode auferwecken.“ Wenn Jesus nicht auferweckt worden ist, dann werden auch wir es gewiß nicht sein. Wenn Jesus nicht lebt, dann werden auch wir nicht leben. Der Apostel Paulus weist warnend auf die Folgen der Leugnung der Auferstehung hin. „Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist unsere Predigt leer, leer auch euer Glaube.“ Leer heißt: ohne Inhalt. Leer bedeutet: ohne die Wirklichkeit dessen, was da verkündigt wird, und ohne die Wirklichkeit dessen, was da geglaubt wird. Weil das so ist, hat Papst Paul VI. in seinem „Credo des Gottesvolkes“, in seinem Glaubensbekenntnis den Satz aufgenommen: „Jesus ist am dritten Tage aus eigener Kraft auferstanden.“

Aber, meine lieben Freunde, der Feind schläft nicht! In der nachkonziliaren Wirrnis ist auch dieses Geheimnis aller Geheimnisse mannigfach entstellt, verunstaltet, ja geleugnet worden. Es sind Falschlehrer aufgetreten -  und sie sind noch immer am Werk –, die sagen: Die Auferstehung Jesu sei ein Interpretament des Glaubens der Jünger. Was ist ein Interpretament? Ein Interpretament ist eine erfundene Vorstellung, mit der etwas erklärt werden soll. Und mit dem Wort von der Auferstehung Jesu, so sagen diese Falschlehrer, soll erklärt werden, daß die Jünger eben an Jesus festgehalten haben, trotz seines Todes. Sie haben Jesus erlebt als den eschatologischen Propheten, als den maßgeblichen Boten Gottes; sie waren überzeugt von seiner Messianität. Und als er dann am Kreuze starb, da waren sie der Meinung, das könne das Ende nicht sein. Und so erfanden sie – so erfanden sie! – das Interpretament, die Erklärung: Er ist auferstanden. Es hat sich also nicht in der Wirklichkeit etwas ereignet, sondern nur in der Seele der Jünger. Ihr Glaube hat eine neue Qualität gewonnen. Die Auferstehung ist kein Ereignis extra nos, außerhalb der menschlichen Psyche, sondern innerhalb der menschlichen Psyche. Mit dem Wort von der Auferstehung – so sagen die Falschlehrer, und das können Sie in den Büchern, die Ihre Kinder studieren, nachlesen – soll lediglich ausgedrückt werden: Jesus hat eine bleibende Bedeutung.

Man wird zugeben, meine lieben Freunde, daß damit das Ostergeheimnis total verfehlt wird. Hier erfolgt eine Ausräumung des katholischen Glaubens an die Auferstehung, wie sie fataler nicht gedacht werden kann. Hier wird aus einem welterschütternden Ereignis eine dürftige Moralanweisung, nämlich weiterzumachen mit dem Jesus, wie ihn die Jünger erlebt haben.

Was ist zu einer solchen Aufstellung zu sagen? Die Berichte des Neuen Testamentes über die Auferstehung Jesu sagen, daß die Grundlegung des Auferstehungsglaubens Erscheinungen sind. Erscheinungen haben den Glauben an die Auferstehung hervorgerufen. Es ist also gerade umgekehrt, wie beispielsweise Rudolf Pesch – um einen Namen zu nennen – sagt: Nicht der Glaube hat die Erscheinungen erzeugt, d.h. Halluzinationen, Einbildungen, sondern die Erscheinungen haben den Glauben hervorgebracht. Weil der gekreuzigte und begrabene Jesus ihnen erschienen ist, deswegen haben die Jünger Glauben an seine Auferstehung gefaßt. Wenn der Glaube hätte die Erscheinungen hervorbringen sollen, dann wären überhaupt keine Erscheinungen passiert, denn die Jünger glaubten nicht mehr. Ihr Glaube war zusammengebrochen. Sie waren am Karfreitag in auswegloser Trauer und in größter Verlassenheit. Sie meinten, jetzt sei alles zu Ende. Der Glaube, der Erscheinungen hervorbringen könnte, fehlte ihnen völlig. Es ist also gerade umgekehrt, als die Falschlehrer wollen. Weil es außerhalb der Psyche der Jünger sich vollziehende Phänomene gab, die wir Erscheinungen nennen, deswegen keimte in ihnen der Glaube wieder auf, langsam, zögernd. Die Evangelisten berichten mehrfach: Sie glaubten zuerst ein Gespenst zu sehen, sie waren sich keineswegs sicher. Und wir wissen, wie Thomas zweifelte: „Ich will die Hand in seine Seitenwunde legen, sonst glaube ich nicht.“ Also nicht der Glaube hat ein Wunder erzeugt, sondern das ungeheuere Wunder der Auferstehung hat den Glauben hervorgebracht.

Die Apostel waren keine unkritischen Naiven, die zwischen wirklichem Geschehnis und erfundener Erklärung nicht unterscheiden konnten. Dazu waren sie sehr wohl in der Lage. Sie waren genau beobachtende, sorgfältig prüfende Männer. Sie konnten sehr wohl unterscheiden zwischen einer erfundenen Erzählung und einem Geschehnis. Das beweisen sie ja in den Evangelien. Mehrfach berichten sie von den Gleichnissen Jesu. Die Gleichnisse Jesu sind erfundene Erzählungen. „Es ging ein Mann von Jerusalem nach Jericho, und er fiel unter die Räuber.“ Das ist eine Gleichniserzählung, die der Herr als Beispielerzählung erfunden hat. Oder meinetwegen die Geschichte von dem reichen Prasser und dem armen Lazarus. Da wissen die Jünger sehr wohl darzutun, daß das eine lehrhafte Erzählung ist, die der Herr ihnen vorgetragen hat. Also, sie waren sehr wohl in der Lage, zu unterscheiden zwischen Ereignis und Dichtung. Die Nachrichten über die Auferstehung sind Berichte über Vorkommnisse, über Tatsachen. Sie stehen in einer Schrift, die von Tatsachen berichtet, und es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, daß die Schriftsteller hier Gleichniserzählungen oder Interpretamente vortragen wollten. Nein, wir müssen daran festhalten, daß nach aller wissenschaftlichen Betrachtung die Evangelisten fähig und gewillt waren, zwischen wirklichem Geschehnis und erfundener Beispielerzählung bzw. Deutung zu unterscheiden.

Dazu kommt eine weitere Überlegung. Die Jünger waren nach dem schrecklichen Ende Jesu verschüchtert. Sie waren furchtsam; denn sie waren jetzt in Gefahr. Sie waren Anhänger dieses Mannes gewesen, den man zum Tode verurteilt hatte. Sie mußten befürchten, daß man auch an sie Hand anlegen werde. Und so haben sie sich aus Furcht vor den Juden verkrochen. Auf einmal aber fällt die Furcht von ihnen ab. Auf einmal werden sie mutig, ja todesmutig. Wie ist dieser Wandel zu erklären?

Gewiß nicht dadurch, daß sie zu flunkern beginnen. Man wird nicht todesmutig, indem man phantasiert. Man wird nicht todesmutig, indem man fabuliert, indem man eine Geschichte erfindet. Die Jünger sind nicht aus furchterfüllten, feigen Männern zu tapferen, ja todesmutigen Männern geworden, weil sie eine Geschichte von Jesu Auferstehung erfunden haben, sondern weil sie den Auferstandenen gesehen haben, weil sie den Auferstandenen berührt haben, weil sie mit ihm gegessen haben. Deswegen haben sie eine sieghafte, unüberwindliche Glaubensfreudigkeit gewonnen. „Wir können nicht schweigen,“ sagt Petrus – wir können nicht! – „von dem, was wir gesehen und gehört haben.“ Wir können es nicht!

Es ist auch ganz falsch, zu sagen, die Jünger würden nur ihren Glauben an die Auferstehung Jesu predigen. Nein, sie predigen die Auferstehung. Sie predigen nicht ein innerseelisches Phänomen, den Glauben, sondern sie predigen ein Faktum, ein außerhalb von ihnen geschehenes Ereignis. Die Apostelgeschichte bezeugt das eindeutig. Im 1. Kapitel heißt es, bei der Wahl des Matthias, der für den Judas eintrat: „Es muß einer von den Männern, die mit uns zusammen waren während der ganzen Zeit, da der Herr bei uns ein- und ausging, mit uns Zeuge seiner Auferstehung werden.“ Zeuge seiner Auferstehung! Also nicht Zeuge des Auferstehungsglaubens, sondern Zeuge der Auferstehung. Natürlich, meine lieben Freunde, waren die Jünger nicht selbst bei der Auferstehung anwesend. Das behauptet kein einziges Evangelium. Die Auferstehung selber verlief ohne Zeugen. Aber wenn es einen Auferstandenen gibt, dann muß ja doch wohl die Auferstehung vorhergegangen sein. Wenn jemand von einer Reise zurückgekehrt ist, dann brauche ich bei der Rückreise gar nicht anwesend gewesen zu sein, die Rückreise muß erfolgt sein. Und wenn jemand geheilt worden ist, dann brauche ich auch die Heilung nicht erlebt zu haben, die Heilung muß vorangegangen sein. So ist es auch bei dem Auferstandenen. Wenn ein Auferstandener vorhanden ist, wenn ich mit ihm sprechen kann, wenn ich ihm die Hand geben kann, dann muß er die Auferstehung erlebt haben.

Wir haben also, meine lieben Freunde, keinen Grund, an dem grundlegenden Faktum der Auferstehung, der wirklichen, leibhaftigen Auferstehung unseres Herrn und Heilands zu zweifeln. Wir haben auch keinen Anlaß, an den Begleitumständen zu zweifeln, die natürlich von den Falschlehrern allesamt in das Gebiet der Legende verwiesen werden. Die Engel am Grabe: Ja, sagt der Falschlehrer Jakob Kremer in Wien, die Engel, das ist eine erfundene Vorstellung, um zu zeigen, daß die Osterbotschaft auf Gott zurückgeht. Wie soll sie denn auf Gott zurückgehen, wenn der Engel von der wuchernden Phantasie der Menschen erfunden ist, wenn Gott gar keinen Boten gesandt hat? Da hängt die Behauptung, daß die Botschaft von der Auferstehung auf Gott zurückgeht, in der Luft. Die Naturereignisse bei der Auferstehung Jesu, das Erdbeben, das Sich-Öffnen der Gräber werden ebenfalls von den Falschlehrern geleugnet. Damit soll der Anbruch der Endzeit angedeutet werden, so sagen sie. Tja, aber wenn die Endzeit nur anbricht auf dem Papier, dann ist sie ja in Wirklichkeit gar nicht angebrochen. Wenn diese Ereignisse nicht geschehen sind, dann ist die Behauptung, die Endzeit breche mit dem Auferstehungstag an, eine lächerliche Erfindung.

Lassen wir uns, meine lieben Freunde, von den Falschlehrern nicht irre machen! Ihre dürftigen Behauptungen stammen aus dem Unglauben, und sie führen zum Unglauben. Wir halten uns an das Zeugnis der Apostel und der ganzen Kirche seit zweitausend Jahren. Die Falschlehrer gehören nicht mehr zu unserer Kirche. Sie haben sich durch ihre falsche Lehre von der katholischen Kirche, vom Glauben der katholischen Kirche, getrennt. Wir bekennen uns zu unserem Herrn und Heiland, der wahrhaft auferstanden ist. Wir bekennen uns zu der getreuen Wiedergabe der Berichte, wie wir sie in den Evangelien haben. Wir bekennen uns auch ohne Ausnahme zu den Begleitumständen der Auferstehung Jesu. Wir wissen, daß der Herr treue Zeugen berufen hat, die nicht lügen und nicht betrügen, sondern die uns die Wahrheit dessen übermitteln, was sie gesehen und gehört, was sie mit den Händen betastet und erkannt haben.

Amen.

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