Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Januar 2008

Das Vorbild der heiligen Familie

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir begehen heute das Fest der heiligen Familie. Es ist und bleibt eine Tatsache: Als Christus die Welt erlösen wollte, hat er mit der Heiligung einer Familie begonnen. In der Epistel des vorigen Sonntags wird uns der Zweck seines Kommens unterbreitet. Da heißt es nämlich: „Er war dem Gesetze untertan, um die zu erlösen, die unter dem Gesetze standen.“ Er war dem Gesetze untertan, um die zu erlösen, die unter dem Gesetze standen. So hat er das alttestamentliche Gesetz erfüllt in der Beschneidung, wo er das Bundeszeichen empfing, in der Darstellung im Tempel, wo die Erstgeburt ausgelöst wurde und wo Maria die Reinigung erfuhr. Er hat aber auch den Gehorsam bewiesen in der Unterordnung unter seinen Pflegevater Joseph und seine Mutter Maria. „Er zog mit ihnen hinab nach Nazareth und war ihnen untertan.“ Um dieses einen Satzes willen sind die Texte der heutigen Messe entstanden. Der ewige Gottessohn dient seinen Eltern, dient in einem verborgenen Leben seinem Pflegevater und seiner Mutter.

Das Fest der heiligen Familie stellt uns das schlichte Heim zu Nazareth vor die Augen. Es ist ein Abbild des Gotteshauses, so wie jede Familie ein Abbild des Gotteshauses sein soll. „Wie lieblich sind deine Wohnungen, o Herr der Heerscharen.“ So haben wir am Eingang dieser Messe gesungen, weil eben ein jedes Haus, ein jedes Heim ein Abbild des Gotteshauses sein soll. „In Freude frohlockt der Vater des Gerechten, sein Vater freut sich und seine Mutter.“

In der Epistel wird es dann ernster, denn in der Epistel des heutigen Tages, die ich ja eben vorgetragen habe, werden uns die Tugenden genannt, die ein christliches Haus nach dem Vorbild von Nazareth auszeichnen sollen. „Ziehet an, Brüder, herzinniges Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut. Ertraget einander und verzeihet einander, seid dankbar!“ Achten wir darauf, welche Tugenden der Apostel Paulus für unerlässlich hält, damit ein jedes Haus ein Abbild von Nazareth werden kann. Ziehet an herzinniges Erbarmen, Güte. Erbarmen ist die Liebe zu der gefallenen, zu der schuldbeladenen, zu der elenden Kreatur. Ja, meine lieben Freunde, ohne Erbarmen wäre die Welt eine Hölle. Erbarmen wendet sich dem zu, der sich selbst nicht helfen kann. Erbarmen wird dem gezeigt, der nicht liebenswürdig ist. Das ist Erbarmen. Güte, das ist das Wohlwollen, das wir jedem Menschen beweisen wollen. Wenn wir uns nicht bemühen, wohlwollend gegen jeden zu sein, dann werden wir unwillkürlich grausam. Wir müssen wohlwollend gegen jeden sein.

Und dann heißt es weiter: Demut, Sanftmut, Langmut. Demut, das ist die Tugend, mit der wir uns hinten anstellen, die Tugend, die zufrieden ist mit dem letzten Platz, die Tugend, die sich nicht hervortun will und nicht vorgezogen werden will. Sanftmut, das ist jene Tugend, mit der wir den Zorn besänftigen. Der Zorn, der so viel Unheil anrichtet im Herzen des Zornigen und in der Familie. Sanftmut ist Milde, ist Ausgleich, ist Duldsamkeit. Langmut, Langmut ist ein anderes Wort für Geduld. Wir müssen warten können. Wir müssen mit den Menschen Geduld haben. Wir dürfen unsere Forderungen nicht übers Knie brechen. Geduld erträgt auch schwierige und komplizierte Menschen. Und dann wird uns auch gleich wieder gesagt: „Ertraget einander!“ Ja, das ist es, meine lieben Freunde, einander ertragen, das wäre das allerwichtigste in der Familie. Jeder Mensch will ertragen werden, jeder Mensch. Jeder Mensch hat sogar etwas Unerträgliches an sich. Ertraget einander. Verzeihet einander. Jeder weiß, dass es ohne Anstöße, ohne Schmerz in den menschlichen Beziehungen nicht geht, aber die Sonne nicht untergehen lassen über den Zorn! Das heißt, bevor es Abend wird, sich versöhnen. Verzeihet einander! Nicht nachtragen, nicht immer wieder darauf zurückkommen, wie das Menschen machen. Seid dankbar! Dankbar auch für das Selbstverständliche. Wie tut es den Menschen wohl, wenn man ihnen für ein Lächeln, für ein gutes Wort Dankbarkeit bezeigt! Seid dankbar!

Wenn wir diese Tugenden erwerben, meine lieben Freunde, dann kann auch unsere Familie eine heilige Familie werden, dann können wir vertrauensvoll die Fürbitte der heiligen Familie für uns erbitten und um die Kraft beten, sie nachzuahmen. Wir haben am Eingang gesungen: „Jesus, Maria und Joseph.“ Ja, das ist ein ganz ergreifendes Gebet. Es ist vor allem ein Gebet für die Sterbestunde. Jesus, Maria und Joseph, euch vertraue ich meinen Leib und meine Seele. Jesus, Maria und Joseph, lasst meine Seele in Frieden scheiden. Jesus, Maria und Joseph, steht mir bei im letzten Kampfe. Ja, das ist es. Jesus, Maria und Joseph sollen unser Leben, aber auch unser Sterben geleiten. Wenn wir die Tugenden erwerben nach dem Vorbild von Nazareth, dann wird der Friede in unsere Familien einziehen, der Friede, nach dem alle verlangen und für den viele so wenig tun. Eine Stätte des Friedens soll unser Heim sein, ein friedvolles Heiligtum eine jede christliche Familie. Die schlichte Mutter und der treue Arbeitsmann sind Vorbild für unsere Eltern. Wenn wir diese Menschen uns zum Vorbild nehmen, dann wissen wir, was wir als Eltern zu tun haben. „Wo jeder Mann ein Joseph ist, Maria jedes Weib und jedes Kind wie Jesus Christ gedeiht an Seel’ und Leib, da ist, mein Christ, o glaub mir dies, ein jedes Haus ein Paradies.“ Wahrhaftig, ein gutes Elternhaus ist der beste Start für das Leben. Wenn die Kinder aus einem guten Elternhaus kommen, können sie das zeitliche und das ewige Glück viel leichter erringen als jemand, der aus einem friedlosen Elternhaus auszieht in die Welt. Die ganze Geschichte gibt Zeugnis davon, wie segensreich die religiöse Festigung der Familie ist. Dort, wo das Ehesakrament feste Bande um die Gatten schlingt, eine Mauer aufrichtet, so dass sie nicht darüber hinausschauen und nicht aus der Ehe ausbrechen, da hat das Kind seinen kostbaren Schutz im Schoße einer solchen Familie, das Kind, die kostbare Frucht ehelicher Gemeinschaft.

Der französische Staatspräsident, meine lieben Freunde, Sarkozy, ist ein katholischer Christ, und er will es sein. Er bekennt sich als katholischer Christ. Aber er ist den Forderungen des katholischen Lebens offenbar nicht gewachsen. Er ist zweimal geschieden und zieht mit einer dritten Frau herum. Aus der ersten Ehe sind zwei Kinder da, aus der zweiten auch zwei. Man nennt so etwas eine Patchwork-Familie heute, also eine Familie, die aus Flickwerk besteht. Wie ist das schmerzlich! Ein solcher Mann, der katholisch sein will und es auch ist, aber der den elementaren Forderungen des Glaubens nicht genügt. Das ist kein Vorbild für Frankreich. Nein, wenn die Kirche den Lebensbund zweier Menschen vor den Stufen des Altares segnet, dann will sie damit, dass das eheliche Leben durchgehalten wird bis zum Ende, in guten wie in bösen Tagen! Und sie will auch, dass das eheliche Leben nicht ein Ausleben der Sinnlichkeit ist, sondern ein Gottesdienst, ein ehrfürchtiges Teilnehmen an Gottes geheimnisvollem Schöpferplan. Kindersegen ist keine unerwünschte Last, Kindersegen ist ein Gottesgeschenk, ein tiefes Glück und eine ernste Verpflichtung. Eine Ehe, meine Freunde, lässt sich nicht auf Geschlechtlichkeit aufbauen. Der Trieb erschöpft sich bald, und wenn er sich nicht erschöpft, dann schaut er nach anderen aus. Was die Ehe trägt, ist Achtung und Ehrfurcht, ist Wohlwollen und Dienstwille. Auch da haben wir zum Glück das Vorbild einer edlen Frau Die Familienministerin Ursula von der Leyen, eine gläubige evangelische Frau, ist Mutter von sieben Kindern, und wie man hört, nimmt sie sich der Kinder an trotz ihres hohen Amtes. Ich spreche nicht von ihrer Politik, sondern von ihrem Privaten Leben. Und das ist vorbildlich. Sie hat jeden Tag Zeit für ihre Kinder, und sie widmet sich auch der religiösen Erziehung der Kinder. Da haben wir ein wirkliches Vorbild einer Mutter, die als Priesterin in ihrer Familie waltet.

Und dazumahnt uns ja die Kirche: „Hütet den Tempelbezirk der Familie!“ Das einzige Ereignis, das wir aus dem verborgenen Leben Jesu erfahren, ist ein Gang zum Tempel – das einzige Ereignis! Und das wird uns offenbar nicht ohne Absicht enthüllt. Es soll uns gezeigt werden, dass die Religion die Seele jeder Familiengemeinschaft sein muss, eine gesunde Frömmigkeit, die Eltern und Kinder zu einer gesegneten Einheit verbindet. Die ganze Erziehung muss religiös geprägt sein. Das heißt für die katholische Familie: Kein Sonntag ohne heilige Messe, kein Tag ohne Gebet, kein großes Fest ohne Beicht und Kommunion. Das sollen die eisernen Grundsätze werden, die wir uns selbst aneignen und die wir unseren Kindern vermitteln: Kein Sonntag ohne heilige Messe, kein Tag ohne Gebet, kein großes Fest ohne Beicht und Kommunion.

Die Religion muss aber lebendig sein. Ich halte nichts von einer Häufung der Frömmigkeitsübungen, die nicht von einer wirklichen Überzeugung getragen sind. Das ist das Entscheidende, meine lieben Freunde, dass wir die Kinder nicht dressieren zu bestimmten Frömmigkeitsübungen, sondern dass wir ihnen Überzeugungen vermitteln. Sie müssen begreifen, dass die Frömmigkeit lebensnotwendig ist wie das Atmen und wie die Nahrung, dass es ohne Religion nicht gut geht. Sie müssen sich die Religion verinnerlichen, internalisieren, wie man das heute nennt. Wenn wir keine Überzeugung begründen, die Dressur hält nicht durch. Die Kinder müssen Grund und Zweck und Sinn der Religion und der religiösen Übungen begreifen. Die Religion muss in ihnen Wurzeln schlagen. Das ist es: Sie muss in ihnen Wurzeln schlagen. Dann wird sie auch halten. Sie müssen die Religion als unentbehrlichen Bestandteil ihres Lebens begreifen.

Das wird nur möglich sein, wenn die Eltern auch ihre Autorität wahren. Eltern sind Autoritätspersonen. Sie haben das Recht und die Pflicht, zu führen und zu befehlen, erforderlichenfalls auch zu strafen. Die Kinder haben die Pflicht des Gehorsams. Aber man kann die Autorität auch verlieren. Wie verliert man die Autorität? Indem man sich gehen lässt, indem man unbeherrscht ist, indem man widersprüchlich ist im Handeln und im Befehlen. Das sind die Weisen, wie man die Autorität verspielt: Unbeherrschtheit, Sich-Gehen-Lassen, Widersprüchlichkeit im Handeln und Befehlen. Wenn dagegen die Eltern ihre Autorität durch die Tugenden stützen, die sie erwerben sollen, dann können die Kinder auch das den Eltern erweisen, was unerlässlich ist, nämlich Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam. Ehrfurcht, also diese heilige Scheu, den anderen zu kränken, dem anderen weh zu tun. Achtung und Wertschätzung, das ist Ehrfurcht. Liebe, das ist unbegrenztes Wohlwollen und Wohltun. Die Liebe hört nie auf. Sie hört auch nicht auf, wenn Eltern sich vergessen und sich verfehlen. Und Gehorsam, das heißt Einordnung, Unterordnung, Verzicht auf den eigenen Willen. Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam sind die Tugenden, die die Kinder den Eltern erweisen müssen. Wenn die elterliche Autorität begründet ist durch ein vorbildliches Leben und wenn die kindliche Einordnung sich zeigt in den erwähnten Tugenden, dann wird wahrhaftig die Familie ein Heiligtum. Dann steht der Vater wie ein Priester in der Familie und die Mutter wie eine Tempelhüterin, dann kann man hoffen, dass die Eltern am Ende ihres Lebens einmal sagen können: „Keinen von denen, die du mir gegeben hast, habe ich verloren.“

Ein solches Familienleben, meine Freunde, verlangt viel sittliche Kraft und hohen Opfergeist, Geduld und vor allem Selbstverleugnung. Das ist ein Wort, das man heute nicht gern hört: Selbstverleugnung, und es ist vielleicht das Wichtigste, was in der Familie gelebt werden muss, dass man eben auf eigene Wünsche, Pläne, Vorlieben verzichtet, wenn höhere Werte auf dem Spiele stehen. Selbstverleugnung spricht: Nicht ich, sondern du, nicht dass es mir gut geht, sondern dass es dir gut geht. Das ist Selbstverleugnung. Die Selbstverleugnung bringt großen Segen in die Familie. Sie ist die Bürgschaft wahren irdischen Glückes und die Verheißung ewigen Glückes. Wir beten ja heute im Kirchengebet so ganz ergreifend: „Herr, du hast durch deine Tugenden das häusliche Leben geheiligt, da du Maria und Joseph untertan warst. Gib auf die Fürbitte beider, dass wir uns das Beispiel der heiligen Familie zur Lehre nehmen und dass wir einst die ewige Gemeinschaft mit dir erlangen.“

Amen.

 

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt