25. Dezember 2006
Heute ist euch der Heiland geboren
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte, zur Feier der Christgeburt Versammelte!
„Seht, ich verkünde euch eine große Freude. Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ In diesem einen Satz ist der gesamte Inhalt des Weihnachtsfestes enthalten. Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Mehr kann man nicht sagen, und mehr braucht man nicht zu sagen. Im Alten Testament bezeichnet das Wort „Heiland“ Gott, Gott als den Retter Israels und auch der Heiden. Er führt die Heilszeit herauf, und deswegen ist er der Heiland. Auch im Neuen Testament wird Gott als Heiland bezeichnet. Wir haben eben im Briefe des Apostels Paulus an Titus gehört von „Gott, unserem Heiland“. Dieser Name Heiland – im Griechischen soter – wird nun von den Engeln, d.h. von Gott, denn die Engel sind seine Boten, dem Krippenkind gegeben. Dieses in der Krippe zu Bethlehem liegende Kind ist der Heiland. Das heißt, ihm wird der Gott zukommende Name beigelegt. Das kann nur geschehen, wenn er Gott gleich ist. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren.“ Mit diesem Satze wird die Gottheit Christi bezeugt. Christus ist Gott, er ist der rettende Gott, er ist der menschgewordene Gott, er ist der Heiland der Welt.
Die Engel beharren darauf, Jesus den Namen Heiland zu geben, denn als Josef den Befehl bekommt, den Knaben „Jesus“ zu nennen, da ist wieder vom Heiland die Rede, denn Jesus heißt übersetzt „Gott heilt“, Gott rettet, Gott hilft. Jesus, der Jungfrauensohn, das Krippenkind ist der Heiland, weil er dazu bestimmt ist, das Volk aus Sünde und Not zu erlösen. Jetzt ist er da, jetzt hebt das Heilsgeschehen an.
Jesus hat sich zu diesem Namen und zu dieser Mission bekannt. Einmal sagte er seinen Jüngern: „Der Menschensohn ist gekommen, nicht, bedient zu werden, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben für die vielen.“ Das ist die Heilandsaufgabe. Ein andermal sagte er: „Der Menschensohn ist gekommen, zu retten, was verloren war.“ Das ist der Heilandsdienst. Und so ist er umhergewandert und hat gepredigt, hat Sünden vergeben und Dämonen vertrieben. In seinen Heilungen und in seinen Teufelsaustreibungen erweist er sich als der Heiland. Auch in seinem befreienden Umgang mit Zöllnern und Sündern wirkt er seinen Heilandsberuf aus. Und wenn er das Gnadenjahr Gottes ankündigt, dann ist er wieder als Heiland tätig. Jesus von Nazareth ist der Heiland.
Er ist der einzige Heiland. Es gibt keinen neben ihm. Er ist konkurrenzlos. Es ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, in dem die Menschen selig werden können. Ich verstehe nicht, wie Bischöfe den Anschein erwecken können, man könne auch im Namen Mohammeds gerettet werden. Das ist Unfug! Jesus ist der universale Heiland. Er ist nicht ein Stammesgott oder ein Volksgott, er ist kein europäischer oder westlicher Gott, er ist der Heiland der Welt! Die Samaritaner haben das erkannt, als er bei ihnen weilte. „Wir haben selber gehört und wissen, dass dieser wahrhaftig der Heiland der Welt ist.“ Sein Heilandswirken ist mit seinem irdischen Leben nicht beendet, denn wir erwarten den Heiland vom Himmel. Wir erwarten seine Parusie, seine Wiederkunft, sein zweites Erscheinen, dann aber nicht in Niedrigkeit, sondern in Hoheit und in Herrlichkeit, dann, wenn er unseren armseligen Leib seinem Herrlichkeitsleib ähnlich machen wird.
Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Das ist die zweite Aussage: Der in Bethlehem Geborene ist Christus. Christus ist die griechische oder die lateinische Übersetzung des hebräischen Wortes Messias. Also der da geboren wurde, ist der Messias. Er ist der eschatologische Heilsmittler und Erfüller der alttestamentlichen Weissagungen. Jahrhunderte hindurch haben die Propheten ihn verkündet, Jahrhunderte lang hat das Volk auf ihn geharrt, und jedes jüdische Mädchen hoffte, dass es einmal den Messias gebären könnte. Jetzt ist er da. Er liegt in der Krippe, im Futtertrog der Tiere. Jesus ist nicht erst durch seine Erhöhung nach der Auferstehung zum Christus geworden, zum Messias; er war es von Anfang an. Er ist auch nicht durch die Himmelsstimme im Jordan, als er getauft wurde, zum Messias geworden; er war es von Anfang an. „Heute“ – nämlich Weihnachten – ist uns der Messias geboren.
Jesus hat sich war vor seinem Leiden nie dem Volke mit dem offenen Bekenntnis vorgestellt: Ich bin der Messias. Warum hat er das nicht getan? Weil es Missverständnisse erweckt hätte oder ungläubige Ablehnung erfahren hätte. Denn die Messiaserwartung der Juden war verkommen, wie der Mensch immer ist. Sie erwarteten nicht Erlösung von den Sünden, sondern von der irdischen Not. Sie wollten befreit werden von der Besatzungsmacht, von den Römern. So haben sie sich das Messiasbild ausgestaltet, nicht wie Gott es wollte, sondern wie der menschliche, wie der irdische Sinn es sich zurechtgemacht hat. Dieses Messiasbild hat Jesus abgelehnt, und deswegen hat er niemals gesagt: Ich bin der Messias. Aber er hat sich so verhalten, wie der Messias sein musste, wenn er dem Bilde entsprechen sollte, das Gott von ihm hatte. Er hat sein messianisches Selbstbewusstsein unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. Als der Täufer im Gefängnis ist und fragt, ob er der Kommende sei oder ob er auf einen anderen warten solle, da beantwortet er diese Frage mit Hinweis auf die Weissagungen im Buche des Propheten Isaias: „Geht hin und berichtet, was ihr beobachtete habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird die Heilsbotschaft verkündet und wohl dem, der sich an mir nicht ärgert.“ Das ist sein messianisches Wirken. So mußte der Messias nach dem Bilde Gottes sein. Auch die Art, wie er in Jerusalem einzieht, verrät sein messianisches Bewusstsein, ist eine messianische Kundgebung. Er reitet ein, nicht auf einem Pferd, sondern auf einen Esel. Warum nicht? Das Pferd ist das Tier, das man im Kriege benutzt, der Esel ist das Tier, das man zur Arbeit verwendet. Er will kein kriegerischer Messias sein, er ist ein Messias anderer Art, ein Messias, der heilt und der rettet, aber nicht ein Messias, der in den Krieg zieht. Die Volksscharen haben das gewusst, indem sie riefen: „Hosanna dem Sohne Davids!“ Das ist wiederum messianisch zu verstehen, denn der Messias musste aus dem Geschlechte Davids stammen. Wenn sie also rufen: „Hosanna dem Sohne Davids“, dann bekennen sie seine Messianität. Auch andere haben es gewusst. Der Blinde von Jericho ruft: „Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Das heißt: Messias, sieh meine Not! Auch die Dämonen haben gewusst, dass er der Messias ist. „Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus von Nazareth. Ich weiß, wer du bist, der Heilige Gottes.“ Wiederum ein messianisches Bekenntnis aus dem Munde von Dämonen. Der Messias, wie er von Gott gewollt und in Jesus erschienen ist, steht auf einer höheren Ebene, als die jüdische Erwartung es wollte. Er will nicht Israel von seinen politischen Feinden befreien, er will die ganze Menschheit aus ihren Sünden erretten.
Das entscheidende Zeugnis Jesu für seine Messianität aber geschah vor dem Hohen Rat. Da, in den letzten Stunden seines Lebens, fragte ihn der Hohepriester, ob er der Messias sei: „Bist du der Christus“, d.h. der Messias, „der Sohn des Hochgelobten?“ Und darauf ergeht die Antwort: „Ich bin es.“ Der Unglaube bezweifelt, dass Jesus dieses Bekenntnis abgelegt hat, aber dieser Zweifel ist unberechtigt, denn wir wissen es aus dem Munde des Pilatus, dass Jesus sich als den Messias bekannt hat. Die Befragung durch Pilatus, ob er der König der Juden sei, bestätigt sein Bekenntnis vor dem Hohen Rat.
Jesus offenbart sich den Juden als der Gottgesandte, indem er den Anbruch der Gottesherrschaft verkündet. „Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Das Reich Gottes ist da, denn der Messias, sein Herold und sein Verkünder, ist da. In ihm, in dem Messias ist das Reich Gottes gegenwärtig. Und er spricht mit Vollmacht. Er redet nicht wie die Schriftgelehrten, sondern er verkündigt Gottes Forderungen in endgültiger Gestalt. An einer Stelle heißt es: „Sie waren betroffen über seine Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der Macht hat und nicht wie ihre Schriftgelehrten.“ Er verlangt für seine Worte absolute Autorität. „Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte werden nicht vergehen.“ Er ist größer als Salomon und als die alttestamentlichen Propheten. „Die Männer von Ninive werden am Gerichtstage gegen dieses Geschlecht aufstehen und es verdammen, denn sie haben auf die Predigt des Jonas“, des Propheten Jonas, „Buße getan. Aber hier ist mehr als Jonas. Die Königin des Südens wird am Gerichtstage gegen dieses Geschlecht auftreten und es verdammen, denn sie kam von den Ende der Erde (aus Arabien), um die Weisheit Salomons zu hören. Aber hier ist mehr als Salomon.“ Mit seinem Erscheinen ist die Heilszeit angebrochen. Jetzt ist die Zeit der Entscheidung zum Heil oder zum Verderben. Wer ihm den Gauben verweigert, dem schleudert er sein „Wehe“ entgegen. „Wehe dir, Chorazin, wehe dir, Bethsaida, denn wenn zu Tyros und Sidon die Wunder geschehen wären, die in euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche Buße getan. Doch ich sage euch: Tyrus und Sidon wird er erträglicher gehen am Tage des Gerichtes als euch. Und du, Kapharnaum, bist du nicht bis zum Himmel erhoben worden? Du wirst bis in die Hölle hinabgestoßen werden, denn wenn zu Sodoma die Wunder geschehen wären, die in dir geschehen sind, sie ständen heute noch. Doch ich sage euch: Dem Lande Sodoma wird es am Tage des Gerichtes erträglicher gehen als dir.“ So spricht entweder ein Verrückter oder der auf Erden erschienene Gott.
Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Das ist die dritte Aussage. Das im Futtertrog liegende Kind ist der Herr. Das griechische Wort heißt Kyrios, und es ist bezeichnend, dass dieses Kind als Kyrios, als Herr, bezeichnet wird, denn in der griechischen alttestamentlichen Bibel wird das Wort Kyrios (Herr) sechstausend Mal als Gottesname verwendet. Kyrios, Herr, ist der Gottesname. Der Ausdruck spricht die Herrschaft Gottes, die Erhabenheit Gottes, die Hoheit Gottes aus. Und dieser Gottesname wird nun dem Kind in Bethlehem beigelegt. Das heißt, das Krippenkind ist der auf Erden erschienene Herrgott. Als solcher hat er sich auch verhalten, denn an ihm und an dem Verhältnis zu ihm entscheidet sich das Schicksal eines jeden Menschen. „Wer sich meiner und meiner Worte vor diesem ehebrecherischen und sündhaften Geschlechte schämt, dessen wird auch der Menschensohn sich schämen, wenn er kommt mit den heiligen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters.“ Als Herrgott erwies er sich in seiner Macht über die Natur. Ein Seebeben von unten, ein Sturm von oben wühlte den See Genesareth auf, und die Jünger schrien vor Angst. Er schlief am Hinterdeck, und sie weckten ihn auf: „Herr, rette uns, wir gehen zugrunde!“ Da richtete er sich auf und sprach: „Schweige! Verstumme!“ Und es trat eine große Stille ein. Da sprachen die Menschen zueinander: „Was ist denn das für einer, dass ihm sogar der Wind und die Wellen gehorchen?“ Er wandelt über den See, das Wasser, in dem jeder versinkt, trägt ihn. Dies Jünger schreien: „Das ist ein Gespenst!“ „O nein, seid getrost, ich bin es. Fürchtet euch nicht!“ Als Herrgott erwies er sich in seiner Macht über die Kranken. Er fragte den Aussätzigen, was er von ihm wolle. „O Herr, dass ich rein werde.“ „Ich will. Sei rein!“ Und der Mann ging hin und war befreit vom Aussatz. Zu dem Gelähmten sprach er: „Nimm dein Bett und geh nach Hause!“ Und er nahm sein Bett und ging nach Hause. Da gerieten alle außer sich und sprachen voll Furcht: „Unglaubliche Dinge haben wir heute gesehen.“ Als Herrgott erwies sich Jesus, indem der den Tod besiegte. Als er in das Haus des Jairus kam und hörte, dass das Mädchen gestorben sein, sagte er: „Es schläft nur.“ Da haben sie ihn ausgelacht. Sie lachten ihn aus! Er aber trat an das Lager, fasste das Kind bei der Hand und sprach: „Mädchen, steh auf!“ Und da kehrte der Geist zurück, und sie stand auf, und die Eltern waren außer sich.
Jesus selbst starb, weil er sterben musste. Aber er blieb nicht im Tode. Er erstand aus dem Grabe, und seitdem singen wir den Hymnus, der nie verstummen wird: „Das Grab ist leer, der Held erwacht, der Heiland ist erstanden. Da sieht man seiner Gottheit Macht, sie macht den Tod zuschanden.“ Er ward wieder lebendig; in veränderter Gestalt kam er ins Leben zurück, und vom Himmel her schickte er seinen Geist. Wahrhaftig, in ihm hat sich das zugetragen, was der Apostel Paulus im Philipperbrief in die unsterblichen Verse fasste: „Er war in Gottesgestalt, aber er hat sein Gott-gleich-Sein nicht wie ein Beutestück festgehalten. Nein. Er entäußerte sich, nahm Knechtsgestalt an, wurde den Menschen gleich und im Äußeren erfunden als ein Mensch. Er erniedrigte sich und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Darum – darum! Wegen der Erniedrigung – hat ihn Gott auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, damit im Namen Jesu ein jedes Knie sich beuge im Himmel, auf der Erde und unter der Erde, und dass jede Zunge bekenne: Jesus Christus ist der Herr.“
Er ist der König der Könige, und er ist der Herr der Herren. Die Christen sind diejenigen, die Jesus als den Herrn der Herren anrufen. So werden sie in der Apostelgeschichte bezeichnet. Sie flehen um sein endliches Kommen in der Parusie, in der Wiederkunft. Maranatha – Komm, Herr Jesus. Ihnen schließen wir uns an, meine lieben Freunde. Noch feiern wir seine erste Ankunft in Niedrigkeit. Aber durch die Engelsbotschaft wird sie uns als Epiphanie Gottes erklärt. Wir warten auf seine zweite Ankunft in Herrlichkeit.
Geheimer König, wenn dein Banner über der Erde flattert, dann kehren wir Verbannte heim. Wir kehren heim und bringen dir den Lobpreis deiner Größe dar. Du kommst, uns zur ewigen Hochzeit zu führen, wo wir trinken werden aus den Quellen lebendigen Wassers, wo unser Glaube zum Schauen wird. Wir werden dein Antlitz sehen und dürfen deinen Namen auf unserer Stirn tragen. Und du wirst unser Licht sein und unser Gott. Herr, schon weilst du in unserer Mitte, verborgen zwar, aber wir schauen den Saum des Gewandes deiner Herrlichkeit und rufen: „Komm, Herr Jesus, Maranatha!“
Amen.