Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
14. August 2011

Die verschmähte Liebe des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Jesus kommt nach Jerusalem. Er steigt über die Hügel die Stadt hinauf; er nähert sich der Stadt und rastet eine Weile, und sein Blick geht über die Stadt. Und da erleben wir erschütternd: Er weint. Unser Herr weint über die Königsstadt Jerusalem, er weint über ihr künftiges Schicksal. Denn er sieht es voraus: Die ganze Herrlichkeit Jerusalems wird dahinfallen. Er sieht vor sich diese Paläste, die Burg, er sieht den Tempel, diesen wunderbaren Tempel, den Herodes der Große errichtet hatte, aber er sieht weiter und tiefer. Er sieht die Zerstörung voraus, die die Truppen des Feldherrn Titus im Jahre 70 anrichten sollten. Am 3. September des Jahres 70 drangen sie in die Stadt ein, zerstörten, was zu zerstören war, zündeten den Tempel an, und die ganze Herrlichkeit versank. Das alles sieht Jesus vor sich, und er weint.

Er weint, weil er erkennt, dass Jerusalem seine Stunde, die Stunde, auf die es jahrhundertlang geharrt hatte, nicht erkannt hatte. In den Zeiten der Not hatten die Propheten die Hoffnung auf den Messias wachgehalten, und das Volk hatte sich daran geklammert, war aber immer mehr auf die irdische Seite abgeglitten, hatte eine nationale Befreiung statt eine Befreiung von der Sündenschuld erwartet. Es war abgewichen auf Irrwege und jetzt, als die Erfüllung herankam, jetzt hat es den Erlöser verschmäht.

Der tiefste Schmerz, meine lieben Freunde, den es geben kann, ist der Schmerz der verschmähten, der mißachteten, der zertretenen Liebe. Das ist der tiefste Schmerz, den es geben kann. Die Liebe, die erlösen wollte und nicht erlösen konnte, weil sie verschmäht wurde. Zwei Jahrtausende lang hat das Volk auf den Erlöser geharrt, und jetzt, als er kam, hat es ihn verworfen. Jesus hat gelehrt, wie kein anderer vor ihm gelehrt hat. Die Menschen staunten: Was ist das? Das ist eine neue Lehre mit Vollmacht. Jesus hat geheilt, wie niemand vor ihm geheilt hat. Es ging eine Kraft von ihm aus und heilte alle. Jesus hat die Dämonen besiegt wie keiner vor ihm. Er gebietet sogar den bösen Geistern, und sie gehorchen ihm. Das alles haben die Menschen erlebt. Sie haben es gesehen mit ihren eigenen Augen. Und was war der Erfolg? „Ich halte meine Arme ausgestreckt den ganzen Tag nach einem widerspenstigen Volke, das seinen eigenen Gedanken nachgeht auf unheilvollen Wegen.“ „Mein Volk, was habe ich dir getan? Womit betrübte ich dich? Antworte mir!“ So heißt es in den Improperien der Karfreitagsliturgie. „Was hätte ich noch mehr dir tun sollen und habe es nicht getan? Ich habe dich gepflanzt als einen Weinberg, du aber hast mich mit Essig getränkt und mit einer Lanze mein Herz durchbohrt.“

Was Jerusalem widerfuhr, ist für uns nicht unbeachtlich. „Alles, was ehedem geschrieben wurde“, sagt der Apostel Paulus, „alles, was ehedem geschrieben wurde, ist zu unserer Belehrung geschrieben.“ Die Geschicke Israels haben sich in der Geschichte wiederholt, wenn auch in anderer Weise und in verschiedener Gestalt. Aber sie haben sich wiederholt auch bei der Menschheit, die heute lebt. Wir haben in den letzten hundert Jahren einen nicht für möglich gehaltenen Abfall des christlichen Abendlandes erlebt, einen Abfall von Christus und Gott, vom Glauben und von der Kirche. Man spricht von Säkularisierung. Ich meine, man spräche besser von Rückfall ins Heidentum. Überall auf Erden haben sich Millionen von Christus und seinem Erlöserrufe abgewandt. Sie sagen: Wir brauchen keinen Erlöser, wir sind nicht erlösungsbedürftig.

Die Gläubigen wissen, wann und wodurch die Erlösung geschah. Das war, als um die sechste Stunde unser Herr und Heiland das Kreuzesholz bestieg. Seitdem ist das Kreuz das Zeichen der Erlösung. Seitdem tobt aber auch der Kampf um das Kreuz. Er ist besonders heftig in unseren Tagen. „Das Kreuz muss weg! Wir wollen kein Zeichen der Erlösung, denn wir brauchen keine Erlösung!“ So sprechen die Feinde unseres Herrn.

Ich habe hier vor mir, meine lieben Freunde, eine private Zusammenstellung, wie heute von den Feinden des Kreuzes Christi mit dem Kreuz umgegangen wird. Die Grünen/Alternativen wollen durch die Entfernung des Kreuzes im Rat der Stadt Münster einen ihrer Meinung nach unwürdigen Zustand beenden. Ein Landtagsabgeordneter der Grünen in Nordrhein/Westfalen richtete eine parlamentarische Anfrage an die Landesregierung. Er hält Kreuze „mit oder ohne daran befestigte Legendengestalt“ in Gerichtssälen und Unterrichtsräumen für nicht zumutbar. Die Grüne Claudia Roth wertet das Kruzifixurteil als ersten richtigen Schritt zur Trennung von Kirche und Staat. Dazu gehöre auch die Abschaffung der Kirchensteuer und des Religionsunterrichtes. Mehrere grüne Abgeordnete stellen im bayerischen Landtag den Dringlichkeitsantrag, dem Kruzifixurteil Folge zu leisten. Vor den Gesprächen vor Ort sollten erst einmal sämtliche Kreuze abgenommen werden. Der Umweltminister von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, wünscht die Kreuze in den Klassenzimmern „zum Teufel“. Im Sitzungssaal 119 M des hessischen Landtags ist ein Kreuz angebracht. „Das Kreuz muss weg“, fordern SPD und Grüne. Die rotgrüne Mehrheit beschließt, dass das Kreuz nur noch bei Sitzungen der CDU-Fraktion bleiben darf, ansonsten müsse es verschwinden. Die Humanistische Union zeichnet einen Mann der PDS öffentlich aus. Er geht seit 4 Jahren gerichtlich gegen den von ihm sogenannten „Balkenheini“ – unser Herr Jesus Christus ist damit gemeint – in einem oberbayerischen Schulzimmer vor. Hauptschullehrer Konrad Rickenmann, Mitglied des Bundes für Geistesfreiheit, zieht gegen das Kreuz im Klassenzimmer seiner Schüler vor Gericht. Dort höhnt er, dass das Kreuz das richtige Zeichen sei, um Kadavergehorsam der Lehrer zu produzieren. Grüne unterstützen den Kläger, der gegen das Dankgebet der Kinder vor dem Frühstück und gegen christliche kultische Handlungen im Kindergarten „Sonnenschein“ im hessischen Bad Endbach vorgeht. Die Humanistische Union schreibt dem Bad Endbacher Bürgermeister einen offenen Brief und fordert ihn auf, das Beten im gemeindeeigenen Kindergarten „Sonnenschein“ unverzüglich zu beenden. „Grün mit dir, du Land der Bayern“ anstelle von „Gott mit dir, du Land der Bayern“ lautet der Leitspruch der Grünen beim Politischen Aschermittwoch in Passau. Grün anstelle von Gott! Nach einem Beschluß des hessischen Verwaltungsgerichtshofes besteht ein Anspruch von Kreistagsmitgliedern, dass ein im Sitzungssaal des Kreistages angebrachtes Kreuz auf ihr Verlangen hin während der Dauer der Sitzungen abgehängt wird. Mit überwältigender Mehrheit der Basis wird auf dem Landesparteitag der bayerischen Grünen beschlossen, dass christliche Kreuze in der Schule nichts zu suchen haben. Der Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtags Markert von Bündnis 90/Die Grünen beanstandet, dass der Rechtsausschuß in einem Saale tagt, in dem ein Kreuz hängt und fordert, das Kreuz abzuhängen. Die Grüne Jugend Regensburg ergreift Partei für einen Atheisten, der das Kreuz in der Klasse 7b des Albertus-Magnus-Gymnasiums entfernen ließ. „Es ist sein gutes Recht, das Kreuz abhängen zu lassen, wenn es ihn stört.“

Das ist der Kampf gegen das Kreuz in unseren Tagen. Das ist der Kampf gegen den Erlöser. Das ist der Kampf gegen die Erlösung. „In Christus besitzen wir die Erlösung durch sein Blut“, schreibt Paulus im Brief an die Epheser. „Er hat sich als Lösegeld für uns alle hingegeben“, bemerkt er gegenüber Timotheus. „Wir wurden durch seinen Tod mit Gott versöhnt“, heißt es im Römerbrief. „Sein Blut macht uns von allen Sünden frei“, wiederholt der Apostel Johannes in seinem ersten Briefe.

Christus, meine lieben Freunde, steht auch vor uns, vor einem jeden einzelnen von uns. Für uns hat er ja sein Erlösungswerk vollbracht. Jedem von uns gilt auch sein Gnadenruf. Wir müssen uns fragen: Welches Bild bietet ihm die Christenheit unserer Tage dar? Gott wirbt um den Menschen mit äußeren und inneren Gnaden, mit Ereignissen und Begegnungen, mit seinen Heimsuchungen. Gott nötigt niemand. Auch wenn er ruft, läßt er dem Menschen die Freiheit. „Ganz leise, ganz leise spricht ein Gott in unserer Brust; ganz leise, ganz vernehmlich zeigt uns an, was zu ergreifen ist und was zu fliehen.“ So hat einmal Johann Wolfgang von Goethe geschrieben. Es gilt, die leise Stimme Gottes zu hören, sie nicht zu überhören, zu fragen: „Was willst du, Herr, das ich tun soll?“ wie Paulus vor Damaskus gefragt hat. Es gilt, auf Gottes leises Werben zu hören. In der Litanei vom heiligsten Namen Jesu gibt es die Anrufung: „Von der Vernachlässigung deiner Einsprechungen erlöse uns, o Herr.“ Von der Vernachlässigung deiner Einsprechungen erlöse uns, o Herr.

Wieviel hat Gott für jeden von uns getan! Wir haben zu ihm gerufen, und er hat uns gehört. Wir haben gefleht, und er hat uns Hilfe zuteil werden lassen. Wer haben um Gnade gebeten, und er hat uns Gnadengaben und Wohltaten über die Maßen geschenkt. Haben wir uns seiner Hilfe und Fürsorge würdig erwiesen? Haben wir ihm den Dank abgestattet, den er dafür erwarten darf? Haben wir uns in seiner Gnade zu dem Grad der Heiligkeit emporgeschwungen, den er an uns sehen will? Wir werden einmal gefragt werden: Verwalter, gib Rechenschaft von deiner Verwaltung! Gib Rechenschaft von den Gaben und Gnaden, die du empfangen hast! Gib Rechenschaft von den Gebeten, die andere für dich verrichtet haben! Was hast du damit gemacht? Haben wir die Gnaden genutzt?

Der Apostel Paulus ermahnt uns, dass wir nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangen. Er schreibt an seinen Schüler Timotheus: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe, die in dir ist!“ Aus dem Gefängnis mahnt er die Philipper: „Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern!“ Sind wir um unser Heil besorgt? Was tun wir dafür, es zu erlangen? Haben wir in der Sünde verharrt? Haben wir die Bekehrung aufgeschoben? Gilt auch von uns, was im Brief an die Hebräer steht: „Noch habt ihr nicht bis aufs Blut widerstanden“? Muss Gott vielleicht auch von uns sagen, was im Buch der Apokalypse der Seher von Patmos geschaut hat: „Ich kenne deine Werke. Ich weiß, du bist weder kalt noch warm Wärest du doch kalt oder warm. Aber weil du lau bist, spucke ich dich aus aus meinem Munde“?

„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“ Hören wir Gottes Stimme in der Verkündigung der Kirche, in den Heimsuchungen unseres Lebens, in den erschütternden Ereignissen von Japan bis Haiti! Der heilige Pfarrer von Ars hat einmal gepredigt: „Wenn man die Verdammten in der Hölle fragen würde: Warum seid ihr in der Hölle? dann würden sie antworten: Weil wir dem Heiligen Geist widerstanden haben. Und wenn man die Heiligen des Himmels fragen würde: Warum seid ihr im Himmel? dann würden sie antworten: Weil wir auf den Heiligen Geist gehört haben.“ „Weißt du nicht“, fragt der Apostel Paulus im Römerbrief die Gemeinde, „dass die Güte Gottes dich zur Bekehrung treibt?“

Wie lange wird Gott noch zusehen, meine lieben Freunde? Wie lange wird er noch warten, bis er andere Mittel anwendet als Geduld und Nachsicht? Auch in Jerusalem ist dem Weinen des Herrn sein Zorn gefolgt. Auf den weinenden Herrn folgt der zürnende Herr, der mit geschwungener Peitsche die Händler aus dem Tempel treibt. Die Lehre vom Zorn Gottes ist eine der vielen vergessenen Wahrheiten in der nachkonziliaren Kirche. Wer will noch etwas vom Zorn Gottes wissen? Und doch ist er in der Bibel hundertfach bezeugt, hundertfach! Die Lehre vom Zorn Gottes gehört zur Heilsbotschaft. Der Zorn Gottes bezeichnet natürlich nicht eine seelische Erregung, wie wir Menschen sie haben, sondern er bezeichnet die Wirkung des Zornes, die über den Sünder verhängte Strafe. Zorn Gottes bedeutet die Gerechtigkeit seiner Strafe. Der Zorn Gottes ist also nichts anderes als die vom gerechten Gott verhängte Strafe und Ahndung für das, was der unbekehrte Sünder verdient hat. Wird Gott den Haß gegen das Kreuz, das Zeichen seiner Liebe bis zum Tode, wird Gott den Haß gegen das Kreuz auf unbegrenzte Zeit hinnehmen? Werden solche Herausforderungen Gottes wie die Love-Parade und der Gay-Street-Day ungestraft bleiben? Wird Gott die Schmähungen gegen seinen Stellvertreter ungeahndet lassen? Ich bin überzeugt: Einmal kommt die Stunde, da der Erlöser die Geißel zur Hand nimmt und zum Richter wird. Einmal kommt die Stunde, wo Gott jedem, der seine Liebe verschmähte und seine Gnade mißbrauchte, das Wort des Propheten Jeremias entgegenhalten wird: „Ich habe dich gerufen, du aber hast nicht gehört. Jetzt will ich dich dem Verderben überliefern. „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ Auch das ist ein Wort der Schrift des Neuen Bundes.

Amen.

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