Predigtreihe: Wer ist dieser Jesus (Teil 15)
14. Januar 2001
Über Christus, den König
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
An vielen vergangenen Sonntagen hatten wir uns die Frage gestellt: Was dünkt euch von Jesus? Wir waren überzeugt, daß von der Antwort auf diese Frage unser Heil und unser Unheil abhängt. Wir haben gesehen, daß die Antwort auf diese Frage außerordentlich reich ist. Jesus ist eben nicht nur ein Prophet oder ein Lehrer wie andere, er ist ein Priester, er ist der gottgesandte Offenbarer, er ist der auf Erden erschienene Gott.
Heute zum letzten Mal wollen wir die Frage stellen: Was dünkt euch von Jesus? Und wir wollen die Antwort geben: Jesus ist ein König. Gerade in dieser Zeit der Weihnacht ist das Königtum Jesu uns besonders deutlich durch die Liturgie der Kirche vor Augen gestellt. In der Magnificat-Antiphon der letzten Tage vor Weihnachten heißt es: „O König der Völker und ihr Ersehnter, du Eckstein, der du zwei zu einem verbindest, komme und erlöse den Menschen, den du aus Erdenlehm gebildet hast!“ Und in der Vesper am Vorabend von Weihnachten wird gebetet: „Wenn die Sonne vom Himmel her aufgestiegen sein wird, dann werdet ihr schauen den König der Könige, der vom Vater hervorgeht wie der Bräutigam aus seinem Brautgemach.“ Und in den Responsorien der Heiligen Nacht heißt es: „Heute hat sich der König des Himmels gewürdigt, von der Jungfrau geboren zu werden, um den verlorenen Menschen zum himmlischen Reiche zurückzuführen.“ Ähnlich wird am Fest der Erscheinung des Herrn gebetet: „Sehet, der Gebieter, der Allherrscher ist da; in seiner Hand ruht Königsmacht.“ Zusammengefaßt werden alle diese Äußerungen der Liturgie in dem Christkönigsfeste, das von Papst Pius XI. eingeführt worden ist. Die Liturgie bekennt eindeutig: Christus ist ein König.
Was die Liturgie uns lehrt, das ist im Alten Testament vorhergesagt. Eine Fülle von alttestamentlichen Texten stellt uns den Messias, den Heilbringer, als eine königliche Gestalt vor. Im Buche des Propheten Isaias heißt es: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Auf seinen Schultern ruht Weltherrschaft. Man wird ihn nennen Wunderrat, starker Gott, ewiger Vater, Fürst des Friedens. Groß wird die Macht und endlos der Friede sein auf Davids Thron.“
Auch in den Psalmen wird immer wieder das Königtum des Messias angesprochen, vor allem im Psalm 71, das ist ein echter Christkönigspsalm: „Von einem Meer bis zum anderen wird er herrschen, vom Euphrat bis an der Erde Grenzen. Es müssen sich die Gegner vor ihm beugen, den Staub der Erde seine Feinde lecken. Die Könige von Tarsis und die Inseln bringen Gaben dar, die Fürsten Sabas und Arabiens kommen mit Geschenken. Ihm huldigen die Könige der Erde, ihm dienen alle Heidenvölker.“ Ähnlich klingt die Botschaft aus dem 44. Psalm, wo es heißt: „Du bist der schönste aller Menschenkinder, und Anmut spielt auf deinen Lippen, denn auf ewig hat dich Gott gesegnet. Dein Thron, o Gott, besteht in Ewigkeit, denn gerecht ist deines Reiches Zepter. Du liebst Gerechtigkeit und hassest das Unrecht. Darum hat dich Gott, dein Gott, mit Freudenöl gesalbt vor allen anderen Herrschern.“
Das Neue Testament spricht häufig das Königtum Jesu aus. Ich will vor allem fünf Stellen nennen, an denen Jesus als König bezeugt wird. Als der Engel Maria die Botschaft bringt, was mit ihr geschehen soll, da ist sie erschrocken und harrt auf Erklärung dessen, was ihr gesagt wird. Da gibt ihr der Engel die Interpretation: „Gott wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird herrschen über das Haus Jakob in Ewigkeit, und seines Königtums wird kein Ende sein.“ Da könnte freilich jemand sagen: Ja, ist das denn eingetroffen? Hat er wirklich die Davidische Herrschaft erneuert, das große Reich, das vom Euphrat bis zum Nil reichte? Natürlich nicht. Offensichtlich ist das Königtum, das der Engel verkündet hat, transparent für ein transzendentes Königtum. Es ist in den Worten des Alten Testamentes der Hinweis auf ein Königtum anderer, geistiger und geistlicher Art enthalten. Die Erfüllung ist buchstäblich natürlich nicht eingetroffen, aber sie ist in ihrem geistigen Sinne erfüllt worden.
Ähnlich wissen wir, daß die Weisen aus dem Morgenlande einen König suchten. „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Sie hatten eine Ahnung davon, daß der Heilbringer königlichen Geblütes sein müsse.
Als Philippus den Nathanael zu Jesus führte, war Nathanael von der Persönlichkeit Jesu überwältigt. Und so brach es aus ihm hervor: „Du bist der König von Israel.“
Die Volksmassen waren ähnlich von Jesus angetan. Nach der Brotvermehrung wollten sie ihn zum König machen. Jesus verbarg sich vor ihnen, denn das Königtum, das ihm die Volksmassen ansinnen wollten, ist nicht sein Königtum. Sie suchen einen Brotkönig, sie suchen die Erfüllung ihrer natürlichen Wünsche, sie erwarten einen Bringer des irdischen Heiles, sie wollen die Erlösung ohne Bekehrung, und einer solchen Erwartung verweigert sich Jesus, der König.
Endlich hat er selbst vor Pilatus das herrliche Bekenntnis abgelegt: „Ja, ich bin ein König. Dazu bin ich geboren und in die Welt gekommen, daß ich der Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Er ist ein König! Er ist ein König im Reich der Wahrheit, d. h. der offenbaren Wirklichkeit Gottes. Das Königtum Jesu ist von besonderer Art. Es ist ein Königtum, das nicht in den Formen irdischer Macht auftritt, das nicht durch geographische Grenzen eingegrenzt ist. Es ist ein Königtum der sich opfernden Liebe. „Nicht mit dem Schwert“, sagt der heilige Augustinus, „hat sich Christus den Erdkreis untertan gemacht, sondern mit dem Kreuz.“ Daran sieht man am deutlichsten die Art seines Königtums. Es ist ein Königtum der sich opfernden Liebe. Sein Königtum ist verbindlich, die Menschen sind gehalten, sich diesem Königtum zu unterwerfen. Im Christentum gilt nicht das Wort: Hier kann jeder nach seiner Fasson selig werden. Aber dieses Königtum appelliert an die Verantwortung und an das Gewissen des Menschen. Jesus will durch sein Königtum die Menschen in sein herrliches Reich hineinziehen. Er will sie befreien von der Dämonie der Sünde. Er hat ja als Sieger und König den Tod, die Sünde und den Teufel überwunden. Diesen Sieg will er den Seinen vermachen. Sie sollen in sein herrliches, freies und reiches Königtum hineingezogen werden, indem sie über Sünde, Tod und Teufel mit ihm siegen und auf Thronen sitzen.
Das Königtum Jesu ist anders, ist vielleicht beschwerliches als ein irdisches Königtum. Es erfüllt nicht die irdischen Sehnsüchte, und deswegen, deswegen, meine lieben Freunde, befremdet es viele Menschen und schließt sie im Widerstand gegen das Königtum Jesu zusammen. Eindringlich und ergreifend ist das in der Apostelgeschichte gesagt: „Wahrhaftig, in dieser Stadt (Jerusalem) haben sich zusammengeschlossen wider deinen heiligen Knecht Jesus Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels.“ Alle waren sie gegen ihn, die Juden wie die Heiden, der weltliche Fürst und der geistliche Vertreter des Volkes, der Hohepriester.
Jesu Reich ist nicht von dieser Welt, und doch ist ihm alles unterworfen. Die irdischen Formen, die irdischen Ordnungen bleiben bestehen. Jesus ist ja gekommen, den Willen des Vaters zu erfüllen, und so läßt er auch die irdischen Einrichtungen bestehen, also beispielsweise Ehe, Familie, Volk. Das alles bleibt durch Christus unberührt, denn er ist ja, um den Willen des Vaters zu erfüllen, erschienen, und der Wille des Vaters ist eben, daß diese Ordnungen, solange diese Weltzeit läuft, bestehen bleiben. Aber Jesus hat zweierlei mit diesen Ordnungen getan: Er hat sie von der Dämonie der Sünde befreit, und er hat sie mit seiner Herrlichkeit durchstrahlt. Er hat sie von der Dämonie der Sünde befreit, indem er die Menschen lehrte, alles, was diese Ordnungen gefährdet und bedroht, abzuweisen. Er hat sie mit seiner Herrlichkeit durchstrahlt, indem er sie erhoben hat, beispielsweise die Ehe, die vor ihm ein natürlicher Bund war, die jetzt aber ein Sakrament geworden ist. So hat er die irdischen Ordnungen bestehen lassen, aber erhoben und durchstrahlt. Und er hat die Menschen umgeschaffen, die diese Ordnungen gestalten sollen. Die Menschen sollen diese Ordnungen formen nach dem ihnen innewohnenden Gesetz. Das ist der Grund, der tiefste Grund, meine lieben Freunde, warum die Kirche in ihrer Verkündigung immer auf der Natur beharrt, auf der Natur, d. h. auf der Schöpfung Gottes. Der Mensch ist gehalten, die Naturordnung zu beachten, wenn immer sich darin der Wille Gottes ausspricht.
Christi Reich ist nicht ganz identisch mit der Kirche. Die Kirche ist der Kern dieses Reiches. Christus ist nicht nur der Herr der Welt, er ist auch der Herr seiner Kirche, die er durchpulst mit seinem Feuer, mit seinem Geiste, die er führt und lenkt und leitet. Deswegen bleiben wir in dieser Kirche, weil wir wissen: Das ist die Kirche Christi. Er ist der Herr dieser Kirche, und von der Kirche strahlt die Wahrheit in diese Welt aus. Es gibt kein Licht, meine lieben Freunde, in dieser Welt, das nicht von dieser Kirche herkommt, und sie ist das letzte Bollwerk gegen die Zerstörung und gegen die Auflösung und gegen die Zerrüttung. Sie ist das letzte Bollwerk. Die Kirche ist auch nicht identisch mit dem Gottesreich; sie ist das Werkzeug und die Erscheinung des Gottesreiches. Das Gottesreich in unverhüllter Herrlichkeit ist noch nicht angebrochen. Darauf warten wir noch. Aber es gibt einen Keim, und dieser Keim ist die Kirche. Die Kirche ist das Werkzeug und die Erscheinung des Gottesreiches auf Erden.
Christus ist als König Gesetzgeber und Richter. Es gehört zum König, daß er Gesetze gibt und daß er Gericht hält. Das erfüllt Christus. Er ist Gesetzgeber, aber anders als Moses, er ist nämlich selbst unser Gesetz. An den Christen tritt das Gesetz gleichsam nicht mehr von außen heran, sondern von innen, weil Christus in ihm lebt und er in Christus lebt. Deswegen ist Christus sein personales Gesetz. Die einzelnen Forderungen, die ja nicht aufgehört haben, sind nur Wegweiser, wie sich das Gesetz, das Christus ist, in den konkreten Lebenssituationen auswirken muß. In den Einzelvorschriften, die Gott – und die Kirche in seinem Namen – gibt, haben wir Anleitungen für das Verhalten in den einzelnen Lagen unseres Lebens. Aber das personale Gesetz ist Christus selber, und darum ist er Gesetzgeber. Das Tridentinum hat es gegen die Neuerer des 16. Jahrhunderts deutlich ausgesprochen: „Wer sagt, daß uns Christus nur als einer gegeben ist, dem wir vertrauen sollen, und nicht auch als einer, dem wir gehorchen müssen wegen seiner Gesetzgebung, der sei ausgeschlossen.“
Christus ist auch der Richter. Ihm ist das ganze Gericht vom Vater übergeben worden. Im Johannesevangelium heißt es in diesem Sinne: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet, wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes nicht glaubt. Das aber ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist und die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht; denn ihre Werke waren böse.“ Also in der Stellung zu Jesus, im Verhalten gegenüber Jesus, da vollzieht sich das Gericht. Wer sich ihm in Gehorsam und Glauben unterwirft, der entgeht dem Gerichte. Wer ihn aber abweist in Selbstherrlichkeit und Hochmut, der ist schon gerichtet. Das Gericht ist bereits ergangen, es ist nur nicht offenbar geworden, aber es wird evident werden am Jüngsten Tage.
Auch die zu Jesus gehören, die sich ihm überantwortet haben, nehmen am Königtum Christi teil. Es ist gar keine Frage, daß im Neuen Testament die Gläubigen als Teilnehmer am Königtum Christi bezeichnet werden, etwa im ersten Brief des Petrus: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliger Stamm, ein Gott zugeeignetes Volk.“ Ein königliches Priestertum. Und ähnlich spricht der Apokalyptiker Johannes, der an die sieben Gemeinden schreibt: „Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommen wird, und von den sieben Geistern vor seinem Throne und von Jesus Christus, dem getreuen Zeugen, dem erstgeborenen der Toten, dem Beherrscher der Könige der Erde. Ihm, der uns lieb hat und uns mit seinem Blute von unseren Sünden erlöst und uns zu einem Königtum gemacht hat und zu Priestern für Gott, seinen Herrn, ihm gebührt die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit.“ Auch hier ist vom Königtum der Gläubigen die Rede.
Selbstverständlich muß man versuchen, dieses Königtum begrifflich zu erfassen. Es ist also bestimmt nicht damit gemeint, daß man sich in Pfarrgemeinde- und Pastoralräten versammelt, um dann zu bestimmen, was die Priester zu tun haben. So ist das Königtum Christi bestimmt nicht gemeint, sondern wie es gemeint ist, darüber gibt uns die Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanums im 36. Kapitel Auskunft. Da wird gesagt, was das Königtum der Gläubigen bedeutet. Es bedeutet dreierlei. Erstens, daß die Gläubigen in königlicher Freiheit über die Sünde herrschen. Sie herrschen tatsächlich, aber sie herrschen über die Sünde. Zweitens: Die Gläubigen sind aufgerufen, ihre Brüder zu Christus dem König zu führen und ihnen zu dienen. Sie sind wirklich Könige, aber ihr Königtum ist wie das Königtum Jesu ein Dienst. Drittens: Sie sollen die irdischen Ordnungen nach dem Willen Jesu, nach dem Willen Gottes gemäß den ihnen innewohnenden Gesetzen gestalten. Sie herrschen über die Dinge, aber sie herrschen so, daß sie dabei den ihnen innewohnenden Gesetzen folgen.
Das also ist das Königtum der Gläubigen, von dem nichts zurückgenommen werden soll, das aber in seiner Wesenhaftigkeit erkannt werden muß. Und diesem König muß man die Treue halten. In der Zeit des Dritten Reiches, meine lieben Freunde, haben wir Jugendlichen gern das Lied gesungen von Christus, dem König, dem wir die Liebe weihen, dem wir die Treue halten wollen, und viele Jugendliche haben es getan. In der gleichen Zeit tobte in Mexiko eine blutige Christenverfolgung. Viele Priester und Laien sind ihr zum Opfer gefallen. Unter ihnen war auch Anaklet Gonzales Flores, ein junger Familienvater. Er wurde wegen seiner Treue zu Christus und zur Kirche gemartert und getötet. Seine junge Frau hat den Leichnam von der Regierung erbeten und erhalten. Dann nahm sie ihren ältesten Sohn von fünf Jahren auf den Schoß und sagte: „Sieh, wie sie Papa zugerichtet haben. Sieh, was sie ihm angetan haben, wie sie ihm weh getan haben. Sieh aber auch, wie mutig Papa war für Christus, seinen König. Gelt, wenn du erwachsen bist, dann machst du es ebenso, wenn Gott es haben will.“ Gelt, wenn du erwachsen bist, dann machst du es ebenso, wenn Gott es haben will. Werden wir es auch so machen, wenn Gott es haben will?
Amen.