1. Dezember 2013
Gottes Nähe
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Der Weltenlauf wird nicht so endlos weitergehen wie jetzt. In einer Katastrophe nie geahnter Ausdehnung und Schrecklichkeit wird das Ende dieser Welt hereinbrechen. Das Weltall wird erschüttert werden. Sonne, Mond und Sterne, die scheinbar so fest am Firmament verankert sind, werden ihre Festigkeit verlieren und abstürzen. Heute wissen wir von astronomischen Erscheinungen wie den Meteoren. Kosmische Kleinkörper sind das, die in die Erdatmosphäre eindringen und eine Leuchterscheinung hervorrufen. In Arizona, einem Staate der USA, findet sich die Einschlagstelle oder besser der Einschlagtrichter eines Meteoriten, der in prähistorischer Zeit niederging. Der mittlere Durchmesser des Kraters beträgt 1200 m, die heutige Tiefe 170 m. Schätzungen ergeben einen Meteoriten von etwa 30 m Durchmesser und einem Gewicht von 15.000 t und eine Geschwindigkeit von 15 km/s. Das sind Tatsachen. Und diese Tatsachen können uns eine schwache Ahnung von dem geben, was am Ende der Tage eintreten wird. Dieses Phänomen in Arizona ist ein Kinderspiel gegenüber dem, was wir zu erwarten haben. Auch das Meer wird in Aufruhr geraten. Wir wissen aus den Erlebnissen, die zu unserer Zeit geschehen sind, welche Schrecken das Meer verbreiten kann. Wir haben gehört von Tsunamis: Oberflächenwellen des Meeres, die durch unterirdische Seebeben und Vulkanausbrüche erzeugt werden. Diese Tsunamis breiten sich ringförmig mit 700 km/h vom Herde aus und können einen ganzen Ozean, ja manchmal sogar mehrere Ozeane, durcheilen. An den Küsten können die Tsunamis Wellen bis 35 m Höhe auftürmen. Wir haben erlebt, welchen Schaden, welche Verheerungen Tsunamis in den Ländern Thailand und Indien angerichtet haben. Jetzt ist ein Taifun über die Philippinen hinweggegangen und hat Tausende von Menschen getötet, Hunderttausende obdachlos gemacht und das Land zerstört. Und das ist nur ein Kinderspiel gegenüber dem, was sich in der Endzeit zutragen wird. In dieser Zeit wird das Tosen und Wogen des Meeres die Völker in Angst und Bestürzung setzen. In Angst und Bestürzung sind sie jetzt schon durch das Ansteigen des Meeresspiegels. Ich habe gelesen, dass die Bewohner auf manchen Inseln ihre Wohnungen von der Küste wegverlegen in höher gelegene Teile. Und es gibt Inseln im Indischen Ozean, deren Bewohner daran denken, die Insel aufzugeben und sich nach Indien zu begeben, da sie fürchten, dass ihre Eilande verschlungen werden von den Wassermassen. Und das ist nur ein Kinderspiel gegenüber dem, was wir in der Endzeit zu erwarten haben. „Die Menschen werden vergehen“, so sagt das Evangelium, „vor angstvoller Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen werden.“ Die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Der Aufruhr der Natur wird nicht aus eigenen Kräften erfolgen, sondern auf Befehl ihres Schöpfers. Schon während des irdischen Wandels hat sich ja Christus als „Herr über die Natur“ erwiesen. Er gebot dem Orkan und dem Seebeben im See Genezareth. Die Menschen fragten fassungslos: „Was ist denn das für einer, dass ihn sogar der Wind und die Wellen gehorchen?“ Jetzt, am Ende der Tage, gebietet er der gesamten Schöpfung. Sein machtvolles Wort erschüttert Himmel und Erde.
Dieses Ereignis leitet die Wiederkunft Christi ein. In dem Augenblick, in dem auf Erden die Menschen von Entsetzen erfüllt werden über die ungeheuren Ereignisse, deren Zeugen sie sein sollen, wird der Menschensohn erscheinen. Er kommt aus der himmlischen Welt, in der er seit seiner Himmelfahrt geweilt hat. Er kommt auf einer Wolke – die Wolke ist immer das Zeichen der Gegenwart Gottes. Er offenbart sich mit himmlischem Lichtglanz als ein himmlisches Wesen. Er wird kommen, wie es der Prophet Daniel vorhergesagt hatte, wie Jesus selbst es seinen jüdischen Richtern angekündigt hatte und wie die Engel den Jüngern bei der Himmelfahrt Jesu sagten: „Dieser Jesus, den ihr habt auffahren sehen, der wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen.“ Er wird kommen mit großer Macht und Herrlichkeit, anders, als das erste Mal. Damals, in jener Nacht, in Bethlehem, da betrat er die Erde in Schwachheit und Verborgenheit. Und so ging sein ganzes irdisches Leben weiter. „Ist das nicht der Zimmermannssohn?“, sagten sie zum Herrn der Welt. Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen? – denn da kommt er ja her. Das war sein erstes Kommen. Bei seiner Wiederkunft wird er auftreten mit Kraft und Glanz. Dann wird sich zeigen was er immer war, auch, als er wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wurde, nämlich der Herr der Welt. Alle werden ihn sehen: Freunde und Feinde, Anhänger und Gegner, Gläubige und Ungläubige, jene, die ihn geehrt und angebetet haben, aber auch diese, die ihn ignoriert und geschmäht haben: die Skeptiker, die Agnostiker, die Atheisten. „Schauen wird ihn jedes Auge, auch die, die ihn durchbohrt haben“, sagt der Apokalyptiker Johannes. Alle werden ihn sehen, denn er ist dann unübersehbar. Dann verstummt die höhnende Frage, die uns immer entgegengehalten wird: „Wo ist denn euer Gott?“ Lange Zeit wurden Wahrheit und Anspruch des Herrentums und der Herrschaft Gottes durch die Menschen in Ungerechtigkeit niedergehalten. Nun aber, bei seiner Wiederkunft, triumphieren die Wahrheit und die Gerechtigkeit Gottes.
Seine Macht wird sich zeigen in seiner Begleitschaft. Es sind die Engel, die mit ihm kommen und die er aussendet, um seine Auserwählten zu sammeln. Er ist ja der Herr der Engel. Der Engel sind ungezählte Scharen. Der Apokalyptiker Johannes spricht von „zehn-tausend mal zehntausend Engeln, die um den Thron Gottes stehen“, also unzählbare Mengen von Engeln. Der wiederkommende Herr wird so viele Engel aufbieten, wie es ihm erforderlich scheint für die Aufgabe, die er ihnen zugedacht hat. Denn der Herr kommt, um Gericht zu halten. Er kommt, um einem jeden zu vergelten nach seinen Werken. Dann setzt sich endlich die Gerechtigkeit durch. Dann wird endlich das Unrecht bestraft und die Tugend belohnt. Und dadurch entsteht die große Scheidung zwischen den Menschen. Der Herr sagt uns: „Wenn dies zu geschehen anfängt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung naht.“ Die Christen, die bisher von ihrer Umgebung, von den Parteien, von der Gesellschaft, vom Staat niedergedrückt wurden, als eine „quantité négligeable“ angesehen wurden, über die man hinweggehen kann, diese Christen werden aufgefordert, sich hoffnungsvoll aufzurichten. Die nämlichen Ereignisse, welche die Menschen in Schrecken und Angst versetzen, sollen ihnen die Anzeichen sein, dass die Stunde ihrer Erlösung, d.h. das Ende aller Drangsal und Verfolgung gekommen ist. Der Tag der Wiederkunft bringt den Feinden Christi das Gericht und seinen Anhängern die Erlösung. Und deswegen sagt der Apokalyptiker Johannes: „Selig, die ihre Kleider im Blute des Lammes gewaschen haben. Sie erhalten das Anrecht auf den Baum des Lebens, und sie gehen ein durch das Tor des Lebens, in die Stadt Gottes.“ Draußen bleiben die Hunde und die Zauberer, die Unzüchtigen und die Götzendiener, die Mörder und die notorischen Lügner.
Der Herr hat, wenn er kommt, die Absicht, das Reich Gottes aufzurichten. Dann kommt das Reich, um dessen Kommen wir jeden Tag gebetet haben: „dein Reich komme“. Die Kirche ist ja die Gemeinschaft derer, die das Reich Gottes erwarten und ersehnen. Lange hat die Kirche um das Kommen dieses Reiches gefleht, aber jetzt, wenn der Herr kommt, ist es da. Es ist ein Reich eigener Art. Wir kennen die Reiche der Erde: Alexander der Große hat ein riesiges Reich errichtet, das von Griechenland bis nach Indien reichte. Wir kennen das „Imperium Romanum“, das Römische Reich deutscher Nation. Wir kennen das britische Weltreich, und wir stehen staunend vor dem chinesischen Reich, das sich ja immer mehr zu einer Weltmacht entwickelt. Alle diese Reiche sind durch Kampf und Macht entstanden. Sie wurden mit Waffen und Kriegen zusammengefügt, und nur mit Gewalt konnten sie erhalten werden. Das Reich Gottes, das am Ende der Tage kommt, ist von anderer Art. Es ist ein Reich der Wahrheit und des Lebens, ein Reich der Heiligkeit und der Gnade, ein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. Das Reich Gottes ist die endgültige Gestalt der Offenbarungs- und Heilswege Gottes, das Ende aller Dinge und aller Geschichte, der Zustand, in dem Gott alles in allem ist. In dem Reiche Gottes sind die Würde, der Vollzug und der Bereich des Herrentums und der Herrschaft Gottes uneingeschränkt und ohne Gegenmacht vollendet. Dann wird sich zeigen, dass Christus der Herr über Mächte und Gewalten ist, dass ihm alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, dass er der Grund, das Haupt und das Ziel der Schöpfung ist. Was die Menschen immer ersehnt haben und wovon sie geträumt haben, das wird dann Wirklichkeit werden. Die Menschen suchen den Frieden, das Glück, die Erfüllung. Sie suchen die Freiheit von Streit, Schmerz und Mangel. Sie wollen ledig sein der Versuchung, der Anfechtungen, des Zweifels. Diese Sehnsucht wird im Reiche Gottes erfüllt. Alle werden die laute Stimme hören, die im Himmel ruft: „Jetzt ist gekommen das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Macht seines Gesalbten.“
Nun muss ich hier etwas einschieben, meine lieben Freunde, was geeignet ist, manche – vor allem Theologiestudenten – in Unsicherheit zu versetzen. Es gibt nämlich Erklärer der Heiligen Schrift – vor allem im protestantischen Bereich –, die ihre Hörer verwirren, und zwar mit der Interpretation der so genannten „Naherwartung“. Naherwartung, was ist damit gemeint? Sie sagen folgendes: Jesus verkündet, dass das Gottesreich nahegekommen ist. Er kündigt an, dass das Kommen des Menschensohnes bald erfolgen könne. Aber das Reich Gottes, der Menschensohn ist nicht gekommen. Jesus hat sich geirrt. Und die junge Christenheit ist in denselben Irrtum verfallen. Diese Interpretation der Naherwartung ist irrig. Denn Jesu Naherwartung ist eine „Stetserwartung“. Er weiß, dass Gott das Werk des Heiles vollenden wird, das ist gewiss. Aber ungewiss ist der Zeitpunkt, den Gott für die Vollendung bestimmt hat, deswegen muss damit in jedem Augenblick gerechnet werden. Was jederzeit eintreten kann, ist immer nahe. Ob im 1. Jahrhundert nach Christus oder im Jahre 2000 nach Christus: Jesus hat sich nicht getäuscht, die Urgemeinde ist nicht einem Irrtum erlegen, sondern Jesus und die Urgemeinde haben die Entschlossenheit des himmlischen Vaters, das begonnene Werk des Heiles zu vollenden, ernst genommen. Genau das haben sie getan: Sie haben Gott ernst genommen. Sie haben, wie es die Verheißung Gottes fordert, mit ihrem Eintreten gerechnet. Hätten sie es nicht getan, wären sie ungläubig gewesen. Der heilige Papst Leo I. regierte von 440 bis 461, also im 5. Jahrhundert. Er war der Meinung, der Zeitpunkt der Wiederkunft Christi sei nahe. Er hat sich nicht getäuscht. Er besaß nur ein lebendiges Bewusstsein, dass der Herr seine Vorhersage erfüllen werde. Und das hätte ja zu seiner Zeit geschehen können, wenn der himmlische Vater es so angeordnet hätte. Der heilige Papst Gregor I. regierte die Kirche von 590 bis 604. Auch er rechnete damit, dass die Wiederkunft Christi bevorstehe. Wir haben im Brevier, heute Nacht, eine Lesung von ihm vorgetragen bekommen, wo er auf kriegerische Ereignisse, Pestepidemien, Erdbeben verweist und sie als Vorzeichen der Endzeit ansieht. „Aus der Veränderung der Luft“, sagt er „kann man schließen, dass die Wiederkunft Christi bald erfolgen wird.“ Der Papst hat sich nicht getäuscht. Er war sich nur gewiss, dass der Herr zu seiner Ankündigung steht und dass er – gewissermaßen – nur den Einsatzbefehl des himmlischen Vaters abwartet. Meine lieben Freunde, wenn wir an das Ende der Tage, an das Ende der Welt und an die Wiederkunft Christi glauben, folgen wir nicht Märchen oder Legenden. Nein, wir wissen, dass Gott zu dem steht, was er gelehrt und befohlen hat. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ An uns ist es, den früheren Generationen gleich zu tun, die in allem Ernst die Wiederkunft Christi erwartet haben. Wir müssen darauf gefasst sein, dass Christus wiederkommt zu unseren Lebzeiten. Wir wissen weder den Tag noch die Stunde. Aber wir wissen, dass die endzeitlichen Ereignisse mit Gewissheit hereinbrechen werden. An uns ist es, wachsam zu sein und bereit. Mangelnde Wachsamkeit, mangelnde Bereitschaft riskiert den Verlust des Heiles. Der Herr warnt uns: „Ich sage euch: In jener Nacht (in der Nacht der Wiederkunft), in jener Nacht werden zwei auf einem Lager sein; der eine wird hinweggenommen, der andere zurückgelassen. In jener Nacht werden zwei zusammen mahlen (an einer Mühle); die eine wird hinweggenommen, die andere wird zurückgelassen. Wer Ohren hat zu hören, der höre!“
Amen.