Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
16. April 2023

Auch du warst mit Jesus aus Galiläa

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Auch du warst mit Jesus aus Galiläa. Dieses Wort klang am Abend der Passion unseres Herren durch die Nacht. Es war an den Apostel Petrus gerichtet. Er war dem verhafteten Jesus in der Ferne gefolgt und saß im Vorhof des Hohenpriesters. Dort setzte er sich zu den Dienern, um zu sehen, wie die Sache Jesu auslief. Da trat eine Magd heran und sagte zu ihm: Auch du warst mit Jesus von Galiläa. Dieses Wort war ein Vorwurf. Und es war ein gefährlicher Vorwurf. Denn der Jesus von Galiläa, der soeben festgenommen worden war, wurde des Hochverrats verdächtigt. Er hatte einen strengen Prozess zu erwarten. Wer mit ihm in Verbindung gestanden hatte, musste damit rechnen, einem Ermittlungsverfahren unterworfen und möglicherweise bestraft zu werden. Das waren die Gedanken, die Petrus bewegten. Ihn packte die Angst. Er fürchtete, verhaftet zu werden wie der Nazarener. Deswegen leugnete er seine Zugehörigkeit zu Jesu Jüngern. „Ich weiß nicht, was du sagst.“ „Ich kenne den Menschen nicht.“ Ach, Petrus! Vor einer halben Stunde noch hatte er zu Jesus gesagt: „Wenn auch alle an dir Ärgernis nehmen, ich werde es niemals tun.“ Und jetzt das Gegenteil: „Ich kenne den Menschen nicht.“ Aber die Magd hat recht: Auch du warst mit Jesus, dem Galiläer. Dieses Wort ist nicht untergegangen.

Auch du warst mit Jesus. Das können und müssen sich alle sagen lassen, die den stolzen Namen eines Christen tragen. 

I.

Ja, wahrhaftig, wir waren mit Jesus seit dem glücklichen Tag unserer heiligen Taufe. Damals drang er in unsere Seelen ein, tilgte die Last der Erbsünde, machte uns zu seinen Brüdern und Schwestern, zu Kindern Gottes und zu Erben des Himmels. Alles, was er durch sein kostbares Blut und seine Erlösung der Menschheit verdient hat, haben wir an jenem Tage von ihm empfangen. Wir waren mit Jesus auch in den Jahren unserer Jugend, als wir, von Eltern und Priestern unterrichtet, seine Lehren und seine Gebote in uns aufnahmen. Sie haben uns belehrt und geführt. In Gefahren und Versuchungen war der Herr bei uns. Wir waren nicht verlassen. Wir waren mit Jesus, als wir zur ersten heiligen Beicht gingen und von ihm die Verzeihung unserer jugendlichen Fehler erhielten. Die Erstbeicht war ein einschneidendes Ereignis in unserem Leben. Sie machte uns mit dem Ernst der christlichen Existenz bekannt. Das Sakrament der Versöhnung hat uns durch unser Leben begleitet. Sein Empfang machte uns gewiss, dass Jesus bei uns ist.

Wir waren mit ihm, als wir uns in langen Wochen auf den Tag der ersten heiligen Kommunion vorbereiteten. Als wir uns dem heiligen Gastmahl nahten, von dem Johannes Sorge schrieb: Gott wird klein, sinkt dir ein, Menschenherz heißt sein Schrein. Damals beteten wir: Jesus, Jesus, komm zu mir, o, wie sehn ich mich nach dir. Meiner Seele bester Freund, wann werd` ich mit dir vereint. Es war unsere Auserwählung, unser Glück, unserem Gott und Heiland im Sakrament zu begegnen. Nicht jedem Kind wurde es zuteil. Es war in Berlin. Ein Mädchen sagte dem Priester: „Ich darf nicht zur heiligen Kommunion. Die Eltern haben es verboten. Sie sind Freidenker.“ Das Kind sagte es mit Tränen des Schmerzes. Aber seine Sehnsucht nach dem göttlichen Gastmahl ließ es nicht los. Nach dem Weißen Sonntag schickte sie die Mutter zum Einholen. Das Kind benutzte die Gelegenheit, um den Priester aufzusuchen. Sie bat ihn, ihr die erste hl. Beicht abzunehmen. Danach wollte der Priester sie gleich wieder fortschicken, damit die Mutter ja nichts merkt. Da flehte das Kind ängstlich: „Wollen Sie mir nicht den lieben Heiland geben?“ Der Priester meinte, sie müsse doch nüchtern sein bei der hl. Kommunion. „Ich bin ganz gewiss noch nüchtern“, sagte sie. Den Kaffee hatte sie ausgeschüttet, das Brot hatte sie noch in der Tasche. Das Kind faltete die Hände und bettelte mit Tränen in den Augen: „Bitte, bitte, geben Sie mir den lieben Heiland.“ „Ja“, sagte der Priester, „du sollst den Heiland haben; nun feiern wir Erstkommunion.“ Und sie feierten sie ohne Eltern und Verwandte, ohne Kommunionkleid und ohne Kommunionkerze. Das Kind aber war selig; es war bei Jesus, dem Galiläer. Erstkommunion eines Kindes, das mit Jesus sein wollte!

II.

Lassen Sie, meine lieben Christen, dieses Wort stets Ihr Lebenswort bleiben. Halten Sie den heiligen Bund, den Sie mit Jesus geschlossen haben. Besiegeln Sie ihn mit Ihrer Treue. Bleiben Sie mit Jesus. Tun Sie alles in wirklicher katholischer Lebensführung, in unerschütterlicher Standhaftigkeit im Glauben, in unbeirrbarer Ergebenheit gegen die Kirche, dass Sie mit Christus bleiben. Hören Sie auf den Herrn, der uns durch den Apokalyptiker Johannes zuruft: „Bewahre, was du hast, damit dir niemand deine Krone raube!“ „Auch du warst mit Jesus aus Galiläa, deine Sprache verrät dich.“ So klagte damals die Magd den Petrus an. Die Sprache der Galiläer war den Juden auffällig. Die Juden sprachen in dieser Zeit aramäisch. Auch die Galiläer sprachen aramäisch, aber sie hatten einen eigenen aramäischen Dialekt. Daran wurden sie erkannt. Deine Sprache verrät dich. Auch uns soll die Sprache verraten. Sie soll zeigen, dass wir in Wahrheit Jesu Jünger sind. Aus unserem Reden soll man heraushören, dass wir Christuszugehörige sind. Diese Zugehörigkeit bekennen wir, wenn wir uns beim Reden an folgende Regeln halten. 1. Sprich nur, wenn es notwendig oder angebracht ist. Man bereut es selten, dass man zu wenig spricht; sehr oft aber, dass man zu viel gesprochen hat. Der Dichter Mathias Claudius gab seinem Sohn die Regel mit auf den Lebensweg: Sage nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst. Man soll immer weniger sagen, als man sagen könnte. Der Herr mahnt uns: Eure Rede sei ja für ein ja, nein für ein nein. Was darüber ist, das ist von Übel (Mt 5,37). 2. Sprich nur, was wahr ist. Lügnerische Lippen sind dem Herrn ein Greuel (Spr 12,22). Die Lüge ist verboten, weil sie uns dem Teufel ähnlich macht. Mit einer Lüge verführte er die ersten Menschen. Wie der Mensch durch seine Sprache verrät, aus welcher Gegend er stammt, so sind die Lügner vom Geschlecht des Teufels. Durch Lügen werden Vertrauen und Wahrhaftigkeit, die verlässlichen Stützen der menschlichen Gesellschaft, erschüttert. 3. Sprich nur, was gütig ist. Ein gutes Wort ist besser als die Gabe selbst. Wenige können Worte der Weisheit reden, aber Gelegenheit, gütige Worte zu sprechen, bietet sich jedem. Güte ist unverdiente Liebe. Mit den Menschen ist es wie mit den Blumen: sie brauchen nicht nur Wasser, sondern auch Sonne. Ein bisschen Güte von Mensch zu Mensch ist besser als alle Liebe zur Menschheit. Wenn wir in unseren Worten demütig, liebevoll und gütig, rein und zart und keusch sind, dann erfüllt sich das Wort: „Deine Sprache verrät dich.“ 4. Sprich nur, was gläubig ist! Paulus lehrt: Mit dem Herzen glaubt man, und das führt zur Rechtfertigung, mit dem Munde bekennt man, und das führt zum Heile (Röm 10,10). Petrus mahnt: Seid stets bereit, jedermann Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch lebt (1 Petr 3,15). Jünger Christi sind in ihrer Rede allzeit mutige Bekenner, treue Verteidiger des Glaubens. Jedes freie und offene Bekenntnis zwingt auch den rohesten Menschen zu schweigender Achtung.

III.

Wir sind nur dann wahrhaft Gläubige, wenn wir den Glauben, den wir mit dem Mund bekennen, auch im Werk zeigen. Unser tägliches Leben soll vom Glauben geprägt sein, unser häusliches Leben, unser gesellschaftliches Leben, unser berufliches Leben. Ein Priester begegnete einem bekannten Herrn, der in durchaus wohlhabenden Verhältnissen gelebt hatte, aber in Armut abgesunken war und nun seinen Unterhalt als Hausmeister bei einem reichen Mann verdiente. Der Priester fragte ihn, ob er diese Arbeit nach einem Leben voller Annehmlichkeiten nicht als zu hart empfinde. Er erhielt die Antwort: „Nichts ist hart, wenn man das Geschenk des wahren Glaubens besitzt.“

Auch du warst mit Jesus aus Galiläa. Sind wir auch heute noch mit Jesus aus Galiläa? Verrät uns unsere Sprache und unser Leben als seine Jünger? Als echte, aufrechte, mutige, ganz katholische Christen? Können sich andere Menschen an uns anlehnen, von uns lernen? Auch wenn andere uns verlachen, verspotten, angreifen, wollen wir die Treue bewahren. Als treue und mutige Bekenner unseres Herrn soll uns „die Sprache verraten“. Auf dem Hügel Palatin in Rom wurde in einer Wachstube ein Spottkreuz aus dem 3. Jahrhundert gefunden. Es stellt in roher Zeichnung einen Gekreuzigten mit einem Eselskopf dar, dem ein Mann in anbetender Stellung huldigt. Darunter die Worte: Alexamenos betet seinen Gott an. In einer benachbarten Kammer waren die Worte an die Wand geschrieben, die schlichte Antwort auf den Hohn: Alexamenos bleibt seinem Gott treu (Alexamenos fidelis). Welches Glück ist es, mit Christus zu sein. Es ist das eigentliche Merkmal des Christen, dass er mit Christus und Christus mit ihm ist. Für uns klingt der ganze Jubel und Dank des Herzens durch dieses Wort: Auch du warst mit Jesus aus Galiläa. Ohne Jesus sein – das ist eine ganze Hölle. Bei Jesus sein – das ist ein Paradies der Wonne. Wer ohne Jesus lebt, der ist von allen Armen der Ärmste. Wer aber gut mit Jesus lebt, der ist von allen Reichen der Reichste. So soll es sein und bleiben bis zu unserem seligen Ende. Der Engel, der uns in die andere Welt führen soll, wird uns bei der Hand nehmen und zu uns sprechen: Weil du mit Jesus warst und weil du bei ihm geblieben bist, darum führe ich dich in sein Reich der Herrlichkeit.

Amen.

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