Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. April 2012

Die Wirksamkeit des Auferstandenen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Jesus hat das Reich Gottes verkündet, und gekommen ist die Kirche.“ Dieses Wort stammt von dem berühmten evangelischen Theologen Adolf von Harnack. Jesus hat das Reich Gottes verkündet, und gekommen ist die Kirche. Das heißt die Kirche ist ein Missverständnis. Jesus hat niemals an eine Kirchengründung gedacht. Er hat nur nach dem Willen des Vaters vom Reiche Gottes gesprochen, aber eine irgendwie geformte, mit einer Hierarchie ausgestattete Kirche, hat er niemals gewollt. Ich würde von dieser Lehre Adolf von Harnacks nicht sprechen, wenn sie nicht im katholischen Bereich aufgetaucht wäre und in katholische, sogenannte katholische, Religionsbücher eingegangen wäre.

Jesus hat schon während seines irdischen Lebens, als er noch mit seinen Jüngern wanderte, die Grundlagen für eine Gemeinschaft der zu ihm gehörigen Menschen gegründet. Er hat gepredigt, er hat Weisungen gegeben, er hat seine Lehre verkündigt. Das war ein Grundstein für seine Kirche. Er hat Jünger gesammelt, das waren die ersten Glieder dieser kommenden Gemeinschaft. Er hat unter diesen Jüngern Besondere auserwählt, die den Namen „Apostel“ erhielten, weil sie gesandt wurden. Apostel heißt nämlich „Der Gesandte.“ Er hat einen von ihnen besonders ausgezeichnet und mit Angabe des Ortes bei Cäsarea Philippi ihn zum Grundstein der Kirche gemacht, – der „Fels“, auf den er seine Kirche bauen wollte.

Es ist also völliger Unsinn zu behaupten, Christus habe keine Kirche gegründet. Er hat die Kirchengründung fortgesetzt nach seiner Auferstehung, denn erst musste die Erlösung geschafft werden, bevor die Erlösten gesammelt werden konnten. Sie war geschafft, als er nach Leiden und Tod glorreich aus dem Grabe erstand. Jetzt konnte er daran gehen, die letzten Pfeiler dieses Gebäudes seiner Kirche zu errichten. Die Jünger waren am ersten Wochentage, d.h. am Ostersonntag, aus Furcht vor den Juden versammelt, im Hause der Mutter des Markus, in Jerusalem. Da glaubten sie sich sicher, am Berg gelegen, denn in der Stadt rumorte es, da war Aufruhr – das Grab war geöffnet, die Wachen verstört. Die „Sekte“, die Anhänger des Nazareners, wurde verdächtigt, dass sie den Leichnam gestohlen hätte. Da war es gut, sich verborgen zu halten. Aber so konnte es nicht weitergehen. Mit diesen furchtsamen Jüngern, mit diesen betenden Memmen, konnte Jesus keine Kirche erbauen. Er musste sie erst mit dem Sturmwind des Glaubens beschenken, und deswegen trat er in ihre Mitte mit seinem verklärten Leibe. Er brauchte keine Türöffnung, Er ging auch durch geschlossene Türen. „Friede sei mit Euch.“ So kann es nicht weitergehen! Wenn ich euch hinaussenden will, um die Mittelmeerländer zu erobern, nach Ägypten, nach Abessinien, dann muss etwas geschehen, dann muss ein Wunder geschehen, dann müsst ihr mit dem Sturmgeist erfüllt werden, der euch hinaustreibt in die Welt.

Infolge dieser Art des Kommens durch die Türen konnte Christus als ein Geist und als ein Gespenst angesehen werden. Und deswegen zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite, damit war die Realität seiner Auferstehung und die Identität des Auferstandenen mit dem Gekreuzigten bewiesen: Der vor ihnen steht, ist ein lebendig gewordener Mensch. Es ist der Jesus, mit dem sie gewandert sind und den sie gehört haben. Magdalena hatte ihnen die Kunde von der Auferstehung gebracht. Aber jetzt erblickten sie den Auferstandenen selbst und jetzt geht in Erfüllung, was der Herr gesagt hatte: „Die Welt wird sich freuen und ihr werdet in Trauer versinken, aber eure Trauer wir sich in Freude verwandeln!“ Jetzt ist die Trauer in Freude verwandelt. Jetzt sehen sie ihn vor sich, und deswegen haben wir eben im Evangelium gehört: „Die Jünger freuten sich, als sie den Herrn sahen.“

Und jetzt geht der Herr daran, seine kirchenbildenden Maßnahmen fortzusetzen. An erster Stelle die Sendung. Er kleidet sie in die gleichen Worte wie in dem Abschiedsgebet. Da hat er sich an den Vater im Himmel gewandt. „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so sende auch ich sie in die Welt.“ Und so spricht der Herr jetzt zu seinen Jüngern „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“ Wie er der Gesandte des Vaters ist, sollen sie seine Gesandten sein. Durch die Sendung erhalten sie den Auftrag, das ihm vom Vater übertragene Werk fortzusetzen, also das Heil zu verkünden und das Heil zu vermitteln. Seine irdische Aufgabe ist abgeschlossen. Sein Werk ist getan. Jetzt ist es an den Aposteln, es aufzunehmen und fortzusetzen. Fortan, meine lieben Christen, fortan wird niemand im Namen Jesu sprechen und gebieten können, der nicht die Sendung von Christus oder von den von ihm Ermächtigten empfangen hat. Jeder katholische Bischof kann seine Sendung zurückführen auf das, was im Hause des Johannes Markus geschehen ist. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“ Und wer diese Sendung nicht empfangen hat, der kann nicht im Namen Jesu sprechen.

Die Sendung ist anspruchsvoll. Sie braucht erheblichen Mut. Und die Jünger müssen deswegen ausgerüstet werden für diese Sendung. Wodurch? Indem sie den Geist empfangen. Der Herr haucht sie an – ein bildlicher Vorgang – und vermittelt ihnen die Gabe des Heiligen Geistes. Er verleiht ihnen den Geist, den er in den Abschiedsreden verheißen hatte. Wer von ihm gesandt wird, der wird nicht mittellos ausgeschickt, sondern er empfängt eine Gabe, eine hohe Gabe – den Heiligen Geist, die Kraft von oben. Die Jünger, die nach Ägypten und Kleinasien, nach Spanien und Griechenland aufbrechen, werden arm sein an irdischen Hilfsmitteln. Es wird ihnen an Geld, an Macht, an Freunden, an Sponsoren fehlen. Sie besitzen nicht die Erdölmilliarden der Scheiche, die den Koran austeilen. Aber einer wird mit ihnen sein – der Geist der Wahrheit; der Geist, der die Welt überführt, dass es eine Sünde, eine Gerechtigkeit und ein Gericht gibt. Der Geist, der wird mit ihnen sein, wenn sie vor Könige und Statthalter geführt werden. Er wird ihnen eingeben, was sie reden sollen.

Die Jünger sollen nicht nur reden, sie sollen auch handeln in Kraft. Sie sollen die Bollwerke des Teufels zerstören. Sie sollen den Machthaber dieser Erde entmachten. Sie sollen die Sünde besiegen. Das können sie nicht aus eigener Kraft. Dazu braucht es göttliche Macht – und der Herr gibt sie ihnen. Er gibt ihnen die Kraft, Sünden zu vergeben und Sünden zu behalten. Die Vollmacht, die er vom Vater empfangen hat und die er während seines irdischen Lebens ausgeübt hat, erhalten die Apostel. Sie bekommen die Gewalt der Sündenvergebung. Hier ist die Fundstelle für das Sündenvergebungsamt des katholischen Priesters. Warum spricht Jesus vom Behalten der Sünden? Wäre es nicht genug, wenn er vom Vergeben, vom Nachlassen spräche? Nein! Dadurch, dass er vom „Behalten“ und vom „Erlassen“ spricht, bringt er zum Ausdruck, dass die Jünger von der empfangenen Gewalt nicht unterschiedslos Gebrauch machen dürfen, sondern sich nach der Würdigkeit des Menschen richten müssen. Hier liegt die Wurzel für die Notwendigkeit der Beichte, des Bekenntnisses, denn indem der Mensch seinen Seelenzustand offenbart, indem er seine Sünden bekennt, besitzt der Beichtvater, der Inhaber der Sündenvergebungsgewalt, die Möglichkeit zu prüfen, ob er behalten muss oder ob er vergeben darf. Der Theologieprofessor Kampmann hat sich einmal gerühmt, er habe während seines ganzen Lebens niemandem die Lossprechung verweigert. Hat er sein Amt richtig verwaltet? Ich musste schon wiederholt die Lossprechung verweigern. Ich musste es, weil der Herr es gewünscht hat. Die Kirche erblickt in diesen Worten des Herrn die Einsetzung des Bußsakramentes. Das Bußsakrament ist das Sakrament der Versöhnung, ist das Ostergeschenk des Herrn. In Tod und Auferstehung ist die Erlösung vollendet. Jetzt ist es Zeit, die Frucht dieses Werkes den Menschen zuzuwenden.

Mit diesen Aufbauelementen des Reiches Gottes ist das heutige Evangelium nicht abgeschlossen. Es berichtet von dem Gläubigwerden des Thomas. Thomas war am Ostersonntagabend nicht dabei. Er hat gefehlt. Wir wissen nicht weswegen. Jetzt – acht Tage später – ist er da. Aber als ihm die Apostel erzählen, sie haben den Herrn gesehen, hat er sich geweigert, ihr Zeugnis anzunehmen. Er ist ein moderner Mann. Er ist ein kritischer Mann. Er will Beweise haben, und zwar Beweise aus den Sinnen – sinnliche Beweise. Er lehnt jedes fremde Zeugnis ab und will sich nur auf die eigene Sinneswahrnehmung verlassen. Als ob die nicht auch trügen könnte, als ob er sich nicht auch täuschen könnte. Nein – er beharrt auf dem Beweis seiner Augen und seiner Hände. Und zwar will er die Wundmale sehen, er will sie nicht nur sehen, er will seine Finger hineintauchen. Spuren von Verletzungen sind individuelle Merkmale, die eine bestimmte Persönlichkeit ausweisen und die eben auch im Auferstehungsleib erhalten bleiben. Wenn Thomas diese Spuren der Verletzungen sehen kann, dann will er sich überführt geben. Der Herr erscheint acht Tage später, am Weißen Sonntag, und es ist so, als ob er zugehört hätte, als Thomas seine Bedenken, seine Bedingungen formulierte. Und jetzt fordert er ihn auf: „Lege deine Finger in diese Male der Nägel, und lege deine Hand in die Wunde der Seite.“ So wirst du die Konsequenz deiner Erklärung ziehen müssen. Jetzt ist Thomas beschämt und überwältigt. Er kann die Aufforderung Jesu nur mit den Worten beantworten: „Mein Herr und mein Gott!“ Er ist jetzt nicht nur von der Wirklichkeit der Auferstehung Jesu überzeugt, sondern er erkennt auch den Auferstandenen als seinen himmlischen Herrn an. Er bekennt seinen Glauben an die Gottheit Jesu. Die höchste Aussage des Prologs des Johannesevangeliums ist zum Bekenntnis des ungläubigen Thomas geworden. Jesus nimmt das Bekenntnis entgegen, es soll gut sein, er will darauf nicht mehr zurückkommen. Aber er erlaubt sich eine kleine kritische Bemerkung: Du hättest,  Thomas, es nicht so weit treiben sollen. Das Zeugnis der anderen dürfte dir genügen. Wie viele Millionen werden in der Zukunft in der Geschichte der kommenden Kirche glauben, ohne die Prätention der physischen Erfahrung glauben, ohne mit körperlichen Augen gesehen zu haben! Aber es sei gut. Auf alle Zeiten hin soll dein Zeugnis für meine Gottheit stehen.

In der Gestalt des Thomas, meine lieben Christen, können sich die späteren Christen gut wiedererkennen, denn seine Zweifel sind auch ihre Zweifel, und der Herr lässt sich darauf ein. Er lässt sich durch diese Zweifel nicht vertreiben. Die Apostel haben aufgrund ihrer Schau an den Auferstandenen geglaubt. Die künftigen Jünger werden diese Schau nicht mehr haben. Sie ist nicht mehr möglich. Es gibt kein Recht, den Herrn mit den Augen des Leibes zu schauen. Künftig muss sich der Glaube auf das Zeugnis der ersten Jünger stützen. Aber dieses Zeugnis wird von Kraft begleitet sein, denn „wenn der Beistand kommt“, sagt der Herr, „der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird über mich Zeugnis ablegen. Und auch ihr werdet Zeugnis von mir ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir wart.“ Der Geist und die Apostel, sie sind zusammen, wenn das Zeugnis von der Auferstehung des Herrn abgelegt wird. Und Christus preist die künftigen Jünger selig, weil sie aufgrund des Glaubens der Apostel den Glauben annehmen und weil ihr Glaube denselben Wert hat wie der Glaube der Apostel, wie der Glaube der Augenzeugen.

Leben und Lehre Jesu, meine lieben Christen, werden uns übermittelt durch die Apostel und die Jünger des Herrn. Sie berichten, was sie erlebt und erfahren haben. Wenn andere Ereignisse der Antike so gut bezeugt wären wie die Erlebnisse der Jünger mit dem irdischen Jesus und mit dem Auferstanden, wir würden uns glücklich schätzen. Tatsächlich sind die meisten Nachrichten aus alter Zeit viel weniger beglaubigt, und dennoch nehmen wir sie an. Wir haben keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit der Augenzeugen des Auferstandenen zu zweifeln. Wir sind vollauf berechtigt, ihr Zeugnis anzunehmen.

Als der Hohe Rat den Aposteln befahl, ihre Verkündigung von Jesus einzustellen, da antwortete Petrus: „Es ist uns unmöglich, von dem zu schweigen, was wir gesehen und gehört haben.“ Es ist uns unmöglich. Es liegt ein Zwang auf ihnen. Und dieser Zwang stammt aus der Wirklichkeit und der Einmaligkeit der Erlebnisse, die sie gehabt haben. Die Apostel konnten die Wahrheit sagen, weil sie sie erlebt hatten. Sie wollten die Wahrheit sagen, weil sie von der Heilsnotwendigkeit dessen überzeugt waren, was sie verkündigten. Wir dürfen ihnen glauben. Wir müssen ihnen glauben, und wir werden in diesem Glauben selig werden.

Amen.

 

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt