Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. August 2013

Ehre, Ehrung, Ehrenschutz, Ehrverletzung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In Kürze wird Frau Dr. Pfau eine hohe Ehrung empfangen, nämlich den Klaus-Hemmerle-Preis in Aachen. Frau Dr. Pfau hat jahrzehntelang sich der aussätzigen und tuberkulösen Menschen in Pakistan angenommen und kann auf ein riesiges wohltätiges Lebenswerk zurückschauen. Sie hat diese Ehrung verdient. Damit sind wir beim Thema unserer heutigen Überlegungen, nämlich der Ehre. Sie alle wissen, wie es im täglichen Sprachgebrauch verwendet wird, das Wort „Ehre“ nämlich, als die Achtung, als der gute Name, den jemand bei den Mitbewohnern, bei den Menschen der Umgebung besitzt. Ehre oder guter Name besteht darin, dass die Menschen von uns gut denken und gut reden. Aber es gibt auch noch eine andere Bedeutung der Ehre. Wenn der gute Name die äußere Ehre ist, dann ist die Selbstachtung die innere Ehre. Also das Zeugnis, das uns das Selbstbewusstsein und das Gewissen gibt, dass wir auch Achtung vor uns selbst haben können, aufgrund unseres sittlichen Verhaltens, aufgrund unseres Gehorsams gegenüber dem Gewissen. Äußere und innere Ehre gehören zusammen. Von dem Philosophen Schopenhauer stammt das schöne Wort: „Die Ehre ist das äußere Gewissen, und das Gewissen ist die innere Ehre.“ Ja, so meinen wir es. Die sittliche Ehre ergibt sich aus dem Verhalten des Menschen. So wie er sich in seinem Tun und Lassen gibt, so wird er auch Achtung vor sich selbst haben und werden die Menschen ihm Ehre entgegenbringen. Wir nennen diese Ehre die sittliche Ehre. Außer ihr gibt es auch andere, eingeschränktere Formen der Ehre, z.B. die bürgerliche Ehre. Sie besteht darin, dass einem durch polizeiliches Führungszeugnis bescheinigt wird, dass man unbescholten, unbestraft ist. Die politische Ehre besteht darin, dass ein Politiker für das allgemeine Wohl arbeitet, nicht für die eigene Tasche. Die wissenschaftliche Ehre liegt in der Akribie des wissenschaftlichen Arbeitens. Es verliert derjenige seine wissenschaftliche Ehre, der fremde Leistungen als eigene ausgibt, der Plagiator. Ein solcher Plagiator war der Mann, der hier an der Wand der Kirche aufgemalt ist: Dr. Martin Luther King. Seine Doktorarbeit ist ein Plagiat. Auch Gemeinschaften haben ihre Ehre: Familie, Volk, Staat, Stände, Berufe und Ämter. Diese Ehre leitet sich von der Bedeutung und Leistung des jeweiligen Verbandes her. Ein Handwerker sieht seine Ehre darin, dass er seine Arbeit gewissenhaft und auf Dauer berechnet vollbringt. Die Ehre eines Arztes verlangt, dass er jeden Patienten, je nach der Schwere seiner Krankheit, sorgfältig behandelt.

Die Ehre ist ein Rechtsgut. Jeder Mensch hat ein subjektives Recht, dass ihm Ehre zuerkannt wird, solange er sie nicht verwirkt hat. Die Ehre ist auch die Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung. Ein Mann, eine Frau kann in der Gesellschaft nicht segensreich wirken, wenn er, sie nicht im Besitz von Ehre ist. Die Ehre ist gleichsam die geistig soziale Atmosphäre, in der das Ich zur freien Selbstentfaltung gelangt. Wer Ehre hat, kann viel Gutes tun, weil er Einfluß auf seine Mitmenschen besitzt. Hat er aber keine Ehre, dann geben die Menschen auf sein Wort nichts. Nach der Offenbarung ist der gute Name ein hohes menschliches Gut. Im Buch der Sprichwörter steht: „Ein gute Name ist besser als großer Reichtum.“

Die Ehre ist normalerweise die Auswirkung und die Bezeugung der inneren Sittlichkeit. Wie ein Mensch innerlich geartet ist, im Gehorsam gegen Gottes Willen, so soll er auch nach außen anerkannt werden. „Die Ehre ist der Tugend Lohn“ hat einmal Cicero geschrieben. Und in der Apostelgeschichte heißt es von Paulus: „Ich befleißige mich, ein unverletztes Gewissen zu haben, vor Gott und den Menschen.“ Diese Ausstrahlung des Guten dient zur Verherrlichung Gottes und der Kirche. „Euer Licht leuchte vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen.“ Da sehen Sie den Zusammenhang zwischen ehrenhaftem Tun und Verehrung Gottes. Wir sollen die Kirche schmücken mit unseren Tugenden und guten Werken. Wir sollen Gott Ehre einlegen in unserem Tun und Lassen. Wir sollen alles, was wir denken, reden und tun, zur Ehre Gottes tun. Das geschieht aber nur, wenn wir ehrenhaft handeln, also nach gutem Gewissen. „Wir befleißigen uns des Guten nicht bloß vor Gott, sondern auch vor den Menschen“, schreibt Paulus an die Korinther. „Eure Sittsamkeit werde allen Menschen kund“, schreibt er an die Philipper. „Vermeidet jeden Schein des Bösen“, schreibt er an die Thessalonicher. Die Ehre in der Anerkennung der Tugend dient auch der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird dadurch gehoben, dass es Menschen gibt, die eine ausgezeichnete Bewährung im Leben zeigen und deswegen geehrt werden. Die soziale Tätigkeit wird durch Menschen, die der Ehre würdig sind, gehoben. Dadurch, dass sittliche Bewährung und vorbildliches Verhalten öffentlich anerkannt werden, wird die Wertschätzung von Tugend und Leistung gefördert. Das ausgezeichnete Wirken des einen ist Ansporn für das Verhalten des anderen. Ehre und guter Ruf sind aber auch eine Stütze für das eigene Verhalten. Es ist nicht das höchste Motiv, einer Versuchung zu widerstehen, wenn man es in der Absicht tut, nicht den guten Ruf bei den Menschen zu verlieren. Es ist nicht das höchste Motiv, aber es ist ein wirksames Motiv. Das darf ich nicht tun, weil ich sonst die Achtung meiner Mitmenschen verliere. Deswegen darf man ruhig überlegen und vor dem Handeln fragen: „Was werden die Leute dazu sagen?“, wenn wir mit diesen Leuten die ehrenhaften, die sittlich hochstehenden meinen. Andererseits dürfen Urteile, Lob und Tadel der Menschen nicht Ziel und Beweggrund der Tugend sein. Die Tugend muss um ihrer selbst willen geübt werden. Ein wahres Gut ist eben nur die Ehre bei den Guten, und deswegen hat der Bischof von Münster, Graf von Galen, Recht gehabt, wenn er als seinen Wahlspruch wählte: „nec laudibus, nec timore“, d.h. er wollte nicht handeln, um gelobt zu werden, oder weil er fürchtete, getadelt zu werden, sondern er wollte einfach sachlich handeln nach Gottes Willen, so wie es das Gebot befiehlt. Er wollte allein von der Absicht, Gottes Willen zu erfüllen, getragen sein. Freilich, in vielen Fällen ist es unmöglich zugleich bei Gott und bei den Menschen angesehen und beliebt zu sein. Wer ein wahrhaft christliches Leben führt, wird von den Menschen verhöhnt und gelästert. Der Herr wusste um diesen Zusammenhang. „Selig seid ihr, wenn ihr im Namen Christi geschmäht werdet, denn der Geist der Herrlichkeit ruht dann auf euch.“ Auf Erden werden Tugend und Leistung einerseits, Dank und Anerkennung nicht immer übereinstimmen. Von Marie von Ebner-Eschenbach stammt das schöne Wort: „Man hat entweder einen zu guten oder einen zu schlechten Ruf. Nur den hat man nicht, den man verdient.“

Gott hat das Ehrgefühl und den Abscheu vor Schande tief in unser Inneres eingepflanzt. Wollten wir diesen Trieb unterbinden, dann würden wir gegen Gottes Gebot handeln. Wir haben also Pflichten bezüglich der eigenen und fremden Ehre. Jeder muss den eigenen guten Ruf nach seinem wahren Werte schätzen und bewahren. „Trage Sorge für deinen guten Namen“, heißt es im Buche Sirach „er dauert länger als tausend Schätze.“ Die Sorge für den guten Namen liegt in der selbstlosen Pflege der Tugend, in der wir ohne nach rechts und links zu schauen einfach Gott anblicken, seinen Willen und sein Gebot. Die sittliche Ehrliebe ist ein Teil der christlichen Selbstliebe. Wir dürfen eine echte und wahre Liebe zur eigenen Ehre haben. Diese ist freilich ganz verschieden von der Ehrsucht. Die Ehrsucht ist eine ungeordnete Leidenschaft, die den Menschen veräußerlicht und zu schweren Verirrungen führt. Außerdem macht man sich lächerlich. Wer nach Anerkennung, Lob und Ehrungen strebt, wer Titel und Preise begehrt, der wird als überspannt und verstiegen angesehen. Die Ehrsucht kann auch zu Praktiken führen, die sehr bedenklich sind. Denken Sie etwa an das Doping im Sport. Hier wird um der Ehre willen, die man anstrebt, eine Droge eingenommen, die die Leistungsfähigkeit steigern soll. Diese Aufputschmittel haben mit Ehre nichts, aber mit Unehre viel zu tun. Falsch ist auch der Ehrgeiz. Wer dauernd danach strebt, der Erste zu sein, überall voranzukommen, und wer auf andere zurückschaut, niederschaut, sie geringschätzt und ihnen die Ehre neidet, der hat den falschen Ehrgeiz. An die Stelle des Ehrgeizes muss man den Leistungswillen setzen. Wir handeln um der Sache willen, nicht um von Menschen geehrt zu werden. Man muss immer das tun, was von der Sache gefordert ist, ohne Rücksicht auf Lob oder Tadel der Menschen.

Es kann pflichtgemäß sein, die eigene oder die fremde Ehre gegen Herabsetzung und Verdächtigung zu verteidigen. Es gibt Personen und Einrichtungen, die es darauf abzusehen scheinen, andere um ihren guten Ruf und sogar um ihre Stellung zu bringen. Wir haben solche Kampagnen erlebt. Denken Sie etwa an die Hetzkampagne gegen den Bischof Mixa von Augsburg oder denken sie an die jetzige Kampagne gegen den Bischof von Limburg Tebartz-van Elst. Hier wird bewusst versucht, lautere Menschen um ihre Ehre in der Gesellschaft und in der Kirche zu bringen. Seit zweitausend Jahren wird unsere Kirche beschimpft, verdächtigt, diffamiert, verunglimpft. Was hat man ihr nicht alles angehängt. Wir wissen, dass in der Kirche Gute und Böse zusammen sind, dass viele Christen nicht nach dem Willen Gottes leben und sich nicht an Gottes Gesetz halten. Aber was besagt das gegenüber dem unermesslichen Segen, der seit zweitausend Jahren von dieser Kirche ausgegangen ist. Dass sie das Gesetz Christi bewahrt hat, im Unterschied zu anderen Denominationen. Dass sie den Glauben unverfälscht vermittelt hat, dass sie die Sittenlehre den Herrn nicht verbogen hat, wie es andere tun. Dass sie seine Gnade und Wahrheit durch die Jahrhunderte getragen und den Menschen ausgespendet hat. Das ist ihre Ehre, das ist ihr Ruhm! Wir haben die heilige Pflicht, die Kirche zu verteidigen, sie in Schutz zu nehmen gegen ungerechte Angriffe. Ich halte es z.B. für ganz verfehlt, wenn Theologen, Bischöfe und ein Kardinal die Kreuzfahrer herabsetzen und niedermachen. Die Kreuzzüge waren Unternehmungen heiliger Begeisterung, um den Christen im Heiligen Lande zu Hilfe zukommen. Dass sich an diese edlen Menschen auch andere anlehnten, man musste ja schließlich Söldner rekrutieren, das ist nicht zu verwundern. Die Pflicht, die Menschen zu verteidigen, besteht auch gegenüber den einzelnen Christen. Ich habe immer, meine lieben Freunde, die praktizierenden katholischen Christen gegen ungerechte Urteile von Abständigen und Abgefallenen in Schutz genommen. Die Behauptung, die Kirchgänger sind auch nicht besser, ist falsch! Sie sind besser! Man muss bei der Verteidigung der Ehre freilich das rechte Maß einhalten. Starke und großmütige Seelen lassen sich durch kleinliche Dinge nicht aufregen. Sie leiden schweigend. Nur bei wichtigen Dingen soll man seine Ehre verteidigen.

Ehre erweisen wir den Eltern; sie mögen mit Fehlern behaftet sein, sie mögen ihre Schwächen gehabt haben. Meine lieben Freunde, die Achtung, die Liebe und der Gehorsam eines jeden Kindes gegen seine Eltern ist eine heilige Pflicht. Ehre verdienen alte Menschen. Sie haben ein Leben lang gearbeitet und anderen gedient, dafür verdienen sie Fürsorge, Schutz und Anerkennung. Sie sind nicht überflüssig. Ehre verdienen die Menschen, die harte, gefährliche und schmutzige Dienste für andere erbringen. Denken wir an die Kampfmittelräumer, an die Müllmänner, an die Putzfrauen. Die Ehre der Mitmenschen soll nicht nur geschont und geachtet, sie soll auch gewürdigt und gefördert werden. Es hat einen guten Sinn Leistungen anzuerkennen. In manchen Großbetrieben ist es üblich, Mitarbeiter nach fünfundzwanzig oder vierzig Jahren der Zugehörigkeit öffentlich zu belobigen und ihnen zu danken. Bei Krupp in Essen werden solche Feiern in großem Stil und mit viel Aufwand abgehalten. Das ist berechtigt. Äußere Ehrenbezeigungen, wie Titel und Orden, haben einen guten Sinn, wenn sie den Rechten zukommen. Es liegt eben darin eine öffentliche Anerkennung von Leistungen, manchmal von Persönlichkeiten, die Schmähungen und Unrecht haben hinnehmen müssen. Der Heilige Vater hat, mehr als einmal, einen im Gefängnis befindlichen Bischof zum Kardinal ernannt. Freilich müssen diese Ehrungen verdient sein durch Leistung. Wer nur scheinbare Taten und Werke aufzuweisen hat, wird zu Unrecht gerühmt und gelobt. Im Jahre 1965 verstarb der deutsch-amerikanische Theologe Paul Tillich. Er wurde mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Dieser Theologe hat manche theologische Werke geschrieben, die ich persönlich nicht schätze, andere schätzen sie, aber sein Lebenswandel war als andere als ehrenhaft. Er war ein Sexualneurotiker mit sadomasochistischer Sexualpraxis. Seine Frau nennt ihn in ihren Memoiren einen „unersättlichen Schürzenjäger“, der sich ganz dem Trieb hingab. Hat man diese Tatsache bei der Ehrung Tillichs bedacht?

Unsere Ehre liegt im Zeugnis eines guten Gewissens. Dass wir in Heiligkeit und Lauterkeit gewandelt sind, nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in Gottes Gnade in der Welt. Und uns kommt es nicht nur über die Lippen, uns brennt es im Herzen, wenn wir sagen: „Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern deinem heiligen Namen gib die Ehre!“

Amen.

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