Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
30. März 2008

Der Sieg, der die Welt überwindet

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der Epistel des heutigen Sonntags steht der Satz: „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube.“ Von drei Dingen ist in diesem Satz die Rede: vom Glauben, von der Welt und vom Sieg des Glaubens über die Welt. Der Glaube, von dem hier die Rede ist, ist der Glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes. Wenn wir eine Ahnung davon gewinnen wollen, welche Kraft der Glaube besitzt, dann müssen wir uns das Beispiel der Apostel vor Augen führen, die in der Kraft dieses Glaubens hinausgingen in eine feindliche Welt, eine ganz kleine Schar in eine unermessliche, reiche Welt des römischen Imperiums, und die dort begannen, den Glauben zu verbreiten, getrieben von der Kraft des Heiligen Geistes, der in ihnen wirksam war. Sie haben das Wort des Herrn verstanden: „Gehet hin in alle Welt und kündigt das Evangelium allen Geschöpfen!“ Die Wurzel des Erfolges der jungen Kirche war der Glaube der Apostel. Sie haben den festen Punkt gefunden, von dem Archimedes, der große Physiker und Mathematiker des Altertums, einmal sagte: „Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die ganze Welt aus den Angeln.“ Archimedes ist ja der Erfinder des Hebelgesetzes. Diesen festen Punkt haben die Apostel gefunden: Es ist die Auferstehung Jesu. Es ist die leibhaftige Auferstehung unseres Herrn. „Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der glaubet, dass Jesus der Sohn Gottes ist?“

Die Gottessohnschaft, meine Freunde, ist Kern und Stern der Botschaft, die wir auszurichten haben. Die Gottessohnschaft Jesu besagt: Jesus ist wahrer Gott und wesenhafter Gottessohn. Behutsam hat der Heiland die Jünger an diese Wahrheit herangeführt, an die Wahrheit seines göttlichen Ursprungs und seines gottmenschlichen Wesens. Bis Thomas demütig vor ihm niederfiel und sagte: „Mein Herr und mein Gott!“ Von diesem Augenblick an beginnt für die Jünger eine neue Welt, eine Welt, die nicht von dieser Erde stammt. Drei Jahre lang hatte sich der Herr um sie gemüht. Sie hatten mit ihm gegessen und getrunken, sie waren mit ihm gewandert, sie hatten seine Predigten gehört und seine Unterweisungen, sie hatten seine Wunder erlebt. Aber das alles war noch nicht genug, um den festen und unerschütterlichen Glauben an ihn zu begründen. Erst in der Auferstehung wurde das Tor weit aufgestoßen, das Tor, das aus dieser Welt in die Welt Gottes führt. Erst da haben sie ihn erkannt als den Eingeborenen vom Vater.

Die Kirche hat diese Lehre aufgenommen und tiefer zu durchdringen, mit philosophischen Kategorien zu erklären versucht. Sie hat im Konzil von Nizäa festgestellt: Jesus ist wahrhaftig der Gottmensch. Er besitzt eine göttliche und eine menschliche Natur, die in der göttlichen Person ihren Einheitspunkt findet. Die menschliche Natur ist in die Einheit und in die Herrschaft der göttlichen Person aufgenommen. Die göttliche Person wirkt in der menschlichen Natur und durch die menschliche Natur.

Das Verhältnis Jesu zum Vater im Himmel wird als Sohnschaft bezeichnet. Es ist eine wahre und wesenhafte Sohnschaft, nicht eine Adoptivsohnschaft. Wir sind ja in einem gewissen Sinn Adoptivkinder Gottes. Er hat uns durch die Erlösung zu Söhnen und Töchtern angenommen. Nicht so Christus. Er ist der wahre und wesenhafte Gottessohn, er besitzt eine natürliche Gottessohnschaft. „Gezeugt, nicht geschaffen“ bekennen wir im Glaubensbekenntnis. Es wird also zunächst einmal die Geschöpflichkeit abgelehnt. Jesus ist nicht ein Geschöpf, wie wir Geschöpfe sind, sondern er ist „gezeugt“. Das hat natürlich nichts zu tun mit Geschlechtlichkeit, denn die Geschlechtlichkeit ist von Gott unendlich weit entfernt. Gott ist kein geschlechtliches Wesen. Die Geschlechtlichkeit ist bei den Menschen und bei den Tieren angesiedelt, aber nicht bei Gott. Gott ist über alle Geschlechtlichkeit erhaben. Der Ausdruck „gezeugt“ soll nichts anderes ausdrücken, als dass Jesus wesenhaft mit dem Vater verbunden ist, dass er ihm wesensgleich ist. Das ist das entscheidende Wort: Er ist ihm wesensgleich. Er hat dasselbe Wesen wie der Vater. Das drückten die Menschen, die griechisch sprachen, mit dem Wort aus: homoousios. Homoousios, gleich wesentlich mit dem Vater.

Wir wissen, dass diese Aussagen das Wesen Christi nicht erschöpfen, denn es ist unerschöpflich. Keine menschliche Redeweise kann auch nur annähernd das wiedergeben, was Christus ist. Aber diese Aussagen geben etwas Richtiges, ja etwas Unaufgebbares wieder. Deswegen müssen wir an ihn festhalten. An der Gottessohnschaft Jesu, meine lieben Freunde, hängt buchstäblich alles, seine Lehre und unser Glaube, seine Machttaten und ihre Wirklichkeit, sein Erlöserleiden und unsere Befreiung. Nur als der Sohn Gottes ist Jesus der verbindliche Lehrer, ist er der Herr der Zeiten, ist er der Richter der Menschen. Weil er der Sohn Gottes ist, überragt er unendlich alle Religionsstifter, ob sie Buddha oder Mohammed heißen. Er ist in einem wahren Sinne konkurrenzlos.

Das ist unser Glaube. Es scheint aber, dass er nicht mehr von allen, die ihn verkünden sollen, geteilt wird. Soeben bezeichnete der Münsteraner Theologe Stefan Schreiber den Sohn Gottes-Titel als „Metapher“, als Metapher! Was ist eine Metapher? Eine Metapher ist das sprachliche Ausdrucksmittel der uneigentlichen Rede. Das eigentlich gemeinte Wort wird ersetzt durch ein anderes, das eine gewisse Ähnlichkeit aufweist. Ich erinnere mich, dass der Sportlehrer eines Tages über mich sagte: „Das ist ein famoser Hund.“ Ich war ein „famoser Hund“, weil ich beim Fußballspielen viel lief, viel rannte. Natürlich war ich kein Hund, es sollte ein Beispiel, ein Bild sein. So ähnlich, meint Stefan Schreiber in Münster, ist es, wenn Jesus als Sohn Gottes bezeichnet wird. Er ist nicht wirklich der Sohn Gottes, sondern er besitzt lediglich eine besondere Nähe und Unmittelbarkeit zu Gott, er ist der erwählte und vollmächtige Repräsentant Gottes. Er vertritt Gott, er tritt für ihn ein, aber er ist nicht Gott. Also der Glaube, als metaphysische Gottessohnschaft Christi verstanden, ist eine nachträgliche Konstruktion der Kirche. Das ist die Lehre, die Stefan Schreiber in Münster seinen angehenden Priestern und Religionslehrern verkündet.

Damit ist er bei Hans Küng angelangt. Sie kennen alle den Schweizer Theologen Küng. Jeder kennt ihn, denn er ist der meistgelesene Theologe unserer Zeit. Die Menge seiner Bücher ist kaum zu zählen. Einige stehen auf der Liste der Bestseller. Er schreitet von Ehrung zu Ehrung; zuletzt haben ihn die Freimaurer geehrt. Er behauptet, Millionen Menschen den christlichen Glauben nähergebracht zu haben. Es fragt sich nur, welchen Glauben. Gewiß nicht den Glauben der katholischen Kirche, sondern das, was er davon übrig gelassen hat. Und was hat er übrig gelassen? Für Küng ist ähnlich wie für Schreiber Jesus der „Sachwalter Gottes“. Der Sachwalter. Das heißt: Er verwaltet die Sache Gottes; er tritt für die Sache Gottes ein; er nimmt sich der Sache Gottes an. Das haben Moses und die Propheten auch getan. Wenn Jesus nur Sachwalter Gottes ist, dann gehört er in die Reihe von Moses und den Propheten, dann überragt er nicht Menschenmaß. Der Glaube der Kirche sagt anderes: Sachwalter Gottes ist Jesus nur deswegen, weil er der wesensgleiche Sohn Gottes ist. Jesus kann nur deswegen in seinem Leben und Handeln die Sache Gottes vertreten, weil er vom Vater stammt und wiedergibt, was er vom Vater gehört hat. So muss man ganz klar feststellen: Küng bestreitet die metaphysische Gottessohnschaft Jesu. Metaphysische Wesensaussagen sind nach ihm unangemessen, um die Wirklichkeit Jesu zum Ausdruck zu bringen. Aber diese metaphysischen Wesensaussagen hat das Konzil von Nizäa verbindlich für alle Zeiten vorgeschrieben. Jesus, so heißt es dort, ist der wahre Sohn Gottes, aus dem Wesen des Vaters hervorgegangen, gleichen Wesens mit dem Vater. Diese metaphysischen Wesensaussagen stehen unter der Garantie des Heiligen Geistes! Sie sind keine Verfremdung des Evangeliums durch die griechische Philosophie; sie sind der sachgemäße Ausdruck – in  Kategorien der griechischen Philosophie – für das Wesen Jesu.

Wer nicht mit dem Konzil von Nizäa bekennt: Jesus von Nazareth ist wahrer Gott und wahrer Mensch, der hat um Jesus herumgeredet. Der Christusglaube der Kirche ist die sachgemäße Wiedergabe der biblischen Aussagen über Jesus, und wir müssen Herrn Küng sagen: Lassen Sie die Finger vom Konzil von Nizäa! Bischof Lehmann meinte vor einiger Zeit, man könne Küng nicht als einen Aussätzigen behandeln. Gewiß nicht. Aber man muss ihn behandeln als das, was er ist, nämlich als einen Abgefallenen.

Dem Glauben der Kirche steht die Welt gegenüber, die Welt, von der Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, sagt, dass sie im argen liegt. Die Welt ist das Reich der Sünde und des Todes, das Reich des Untergangs und der Finsternis. Das Licht Gottes ist durch die Sünde in der Welt erloschen. Der Fürst dieser Welt – das ist der Satan – übt seine Herrschaft über die Kinder der Finsternis aus. Das Licht kam in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht ergriffen. Er kam in die Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht worden, aber die Welt hat ihn nicht erkannt. Und so sucht auch die Welt uns, die Kinder des Lichtes, in ihre Macht hineinzuziehen, uns, die wir aus der Macht der Finsternis errettet und in das Reich des geliebten Sohnes versetzt sind. Das ist unsere Lebensaufgabe, dem Reiche der Welt das Reich Gottes entgegenzusetzen. Und so ist unser Leben ein ständiger Kampf. Das Leben des Christen kann nur ein Kampf sein, weil es in den Gegensatz zwischen Gott und die Welt hineingestellt ist.

Die Welt lockt, meine lieben Freunde, sie lockt mit ihren Genüssen und mit ihrer Lust. Sie hat allerhand zu bieten, und sie lädt ein, zuzugreifen. Die Welt schmeichelt: Nur nicht sich anstrengen. Nach dem Konzil, sagt man mir heute, ist alles nicht mehr so schlimm. Jawohl, es ist alles nicht mehr so schlimm, weil man den Glauben auf Sparflamme gedreht hat. Die Welt verführt. „Mach dir’s auf der Erde schön, kein Jenseits gibt’s, kein Wiedersehn.“ Ich höre den Philosophen des Diesseits rufen: Meine Brüder, ich beschwöre euch, bleibet der Erde treu. Diese Beschwörung ist unnötig, die Masse der Menschen bleibt dieser Erde treu. Die Welt droht. Sie droht dem, der sich ihr nicht anpasst mit Entzug von Vorteilen und Annehmlichkeiten. Sie droht mit Isolierung und Ausschluß aus der Gesellschaft. Wehe dem, der sich als gläubiger, unversehrter, integraler Katholik bekennt! Die Welt straft. Sie straft mit Missachtung und Geringschätzung. Der gläubige Katholik ist nach wie vor eine Zielscheibe der Massenmedien in Deutschland. Die Welt straft auch mit Zurücksetzung und Benachteiligung. Ein überzeugter katholischer Gelehrter hat es schwer, an der Universität einen Lehrstuhl zu erringen.

Die Welt ist also im Gegensatz zu uns, und wir müssen ihr widerstehen. Aber wir haben ein Mittel, ihr zu widerstehen, nämlich unseren Glauben. Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube. Der Glaube vermag uns in den Angriffen der Welt zum Sieger zu machen. Freilich nur dann, wenn wir den Glauben unversehrt bewahren. Als Paulus den Gläubigen in Korinth die Auferstehungsbotschaft verkündete, hat er ernste Mahnungen daran geknüpft: „Ich mache euch, Brüder, aufmerksam auf die Heilsbotschaft, die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie angenommen; ihr steht in ihr fest. Durch sie werdet ihr gerettet, wenn ihr sie genauso festhaltet, wie ich sie euch verkündet habe. Sonst hättet ihr ja vergebens geglaubt.“ Man muss also am Glauben festhalten. Weil viele an diesem Glauben nicht festhalten, weil sie sich nach den Irrlehrern, die ich vorhin genannt habe, richten, deswegen sehen wir selten, dass der Glaube die Welt überwindet. Wir sehen vielmehr, wie die Gläubigen vor der Welt kuschen, wie sie sich ihr anpassen, wie sie selbst weltförmig werden. Unter dem Vorzeichen des Ökumenismus gehen viele katholische Christen zu nichtkatholischen Religionsgemeinschaften über. In Lateinamerika nimmt der Abfall von der katholischen Kirche erschreckende Ausmaße an. In Brasilien fällt jedes Jahr 1 Prozent der Katholiken zum Protestantismus ab. Und auch in unseren Breiten wissen wir, dass unermeßliche Verluste entstehen. Vor wenigen Tagen schreibt mir ein Pfarrer aus der pfälzischen Diaspora, dass in seiner Pfarrei die Katholiken durch die Mischehen wegschmelzen wie der Schnee in der Sonne. Dazu kommt der Abfall zu nichtchristlichen Religionen, in Deutschland jedes Jahr 4000 – viertausend! – Abfälle zum Islam!

Warum wird die Welt nicht überwunden? Weil der Glaube fehlt oder schwach ist. Ach wenn ich diese schwächlichen Allerweltsreden vieler Bischöfe schon höre und das mitmenschliche Gerede zahlloser Priester und die feige Zurückhaltung so vieler Christen! Sieghaft ist nur der ganze und unverkürzte Glaube. Nur auf den vollen und ganzen wahren Glauben kann man sich einlassen. Sieghaft ist nur der lebendige, ein in der Tat bewährter, ein im Leben sich zeigender Glaube, keine schwächliche Anpassung an die Welt, kein Kompromiß mit dem Zeitgeist, meine lieben Freunde, kein Ausweichen vor den klaren Forderungen Gottes. Denn im Glauben, im vollen, im wahren, im unverkürzten Glauben überwinden wir die Welt. Wieso? Weil er uns die Wahrheit gibt. Er lehrt uns, was die Welt ist, was sie wert ist und was sie nicht wert ist. Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele? Im Glauben überwinden wir die Furcht. „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten können, fürchtet vielmehr den, der Leib und Seele in die Hölle stoßen kann. Ja, den sollt ihr fürchten!“ Im Glauben überwinden wir auch die Versuchungen, denn der Glaube verbindet uns mit dem Sieger über die Sünde, mit Christus. Er verbindet uns mit Christus, dem Sieger über die Höllenmacht. Und Gott ist stärker als alle Versuchungen.

Meine lieben Freunde, an der Spitze unserer Kirche steht ein Mann, welcher der Hydra des Zeitgeistes machtvoll auf die Häupter schlägt, der mit den Feinden Gottes und der Menschheit ringt, der dem Ungeist der Häresie furchtlos entgegentritt, der den Schlinggewächsen des Bösen an die Wurzel geht, unser Heiliger Vater Benedikt. An ihn wollen wir uns anschließen. Sein Gaube soll unser Glaube sein, und wenn unser Glaube der seine ist, dann sind wir auch des Sieges gewiß. Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube!

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