Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. April 2007

Die sieghafte Kraft der Osterbotschaft

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Osterbotschaft geht wieder in die Welt, die beglückendste, die gewaltigste Botschaft, die je ausgerufen wurde. Diese Botschaft hat Leid in Freude verwandelt, Furcht in Zuversicht, Niederlage in Sieg. Diese Botschaft hat Martyrer und Bekenner geschaffen. Diese Botschaft lässt auch heute noch die Boten des Evangeliums in alle Welt hinausgehen. Diese Botschaft hat sittliche Helden geboren, Helden der Selbstüberwindung und der Weltüberwindung. Diese Botschaft hat dem Dunkel Licht gegeben, der Schwäche Kraft, und sie hat das Angesicht der Erde erneuert. Es ist die Botschaft vom Sieg des Lebens über den Tod, von der Heimkehr der Menschheit zu Gott und von der Vollendung unserer Erlösung. Diese Botschaft kommt aus einem Grabe.

Es gibt viele Gräber auf Erden, kleine Gräber, die den jeweiligen Menschen, den Leib des Menschen bergen. Aber es gibt auch große Gräber, Gräber von Völkern, von Kulturen, von Ideen. In Ägypten ragen die Pyramiden in die gleißende Sonne. Wie eine stumme Rätselfrage blickt die Sphinx in den Wüstensand. Der Wanderer, der müde in der Mittagsglut halt macht, der schaut Jahrtausende zurück, da dieses Land einmal in Fruchtbarkeit und Schönheit glänzte, da die Pharaonen sich Denkmäler bauen ließen, die die Ewigkeit vorwegnehmen sollten. Und dem sinnenden Wanderer kommt die Erkenntnis, dass er auf einem Grabe steht, dass die Pyramiden nichts anderes sind als Gräber, Gräber, über denen der Wüstenwind sein trauriges Lied singt, Gräber eines Volkes, das seine Schönheit und seinen Glanz, seinen Reichtum und seine Fruchtbarkeit verloren hat. Reichtum, der verging, wie alles Irdische vergeht.

Wenn man nach Athen kommt und auf die Akropolis steigt, sieht man die Reste von gewaltigen Bauten, die dieses schönheitstrunkene Volk der Griechen errichtet hat. Dieses Volk hat sich wahrhaftig berauscht an Symphonien der Schönheit, an Bildwerken, die ihresgleichen suchen, die großen Schöpfungen der alten griechischen Meister. Aber heute sind nur noch zerfallene Säulenhallen übrig, und über den zerbrochenen Standbildern, da singt es wie eine stille Totenklage: Schönheit, die verging, wie alles Irdische vergeht.

Wenn wir nach Rom kommen auf das Forum Romanum, da sehen wir wieder das Grab eines großen Zeitalters. Einmal war Rom die beherrschende Macht im ganzen Mittelmeerraum und drängte sich weiter nach Norden vor bis nach Britannien und nach Germanien und nach Pannonien. Vor den Marschtritten der römischen Legionen zitterten die Völker. Aber als die Zeit gekommen war, da ging auch dieses Imperium zugrunde, und nur noch Ruinen künden von der einstigen Größe. Macht, die vergangen ist, wie alles Irdische vergeht. Reichtum, Schönheit und Macht haben noch immer ihre Gräber gefunden. Das ist das große Gesetz der Erde.

Aber es gibt ein Grab, bei dem es anders ist, das stille Felsengrab in Jerusalem. Keine Totenklage schwebt darüber, kein Jammern und kein Trauern, nein, ein gewaltiger Jubelhymnus rauscht empor von diesem Grabe in Jerusalem, denn hier hat der Tod keine Macht mehr, hier hat der Tod seinen Meister gefunden. Hier ist er vom Leben überwunden worden. Das leere Ostergrab, meine Freunde, kündet: Christus ist gestorben und auferstanden. Er war der Erstling, der Erstgeborene vom Vater. Er ist auch der Erstling, der Erstgeborene der Entschlafenen. Er starb aus göttlicher Liebe, und er erstand aus dem Grabe aus göttlicher Macht. Er war das Opferlamm, um die Welt zu erlösen, aber er ist geworden zum König der Glorie, um unseren Erlösungsglauben zu festigen. Auf dieser Kunde ruht das Christentum, unser Heilsglaube und unsere Heilshoffnung. Mir sagte einmal eine sterbende alte Frau: „Wie wird es denn sein nach dem Tode in der anderen Welt? Welchen Grund haben wir denn, auf den wir uns stützen können? Worauf können wir uns verlassen?“ Ich sagte: „Meine liebe Frau, wir können uns stützen und wir können uns verlassen auf die Auferstehung Jesu. Er hat den Tod besiegt. Er ist stärker als der Tod.“ Und deswegen dürfen auch wir Sterblichen, wir Sterbenden, auf ihn hoffen in unserem Tode.

Niemand hat diese Hoffnung stärker gelebt als der Apostel Paulus. Er brach mit seiner Vergangenheit; er hat ein neues Leben in Christus und mit Christus begonnen und sein Leben auf die eine Wahrheit gestellt: Christus ist erstanden! Um dieser Wahrheit willen verzichtete er auf alles, wanderte durch die Kontinente, fuhr über das Meer, erlitt Haft und Schläge und Verfolgung. Er hat Gefängnis, Verstoßung, Todesgefahren um dieses Glaubens auf sich genommen. Er hat sich müde gearbeitet bei Tag und Nacht. Und doch wusste er: Ist Christus nicht auferstanden, dann ist nichtig unsere Predigt und eitel euer Glaube. Dann seid ihr noch in euren Sünden. Habe ich umsonst den Kampf mit wilden Tieren bestanden? Was für einen Nutzen habe ich davon? Stehen die Toten nicht auf, dann lasst uns essen und trinken, denn morgen werden wir sterben. Aber nein, in freudiger Gewissheit jubelt er: Aber Christus ist auferstanden als Erstling der Entschlafenen. Diese Gewissheit ist mächtiger als alle menschliche Trauer und alle natürliche Freude. Sie gibt ihm die unbesiegliche Kraft, lässt ihn Schwäche, Müdigkeit, Krankheit überwinden. Sie strahlt leuchtend in die Abendstunden seines Lebens. „Ich bin übervoll von Freude bei aller Trübsal“, so schreibt er einmal. Ich bin übervoll von Freude bei aller Trübsal, weil Christus erstanden ist. Im Römerbrief jubelt er: „Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?“ Das ist die sieghafte Kraft der Osterbotschaft.

Die Kirche hat diese Botschaft aufgenommen. Mit nie endenden Alleluja-Rufen begeht sie in überströmender Freude das Fest der Auferstehung des Herrn. So stark und jubelvoll ist die Freude der Kirche, dass sie durch keine irdischen Heimsuchungen erstickt werden kann. Sie hat das Alleluja gesungen, als die Martyrer in die Arena stiegen. Sie hat das Alleluja nicht verklingen lassen in den Konzentrationslagern des Nationalsozialismus. Und ihr Alleluja ist auch emporgestiegen aus dem Gulag, aus dem Archipel Gulag der Bolschwiken. Allen Verwüstungen und Greueln zum Trotz hat die Kirche das Alleluja gesungen, kein Leid, keine Not, kein Kampf, kein innerer Streit vermochte dieses Alleluja zum Verstummen zu bringen. Diese Haltung der Kirche bedeutet keine Teilnahmslosigkeit gegenüber dem Leiden. O nein, diese Kirche versteht etwas vom Leiden. Sie stellt einen gepeitschten Sklaven auf die Altäre. Diese Kirche versteht etwas vom Leiden! Aber sie lässt sich auch vom Leiden nicht überwinden. Ihre Osterfreude ist geboren aus einer Schau, die über das Irdische, über die Erdenbezirke hinaus in himmlische, in ewige Weiten geht. Ihre Osterbotschaft ist die Antwort auf den letzten Sinn des Lebens. Sie kündet den victor rex, den Sieger, den König, den König der Sieger, der seinen Sieg auch für uns erstritten hat. Denn alles, was an ihm geschah, geschah für uns. Pro nobis, pro nobis, pro nobis, so heißt es immer in dem Glaubensbekenntnis der Kirche. Alles, was er getan hat, sein Leiden und sein Sterben, seine Auferstehen und seine Himmelfahrt: pro nobis, für uns ist es geschehen.

Und so dürfen wir, weil wir mit ihm verbunden sind, eine unbesiegliche Freude haben. Wir haben den, der stärker ist als der Tod, und wir sind verbunden mit ihm, der stärker ist als der Tod. Wir nehmen ihn in uns auf, und deswegen werden auch wir über den Tod Herrscher sein.

In der Auferstehung aus dem Grabe, meine lieben Freunde, besitzen wir eine unvergängliche Bürgschaft dafür, dass die Wesenserfüllung jedes Menschengeschickes in der Ewigkeit nicht nur ein schöner Traum, sondern eine glückvolle, eine verheißungsvolle Wirklichkeit ist. Uns ist der Tod nicht das Ende, uns ist der Tod der Übergang zum Leben. Ja, meine lieben Freunde, ich zitiere gern, was auf dem Höhepunkt der Französischen Revolution, die ja gegen Gott und Christus und die Kirche sich erhoben hat, Robespierre seinen atheistischen Gegnern entgegengerufen hat: „Nein, Chaumette, nein, Fouché, der Tod ist kein ewiger Schluß, der Tod ist der Beginn der Unsterblichkeit.“ Das hat Robespierre auf dem Höhepunkt der Französischen Revolution bekannt.

Der gläubige Christ steht tatsächlich im vollen Lichte dieses Osterglaubens, dieser Osterhoffnung, dieser Osterzuversicht. Ostern ist ein Siegesfest. Es weckt auch in unserer Seele ein starkes und frohes Echo. Keine Nacht ist so dunkel, dass die Ostersonne nicht hineinstrahlt. Keine Schuld ist so schwer, dass der Ostersieg nicht auch ihr gelten wird. Kein Leid ist so tief, dass nicht eine Hoffnung bliebe. Wenn wir mit Christus leiden, werden wir auch mit ihm verherrlicht werden. Aus der Kraft des Osterglaubens vermögen auch wir, meine lieben Freunde, alle Schicksalsschläge und alle Prüfungen zu bestehen. Sie sind nicht das Letzte. Das Bleibende ist der Sieg Jesu, der auf uns übergehen wird. Diesen Osterglauben und diese Osterzuversicht kann uns niemand rauben. Wer gläubigen Herzens ist, der fühlt sich geborgen in Christus. Wer verlassen ist, hat hier seine Heimat. Wer leidet, dem ist Christus ein Bruder. Wer schuldig ist, hat in Christus einen Sühner. Und alle haben in Christus ihre Hoffnung, die nicht zuschanden werden lässt. Denn über allen Finsternissen dieser Erde leuchtet der Ostersegen des Auferstandenen, und dieser Segen lautet: „Den Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht wie die Welt gibt, gebe ich ihn, sondern ich gebe ihn euch anders. In der Welt werdet ihr Not und Trübsal haben, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Amen.

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