Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Dezember 2013

Johannes, der Vorläufer des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Jesus hat seine messianische Tätigkeit erst aufgenommen, als Johannes der Täufer verhaftet und im Gefängnis war. Dort vernimmt Johannes die Kunde von dem Wirken Jesu, von seiner Predigt, von seinen Wundertaten. Aber er ist sich nicht sicher, ob es der ist, den er verkündigen soll, oder ob ein anderer kommt. „Bist du es, den wir erwarten, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Bist du der Kommende oder bist du es nicht? Warum ist Johannes unsicher? Der Messias entspricht nicht dem Bilde, das er von dem Messias hatte. Er hat ja den Messias als einen vorgestellt, der mit heiligem Geist und mit Feuer taufen wird. Der die Wurfschaufel in die Hand nimmt, um die Spreu auszufegen aus der Tenne. „Den Weizen wird er sammeln in die Scheuer, und die Spreu verbrennen in unauslöschlichem Feuer.“ Das Bild, das Johannes vom Messias hatte, entsprach nicht der Wirklichkeit des Auftretens Jesu. Und deswegen ist er unsicher. „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Johannes der Täufer unterschied nicht zwischen dem ersten Kommen des Messias und dem zweiten Kommen. Beim ersten Kommen war er das „Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt“. Beim zweiten Kommen wird er der Weltenrichter sein, vor dem selbst die zittern werden, die ihn durchbohrt haben. Und deswegen der Zweifel im Herzen des Johannes.

Und was antwortet Jesus? Er sagt nicht: „Ich bin der Messias“, er verweist auf seine Werke: Blinde sehen, Lahme gehen, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird die Heilsbotschaft verkündet. Das sind Taten, wie sie vom Messias erwartet wurden. Diese Weise des Auftretens hat der Prophet Isaias vorausverkündet. In seinem Buche heißt es: „Gott selbst wird kommen, euch zu erlösen. Dann öffnen sich die Augen der Blinden, dann tun sich auf die Ohren der Tauben. Wie der Hirsch wird der Lahme dann springen, die Zunge des Stummen wird gelöst.“ Genauso, wie es vorherverkündet war, tritt der Messias auf. Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote werden auferweckt und Armen wird die Frohbotschaft verkündet. Daraus kann Johannes entnehmen, wer Er ist. Dass Jesus nicht frank und frei sagt: „Ich bin der Messias“, hat seinen Grund in dem Messiasgeheimnis. Er will nicht die politisch nationale Messiaserwartung des Volkes auf sich ziehen. Er ist ein anderer Messias, als das Volk erwartet. Er ist der Messias des Heiles, nicht der Messias der Politik. Das ist ja eine Schwierigkeit, meine lieben Freunde, die auch diejenigen, die wissen, dass Christus als der Heilsbringer gekommen ist, noch heute haben. Dass sie sich fragen: „Ja, muss Gott, kann Gott, will Gott das alles aushalten, was heute auf dieser Welt geschieht? Dieser Aufstand gegen ihn, diese Rebellion, diese Verunglimpfung seines heiligen Namens, diese aufmüpfigen Kleriker, die gegen den Heiligen Vater und das Gesetz der Kirche aufstehen! Der Herr zu Eltz und ähnliche Leute! Sieht Gott dem allem zu?“ Wir können Gott keine Vorschriften machen, wie und wann er handeln soll, meine lieben Freunde. Wir können ihn bitten, wir können flehen, wir können dringend zu ihm rufen, aber wir können ihn nicht zwingen. Er hat seine Stunden, in denen er handelt, und da heißt es warten und ausharren.

Jesus hat dem Täufer eine Warnung gegeben als er ihm erklärte, wie er auftritt; da hat er gesagt: „Selig, wer sich an mir nicht ärgert.“ Das ist eine Warnung. Auch Johannes ist darauf verwiesen, den Weg des Glaubens zu gehen, den die Jünger und das ganze Volk gehen müssen. Er darf keinen Anstoß nehmen an der Weise, wie der Messias auftritt. „Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt.“

Dann hat der Herr drei Reden über Johannes den Täufer geführt. In drei Reden spricht er über den Täufer. Zuerst richtet er drei Fragen an das Volk: „ Wozu seid ihr in die Wüste gegangen? Was wolltet ihr da sehen? Ein Schilfrohr, das vom Wind hin und her getrieben wird?“ Genau das Gegenteil ist der Fall. Das ist kein Schilfrohr, das ist eine Säule, dieser Täufer, der seinem Landesherren vorhält: „Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben.“ „Was wolltet ihr da sehen? Einen Menschen in weichlichen Kleidern?“ Die sind in den Palästen der Könige. Das ist ein Asket, der sich von wildem Honig und Heuschrecken nährt. „Was seid ihr hinausgegangen? Was wolltet ihr da sehen? Einen Propheten?“ Ja! Mehr als einen Propheten! Er ist der letzte der Propheten, er ist der Bote, der vor dem Messias vorhergeht, wie es der Prophet Malachias angekündigt hatte. „Siehe, ich sende einen Boten vor dir her, der dir den Weg bereiteten soll.“ Das ist das Geheimnis des Johannes. Er ist der letzte und der höchste der Propheten, der Wegbereiter des Messias. Allerdings macht der Herr noch eine Einschränkung. Er sagt nämlich: „Unter den Weibgeborenen ist kein Größerer als Johannes der Täufer, aber der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.“ Johannes gehört noch der alten Heilsordnung an. Er steht noch nicht im Reiche Gottes, das Christus verkündet. Und deswegen ist der Kleinste im Reiche Christi, im Reiche Gottes, größer als er. Die neue Ordnung übertrifft bei weitem die alte.

An zweiter Stelle spricht der Herr über den Platz, den Johannes in der Heilsgeschichte annimmt. Von den Tagen Johannes des Täufers bis heute bricht das Himmelreich mit Gewalt sich Bahn, und Gewalttäter reißen es an sich. Denn alle Propheten und das Gesetz, bis auf Johannes, haben geweissagt: „Und wenn ihr es annehmen wollt: Er ist Elias, der kommen soll. Wer Ohren hat, der höre!“ Das Himmelreich, das Jesus bringt, das in seiner Verkündigung, in seinen Heilswirkungen, in seinen Dämonenaustreibungen schon da ist, das Himmelreich bricht sich jetzt mit Gewalt Bahn. Und Gewalttäter reißen es an sich, d.h. nur diejenigen, die bereit sind, sich gegen sich selbst zu wenden, die bereit sind, sich zu überwinden und ihre verbrauchten Vorstellungen hinter sich zu lassen, nur die können das Himmelreich gewinnen. Johannes ist ein „Schwellenmann“, er steht an der Schwelle vom Alten zum Neuen Bunde. Er ist der letzte der Propheten des Alten Bundes, aber doch gleichzeitig auch der, der das Kommen des Gottesreiches vorbereitet, und insofern gehört er auch mit seiner Verkündigung dem Neuen Bunde an. Denn die Kräfte des Neuen Bundes sind ja in Christus schon wirksam. Johannes ist der Elias, der kommen soll. Das hatte nämlich der Prophet Malachias vorausgesagt, dass bevor Gott kommt, um sein Volk zu heilen, er den Propheten Elias vorausschicken werde. Nun war Johannes gewiss nicht in der Person des Elias, aber er war in der Rolle des Elias, nämlich als derjenige, der das Volk aufrütteln und zur Buße, zur Bekehrung führen soll. In Johannes ist tatsächlich Elias erschienen.

An einer dritten Stelle spricht der Herr noch einmal von Johannes. „Wem soll ich dieses Geschlecht (die Zeitgenossen) vergleichen? Kindern gleicht es, die auf dem Markplatz sitzen und den anderen zurufen: Wir haben etwas vorgeblasen und ihr habt nicht getanzt. Wir haben Klagelieder angestimmt und ihr habt nicht an die Brust geschlagen. Denn es kam Johannes, er aß nicht und trank nicht, da sagten sie: Er hat einen Dämon. Es kam der Menschensohn – also er selbst – er aß und trank, da sagten sie: Seht den Fresser und Weinsäufer, den Freund der Zöllner und Sünder.“ Jawohl, so hat man unseren Heiland genannt: den Fresser und Weinsäufer, den Freund der Zöllner und Sünder. „Und doch ist die Weisheit aus ihren Werken gerechtfertigt worden.“ Das ist ein sehr merkwürdiger Text. Was bedeutet er? Er ist ein vernichtendes Urteil über das jüdische Volk. Dieses Volk gleicht launischen Kindern, die Vorschläge machen, die aber nicht angenommen werden. Und Gott hat in zweifacher Weise zu ihnen gesprochen: in dem Bußwort des Johannes und in dem Heilswort Jesu, in der strengen Lebensweise des Johannes und in der lockeren Lebensweise des Heilands, aber keiner war ihnen genehm. Keiner hat diesem Volke gefallen. Deswegen wird die Weisheit gerechtfertigt: Gott lässt sich durch solche launischen Menschen, wie es das jüdische Volk in seiner Masse ist, nicht um seinen Heilsplan bringen. Die Weisheit ist gerechtfertigt.

Meine lieben Freunde, Johannes der Täufer sagt das Gericht an, das der Messias halten wird. Aber er unterscheidet nicht zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Jesu. Das erste Mal kommt er zur Erlösung, das zweite Mal zum Endgericht. Aber freilich, auch bei dem Angebot der Erlösung vollzieht sich eine Scheidung. Sie geschieht in der Stellung zu Jesus, dem Gesandten des himmlischen Vaters. „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet.“ Der Herr hat mit diesen Worten auch die Funktion des Johannes dem Volke klargemacht. Er ist derjenige, der auch jetzt schon das vorläufige Gericht ansagt, das erst mit dem endgültigen abgeschlossen sein wird. Jetzt ist die Stunde des Heiles, jetzt ist die Stunde der Gnade, jetzt, durch die Predigt des Täufers, durch seinen Bußruf, sind die Menschen aufgerufen, sich zu bekehren. Meine lieben Freunde, es gibt Gnadenstunden, die nicht wiederkehren. Es gibt Stunden, in denen Gott anklopft und auf das Öffnen des Menschen wartet. Wehe dem, der dieses Klopfen überhört!

Amen.

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