Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Juni 2004

Die katholische Lehre vom dreifaltigen Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Kein Gott, kein Papst, kein Vaterland!“ Mit diesem Plakat wurde gestern abend der Heilige Vater in der Schweiz empfangen. „Kein Gott, kein Papst, kein Vaterland!“ In dieser Lage begehen wir heute das Fest des dreifaltigen Gottes. Die Höhepunkte des Kirchenjahres sind vorüber. Im Kirchenjahr wird ja das Leben und Wirken unseres Herrn und Heilandes dargestellt in liturgischer Form. Diese Darstellung ist jetzt zum Abschluß gekommen. Gleichsam als eine Zusammenfassung des ganzen Heilswerkes begehen wir heute das Fest des dreifaltigen Gottes, denn er ist das Urgeheimnis des gesamten Kirchenjahres, des gesamten Erlösungswerkes. Der dreifaltige Gott ist das unergründlichste Geheimnis, die tiefste Quelle und das letzte Ziel alles Lebens, alles Heiles und aller Gnade.

Die drei göttlichen Personen haben am Erlösungswerk mitgewirkt. Der Vater hat die Welt geliebt, und aus Liebe zur Welt hat er seinen Sohn in die Welt gesandt und ihn für das Leben der Welt dahingegeben. Der Sohn ist, dem Willen des Vaters gehorsam, Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt; er ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Der Heilige Geist ward vom Vater und vom Sohne gesandt, um das Erlösungswerk, um das Heiligungswerk in den Seelen der Gläubigen zu vollenden. So ist das Dreifaltigkeitsfest gleichsam das große Te Deum über die Heilsgeheimnisse des vergangenen Kirchenjahres.

Wenn wir von Gott reden, dann sprechen wir von dem unfassbarsten Geheimnis. Man denkt manchmal, es wäre vielleicht besser, von Gott zu schweigen, eben weil er unfassbar ist. Aber wir dürfen nicht schweigen, sondern wir müssen reden, weil wir ihn bekennen müssen, und weil wir ihn anbeten müssen. Gott ist das unergründlichste Geheimnis, das es überhaupt gibt. Das Wesen Gottes ist jedem geschöpflichen Geiste in dieser Zeit und im Jenseits schlechthin unbegreiflich – schlechthin unbegreiflich. Wenn wir Gott erfassen könnten, wäre er nicht Gott, dann wäre er unseresgleichen, dann könnten wir ihn manipulieren und könnten ihn gewissermaßen „nachbauen“. Nein, er muß kraft seines Wesens unbegreiflich und unfassbar bleiben, weil er Gott bleiben muß. Gott bleibt nur Gott, wenn er unseren irdischen Sinnen und unserem Verstand unbegreiflich bleibt. Gott hörte auf, Gott zu sein, wenn ein Geschöpf ihn begreifen könnte. Dennoch müssen wir ihn anreden, müssen wir von ihm reden, müssen wir Wahrheiten über Gott unserem Glaubensbekenntnis und unserem Katechismus einverleiben, denn wir dürfen nicht von ihm schweigen.

Die Offenbarung gibt uns Hinweise auf die Wirklichkeit Gottes. Im 1. Buch der Heiligen Schrift wird Gott als der, „der da ist“, bezeichnet, als der Seiende. Gott ist das absolute, vollkommene Sein. Das heißt: Ihm fehlt keine Vollkommenheit; er verdankt sein Sein nicht einem anderen, deswegen absolut. Wir sind relatives Sein, wir haben unser Sein von anderen empfangen. Gott ist das absolute Sein, das heißt, er trägt den Grund des Seins in sich selbst. Er ist das „ens a se“ – das Sein, das von sich selbst seinen Grund erhält, und alles andere verdankt ihm das Sein. Er ist der Schöpfer von allem. Wir bekennen ihn als den Schöpfer der sichtbaren und der unsichtbaren Dinge.

Nun legen wir Gott Eigenschaften zu, und das ist recht so; denn wenn wir ihm keine Eigenschaften zulegten, dann würden wir seine Lebendigkeit nicht erfassen. Wir sagen, er ist ewig, allgegenwärtig, er ist allmächtig, er ist allwissend, und das ist richtig. Aber selbstverständlich können wir mit diesen Eigenschaften das Wesen Gottes nicht ausschöpfen, denn alle diese Begriffe stammen ja aus unserer irdischen Welt und sind deswegen eigentlich adäquat nur für Weltdinge anwendbar. Wenn wir sie auf Gott anwenden, dann geschieht das in einer ganz anderen Weise, in der „via eminentiae“, indem wir die irdischen Eigenschaften so zu steigern versuchen, dass sie einigermaßen auf Gott passend gemacht werden. Wir wollen also sagen: Wenn Gott ewig, allgegenwärtig, allmächtig, allwissend genannt wird, dann soll damit ausgesagt werden, dass es für ihn keine Grenzen der Zeit, keine Grenzen des Raumes, keine Grenzen der Macht und keine Grenzen der Erkenntnis gibt.

Dieser dreieinige Gott wird uns in der Heiligen Schrift bezeugt. Ich erwähne vor allem vier Geschehnisse, wo vom dreifaltigen Gott die Rede ist. Der himmlische Vater hat durch die Kraft, durch die Überschattung des Heiligen Geistes im Schoße der Jungfrau Maria seinen Sohn Fleisch annehmen lassen – erste Kundgabe der Dreifaltigkeit. Als dieser Sohn sich der Bußtaufe des Johannes unterwarf, da sprach eine Stimme vom Himmel: „Dieser ist mein geliebter Sohn“, und der Heilige Geist kam wie etwas Taubengleiches auf ihn herab – zweite Kundgabe der Dreifaltigkeit. Als Jesus in der letzten Stunde im Abendmahlssaal mit seinen Jüngern weilte, da kündigte er das Kommen des Heiligen Geistes an, der vom Vater ausgeht. Er wird ihn senden, wenn er zum Vater heimgekehrt ist – dritte Kundgabe der Dreifaltigkeit. Und als er die Apostel nach seiner Auferstehung aussandte, die Welt zu bekehren, alle zu seinen Jüngern zu machen, da tat er das in der Formel: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ sollen sie hingehen, sollen sie taufen, sollen sie die Völker lehren, sollen sie sie an alles erinnern, was er ihnen gesagt hat – vierte Kundgabe der Dreifaltigkeit.

Aber nicht nur in den Evangelien ist vom dreifaltigen Gott die Rede, auch in den Schriften der Apostel, die wir die Briefe nennen. Im zweiten Korintherbrief lautet der Schluß: „Die Gnade unseres Herrn Jesu Christus und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ Da haben wir sie, die Dreifaltigkeit: die Gnade des Herrn Jesus Christus, die Liebe des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Ähnlich im ersten Brief des Apostels Petrus. Als er an die auserwählten Fremdlinge in der Diaspora schreibt, da spricht er von der Auserwählung: „Zufolge der Vorherbestimmung Gottes des Vaters, durch die Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blute Jesu Christi.“ Vorherbestimmung des Vaters, Heiligung des Geistes, Besprengung mit dem Blute Christi. Und gar der Liebesjünger Johannes schreibt in seinem ersten Briefe davon, dass es drei sind, „die Zeugnis geben im Himmel, der Vater, das Wort und der Heilige Geist, und diese drei sind eins“. Da haben wir in nuce, im Kern, die Dreifaltigkeitslehre der katholischen Kirche. Drei sind, die Zeugnis geben im Himmel, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist, und diese drei sind eins.

Die Kirche hat dann die Lehre von der Dreifaltigkeit im Athanasianischen Glaubensbekenntnis zusammengefasst. Von diesem Glaubensbekenntnis sagte einmal ein protestantischer Theologe: „Wer dieses Glaubensbekenntnis unterschrieben hat, hat den Gesetzen des menschlichen Denkens den Abschied gegeben.“ O nein, meine lieben Freunde, o nein. Dieses Glaubensbekenntnis ist widerspruchsfrei. Wir sagen nicht drei und eins von demselben aus, das wäre gegen das Gesetz vom Widerspruch, sondern wir sagen drei und eins von Verschiedenem aus: drei der Personen, eines das Wesen. Und so heißt es im Athanasianischen Glaubenbekenntnis: „Wir verehren den einen Gott in der Dreifaltigkeit und in der Einheit, indem wir weder die Personen miteinander vermengen noch das Wesen trennen. Eine andere ist die Person des Vaters, eine andere die des Sohnes, eine andere die des Geistes. Aber nur eine Gottheit ist die des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Unerschaffen, unendlich, ewig ist der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, und doch sind nicht drei Unerschaffene, Unendliche und Ewige, sondern nur ein Unerschaffener, Unendlicher und Ewiger.“ Das ist die Lehre der Offenbarung, welche die Kirche im Athanasianischen Glaubensbekenntnis zusammengefasst hat.

Selbstverständlich haben die Theologen seit der Zeit der Kirchenväter sich bemüht, in das Geheimnis der Dreifaltigkeit einzudringen, es einigermaßen, soweit es dem menschlichen Geist gegeben ist, verständlich zu machen, und so ist die sogenannte psychologische Trinitätslehre entstanden. Sie geht zurück hauptsächlich auf den heiligen Augustinus. Wie will die psychologische Trinitätslehre die Dreifaltigkeit erklären? Sie geht davon aus, dass Gott das Sein ist und die Quelle des Seins, aber kein starres, kein totes Sein, sondern ein lebendiges Sein, und dieses Sein ist geistiger Art. Geistiger Art aber ist alle Tätigkeit, die wir Erkennen und Wollen nennen. Und da setzt nun diese psychologische Trinitätslehre ein. Der Vater erfasst in einem einzigen unendlichen Akte sein göttliches Wesen, und dadurch erzeugt er in sich ein vollkommenes Erkenntnisbild seiner selbst. Aber anders als bei uns ist dieses Erkenntnisbild selbst personal, ist eine Person; wir nennen es den Sohn. Wir nennen es das Wort Gottes. In diesem sich erschöpfenden Erkenntnisbild wird der Sohn nun jetzt nicht geschaffen, das wäre arianisch, sondern gezeugt, d.h. es wird ein vollkommenes Erkenntnisbild hergestellt, ohne dass der Vater eine Überlegenheit als Schöpfer und der Gezeugte als Geschöpf hätte. Dieses Abbild, das der Vater in sich erzeugt, ist eine neue göttliche Person. Und durch diese Verschiedenheit der Personen ist die Dreifaltigkeit gewährleistet und gleichzeitig die Einheit der Natur gewahrt, denn die Personen besitzen das gleiche göttliche Wesen. Der Vater besitzt es ungezeugt, der Sohn besitzt es gezeugt. Indem nun die beiden göttlichen Personen einander anschauen, der Vater als Urbild, der Sohn als Abbild, entflammt zwischen ihnen eine Liebesflut, ein Liebesstrom, lodert ein Liebesfeuer, das wiederum personal ist. Wir nennen es den Heiligen Geist. Der Vater schaut den Sohn, und der Sohn schaut den Vater, und dieses Schauen ist von solcher Mächtigkeit und von solcher Kraft und von solcher Innigkeit, dass es eine Person ist, der Heilige Geist.

Ich weiß nicht, ob diese psychologische Trinitätslehre unser Denken befriedigen kann. Immerhin ist es ein Versuch, mit menschlichen Mitteln in das Geheimnis der Dreifaltigkeit einzudringen. In der Epistel des heutigen Tages ruft Paulus aus: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis!“ Er will damit sagen: Was wir von Gott aussagen, was wir vor allem vom trinitarischen Gott aussagen, das ist ein Stammeln, das ist ein armseliges Reden angesichts der Wirklichkeit des dreifaltigen Gottes. Eigentlich müssten wir nur niederknien und mit den Cherubim und Seraphim bekennen und singen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr.

Und das versucht ja die Kirche auch. Sie verehrt dieses Zentralgeheimnis des Glaubens mit ehrfürchtiger Andacht. Kein Gebet wird in der Kirche so oft gesprochen wie das „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“. Wir Priester beten dieses Gebet etwa fünfzigmal am Tag; fünfzigmal am Tage „Ehre dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist“, wie man das auch sagen kann, und „Ehre dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“, wie es die Formel ist, die wir in unseren Gebetbüchern vorfinden. Jeder Priester spendet die Segnungen im Namen des dreifaltigen Gottes. Alle Sakramente werden im Namen des dreifaltigen Gottes vollzogen. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes wurden wir in die Kirche aufgenommen und von der Erbsünde befreit. Im Namen des dreifaltigen Gottes empfingen wir die Stärkung im Sakrament der Firmung. Im Namen des dreifaltigen Gottes sind Sie, meine lieben Freunde, am Ehealtar verbunden worden. Im Namen des dreifaltigen Gottes wird uns der Abendsegen vermittelt im Sakrament der Heiligen Ölung, der Krankensalbung. Und immer, wenn wir das Kreuzzeichen machen, tun wir das im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir sollten es nicht gedankenlos und oberflächlich tun, sondern wir sollten es mit wahrer dankbarer Gesinnung und mit dem Lobpreis im Herzen tun, der vom Anfang unseres Lebens bis zum Ende aufklingen soll. Im Namen des dreifaltigen Gottes haben wir das Leben begonnen. Im Namen des dreifaltigen Gottes wollen wir es beschließen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Amen.

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