Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. Mai 2011

Die Ankündigung des Trösters

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Ich gehe zu dem, der mich gesandt hat, und niemand von euch fragt mich: Wohin gehst du? Sondern weil ich euch dies gesagt habe, hat Traurigkeit euer Herz erfüllt.“ In diesen Worten des Herrn schwingen Wehmut und ein leichter Tadel. Die Jünger sind betrübt, weil die traute Gemeinschaft mit dem Herrn zu Ende geht. Er geht von ihnen, und sie werden ihn nicht mehr sehen.

Das ist der erste Akt im Drama der Heilsgeschichte: Sein irdisches Wirken nähert sich dem Abschluß. Denn wir wissen, was dieses Hingehen bedeutet. Es besagt, dass er durch Schmach und Verfolgung und Tod hindurchgehen muss, durch Verspottung und Hinrichtung, aber dass er auch aus dem Grabe entrissen wird, dass er heimkehrt zum Vater, in die Herrlichkeit des himmlischen Vaters. Deswegen: „Es ist gut für euch, dass ich hingehe.“ Er muss doch den Willen des Vaters erfüllen. Er kann doch nicht zurückschrecken vor dem Leidenskelch, den ihm der Vater darreicht. Er muss ihn doch austrinken bis zum letzten Tropfen. Und er muss auch gewärtig sein, dass der Vater ihn am dritten Tage aus dem Tode entreißt und dass er dann heimkehren darf in die Herrlichkeit des Vaters.

„Wenn ich nicht hingehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen. Gehe ich aber hin, so werde ich ihn euch senden.“ Ja, warum kann denn der Beistand nicht kommen, wenn der Herr nicht hingeht? Ja, weil er den Herrn ablöst. Die irdische Zeit des Wirkens Jesu ist beendet, das ist der erste Akt. Aber auf diesen Akt folgt ein zweiter, und das ist die Ankunft des Geistes. Erst muss das Erlöserwirken Jesu vollendet sein, ehe die Frucht – die Frucht! – dieses Wirkens ihnen zuteil werden kann, der Heilige Geist. Das Erlöserwirken Jesu ist vollendet, wenn er nach Tod und Auferstehung in die Herrlichkeit des Vaters zurückgekehrt ist. Das Wirken des Parakleten, des Geistes, soll erst einsetzen, wenn die irdisch-leibliche Gegenwart Jesu beendet ist. Man kann in gewisser Hinsicht sagen: Der Geist löst Jesus ab. Solange er auf Erden weilte, war er der Tröster der Seinen, aber jetzt schickt er einen anderen Tröster, den Geist der Wahrheit und der Kraft. Im Wirken dieses Geistes vollzieht sich die Fortsetzung des Werkes Jesu. Es wird von seiner zeitlichen und räumlichen Begrenzung befreit. Der Geist ist der Garant der Universalität. „Ihr werdet meine Zeugen sein, nicht nur in Judäa, nicht nur in Samaria, nicht nur in Galiläa, sondern bis an die Grenzen der Erde.“ Das ist das Signum des Wirkens des Heiligen Geistes: Er ist universal. Es gibt keine zeitliche und räumliche Begrenzung mehr für sein Wirken.

Wenn dieser Geist kommt, setzt der zweite Akt im Drama der Heilsgeschichte ein. Wenn das fruchtbare Leiden des Herrn beendet ist und der himmlische Vater sein Ja zu diesem Leiden gesprochen hat in der Auferstehung, dann kann das Kommen des Geistes geschehen.

Und der Herr bereitet die Jünger vor auf dieses Kommen: „Bleibet in der Stadt, bis der Geist euch mit Kraft aus der Höhe ausrüstet.“ Das ist der Zweck seines Kommens: die Ausrüstung mit Kraft. Ohne den Geist sind sie schwach, furchtsam und feige. Aber mit dem Geist werden sie stark und mutig und mit Bekennerkraft erfüllt. Die Apostel haben auf das Wort des Herrn gehört. Sie sind in Jerusalem geblieben. Die Verheißung Jesu erfüllte sich. Der Geist kam über sie und durchfeuerte sie. Der Pfingsttag brachte die Ankunft des Parakleten. Und sie haben sein Wirken erlebt. Bevor er kam, verkrochen sie sich im Abendmahlssaal; als er gekommen war, traten sie hinaus in die Öffentlichkeit und legten Zeugnis ab von Jesus: „Wir können nicht schweigen von dem, was wir gehört und gesehen haben.“ Und sie haben sich jauchzend vom Hohen Rat entfernt, wo sie geprügelt worden waren, jauchzend, weil sie gewürdigt worden waren, für den Namen Jesu Schmach zu leiden.

Dann kommt der dritte Akt. Der dritte Akt der Heilsgeschichte reicht vom Pfingsttag bis zum Ende der Welt. Der Geist kommt nicht nur für einen Tag, er bleibt. Er bleibt, und er wirkt. Welches ist das Werk des Geistes? Es wird uns heute deutlich gesagt, was der Geist wirkt. Drei große Wahrheiten verkündet er: Es gibt eine Sünde. Ja, das ist ja etwas ganz Neues. Denn für die Menschen, die die Menschen von heute, für die Menschen nach dem Zweiten Vatikanum gibt es keine Sünde mehr. Der Geist sagt das Gegenteil: Es gibt eine Sünde, es gibt Auflehnung gegen Gott, es gibt Selbstherrlichkeit. Man kann nicht alles entschuldigen mit der Anlage, mit der Erbschaft von den Eltern her, mit dem Milieu. Man kann nicht alles entschuldigen mit Müdigkeit, mit Schwachheit, mit Unwissenheit. Gewiß, der Herr hat am Kreuze versucht, seine Peiniger zu entschuldigen: „Vater, verzeih’ ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.“ Mag sein, dass es Menschen gibt die nicht wissen, was Sünde ist. Aber was ist mit denen, die es wissen? Die es nur zu gut wissen, wenn sie die Kirche madig machen, wenn sie den Kindern den Glauben aus dem Herzen reißen, wenn sie die Homosexualität verharmlosen? Es gibt viele Sünden, aber die schlimmste ist der Unglaube, dass die Welt nicht an Christus, an seine Gottessohnschaft, an seine Sendung glaubt. Diese Sünde ist deswegen so schlimm, weil der Ungläubige den Eintritt in die Herrschaft Gottes, die Übernahme der Jüngerschaft Jesu, die Gliedschaft am Leibe Christi verweigert. Diese Ablehnung bewirkt und besiegelt den Heilsverlust, denn „ohne Glaube ist es unmöglich, Gott zu gefallen“. Am Schluß des Markusevangeliums, immer knapp und eindringlich, wie es bei Markus der Fall ist, steht der Satz: „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden. Wer nicht glaubt, wird verdammt werden.“

Es gibt Sünde, und der Geist legt durch die Kirche Zeugnis ab dafür, dass es Sünde gibt. Deswegen ist ja die Kirche so unbeliebt, weil sie Zeugnis ablegt von der Sünde. Sie soll von der Sünde schweigen, wie es der Protestantismus tut. In der Verkündigung der Kirche werden die Gebote Gottes den Menschen nahegebracht, wird den Menschen gezeigt, dass es Sünde gibt. Die Verkündigung der Kirche macht die Menschen unentschuldbar, auch wenn sich der Herr Bürgermeister von Berlin dagegen auflehnt. Sie können sich nicht herausreden: Wir haben nicht gewußt, dass Abtreibung Sünde ist; wir haben nicht gewußt, dass homosexuelle Betätigung Sünde ist. Die Kirche hat es ihnen gesagt, oft und oft, unter Schmerzen und unter Verlusten, aber sie hat es ihnen gesagt.

Es gibt eine Sünde. Es gibt eine Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit besteht darin, dass Jesus der Eckstein ist, als den ihn schon der weise Simeon im Tempel von Jerusalem angekündigt hatte: „Wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden. Auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen.“ Er ist der, der bestellt ist zum Fall und zur Auferstehung vieler, zum Zeichen, dem man widersprechen wird. Auf Jesus kommt alles an, an Jesus kommt niemand vorbei. Es gibt eine Gerechtigkeit, „weil ich zum Vater gehe“. Die Ankläger, die Peiniger, die Henker haben nur gesehen, wie Jesus geschmäht, verurteilt, hingerichtet wurde. Sie dachten: Jetzt ist alles aus. Jetzt ist er hin. Aber mit dem Grabe ist die Gerechtigkeit Gottes nicht erfüllt. Das Grab ist für Gott nicht die letzte, sondern die vorletzte Wirklichkeit. Der ins Grab Gelegte ist zum Auferstandenen geworden. Gottes Gerechtigkeit hat nicht geduldet, dass er im Grabe verwest. Sie hat ihn in verklärter Glorie dem Grabe entrissen. Er mußte leiden. Der Vater wollte es. Aber er war gehorsam geworden bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze, damit ihm der Vater einen Namen gibt, der über alle Namen ist und sich in seinem Namen alle Knie beugen im Himmel, auf der Erde und unter der Erde. Es gibt eine Gerechtigkeit. Zuerst für Jesus von Nazareth, dann aber auch für alle Menschen. Sie wissen es alle, meine lieben Freunde, auf Erden wird die Gerechtigkeit mit Füßen getreten. Auf Erden hängt die Gerechtigkeit am Kreuze. Aber so wird es nicht immer bleiben. Es gib ein Jenseits, es gibt eine jenseitige Vergeltung, nicht bloß als Postulat der praktischen Vernunft, wie Immanuel Kant meinte, sondern als gottgegebene Verheißung. Jenseits des irdischen Lebens wird die Gerechtigkeit verwirklicht. „Und ein Buch wird aufgeschlagen, treu darin ist eingetragen jede Schuld aus Erdentagen.“

Die Leiden werden einmal belohnt, die Schmerzen vergolten, die Pein in Freude verwandelt. Dann erfüllen sich die Verheißungen der Bergpredigt: „Selig, die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden. Selig, wenn die Menschen euch hassen, ausstoßen, alles Böse wider euch reden, denn euer Lohn ist groß im Himmel. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“ Gott wird alle Tränen abwischen von den Augen, und der Tod wird nicht mehr sein und die Trauer und die Qual. Es gibt eine Gerechtigkeit. Die guten Taten werden einmal vergolten. Das Scherflein der Witwe, der Trunk frischen Wassers, der einem Durstenden gereicht wurde, jede Stunde des Gebetes, jeder fromm gebetete Rosenkranz, sie werden ihre Belohnung finden. Es gibt eine Gerechtigkeit. Die Gottvergessenheit wird einmal gestraft werden. Jetzt toben die Gottlosen. Die Frevler planen Ränke gegen den Frommen, doch der Allmächtige lacht ihrer, denn er sieht ihren Tag kommen. Jetzt rühmen sich die Gottlosen: „Ich habe gesündigt. Und was ist mir geschehen? Nichts!“ Aber im Gericht Gottes erfüllt sich die Verheißung: „Ich sah den Gottlosen hocherhaben wie eine Zeder. Ich ging vorüber, und er war nicht mehr.“

Es gibt eine Gerechtigkeit. Es gibt ein Gericht. Das Gericht ergeht über den Bösen, über den Satan, über den Fürsten dieser Welt. Denn dazu ist ja der Sohn Gottes erschienen, dass er die Bollwerke Satans zerstöre, wie der Liebesapostel Johannes schreibt: „Dazu ist der Sohn Gottes erschienen, um die Bollwerke des Teufels zu zerstören.“ Und das hat er getan mit seiner Verkündigung, mit seinen Wundern, mit seinen Machttaten, mit der siegreichen Abweisung der Versuchungen. Triumphierend kann Jesus sagen: „An mir hat der Feind des Menschengeschlechtes keinen Anteil.“

Als der Herr einmal einen bösen Geist austrieb und der Geist ausgefahren war, verwunderten sich die Volksscharen. Einige sagten: „Durch Beelzebul, den obersten der Teufel, treibt er die Teufel aus.“ Jesus sagte: Wie könnt ihr solchen Unsinn reden? „Ein Reich. das in sich uneins ist, zerfällt doch. Wenn der Satan den Satan bekämpft, dann ist ja sein Reich zu Ende Wenn ich aber durch den Finger Gottes die bösen Geister austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Er ist der Stärkere, der über den Starken gekommen ist. Als die 72 Jünger zurückkehrten von ihrer ersten Aussendung und berichteten, dass ihnen die Dämonen untertan sind, da sagte er: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“

Das ist der dritte Akt, in dem wir leben, der Akt, in dem der Satan gerichtet ist und wir ihn mit unseren Füßen treten. Der Paraklet tritt in die Nachfolge  Jesu ein. Er führt die Jünger in die volle Erkenntnis der von Christus gebrachten Wahrheit ein. „Wenn aber der Geist kommt, wird er euch alle Wahrheit lehren.“ Das tut er. Das tut er in unserer heiligen, geliebten katholischen Kirche. Das tut er in dieser einzigen Arche des Heiles. Die anderen Religionsgemeinschaften sind unermüdlich bestrebt, die Wahrheit zu verdunkeln, zu verharmlosen, abzuschwächen, denn die Wahrheit ist anstrengend, ist lästig, ist unbequem. Deswegen weg mit den hohen sittlichen Forderungen Gottes, weg mit dem Verbot der Ehescheidung, weg mit der Sündhaftigkeit homosexuellen Tuns. Alle beugen sich, die Synagoge, die Moschee, das Luthertum, die Orthodoxie. Nur eine einzige Institution bleibt unbeirrt bei der Wahrheit, unsere katholische Kirche. Der ehemalige Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Wolfgang Huber erklärte, die evangelische Kirche verstehe sich als eine „durch die Aufklärung und Moderne hindurchgegangene Kirche“, während die Katholiken im Mittelalter stehengeblieben seien. Er vergaß hinzuzufügen, dass die Protestanten bei dem Durchgang durch Aufklärung und Moderne den Glauben verloren haben.

Freilich sind auch unsere Gläubigen in der Gefahr, angesteckt zu werden. Meine lieben Freunde, ich habe hier den Brief einer Dame, der ich vor 45 Jahren die Trauung gehalten habe, also die Eheschließung. Vor 45 Jahren. Jetzt schreibt sie am 14. Mai 2011: „Ich fühle in meinem Herzen, dass sich die zwei Kirchen wieder vereinigen. Allerdings muss sie sich mehr nach Martin Luther richten. Die katholische Kirche muss einlenken. Nicht umsonst ist Martin Luther geboren. Seine Thesen waren richtig. Christus hat allen Zauber – den Zauber! – der katholischen Kirche nicht gewollt.“ So schreibt eine Dame, der ich vor 45 Jahren die Trauung gehalten habe. Welche Verirrung! Welche Verirrung unter Berufung auf den Ökumenismus! Ich wiederhole, was ich schon einmal gesagt habe: Der Ökumenismus ist die Schmierseife auf der Rutschbahn des Abfalls von der einen wahren Kirche.

Lassen Sie sich, meine lieben Freunde, lassen Sie sich um Himmels willen nicht irremachen. Zerbrechen Sie nicht an der scheinbaren Aussichtslosigkeit unseres Wirkens! Bleiben Sie treu unserer Kirche. Sie ist die Heimstätte des Heiligen Geistes. Sie ist die Burg der Wahrheit. Sie ist der Hort des Glaubens. Halten Sie unerschütterlich fest an der Hinterlage, die Christus uns vermacht hat. Seien Sie getreu bis in den Tod, dann wird Ihnen Christus die Krone des Lebens geben.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt