4. März 2001
Die Spender der Sakramente
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Christus hat die Sakramente, die Mysterien des Heils, eingesetzt. Er hat sie der Kirche hinterlassen, aber nicht so, wie ein reicher Mann sein Vermögen den Erben hinterläßt, sondern so, daß er der Herr der Mysterien bleibt. Christus schaut nicht von ferne zu, wie die Kirche die Mysterien verwaltet, sondern er selbst ist es, der die Mysterien des Heils gegenwärtigsetzt. Er ist der Spender, der Hauptspender der Sakramente. Wenn die Kirche lehrt und heiligt, wenn die Kirche Gesetze gibt und Sakramente spendet, dann ist, wo auch immer das in der von Christus gewollten Weise geschieht, Christus der Haupttätige.
Der heilige Augustinus drückt diese Wahrheit in bezug auf die Taufe so aus, daß er sagt: „Petrus mag taufen, es ist Christus, der tauft. Paulus mag taufen, es ist Christus, der tauft. Judas mag taufen, es ist Christus, der tauft.“ Der Vater im Himmel ist es, der die äußeren Zeichen der Sakramente benutzt, um in ihnen seine göttliche Kraft auszuwirken. Der äußere Vollzug, die äußere Verrichtung geschieht durch Menschen, aber die innere Kraft, die Beweglichkeit und das Leben dieser Geheimnisse, das wird von Christus gewirkt. Der Vater im Himmel gibt seinen Heilswillen dem Sohne, dem Logos, Christus, und Christus im Heiligen Geiste wirkt das Heil durch die Mysterien.
Gott bedient sich bei der Sakramentenspendung der Kirche. Die Kirche ist sein sichtbares Organ. Sie ist die Hand, sie ist der Mund, durch die Christus die Sakramente vollzieht. Sie ist kein totes Werkzeug, sie ist ein lebendiges Werkzeug, d. h. ihr ist die Verantwortung aufgetragen; sie muß es mit Freiheit tun. Ihr ist auch die Wirkung der Sakramente insofern überantwortet, als nur, wenn sie sich in den Willen Christi einfügt, die Wirkung zustande kommt. Die Kirche ist ein lebendiges Werkzeug der Gnade, und sie muß ein gehorsames Werkzeug der Gnade sein. Die ganze Kirche ist irgendwie an der Spendung aller Sakramente beteiligt. Das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen wirkt sich auch in der Sakramentenspendung aus. Die größten Theologen, wie Augustinus, heben hervor, daß bei allen Sakramenten die ganze Kirche in irgendeiner Weise beteiligt ist, wobei es schwer ist auszusagen, wie das geschehen kann. Doch die einzelne Sakramentenspendung ist dem jeweiligen Spender übertragen. Die Kirche handelt durch die von ihr aufgestellten Spender. Diese aber müssen eine übernatürliche Ausrüstung haben, damit sie fähig sind, sie zu spenden. Sie müssen mit dem Christuszeichen besiegelt sein, damit sie imstande sind, die Repräsentanz Christi zu übernehmen. Ja, das sind sie: Sie sind Repräsentanten, also Vertreter Christi. Sie handeln an der Stelle Christi; sie spielen gleichsam die Rolle Christi bei der Sakramentenspendung.
Es ist eine Wahrheit, daß nicht jeder Spender alle Sakramente spenden kann. Das war der Irrtum von Häresien, daß sie sagten: Ein jeder kann alle Sakramente spenden. Nein, hat das Konzil von Trient festgestellt. „Wer sagt, alle Christen hätten Vollmacht über das Wort und zur Ausspendung aller Sakramente, der sei ausgeschlossen.“ Ich wiederhole noch einmal diesen wichtigen Satz: Wer sagt, alle Christen hätten Vollmacht über das Wort und zur Ausspendung aller Sakramente, der sei ausgeschlossen. Ja, wer sagt denn das? Das sagt der Protestantismus. Es gibt zwei Sakramente, die können von allen Getauften gespendet werden, nämlich das Taufsakrament und das Ehesakrament. Aber alle übrigen Sakramente sind Menschen übertragen, die in besonderer Weise Christus verähnlicht sind; man nennt sie die Geweihten oder Priester. Sie haben durch das Weihesakrament eine besondere Verähnlichung mit Christus empfangen, so daß sie jetzt fähig sind, in der Sakramentenspendung seine Rolle zu übernehmen.
Die Spender der Sakramente müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen im rechten Glauben stehen, und sie müssen sich im Gnadenstand befinden. Aber, meine lieben Freunde, wir wissen, daß das nicht immer der Fall ist. Es hat Spender der Sakramente gegeben, die nicht rechtgläubig sind, und es hat Spender der Sakramente gegeben, die nicht in der Gnade stehen, sondern in der Todsünde leben. Die Kirche hat in schweren Kämpfen, in jahrhundertelangen Kämpfen die Rechtgläubigkeit als nicht unbedingt zur Spendung, zur gültigen Spendung der Sakramente notwendig erklärt. Im 3. Jahrhundert tobte der sogenannte Ketzertaufstreit. Damals kamen Angehörige von Häresien zur katholischen Kirche zurück, wollten sich ihr wieder anschließen, und es entstand die Frage: Was soll mit ihnen geschehen? Was ist mit der Taufe, die sie in der Häresie empfangen haben? Ist sie gültig oder nicht? Muß man sie wiederholen oder nicht? Da gaben die Bischöfe verschiedene Antworten. Die meisten Bischöfe in Afrika und in Kleinasien sagten: Die Taufe, die von den Häretikern gespendet wurde, ist ungültig; man muß sie wiederholen. An der Spitze dieser Leute stand ein Heiliger, der heilige Bischof Cyprian von Karthago. Anders urteilte der Bischof von Rom, Papst Stephan I. Er sagte: Nein, die von Häretikern Getauften sind und bleiben gültig getauft. Man braucht ihnen nur die Hände aufzulegen, damit sie die Gnade der Verzeihung, der Buße empfangen und wieder in die Kirche aufgenommen werden. Diese Lehre des Papstes Stephan ist in der Kirche kraft der Führung des Heiligen Geistes herrschend geworden. Das Konzil von Trient hat, wie vor ihm andere Kirchenversammlungen, es deutlich ausgesprochen: „Wer sagt, die Taufe, obschon im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Absicht, zu tun, was die Kirche tut, aber von Irrgläubigen gespendet, sei keine wahre Taufe, der sei ausgeschlossen.“ Ich wiederhole noch einmal diesen Satz: Wer sagt, die Taufe, obschon im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Absicht, zu tun, was die Kirche tut, aber von Irrgläubigen gespendet, sei keine wahre Taufe, der sei ausgeschlossen. Ja, wie ist das möglich, meine lieben Freunde? Das ist deswegen möglich, weil Christus der Hauptspender der Sakramente ist, weil der Mensch ein untergeordneter Spender ist. Er ist abhängig von dem Spender Christus. Die Kirche hat die Überzeugung gewonnen, daß der Spender Christus auch durch einen irrgläubigen Spender gültig die Wirkungen der Taufe hervorbringen will. In dem Ketzertaufstreit standen eben zwei Ansichten gegenüber. Die eine hob das personale und ethische Moment hervor – Cyprian und seine Anhänger, die andere Seite betonte das amtliche und sakramentale Moment, und das war Papst Stephan und die Kirche von Alexandrien und andere Kirchen der ganzen katholischen Welt. Diese Ansicht, diese Lehre hat sich in der Kirche durchgesetzt, in schweren Kämpfen – es gab zeitweilig Hunderte von Bischöfen, die das Gegenteil gelehrt haben, vor allen Dingen im Streit der Donatisten im 4. und 5. Jahrhundert. Aber diese Meinung ist abgewiesen worden, und wir wissen heute, daß auch Irrgläubige gültig taufen unter den Bedingungen, die ich gleich erwähnen werde.
Dann sind andere Männer aufgestanden und haben gesagt: Derjenige, der im Stande der Todsünde ist, kann nicht gültig Sakramente spenden. Ein Todsünder ist unfähig, das übernatürliche Leben der Seele zu vermitteln. Das sind die Anhänger von Wiklif und Hus gewesen, und solche Meinungen sind immer wieder aufgetreten, z. B. bei den Wiedertäufern. Die Kirche hat diese Ansicht ebenfalls zurückgewiesen. Sie hat die Ideen von Wiklif und Hus verworfen. Die Anhänger dieser Irrlehren mußten ein Glaubensbekenntnis unterschreiben, in dem es hieß: „Wir verwerfen die Sakramente, die die Kirche in Mitwirkung der unschätzbaren und unsichtbaren Kraft des Heiligen Geistes feiert, auch dann nicht, wenn sie ein sündiger, aber von der Kirche zugelassener Priester spendet.“ Noch einmal: „Wir verwerfen die Sakramente, die die Kirche in Mitwirkung der unschätzbaren und unsichtbaren Kraft des Heiligen Geistes feiert, auch dann nicht, wenn sie ein sündiger, aber von der Kirche zugelassener Priester spendet.“
Unter den Irrtümern des Wiklif, die von der Kirche verurteilt wurden, war auch der Satz: „Ein Bischof oder Priester, der in der schweren Sünde lebt, weiht nicht, verwandelt nicht, bringt das Sakrament nicht zustande, tauft nicht.“ Und an einer letzten Stelle, im Konzil von Trient, hat die Kirche gelehrt: „Wer sagt, der Ausspender, der sich im Stande der Todsünde befindet, bringe kein Sakrament zustande oder teile keines mit, obwohl er alles Wesentliche beobachtet, was zum Zustandebringen und Mitteilen des Sakramentes gehört, der sei ausgeschlossen.“
Ja, kann man da nicht den Einwand machen: Wie kann jemand das göttliche Leben vermitteln, der selbst außerhalb des göttlichen Lebens steht? Wie kann jemand die Gnade spenden, der selbst nicht in der Gnade verharrt? O, das ist sehr gut möglich, denn der Priester gibt ja nicht die Gnade, die sein eigen ist; er gibt nicht die Gnade, die er geschaffen hat. Er gibt nicht die Gnade, über die er verfügt. Er teilt eine fremde Gnade aus, er teilt die Schätze eines Fremden aus, nämlich Jesu Christi. Er gibt nicht Eigenes; er gibt das, was er selbst empfangen hat. So erklärt sich, daß auch ein sündiger Priester gültig und wirksam die Sakramente spenden kann. Freilich wird die Spendung der Sakramente für ihn selbst zum Unheil, wenn er unwürdig sie den anderen austeilt. Er selbst verspielt damit sein Heil, aber die Sakramente bleiben gültig.
Nun ist natürlich die Frage naheliegend: Hat denn die Frömmigkeit eines Priesters überhaupt keinen Einfluß auf die Spendung der Sakramente? Warum gehen die Leute lieber zu einem frommen Priester als zu einem unfrommen? Diese Handlungsweise ist durchaus berechtigt. In einer sekundären, in einer abhängigen, in einer untergeordneten Weise geht auch die Frömmigkeit, geht die Liebe des Priesters in die Sakramentenspendung ein. Die Hauptwirkung des Sakramentes ist gleich, ob der Priester fromm ist oder nicht, aber bei einem frommen Priester darf man erwarten, daß seine Liebe sich mit der Wirkung des Sakramentes verbindet. Deswegen haben die Menschen nicht Unrecht, wenn sie einen frommen Spender einem unfrommen vorziehen.
Was ist aber nun notwendig, damit der Priester die Wirkung des Sakramentes, die ja nicht seine ist, hervorbringt? Er muß die Intention haben. Er muß die Absicht haben, das zu wirken, was Christus durch das Sakrament wirken will. Er muß sich in Freiheit mit dem Willen Christi vereinigen; er muß in willentlicher Übereinstimmung mit Christus handeln. Dazu gehört zweierlei. Er muß erstens die Absicht haben, ein Sakrament zu vollziehen. Er muß zweitens die Absicht haben, dieses Sakrament als ein Christuszeichen zu vollziehen – als ein Christuszeichen, nicht bloß als einen äußeren Ritus, sondern als ein in der Kirche Christi übliches Christuszeichen. Seit dem 13. Jahrhundert drückt die Kirche das so aus: Er muß die Absicht haben, das zu tun, was die Kirche tut, wenn sie Sakramente spendet. Den Anhängern des Wiklif und des Hus wurden Fragen vorgelegt, ob sie glauben, daß ein schlechter Priester, der die rechte Materie und Form gebraucht und die Absicht hat, zu tun, was die Kirche tut, gültig das Sakrament zustande bringt, wirklich losspricht, wirklich tauft und wirklich die anderen Sakramente spendet. Und das Konzil von Trient ergänzt diese Lehre, wenn es sagt: „Wer sagt, bei den Ausspendern sei nicht wenigstens die Absicht erfordert, zu tun, was die Kirche tut, wenn sie die Sakramente zustande bringen und mitteilen, der sei ausgeschlossen.“
Unter den Lehren Luthers wurde folgender Satz verurteilt: „Gesetzt den unmöglichen Fall, das Beichtkind habe keine Reue und der Priester gebe die Lossprechung nicht im Ernst, sondern im Scherz, wenn es dennoch an seine Lossprechung glaubt, so ist es losgesprochen.“ Das ist ein Irrtum Luthers, weil er es eben allein vom Glauben abhängen ließ, daß die Lossprechung zustande kommt. Nein, dann ist er eben nicht losgesprochen, wenn er keine Reue hat und wenn der Priester im Scherz handelt. Er muß die Intention haben, das zu tun, was die Kirche tut. Und noch eine letzte Äußerung des Konzils von Trient: „Wer sagt, die sakramentale Lossprechung des Priesters sei kein richterlicher Akt, sondern eine reine Dienstleistung der Verkündigung und Erklärung, dem Bekennenden seien die Sünden erlassen, falls er glaubt, daß er freigesprochen sei, auch wenn der Priester nicht im Ernst, sondern nur im Scherz die Lossprechung gibt, oder wer sagt, das Bekenntnis des Büßenden sei nicht dazu notwendig, daß ihn der Priester lossprechen kann, der sei ausgeschlossen.“ Die Kirche hat also die Absicht mit äußerster Konsequenz verteidigt. Wer Sakramente spendet, ob es die Nottaufe ist, ob es das Ehesakrament ist, ob es die Firmung ist, ob es der Vollzug des eucharistischen Opfersakramentes ist, wer Sakramente spendet, muß die Absicht haben, ein Christuszeichen zu setzen. Er muß die Absicht haben, Christus als Diener zur Hand zu gehen. Er muß die Absicht haben, ein in der Kirche Christi übliches Heilszeichen zu setzen.
Auch in der Gegenwart, meine lieben Freunde, gibt es betrübliche Vorgänge. Vor kurzem erzählte mir ein Kollege, ein katholischer Universitätsprofessor, der Priester ist, er habe beobachtet, daß ein Pfarrer in der Diözese Mainz, als ihm bei der Austeilung der Kommunion die Hostien ausgingen, in die Sakristei ging und nichtkonsekrierte Hostien zur Austeilung verwendete. Wie kann der Priester einem Menschen nichtkonsekrierte Hostien geben und sagen: „Der Leib des Herrn“, wo es doch gar nicht der Leib des Herrn ist? Das ist ein schwerer, ein furchtbarer Mißbrauch. Aber so etwas kommt heutzutage vor. Die Gläubigen mögen manchmal unsicher sein, ob sich hie und da eine gültige Konsekration ereignet. Sie mögen manchmal fragen: Ist denn nun wirklich unser Herr und Heiland in diesen Gestalten gegenwärtig? Ich habe einen doppelten Trost für Sie, meine lieben Freunde. Erstens: In der Regel wird Gott, wird Christus, wird der Heilige Geist verhindern, daß ernste Mängel in der Sakramentenspendung auftreten. Es ist eine Merkwürdigkeit, daß selbst innerlich mit dem Glauben zerfallene oder in der Sünde lebende Priester bei der Sakramentenspendung regelmäßig noch die Minimalintention haben, zu tun, was die Kirche tut. Zweitens: Die Mängel der Sakramentenspendung werden nach Gottes Willen nicht das Heil der Empfänger in Gefahr bringen. Gott wird dafür sorgen, daß auch da, wo Mängel wirklich vorhanden sind, in einer anderen Weise dem Empfänger das Heil vermittelt wird. Gott ist mächtig, ist allmächtig. Er kann das ergänzen und ersetzen, was ein Spender etwa fehlen läßt. Halten Sie sich überhaupt, meine lieben Freunde, nicht an Menschen, halten Sie sich an Gott! Wer sich an die Menschen hält, der fällt mit den Hinfälligen. Wer sich an Christus hält, der steht fest in Ewigkeit.
Amen.