Predigtreihe: Die heiligen und gefallenen Engel (Teil 7)
3. November 1996
Das böse Wirken des Teufels
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Der Teufel sucht Gottes Ordnung zu zerstören. Die Zerstörung ergreift nicht nur den seelischen Bereich, sondern auch den leiblichen. Christus sieht auch in Krankheiten und Unglück den Bösen am Werk. Nicht nur Selbstsucht, Haß und Lüge gehen auf den Teufel zurück, sondern auch das Leid und das Elend in dieser Welt. Nicht jede Krankheit ist freilich unmittelbare Wirkung des teuflischen Wirkens; aber daß es eine Welt gibt, in der Krankheit, Leid und Tod den Ton angeben, das geht auf den Teufel zurück.
Den Gipfel erreicht sein Wirken in der Besessenheit. Da ist das Wollen und Handeln des Menschen lahmgelegt. Da ist ein anderer über ihn mächtig geworden. Der Besessene spürt die Nähe Jesu, und hier, im Besessenen, stößt Jesus unmittelbar auf den Feind. Deswegen fangen die Besessenen, wenn er in ihre Nähe kommt, an zu schreien und zu flehen. Er treibt die Teufel aus; der Stärkere ist über den Starken gekommen, und so müssen sie vor der Reinheit fliehen. Die packendste Schilderung einer Teufelsaustreibung findet sich im Evangelium des Markus, dort, wo er den Besessenen von Gerasa schildert. Dieser Mann hauste in Grabhöhlen Tag und Nacht. Man hatte ihn zu fesseln versucht an Händen und Füßen, aber er hatte die Fesseln zerrissen und die Ketten zerbrochen. Er schrie und schlug sich mit Steinen.
Die Lebensweise dieses Besessenen ist ein Sinnbild des teuflischen Wirkens. Der Satan macht ja die Menschen von Gott abwendig, und damit verlieren sie ihr gottentstammtes Wesen, ihre gottentstammte Würde. Sie verfallen einem menschenunwürdigen Dasein. Die Entfernung von Gott ist die Entfernung vom Leben. Sinnbild dessen ist die Tatsache, daß der Mann von Gerasa in Grabhöhlen, also an Stätten des Todes hauste. Die Entfernung von Gott ist auch die Entfernung von dem Garanten der Gemeinschaft; deswegen lebte der Mann in der Einsamkeit. Als nun Jesus sich ihm näherte, da lief er ihm entgegen und machte eine Abwehrbewegung: „Was habe ich mit dir zu tun, Jesus, du Sohn des Höchsten? Laß uns in Ruhe!“ Aber Jesus befahl den Teufeln, die in ihm hausten. Es war ja nicht nur einer. „Wir sind ihrer Legion“, sagte der Besessene. Und als Zeichen der Unreinheit fahren sie in eine Schweineherde, die den Abgrund hinabstürzt und im See versinkt.
Wir dürfen den Kampf Jesu mit dem in den Besessenen hausenden Teufel nicht als den Sieg naturhafter Gewalt über naturhafte Ohnmacht, äußerer Gewalt über äußere Ohnmacht verstehen. Nein, dieser Sieg ist ein Sieg der Liebe über den Haß, des Guten über das Böse. Die Unreinheit hält es nicht aus in der Gegenwart des Allerreinsten, der sich ihr naht.
Gewiß, es ist nicht immer leicht, Krankheit von Besessenheit zu unterscheiden. Die Grenze zwischen beiden ist deswegen schwer zu ziehen, weil sich die Besessenheit ähnlich äußern kann wie bestimmte Krankheiten. Es wird dem natürlichen Urteil nicht möglich sein, die Besessenheit ohne weiteres von Krankheit zu unterscheiden. Es mögen uns diese Teufelsaustreibungen merkwürdig, ja befremdlich vorkommen, aber wir dürfen unser Urteil nicht über das Urteil unseres Christus setzen. Wir müssen uns vielmehr seinem Urteil beugen. Wir müssen unser natürliches Verstehen seinem übernatürlichen Verstehen unterordnen. Wenn Jesus die Teufel austreibt, dann ist es so. Gegen diese Tatsache hilft keine Erwägung, daß uns hier Seltsames berichtet wird. Jesus ist nicht nur gekommen, eine Lehre zu verkündigen, einen Weg zu weisen, sondern er ist gekommen, um eine personale Macht zu brechen. Er ist gekommen, um die Bollwerke des Teufels zu zerstören. Der Kampf gegen den Satan gehört unlöslich in sein Leben hinein. Er ist eine Grundhaltung Jesu. Hier zeigt es sich, ob wir Jesus ernstnehmen oder nicht.
Die Gegnerschaft Jesu gegen den Satan ruft auch die Kinder Satans auf den Plan. Und Kinder Satans sind die Menschen, die sich seinem Einfluß ausgeliefert haben. Jesus hat manche seiner Zeitgenossen als Kinder des Teufels bezeichnet. Er mußte es wissen. Es war ihm bekannt, daß der Teufel ihren Sinn verhärtet hatte, daß er sie verführt hatte, daß er ihnen den Unglauben an ihn und seine Sendung ins Herz gegeben hatte, ja, daß der Böse sie in seine Gewalt bekommen hatte. Die Gegnerschaft der Menschen, die sich dem Teufel ergeben haben, gegen Jesus geht so weit, daß sie ihn selbst als besessen ausgeben. An mehreren Stellen des Johannesevangeliums wird davon berichtet, daß die feindseligen Führer des Volkes, die Pharisäer und Schriftgelehrten, ihm sagten: „Du hast einen Teufel. Du bist besessen!“ Der Gipfel dieser Verblendung wird dort erreicht, wo die Menschen sagen: Durch den obersten der Teufel, Beelzebub, treibt er die Teufel aus. Darüber berichtet das Matthäusevangelium: „Da brachte man ihm einen Besessenen, der blind und stumm war. Und er heilte ihn, so daß der Stumme redete und sah. Und alle Volksscharen gerieten außer sich und sprachen: ‘Ist dieser nicht am Ende der Sohn Davids?’ Da es aber die Pharisäer hörten, sprachen sie: ‘Dieser treibt die Teufel bloß aus durch Beelzebul, den obersten der Teufel.’ Jesus kannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: ‘Jedes Reich, das in sich gespalten ist, wird verwüstet werden, und jede Stadt oder jedes Haus, das in sich gespalten ist, wird nicht bestehen. Wenn nun der Satan den Satan austreibt, so ist er wider sich selbst entzweit. Wie wird aber dann sein Reich bestehen? Und wenn ich durch Beelzebul die Teufel austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Also sind sie selbst eure Richter. Wenn ich aber durch den Geist Gottes die Teufel austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. Oder wie kann jemand in das Haus des Starken eingehen und seine Habe rauben, wenn er nicht zuvor den Starken gebunden hat? Dann erst kann er sein Haus plündern. Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Darum sage ich: Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden, aber die Lästerung wider den Geist wird nicht vergeben werden. Wer ein Wort redet wider den Menschensohn, dem wird vergeben werden; wer aber wider den Heiligen Geist redet, dem wird weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden.’“
Hier setzt sich Jesus mit dem Vorwurf auseinander, er treibe durch den obersten der Teufel die Teufel aus. Er zeigt, wie unsinnig eine solche Meinung ist. Denn wenn ein Teufel den anderen austreibt, dann müßte das Teufelsreich zu Ende gehen. Es geht aber nicht zu Ende, jedenfalls nicht dadurch, daß ein Teufel den anderen überwältigt. Es ist nicht nur töricht, so etwas anzunehmen, es ist auch ein Zeichen der Verwerfung. Wer das Gutsein Gottes, das sich in Jesus kundtut, mit dem Teufel verwechselt, der ist im Bösen verhärtet. Das ist die Sünde wider den Heiligen Geist. Und diese Sünde ist deswegen unvergebbar, weil der Betreffende sich gegen das Einwirken des Heiligen Geistes selbst zur Wehr setzt. Es ist der Gipfel der Verkehrung, wenn Gottes Liebe, die in Jesus aufgebrochen ist und sich den Menschen zeigt, mit dem Wirken des Teufels verwechselt wird, wenn Jesus als ein Teufelsdiener bezeichnet wird. Mit diesem Vorwurf haben die Führer des Volkes Jesus ans Kreuz gebracht. Mögen auch Menschen Jesus gekreuzigt haben, im Hintergrund steht ein anderer, der dieses Geschehen lenkt. In einer unaufhebbaren Verbindung von Freiheit und Notwendigkeit ist dieses Geschehen gegen Jesus abgerollt. Der Evangelist Lukas berichtet uns, daß der Satan in Judas Iskariot gefahren ist. Jesus selbst sagt es im Johannesevangelium: „Ich habe euch erwählt, aber einer von euch ist ein Teufel.“ In der Gegnerschaft gegen Jesus, den Bringer des Reiches Gottes, finden sich alle zusammen. Es entsteht eine Einheitsfront, die durch nichts zusammengehalten ist als durch die Unerbittlichkeit des Hasses gegen Jesus. Die Gründe sind alle verschieden, aber die Furchtbarkeit der Ablehnung ist überall dieselbe. Der Landesherr verfolgt sein Landeskind, die Frommen, die Theologen, die Priester klagen ihn an, das Volk wirft mit Steinen nach ihm, der Jünger verrät ihn, der römische Richter verurteilt ihn. Wie erklärt sich dieser einmütige Haß? Jesus sagt es im Ölgarten zu der Rotte, die ihn verhaftet: „Das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“
Am Kreuze schien der Teufel gesiegt zu haben. Aber gerade am Kreuze wurde er entmächtigt. Denn Jesus, der Schuldlose, hat das Kreuz nicht geflohen, sondern es auf seine Schultern genommen. Die Liebe hat ihm dieses Kreuz auf die Schultern gelegt. Das Kreuz ist umleuchtet von der Glut siegreicher Liebe. Er hat das Kreuz angenommen als Opfer und Sühne. Er hat sich also nicht von der Gewalt zur Gegengewalt, vom Haß zum Gegenhaß, vom Trug zur List und Verschlagenheit verleiten lassen, sondern er ist dem Willen des Vaters gehorsam geworden bis zum Tode am Kreuze. Und darum gilt auch, was der Apostel Paulus im Kolosserbrief schreibt, daß eben durch den Kreuzestod Jesu der böse Feind entmächtigt ist. Er ist jetzt der Anführer eines geschlagenen Heeres. Im Kolosserbrief heißt es: „Er (Gott) hat uns gnädig alle Sünden vergeben. Er hat gelöscht den wider uns lautenden Schuldschein mit seinen Forderungen, hat ihn vernichtet, indem er ihn ans Kreuz heftete. Er hat entwaffnet die Mächte und Gewalten, hat sie offen an den Pranger gestellt, und durch ihn (Christus) über sie triumphiert.“ Ähnlich beschreibt der Hebräerbrief diesen Sieg am Kreuze. „Gott hat durch den Tod den ohnmächtig gemacht, der die Gewalt des Todes hatte, das heißt den Teufel, und alle die erlöst, die durch Todesfurcht ihr ganzes Leben lang im Banne der Knechtschaft standen.“ Das Kreuz Christi war der scheinbare Sieg des Satans, in Wirklichkeit war es der Triumph Gottes und seines Christus über den Bösen.
Amen.