Predigtreihe: Von den Letzten Dingen (Teil 4)
20. November 1988
Die Hölle
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
„An die Hölle glaube ich nicht.“ So sagte kurz vor seinem Tode Carl Zuckmayer in einem Interview mit der Mainzer Zeitung. Er hatte also auch einen Auswahlglauben. Er hat aus seinem Glauben – er war ja Katholik aus Nackenheim – die Hölle getilgt. Es gibt andere, die die gleiche Mangelerscheinung aufweisen. Wer kein Vollhörer auf Gottes Offenbarung ist, wer kein Verständnis hat für die Notwendigkeit von Gericht und ewiger Verdammnis oder wer beides fürchtet, ist natürlich geneigt, die Wirklichkeit der Hölle zu leugnen.
Es scheint, daß selbst in der Kirche solche Leute am Werke sind. In der Totenmesse der vorkonziliaren Kirche beteten wir den Hymnus „Dies irae, dies illa“. In diesem Hymnus kamen die Worte vor: „Wird die Hölle ohne Schonung den Verdammten zur Belohnung, ruf' mich in der Seligen Wohnung.“ Dieser Hymnus ist in der nachkonziliaren Liturgie gestrichen. Kein Wort mehr davon. Nun muß das Neue Testament selbstverständlich auch in der nachkonziliaren Kirche zu Worte kommen, also auch, wenn der Heiland sagt: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, aber sonst nicht schaden können. Fürchtet vielmehr den, der Leib und Seele ins Verderben der Hölle stürzen kann!“ Ins Verderben der Hölle, hat der Heiland gesagt. Aber wenn Sie die Bücher der nachkonziliaren Liturgie ansehen, da steht: „Ins Verderben“. Die beiden Worte „der Hölle“ sind weggelassen. Tatsächlich, sie sind weggelassen! Worte des Heilandes!
Meine lieben Freunde, an diesen wenigen Beispielen, die ich erweitern könnte, sehen Sie, daß Kräfte am Werke sind, welche den Glauben der Kirche aushöhlen wollen. Der Glaube soll angepaßt werden an das Befinden des mitteleuropäischen Wohlstandsbürgers. Alles, was ihn beunruhigen könnte, das soll getilgt werden, und dazu gehört natürlich die Wirklichkeit der Hölle. Aber die Hölle ist ein Dogma, ein unaufgebbarer Glaubenssatz der Kirche! Und ich meine, von wenigen Dingen hat unser Heiland so oft gesprochen wie von der Hölle. Wenn es ein Dogma gibt, das aus dem Neuen Testament mit Sicherheit erhoben werden kann, dann ist es der Zustand der Verdammnis.
Um nur ein Wort zu zitieren: „Geht ein durch die enge Pforte; denn weit ist das Tor und breit die Straße, die ins Verderben führt, und viele sind es, die darauf wandeln. Doch eng ist die Pforte und schmal der Pfad, der ins Leben führt, und wenige sind es, die ihn finden.“ Und ein wenig weiter an derselben Stelle: „Viele werden zu mir an jenem Tage sprechen: 'Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, in deinem Namen Teufel ausgetrieben und in deinem Namen viele Wunderwerke getan?' Aber dann werde ich ihnen erklären: 'Ich habe euch noch niemals gekannt. Hinweg von mir, ihr Übeltäter!'„
Der Theologe Gerhard Lohfink hat die Worte des Heilandes über die Hölle im Neuen Testament zu entschärfen versucht. Er sagt: Ja, diese Worte hat Jesus zwar gesprochen, aber sie dienen nur dazu, den Menschen aufzurütteln. Keineswegs ist damit gesagt, daß jemand von den Menschen verdammt wird. Im Gegenteil: Alle kommen zu Gott. Alle gelangen im Augenblick des Todes zu Gott, Verdammte gibt es nicht. Tja, da muß ich fragen: Wenn man aufgrund dieser Exegese des Herrn Lohfink die Worte Jesu durchschaut, dann verlieren diese Worte ihre aufrüttelnde Wirkung, dann erkenne ich ja, daß das bloß Wind ist. Wenn hinter diesen Worten keine Wirklichkeit steht, wenn niemals ein Mensch verdammt worden ist, dann können uns diese Worte kalt lassen. Was anderen nicht passiert, das wird mir genausowenig passieren. Also diese Exegese ist wahrlich nicht geeignet, die Worte des Herrn zu erklären; sie bringt sie um ihren Sinn und ihre Kraft.
Aber noch einmal: Sie sehen, was sich in der nachkonziliaren Kirche tut. Nein, wenn es keine Verdammten gibt, dann gibt es auch keine Hölle. Man hört heute manchmal die Rede: Es gibt eine Hölle, aber es ist niemand drin. Das ein logischer Unsinn, denndie Hölle ist ja der Zustand der Verdammten, und wenn keine Verdammten da sind, dann gibt es auch keinen Zustand der Verdammnis, genausowenig wie es einen Himmel gibt, wenn es keine Seligen des Himmels gibt.
Das sind Scheinlösungen, meine lieben Freunde, die heute von falschen Propheten vorgetragen werden, aber Beruhigung vermögen sie nicht zu verschaffen. Gottes Wirklichkeit bleibt in Ewigkeit, und dieses Wort sagt: Es gibt eine ewige Hölle, es gibt eine Verdammnis, es gibt eine ewige Unseligkeit. Das hat die Kirche, das hat Christus, das haben die Apostel einmütig gelehrt.
Die Hölle ist eine Wirklichkeit, die durch drei Kennzeichen charakterisiert ist. Die Verdammten befinden sich in einem Zustand, verstoßen von Gottes Angesicht, verstrickt in selbstverschuldete Qual, versteinert im Haß gegen Gott. Das ist der Inhalt der Hölle.
Die Verdammten sind erstens verstoßen von Gottes Angesicht. Das ist die wesentliche Höllenstrafe, eine Ewigkeit Gott nicht schauen zu dürfen. Ihr ganzes Wesen ruft nach Gott, es ist auf Gott hingeordnet, es kann seine Ruhe nur finden in Gott, aber die Erfüllung wird dieser Sehnsucht niemals gewährt. Auf ewig verstoßen von Gottes Angesicht. Jemandem, der auf der Erde wandelt, mag das nicht so schlimm erscheinen, denn er denkt sowieso nicht an Gott, nicht wahr, da gibt es ja viele, die Gott vergessen. Aber auf Erden kann man sich über diese dem Menschen angeborene Hinrichtung auf Gott hinwegtrösten. Da gibt es so viele irdische Götzen, denen man dienen. so viele irdische Schätze. die man genießen kann, daß es durchaus möglich ist, sich über die Wesensneigung zu Gott zu täuschen. Aber in der jenseitigen Welt ist das nicht mehr möglich. Da gibt es keinen Trost mehr, es sei denn in Gott. Und eben diesen Trost haben die Verdammten nicht. Verstoßen in alle Ewigkeit von Gottes Angesicht! So leben sie in ihrer Zerrissenheit. Ihr Wesen ruft nach Gott, aber sie können ihn nicht finden.
Sie sind verstrickt in selbstverschuldete Qual. Wir können uns die Pein der Hölle nicht ausmalen, aber sie muß größer sein als alles, was wir denken können. Diese Zerrissenheit, diese unnütze Sehnsucht! Die Griechen haben etwas von diesem Zustand der Qual geahnt und in ihren Sagen auszumalen versucht, vor allem in der Sage von Sisyphus. Dieser Sisyphus muß ständig einen ganz schweren Stein einen Berg hinaufschieben, hinaufrollen, und sobald er oben angekommen ist, rollt der Stein wieder herunter, und er fängt wieder von neuem an, endlos, ohne Aussicht auf ein Ende. So haben die Griechen versucht, die Qual der Hölle zu schildern. Die Verdammten werden an dieser Marter insofern nichts auszusetzen haben, als sie sie als gerecht empfinden müssen. Sie wissen, Gott ist gerecht und gerecht sind seine Gerichte. Sie wissen: Was ihnen Gott auferlegt hat, das haben sie sich selbst zuzuschreiben, das haben sie verdient. Sie sind verstrickt in selbstverschuldete Qual.
Und dann kommt das letzte: Die Verdammten sind versteinert in ihrem Haß gegen Gott. Das ist für uns unbegreiflich. Sie sind nicht nur tatsächlich von Gott getrennt, sie wollen auch von Gott getrennt sein, sie wollen keine Reue üben, sie wollen sich nicht mit Gott vereinen und sie können sich nicht mit ihem vereinen. Es ist ähnlich, wie wenn ein Mensch in die Sonne fliegen würde, er würde verbrennen. Das wissen die Verdammten, und so ist in alle Ewigkeit ihr Haß gegen Gott, ihre Feindschaft gegen Gott in ihnen anwesend. Sie sind versteinert in ihrem Haß, in ihrer Feindschaft gegen Gott.
Das, meine lieben Freunde, ist die Lage der Verdammten. Große Geister haben sich bemüht, diese Qual zu schildern, vor allem der italienische Dichter Dante in seiner „Göttlichen Komödie“, und zwar in dem Teil „Inferno“ – Hölle. Alles das sind schwache menschliche Bemühungen, die das nicht wiedergeben können, was jenen zugedacht ist, die Gott nicht geliebt haben, die Gott abgewehrt haben und die in der Abkehr von Gott gestorben sind. Das ist es nämlich, was zur Hölle führt. Es ist die Todsünde. Das Wort Todsünde ist deswegen so gut geeignet, den Tatbestand zu kennzeichnen. Es ist die Sünde, die zum Tode führt, zum ewigen Tode, zum zweiten Tod, nämlich zur Verdammnis. Davon haben die Apostel immer wieder gesprochen, etwa der Apostel Paulus, wenn er sagt: „Offenkundig sind die Werke des Fleisches, die da sind Unzucht, Unreinheit, Schwelgerei, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zorn, Zank, Spaltung, Neid, Mord, Trunkenheit, Schlemmerei und ähnliches. Von alledem sage ich euch voraus, wie ich es bereits getan habe, daß die, die derlei Dinge tun, das Reich Gottes nicht erben werden.“ Das Reich Gottes nicht erben, das heißt aber auf ewig unselig zu sein. Oder an einer anderen Stelle: „Die werden als Strafe ewiges Verderben fern vom Angesichte des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Kraft empfangen.“ Ewiges Verderben, fern vom Angesichte des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Kraft.
Nein, meine lieben Freunde, wir können es uns nicht aussuchen, wie Gott den straft, der seine Hand gegen ihn erhoben hat. Und wir können auch nicht bestimmen, wer dieser Strafe verfällt, wie es Carl Zuckmayer möchte, der lediglich Hitler in die Hölle stoßen möchte. Hitler war ein Verbrecher, das ist keine Frage, aber viele haben es ihm gleichgetan, und so könnte man mit dem gleichen Recht sagen: Es gibt noch viele andere kleine Hitler, die dasselbe Los verdient haben. Es ist nicht unseres Amtes, zu bestimmen, wer die Seligkeit empfängt und wer in die Unseligkeit fällt. Das ist Gottes Sache, und diesem Urteil dürfen wir nicht vorgreifen.
Aber eines können und müssen wir, nämlich uns selbst bekehren, Abstand gewinnen von der Sünde, Tugenden üben, rastlos tätig sein im Dienste Gottes, uns aufbrauchen für unseren Herrn und Heiland, damit er uns in der Stunde unseres Todes nicht verwerfen muß, sondern in seine Seligkeit aufnehmen kann.
Wie hat die Muttergottes die Seherkinder von Fatima beten gelehrt: „O Gott, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle!“ Bewahre uns vor dem Feuer der Hölle! Ja, so wollen wir oft beten: O mein Gott, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle! Führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen.
Amen.