25. November 2007
Gottes Weltgericht am Ende der Zeiten
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Mit dem letzten Sonntag nach Pfingsten – und der ist heute – geht das Kirchenjahr zu Ende. Wir haben vom Beginn des Advents im vorigen Jahre bis heute das Leben, Leiden und Sterben, das Auferstehen und das Siegen unseres Heilandes verfolgt, und nun stehen wir am Abschluß, am Tage, da das große Endgericht uns angesagt wird. Mit zuckenden, leuchtenden Farben schildert uns der Herr selber das Letzte Gericht. Einmal muss sich die Kirche ihrem göttlichen Richter stellen. Ja, das ist eigentlich der Sinn des Weltgerichtes: Beim Einzelgericht, beim Partikulargericht, also nach dem Tode, wird der einzelne Mensch gerichtet; aber beim Weltgericht werden die Institutionen, die Einrichtungen, die Gemeinschaften gerichtet, also auch die Kirche. Und dafür rüstet sie sich. Deswegen bedenkt sie das Weltgericht, um an diesem Tage geeignet erfunden zu werden. Das furchtbare Strafgericht, das sich über Jerusalem ereignet hat, soll den Menschen inzwischen zur Warnung sein. So sicher und so verheerend wie die Zorneswelle des römischen Feldherrn über Jerusalem gekommen ist, so gewiß und gewaltig wird das Weltgericht über die Welt hereinbrechen.
Damals, als im Jahre 70 Jerusalem mit einem Wall umgeben wurde, als es erobert wurde, als es verbrannt wurde, da ist das Verderben bis ins Tempelheiligtum vorgedrungen, da ist wahrhaftig kein Stein auf dem anderen geblieben. Und der Herr hatte die Zuhörer aufgefordert, eiligst zu fliehen, wenn das Verderben über Jerusalem hereinbricht. „Wenn ihr den Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte seht, dann flüchte, wer in Judäa ist, ins Gebirge.“ Dann soll man nicht herabsteigen vom Dachgarten ins Haus und sich noch etwas mitnehmen wollen; dann soll man auch nicht die Arbeit weiterführen, sondern man soll den Pflug und das Gespann stehen lassen und mit dem Arbeitskleid in die Wüste fliehen. Wehe, wenn die flüchtenden Menschen im Winter diese schreckliche Flucht antreten müssen, in der härtesten Jahreszeit, wenn der Sturmwind in die flüchtenden Kolonnen fegt und wenn die Fluten der Regenzeit sich über die schutzlosen Menschen ergießen. Damals, im Jahre 70, entrannen noch viele Israeliten dem Verderben. Gewiß, die in Jerusalem gefangen genommen wurden, wurden getötet oder in die Sklaverei verschleppt. Aber es gelang auch vielen die Flucht in die Berge oder in die Wüste.
Wohin aber sollen die Menschen beim Weltgericht fliehen? Wohin sollen sie sich dann retten? Denn dann wird eine so große Trübsal sein, wie sie noch nie gewesen ist. Die Lage wird so hoffnungslos und so verzweifelt sein, dass sogar die Gläubigen irregeführt werden könnten, wenn sie nicht die Gnade retten würde. Denn erst wird die Verwirrung die Herzen ergreifen und dann erst die Sinne. Es wird nämlich eine große Unruhe und Verführung sein. Dem Sturz der Sterne, dem Zusammenbruch der Weltordnung geht eine allgemeine, die Herzen der Menschen verwirrende Unordnung voraus. Viele Menschen werden nach dem Messias ausschauen, aber der Teufel macht sich das sehnsüchtige Harren und Sehnen der Menschen zunutze. Er erweckt Lügenmessiasse und Lügenpropheten, welche die Erwartung der Menschen für sich ausbeuten. In letzter Stunde noch wirbt der Satan seinen Anhang. Alle seine Kraft bietet er auf bis zu öffentlichen Schauwundern. Und, wie es immer ist, zahlreiche Menschen laufen ihnen nach. Auch viele Christen sind in Gefahr, verwirrt zu werden. Sie warten auf ein Zeichen vom Himmel und verwechseln die Höllenkünste des Satans mit den Machterweisen Gottes. Doch der göttliche Richter ist mit keinem der Höllensöhne zu verwechseln. Wie der Blitz aufzuckt im Osten und bis zum Westen leuchtet, so wird es mit der Ankunft des Menschensohnes sein. Über die ganze Erde, nein, über die ganze Welt flammt das Zeichen, der Glanz des Menschensohnes. Keiner kann den Glanz übersehen, keiner kann seine Stimme überhören, keiner kann seinem Gericht entgehen.
Meine lieben Freunde, dann hört endlich der Spott gegen Gott auf, der Spott, den neuerdings Dawkins mit seinem Buche „Der Gotteswahn“ über Gott ausgießt. Dann hört auch endlich die bange Frage auf, die sich immer wieder in unserem Herzen hat erheben wollen: Wo ist denn unser Gott? Dann wird offenbar, dass Gott existiert, dass er herrscht, dass er der Herr der Welt ist. Er kam verborgen, um sich richten zu lassen; er wird offen kommen, um selbst zu richten.
Sind wir, meine Freunde, auf diesen Tag gerüstet? Er kommt so sicher wie die vernichtende Kriegsmacht der Römer über das Judenvolk kam. Keiner dachte damals an das Verderben und ahnte, was kommen würde. Die meisten wiegten sich in leichtfertiger Sicherheit. Unser Gott hält doch über die heilige Stadt und über den Tempel seine Hand. Er wird die Frevler zerschmettern. Er wird das Volk schützen, wie er es früher getan hat. Gott kann sein Erbvolk nicht verlassen. So sagte man zueinander, so beruhigte man sich, so wollte man sich trösten. Und das alles war Täuschung; denn das Verderben kam so grausam und schrecklich, wie der Herr es Jahrzehnte vorher angekündigt hatte. Nichts wurde geschont, nicht Frau noch Kind, nicht Krüppel noch Greis. Selbst das Heiligtum ging in Flammen auf und brach bis auf den Grund zusammen.
Könnten wir uns vielleicht ähnliche Vorstellungen vorgaukeln? Der Jüngste Tag, so könnte man sagen, ist noch in weiter Ferne; bis dahin sind wir längst Staub und Asche. Was sollen wir uns um die Schrecknisse sorgen, die wir vielleicht gar nicht mehr erleben? Aber wissen wir das so bestimmt? Wird nicht der Herr kommen wie der Dieb in der Nacht, d.h. unerwartet, zu einer Stunde, da wir es nicht vermuten? Der Herr hat den Tag seiner Wiederkunft offen gelassen, gewiß. Aber jede Generation, jedes Geschlecht muss damit rechnen, denn was jederzeit eintreten kann, das ist immer nahe. Auch jeder einzelne Mensch muss damit rechnen; jeder muss gefasst sein, das Weltgericht noch zu erleben. Es ist gerade die Absicht Jesu, jedes Menschenleben in das ungewisse Dämmerlicht des Letzten Tages zu stellen.
Und wenn das Weltgericht noch auf sich warten lassen sollte, wenn es noch in weiter Ferne wäre, ist damit etwas gewonnen? Haben die Schrecken des Jüngsten Tages nicht ihre Vorboten auch in unserem Leben? Geht nicht dem allgemeinen Gericht das besondere Gericht voraus, nämlich unmittelbar nach unserem Tode? Wer aber weiß um sein Sterben? Nicht jeder stirbt im gesegneten Alter oder mit einem Lied auf den Lippen wie der heilige Franz von Assisi. Auch heilige Menschen haben schon schwere Todeskämpfe ausstehen müssen. Wer kann sagen, was dann an Ängsten durch unsere Seele geht? Vielleicht sterben wir im Rausch einer Narkose oder im Schlaf einer Spritze. Werden wir dann gerüstet sein für die große Begegnung mit Gott? Wehe uns, wenn wir nicht vor dem durchdringenden Auge des Richters bestehen können! Wehe uns, wenn wir noch einem schrecklicheren Gerichte am Ende der Tage entgegengehen müssten! Da wären die Schrecken des Endgerichtes noch erträglicher. Warum? Ja weil sie ja noch Hoffnung auf Rettung lassen. Sie geben Anstoß zu einer letzten Reue.
Ich erinnere an den Krieg, meine lieben Freunde. Wie viele habe sich damals unter dem Druck der Schrecken des Krieges dem Herrgott zugewandt! Als die Bombengeschwader über unsere Städte donnerten und die Bomben herabfielen, als keiner wusste, wo sie einschlagen, als die Erde bebte und rechts und links die Häuser zusammenbrachen, als die Feuergarben aufschossen – und das haben wir ja mitgemacht –, da hat mancher wieder beten gelernt. In den Wehen des Krieges hat mancher zu seinem neuen Leben in Christus zurückgefunden. Doch der strengste Sprengstoffhagel war nur wie ein Auftakt zu dem, was einmal kommen wird. Wir brauchen uns das nicht auszumalen. Der Herr selbst hat es eindeutig uns gelehrt. Wir brauchen nichts zu übertreiben, der Herr hat deutlich davon gesprochen. Da wird die Sonne verfinstert werden, der Mond wird seinen Schein nicht mehr geben, die Sterne werden vom Himmel fallen, die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Wir haben in kalten, lichtlosen Angriffsnächten die Finsternis in verdunkelten Kellern erlebt. Wie haben wir uns da nach dem Tage gesehnt! Doch dann, am Ende, wird kein Tag mehr sein, denn die Sonne ist verfinstert. Wir haben im Kriege in schrecklichen Angstsekunden das Zischen und Heulen der herabstürzenden Bomben gehört. Was aber werden die Menschen erleben, die den Sturz der Sterne überstehen müssen! Und als wir ohne Heim waren und herumirrten, da waren immer noch die Felder und die Wälder da, in die wir uns bergen konnten. Aber dann, am Ende, wird die Erde beben, und die Lüfte werden dröhnen, und nirgendwo wird mehr Schutz und Sicherheit sein.
Doch plötzlich zuckt ein Licht durch die Finsternis. Alle werden es sehen, alle starren darauf starren. Das Zeichen des Menschensohnes wird am Himmel erscheinen. Was ist das Zeichen des Menschensohnes? Die Ausleger sind sich nicht einig, was damit gemeint ist, aber immerhin darf man vermuten, dass es das Zeichen ist, unter dem der Menschensohn auf Erden angetreten ist, nämlich das Zeichen des heiligen Kreuzes. Die einen werden es gewahren mit äußerstem Erschrecken, die anderen mit heißer Hoffnung. Doch die Klage der Menschen ist allgemein, denn alle wissen: Jetzt geht es zum Gericht. Und sie werden den Menschensohn kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit. Jetzt schon ist das Zeichen des Menschensohnes in unseren Landen aufgerichtet. Es steht an den Wegen, es hängst in unseren Zimmern, es ist auf den Berggipfeln aufgerichtet und in den Schächten der Erde. Wie stehen wir zu diesem Kreuz? Weichen wir ihm aus? Gehen wir gedankenlos an ihm vorbei? Oder grüßen wir den Herrn am Kreuze? Beten wir zu ihm, sprechen wir zu ihm, hören wir auf ihn? Das Kreuz des Herrn wird einmal unsere einzige Hoffnung sein. Sorgen wir dafür, dass wir einmal mit Vertrauen zu ihm aufschauen können, wenn der Herr als Richter kommt.
Wir haben in der Heimat ein schönes Lied gesungen in der Fastenzeit. Das Lied lautete wie folgt: „Heil’ges Kreuz, sei hochverehret, hartes Ruhbett meines Herrn. Einstmals seh’n wir dich verkläret, strahlend gleich dem Morgenstern. Sei mit Mund und Herz verehret, Kreuzstamm Christi, meines Herrn.“ O wie schön, meine lieben Freunde. Heil’ges Kreuz, sei hochverehret, hartes Ruhbett meines Herrn. Einstmals seh’n wir dich verkläret, strahlend gleich dem Morgenstern. Sei mit Mund und Herz verehret, Kreuzstamm Christi, meines Herrn.
Das Kreuz hängt aber nicht nur in unseren Zimmern, es steht auch nicht nur an unseren Straßenkreuzungen. Mit dem Kreuze sind wir auch bezeichnet. Denn Gott wird seine Engel ausschicken, und er wird diejenigen, die das Zeichen des Kreuzes in der Seele tragen, auf seine Seite holen. Dieses Zeichen des Kreuzes haben wir empfangen zum ersten Mal bei der heiligen Taufe. Da wurden wir mit dem Kreuze als Gottes Eigentum bezeichnet. Das Kreuzzeichen wurde auf unsere Stirn gemalt, als der Bischof uns die heilige Firmung spendete. Und das Kreuzzeichen wird auch auf uns gezeichnet werden, wenn wir die Letzte, die heilige Ölung empfangen. Mit dem Kreuze des Herrn sind wir also schon auf Erden versiegelt worden. Und was jetzt in der Seele als Glaube, als Hoffnung, als Liebe leuchtet, das wird der Engel, wenn er uns heimholt, einmal vor aller Welt sichtbar machen. Das Kreuz, das über den Himmel flammt, wird sich auf unserer Stirne widerspiegeln. So dürfen wir hoffen, weil wir mit dem Kreuze bezeichnet sind.
Selten, meine Freunde, hat Christus seinen Worten so viel Nachdruck gegeben wie bei seiner Gerichtsrede. Zweimal hebt er hervor, um allen Zweifeln, aller Gleichgültigkeit, aller Ahnungslosigkeit zu begegnen, zweimal hebt er hervor, wie bedeutsam diese Rede ist. Erstens, vom Feigenbaum sollen wir lernen, wie weit es ist. Wenn der Trieb zart wird, wenn die Blätter hervorkommen, dann erkennt man, dass der Sommer nahe ist. Diese Worte beziehen sich zweifellos auf den Untergang Jerusalems. Dafür gab es bestimmte Vorzeichen. Man kann nicht als ein kleines, winziges Volk gegen die gewaltige Macht der Römer Aufstand machen. Es war vorauszusehen, was da kommen würde. Und das Wort des Herrn hat sich erfüllt. Das Gericht über Jerusalem wurde vollstreckt. Wer acht hatte auf die Worte des Herrn, der konnte dem Verderben entgehen. Und tatsächlich sind damals viele Christen dem Verderben entgangen, weil sie sich an das Wort des Herrn erinnerten und die Flucht angetreten haben, rechtzeitig geflohen sind. Noch feierlicher aber betont der Herr das Nahen des Endgerichtes. „Wahrlich, Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen!“ Der Herr hat sein Wort verpfändet. Das Gericht wird kommen, so hart, so gewaltig, so unentrinnbar, wie der Herr es geweissagt hatte.
„Einst kommt der Tag der Rache für aller Sünde Haupt. Dann sieget Gottes Sache, das schauet, wer geglaubt.“
Amen.