Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
19. Februar 1989

Das Leben Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten uns vorgenommen, das Leben Jesu an vielen Sonntagen zu betrachten. Vor einigen Jahrzehnten trat ein Professor namens Arthur Drews auf, der die These verkündete: Jesus hat gar nicht gelebt. Er ist eine legendäre, von Menschen erfundene Figur. Als dieser Mann seine These unter das Volk warf, da kamen im Zirkus Busch in Berlin 7.000 Menschen zusammen, um eine Kundgebung, eine Glaubenskundgebung zu veranstalten, indem sie bezeugten: Jesus hat gelebt und Jesus lebt.

Man sagt, daß das Christentum eine geschichtliche Religion ist, und das ist richtig. Es ist, wenn man will, die einzige geschichtliche Religion, die Religion, die auf dem Felsengrund geschichtlicher Tatsachen ruht. Von ihnen geben die Zeugen des Lebens Jesu Kunde. Der Apostel Petrus schreibt in seinem zweiten Briefe: „Wir sind nicht Fabeln gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft unseres Herrn Jesus kundtaten, sondern wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“ Und der Apostel Johannes bemerkt in seinem ersten Briefe: „Was wir gesehen, was wir gehört, was wir mit unseren Händen betastet haben, das verkünden wir euch.“

An dem Beispiel des Professors Drews können Sie, meine lieben Freunde, erkennen, daß Sie bei Äußerungen nicht auf den Namen, sondern auf die Sache schauen müssen. Es wird keinen Unsinn geben, der nicht schon einmal von einem Professor vertreten worden ist. Lassen Sie sich durch den Namen und den Titel nicht beirren! Schauen Sie auf die Sache und prüfen Sie sie mit Ihrem gläubigen Verstand! Und Sie werden erkennen, daß viele Aufstellungen sich auflösen wir ein Rauch in der Luft.

Christus ist eine historische Gestalt. Dafür gibt es zwei Zeugnisse, erstens das Zeugnis der profanen Geschichtsschreiber. Dieses Zeugnis sagt uns: Christus ist eine geschichtliche Person. Es gibt aber noch ein zweites Zeugnis, das ist jenes, das Christus sich selbst durch die Geschichte, durch die zweitausendjährige Geschichte nach Christus ausstellt. Und dieses Zeugnis erweist die Göttlichkeit seiner Person.

Erstens also: Die profanen Geschichtsschreiber, die über Christus berichten, bezeugen die Geschichtlichkeit seiner Person. Wir haben über Christus die Nachrichten der Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas, Johannes. Aber auch wenn Sie einmal von diesen Evangelien absehen, gibt es doch eine ganze Reihe von Zeugnissen außerevangelischer Männer, welche Christus, die geschichtliche Wirklichkeit Christi, bezeugen. Der größte Geschichtsschreiber Roms war Tacitus. Das ist jener Mann, der auch über unsere Vorfahren geschrieben hat, nämlich die berühmte „Germania“. Aber weit bedeutender als dieses kleine Werk sind seine „Annalen“, also seine Jahrbücher. Und in einem dieser Jahrbücher, geschrieben etwa zur Zeit des Kaisers Trajan, d.h. von 98 bis 117 n.Chr., schreibt Tacitus über die Christen: „Der Begründer dieses Namens, Christus, war unter der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden. Aber der für den Augenblick unterdrückte verderbliche Aberglaube brach wieder hervor, nicht nur im Bereich von Judäa, wo das Unheil entstanden war, sondern auch in der Stadt Rom, wohin ja aus der ganzen Welt alle rohen und schändlichen Dinge zusammenfließen und Beifall finden.“

Das ist das Zeugnis des Tacitus über die wirkliche Gestalt Jesu Christi. Daß seine Bemerkungen seine Geringschätzung des Christentums zeigen, ändert daran nichts. Wir können ein zweites Zeugnis beisetzen von Plinius, Plinius dem Jüngeren. Er war Statthalter im damaligen Kleinasien, das ist die heutige Türkei. Und dieser Plinius der Jüngere schreibt als Statthalter von Bithynien, so hieß diese Landschaft, in einem Brief an Kaiser Trajan aus dem Jahre 111 – 113: „Die Christen kommen an einem bestimmten Tag (Sonntag) vor Tagesanbruch zusammen und singen auf Christus als auf ihren Gott unter sich wechselweise ein Lied.“ Dann hätten sie sich getrennt und seien von neuem zusammengekommen, um Speise zu genießen (Eucharistie). Die Zahl der als Christen Verdächtigen sei sehr hoch. Sie singen als Gemeinde ein Lied auf Christus als ihren Gott. Das ist die entscheidende Aussage in diesem Briefe des Plinius.

Die Juden bezeugen ebenfalls die Geschichtlichkeit Jesu, wenn auch jedes Wort über ihn gewöhnlich von Haß durchtränkt ist. Der Talmud aus dem 2. christlichen Jahrhundert bemerkt in dem Traktat Sanhedrin (Hoher Rat): „Am Vorabend vor Ostern wurde Jesus gehenkt, weil er Zauberei getrieben, das Volk Israel verführt und zu einer fremden Religion verleitet hat.“

Besser äußert sich der im römischen Kulturkreis stehende jüdische Schriftsteller Josephus Flavius. Er hat ein Buch geschrieben „Jüdische Altertümer“, etwa im Jahre 93 n.Chr. In diesem griechisch geschriebenen Werk heißt es: „Zu dieser Zeit trat Jesus auf, ein weiser Mensch, wenn anders man ihn einen Menschen nennen darf. Denn er war ein Vollbringer auffallender Werke. Er hat viele Juden, aber auch viele aus dem Heidentum an sich gezogen. Dieser wurde von den Ersten unseres Volkes an Pilatus ausgeliefert, der ihn zum Kreuzestod verurteilte. Nichtsdestoweniger blieben ihm jene, die ihm ihre Liebe einmal geschenkt hatten, weiter in Liebe zugetan.“

Das sind, meine lieben Freunde, Zeugnisse profaner Schriftsteller für die geschichtliche Wirklichkeit Jesu Christi. Wenn wir über andere Männer, Frauen und Geschehnisse der Antike so viele Zeugnisse hätten wie für Christus, dann wären wir glücklich. Aber in unseren Geschichtsbüchern ist von manchen Ereignissen und Gestalten berichtet, die weit weniger bezeugt sind als Christus, und doch zweifelt niemand daran. Wir haben also keinen Anlaß, irrigen Führern zu folgen, welche die Geschichtlichkeit, die geschichtliche Wirklichkeit Jesu Christi bestreiten. Wir stehen wahrhaftig hier auf dem Felsgrund der Tatsachen.

Aber neben diesen Zeugnissen der Profanschriftsteller gibt es auch das Zeugnis, das Christus selbst für sich ablegt, durch die Geschichte, indem er sich nicht nur als geschichtliche, sondern als geschichtsbildende Persönlichkeit erwiesen hat. In den zweitausend Jahren, die das Christentum auf dieser Erde ist, hat es nämlich eine Wirksamkeit entfaltet, die ohne göttliche Begleitschaft, ohne göttliche Lenkung, ohne göttliche Kraft nicht denkbar wäre. Was in diesen zweitausend Jahren geschehen ist, das fordert die Anerkenntnis, daß Jesus nicht nur war, sondern daß er ist, daß er nicht nur gelebt hat, sondern daß er lebt. Bei allen anderen in der Geschichte heißt es: Er war und er ist nicht mehr. Bei Jesus sind wir gezwungen, anzunehmen: Er war nicht nur, sondern er ist auch noch.

Ich erinnere an das Zeugnis des Menschenherzens. Wie viele Menschen in diesen zweitausend Jahren haben sich von der Wahrheit und Gnade des Herrn erfassen lassen! Ungezählte Millionen sind durch seine Gnade und die Wahrheit ergriffen worden, sind aus ihren Sünden aufgestanden und haben sich bekehrt und ein Leben der Tapferkeit und der Heiligkeit geführt. Wie viele Menschen haben ein Leid in der Kraft dieser Gnade und Wahrheit heroisch getragen! Wie viele Menschen sind in der Nächstenliebe bis zum Opfer ihres Lebens gegangen! Das ist das Zeugnis des christlichen Lebens für die Wirklichkeit und für die Wirksamkeit Christi.

Es gibt, meine lieben Freunde, immer wieder Fingerzeige, die uns auch in der Gegenwart gewiß machen können, daß wir in der Wahrheit und in der Gnade stehen. Vor einigen Jahren hat der jüdische Philosoph Max Horkheimer eine Untersuchung machen lassen, wer sich nämlich in der Zeit des Nationalsozialismus am meisten der verfolgten Juden angenommen habe. Er kam zu dem für ihn erstaunlichen Ergebnis, daß es die praktizierenden Katholiken waren.

Wir alle können das Zeugnis ablegen, daß die heilige Religion uns erhoben hat, daß sie unser Glück und unser Friede geworden ist, daß wir in der heiligen Religion vor Fällen und Abstürzen bewahrt worden sind, die ohne die Wahrheit und die Gnade Christi ohne weiteres möglich gewesen wären. Karl Marx hat die These aufgestellt: Das Sein bestimmt das Bewußtsein, d.h. man denkt so, wie man ist, man handelt so, wie man in einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse steht. O nein, meine lieben Freunde, o nein, so ist es nicht! Das Christentum beweist, daß diese These von Karl Marx falsch ist, daß die Religion und die Macht der Religion und die Kraft der Gnade und der Wahrheit über die Befindlichkeit im Irdischen und Gesellschaftlichen zu triumphieren vermögen.

Gestatten Sie, daß ich ausnahmsweise einmal an dieser Stelle von meinem Leben rede. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen. Meine Vorfahren waren alle schlichte Leute. Nach ihrer sozialen Lage hätten sie bei den Kommunisten oder bei den Sozialisten stehen müssen. Aber kein einziger war bei diesen Gruppierungen zu finden. Die heilige Religion, der sie mit Glut anhingen, hat sie davor bewahrt, diesen Irrlichtern nachzulaufen. Keiner von ihnen hat sich der Verführung des Nationalsozialismus ergeben. Von gläubigen Eltern und Großeltern geprägt, haben wir uns niemals dieser Irrlehre gegenüber zu einem Kompromiß bereit gefunden. Es war nicht mein Verdienst, es war das Verdienst unserer Eltern und Großeltern, die uns in der Ablehnung der völkischen Ideologie erzogen haben. Ja, das ist die Macht der Religion, das ist die Kraft der Gnade und der Wahrheit Jesu Christi.

Und das können viele bezeugen. Auch die Kirchengeschichte ist ein Beweis dafür, daß Christus nicht nur lebte, sondern daß er auch heute noch lebendig ist. In diesen zweitausend Jahren sind viele Schläge gegen diese Kirche gerichtet worden, aber sie ist nicht darunter zusammengebrochen, sie hat sich immer wieder erhoben. Da ist der Zerfall im Inneren gewesen, aber sie ist mit allem fertig geworden. Und wenn man sagt, das Christentum habe versagt, nein, meine Christen, nicht das Christentum hat versagt, sondern viele Christen haben sich unwillig erwiesen, das Christentum zu leben. Die Kraft und die Gnade und die Wahrheit lagen bereit, aber sie haben davon keinen Gebrauch gemacht.

Es ist mit der christlichen Wahrheit und mit der christlichen Gnade nicht so wie mit den Tiefdruckgebieten. Die ziehen unerbittlich, was immer die Menschen denken und wollen, von Westen nach Osten. Die Wahrheit und die Gnade dagegen entfalten nur dann ihre Segenskraft, wenn der Mensch will. Nicht ein Naturgesetz waltet über dem Christentum, sondern das Gnadengesetz, und das heißt, das Gesetz des freien Willens, der sich der Gnade öffnet.

Vergessen Sie nicht, daß in diesen zweitausend Jahren auch immer Kräfte aufgestanden sind, die sich gegen die Wahrheit und Gnade des Christentums gerichtet haben. Wir erleben es ja in der Gegenwart, wie erneut, und zwar mit verschärfter Wucht, jeden Tag die heilige Religion bekämpft wird, im Fernsehen, in den Zeitungen, im Rundfunk, auf der Bühne. Die eifrigsten Bekämpfer dieser Religion sind abgefallene Katholiken, unter ihnen nicht ganz wenige, die den stolzen Namen eines Professors führen. Lassen Sie sich nicht irre machen, meine lieben Freunde! Eine Ansammlung von Abgefallenen bringt keine Wahrheit zustande.

Nein, wir wollen uns überzeugen lassen vom Zeugnis der steinernen Dome, aber auch vom Zeugnis der Menschenherzen, vom Zeugnis der christlichen Gemeinden, vom Zeugnis der christlichen Kultur, daß Christus nicht nur eine geschichtliche Persönlichkeit, sondern eine geschichtsbildende Persönlichkeit ist. Wir wollen sprechen, wie Paulus gesagt hat: „Scio cui credivi.“ Ich weiß, wem ich geglaubt habe. Als wir uns zur Wahrheit und Gnade bekehrten, da sind wir nicht Fabeln und Legenden, nicht Märchen und Sagen gefolgt, sondern da haben wir uns auf den geschichtlichen Boden, auf den Felsengrund der Geschichte gestellt. „Hier ist mehr als ein Mensch,“ hat einmal Napoleon gesagt, rückblickend auf die Geschichte Jesu. Wahrhaftig, hier ist mehr als ein Mensch, hier ist der Gottmensch Jesus Christus.

Amen.

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