Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. April 2001

Wir sind erlöst

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

„Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“ So singt die Christenheit am Ostertage jubelnd und freudig bewegt. „Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“ Das Ereignis der Auferstehung ist von zentraler Bedeutung für den christlichen Glauben. Es ist seine Grundlage, und es ist gleichzeitig sein Gipfel. Ohne die Auferstehung des Herrn bricht das Christentum in sich zusammen, und darüber hinaus ist ein Wunder nicht möglich. Deswegen singt die Christenheit mit vollem Recht: „Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“

Jesus sarb am Karfreitag etwa um 15 Uhr. Die Auferstehung ist in die ersten Stunden des Ostertages zu datieren. Wenn man einer begnadeten Seele folgt, die meint, von Jesus selbst die Botschaft empfangen zu haben, daß er um 5 Uhr dem Grab entstiegen sei, dann kommt man auf eine Frist von 38 Stunden, die der Leib Jesu im Grabe verbracht hatte. Aber das war keine Zeit der Passivität. Denn als Jesus gestorben war, als sein Leib entseelt war, blieb ja die Seele lebendig, und die Seele blieb auch mit der Gottheit vereinigt, und die mit der Gottheit vereinigte Seele hatte noch eine Aufgabe zu erfüllen, nämlich sie mußte zu den Vätern im Wartestand hinabsteigen, um ihnen die frohe Botschaft ihrer Erlösung zu verkünden. Adam und Eva, das erste Menschenpaar, das gesündigt hatte, aber dann sich in der Reue zu Gott bekehrt hatte, warteten; sie warteten auf den Eintritt in den Himmel. Aber der Himmel war verschlossen. Es war niemand da, der einen Schlüssel gehabt hätte. Jetzt endlich ist der Schlüsselträger da. Er heißt Jesus von Nazareth. Jetzt kann er die Tore des Himmels öffnen, jetzt kann er die Gerechten der Vorzeit in den Himmel einlassen. „Hinabgestiegen zu der Hölle“ oder in das Reich des Todes, was dasselbe bedeutet, so bekennen wir im Glaubensbekenntnis, und das ist keine unwichtige Glaubenswahrheit, denn jetzt ergeht an die Seelen der Gerechten die frohe Botschaft: „Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“ Also noch bevor Jesus lebendig wurde, hat er schon seine Heilsbotschaft und sein Heil zu den Menschen in dem Wartestand getragen, in der Vorhölle, wie wir sagen, die, weil sie gerecht waren, nicht verdammt wurden, sondern die Hoffnung bekamen, einst erlöst zu werden. Jetzt ist diese Erlösung da.

Nach dem Ablauf der von Gott bestimmten Zeit wurde der Leichnam Jesu lebendig. Er wurde nicht lebendig wie der Leichnam des Lazarus oder der Leichnam der Tochter des Jairus oder der Leichnam des Jünglings von Naim. Diese Toten wurden auferweckt, aber sie wurden erweckt zum irdischen Leben, nicht zum himmlischen Leben. Sie kehrten zurück in das Dasein, das sie vorher geführt hatten, und sind nach einer geraumen Zeit gestorben. Ganz anders die Auferweckung unseres Herrn und Heilandes. Er wurde nicht in das irdische Leben zurückgeführt, sondern in das himmlische Leben. Sein Leib ist nicht ein wiedererweckter vergänglicher Leib, sondern sein Leib ist ein unsterblicher, verklärter und verwandelter himmlischer Leib.

Zur Auferweckung Jesu gehören zwei wesentliche Tatsachen: das leere Grab und die Erscheinungen. Das leere Grab ist an sich eindeutig: Der Leichnam ist nicht mehr da, er ist verschwunden. Aber dieses Faktum kann verschieden gedeutet werden. Man sieht es ja. Maria Magdalena meint zu dem Manne, den sie für den Gärtner hält, er habe den Leichnam weggenommen, und die Juden verbreiten gar das Gerücht, die Jünger seien gekommen und hätten ihn gestohlen. Also das Faktum des leeren Grabes kann verschieden gedeutet werden. In illustrierten Zeitungen kann man noch heute lesen, Jesus sei nur scheintot gewesen und sei dann wieder, erfrischt durch die Kühle, aus dem Grabe erstanden und habe sich nach Indien begeben und sei schließlich dort eines natürlichen Todes gestorben. Das ist natürlich völliger Unsinn, aber solcher Unsinn wird verbreitet.

Die Phantasien kranker Gehirne werden hinweggewischt durch die einzig legitime Erklärung des leeren Grabes, die Gott gegeben hat, nämlich durch die Erscheinungen. Die Erscheinungen erklären, warum das Grab leer ist: Der entseelte Leib ist lebendig geworden. Der Hingerichtete ist von Gott zu neuem Leben erweckt worden. Die Erscheinungen waren das Siegel Gottes dafür, daß dieser Tod kein Straftod wegen eigener Sünden war, sondern ein Sühnetod wegen der Schuld anderer.

Die Erscheinungen begannen bei den Frauen und setzten sich fort über Petrus zu den Aposteln und den Emmausjüngern. Vierig Tage lang ist der Herr den Seinen erschienen. Vierzig Tage mußten genügen, um den Glauben an seine leibhaftige Auferstehung in ihnen aufzubauen. Petrus war der erste der Jünger, der einer Erscheinung gewürdigt wurde. Warum? Weil der Herr ihm den Auftrag gegeben hatte, seine Brüder im Glauben zu stärken. Ja, wie hätte er sie im Glauben stärken können, wenn er selbst nicht im Glauben gefestigt war? Erst mußte in ihm der Glaube an die wirkliche und wirksame Auferstehung Jesu begründet werden, damit er in der Lage war, seinen Brüdern, seinen Mitaposteln den Glauben zu stärken. Die Apostel waren keine leichtgläubigen Phantasten. Sie waren gar nicht von der Erwartung erfüllt, daß Jesus auferstehen würde. Sie waren niedergeschlagen, sie waren erschüttert, sie waren geschockt durch das, was sie am Karfreitag erlebt hatten. Voll Angst verkrochen sie sich, denn sie fürchteten, daß auch sie noch zur Rechenschaft gezogen werden könnten, nachdem ihr Anführer hingerichtet worden war. Es war in ihnen keine Erwartung der Auferstehung, und als Jesus ihnen erschien, da haben sie keineswegs diese Erscheinungen freudig begrüßt. Sie waren unsicher; es stiegen Zweifel in ihnen auf. Sie mußten erst durch die Erscheinungen überwältigt werden, bevor sie an die wirkliche Auferstehung Jesu glauben konnten. Es mußte ein äußeres Widerfahrnis geschehen, nicht eine innere Vision, ein äußeres Widerfahrnis, das sie von der Wirklichkeit des Auferstandenen überzeugte. Und so hat der Herr ihnen Hilfen auf dem Glaubensweg gegeben. Er hat einen wirklichen Leib, aber dieser Leib ist verklärt. Daß es ein wirklicher Leib ist, erkennt man daran, daß er sprechen kann. Man kann ihn berühren, er kann Nahrung zu sich nehmen. Das kann nur ein wirklicher Leib. Aber dieser wirkliche Leib ist in einem Zustand der Verklärung. Er kann plötzlich erscheinen und wieder verschwinden. Er braucht die Tür nicht zu öffnen, wenn er in den Raum tritt, sondern ist plötzlich da. Er kann auch eine fremde Gestalt annehmen. Ist Ihnen nicht schon aufgefallen, meine lieben Freunde, daß Maria Magdalena den Herrn, den sie doch so lange erlebt hatte, nicht erkennt? Sie hält ihn für den Gärtner. Er muß also eine andere Gestalt gehabt haben als zu der Zeit, wo er mit ihnen wanderte. Und die Emmausjünger sehen ihn als einen Fremdling an, der noch nicht unterrichtet ist über das, was sich in Jerusalem zugetragen hatte. Der Leib des Auferstandenen ist ein echter, ein wirklicher Leib, aber es ist ein verklärter, ein verwandelter Leib, der verschiedene Gestalten annehmen kann, der nicht mehr an Raum und Zeit gebunden ist, der in die himmlische Sphäre eingegangen ist.

„Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“ Die Auferstehung des Herrn ist die Bestätigung alles dessen, was er gesagt und getan hat. Sie ist das Siegel Gottes über dieses Leben. Natürlich müssen wir fragen: Ja, warum? Wieso? Warum und wieso ist die Auferstehung die Bestätigung des Lebenswerkes des Jesus von Nazareth? Denken wir einmal, er wäre im Tode geblieben. Auch dann könnte man ihn als einen heroischen Menschen feiern. Selbstverständlich. Aber dann wären wir nicht gewiß, daß sein Leben unendlichen Sühnewert besaß; dann wüßten wir nicht, daß dieses Leben nicht an den irdischen Widerständen gescheitert ist, sondern daß es gelungen ist. Das wissen wir erst und nur durch die Auferweckung. Die Auferweckung zerreißt das Verdammungsurteil des Menschen. Die Juden und die Heiden hielten ihn für des Todes schuldig, der Vater im Himmel hält ihn für des Lebens wert.

Die Auferweckung Jesu ist das Ja Gottes zu dem, was Christus gesagt und getan hat; denn eine Auferweckung kann nicht von Menschen bewerkstelligt werden. Eine solche Tat ist nur Gott möglich, und wenn sie tatsächlich geschehen ist, dann wissen wir: Hier hat Gott gehandelt, und hier hat Gott gesprochen. Denn wenn er handelt, spricht er, sein Handeln ist voll von Geheimnissen, die wir entgegennehmen müssen. In der Auferweckung Jesu erfahren wir, daß es eine Sünde gibt, eine Gerechtigkeit und Gericht. Eine Sünde, weil sie nicht an ihn ihn geglaubt haben, sie alle, die hätten an ihn glauben sollen. Eine Gerechtigkeit, weil er zum Vater geht. Er ist den Henkern entrissen. Und ein Gericht, weil der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist. Denn er ist es, der ihn zu Tode gebracht hat, er stand hinter den feindseligen Juden und hinter der Feigheit des Pilatus. Es war der Satan, der ihn zu Tode brachte. Er ist nun besiegt, weil der zum Tode Verurteilte wieder lebendig geworden ist. „Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“

Ohne die Auferstehung wüßten wir nicht, daß das Leben und Leiden Jesu ein stellvertretendes Sühneleiden war. Jetzt wissen wir es, daß Gott alles, was Jesus getan, gesagt, gelitten hat, im Dienste der Erlösung der Menschheit stand. Jetzt können wir uns auf alles verlassen, was er uns gesagt hat. Denken Sie, meine lieben Freunde, an die heute so weit verbreitete Unsicherheit über das ewige Leben. Was ist nach dem Tode? Verlassen wir uns auf das, was der zum Tode verurteilte, was der erweckte Jesus uns darüber gesagt hat: „Ich gehe hin, euch eine Wohnung zu bereiten. Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen.“ Jetzt wissen wir, was nach dem Tode kommt: der Einzug in die von Jesus bereiteten Wohnungen. Jetzt wissen wir auch, daß sein Wort an den Schächer eine Hoffnung für uns bedeutet. „Wahrlich, sage ich dir, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Dem Schächer wurde das Paradies eröffnet, weil er sich in Reue dem Erlöserheiland zugewandt hat. Das ist auch unsere Hoffnung. Auch wir dürfen hoffen, wir dürfen darauf bauen, daß Jesus uns im Tode die Pforten des Paradieses eröffnet hat. Wenn immer wir uns an ihn klammern und sagen: Wir lassen dich nicht, erst segne du uns!

„Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“ Jetzt ist die Erlösung bewirkt. Jetzt ist die Schuld der Menschen überwunden. Jetzt ist in dem Feuer der Liebe, das zu heller Lohe emporflammte am Kreuze, die furchtbare Sündenschuld der Menschen verbrannt worden. Jetzt ist der Schuldschein, der gegen uns lautete, ans Kreuz geheftet und dort zerrissen worden. Die Schuld ist bezahlt. Deswegen singen wir: „Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“ Jetzt gibt es die heiligmachende Gnade für alle, die sich an Jesus anlehnen. Er ist der neue Adam, der eine neue Gemeinschaft, ein neues Volk, eine neue Menschheit um sich sammelt, und wer mit diesem Adam in Beziehung tritt durch Glaube und Taufe, der empfängt das himmlische Leben jetzt schon und die Anwartschaft auf das ewige Leben nach dem Tode.

In einer Zukunft, die wir nicht ausmessen können, wird sich auch das erfüllen, was wir im Glaubensbekenntnis immer wieder singen, nämlich: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten“ oder „Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches“. Das ist kein überflüssiger Glaubensartikel, das ist kein bloß von alter Zeit übernommener Formelkram, sondern das ist eine Wirklichkeit, auf die wir harren. Die ewige Seligkeit, die uns der Herr versprochen hat, umfaßt Seele und Leib, und zu der von ihm bestimmten Stunde wird auch der Leib – ein verklärterLeib – an der Seligkeit des Himmels teilnehmen können. Das alles hat uns Jesus verdient durch seinen Kreuzestod, durch seine Auferstehung und seine Himmelfahrt. „Getröst', getröst', wir sind erlöst, die Hölle ward zuschanden, denn wahrhaft ist Gott Jesus Christ vom Tode auferstanden.“ Und dann heißt es weiter in diesem ergreifenden Osterliede: „Heil uns, er lebt! Kommt und erhebt, o Christen, eure Herzen. Kommt, benedeit den, der befreit von Sünd' und Todesschmerzen. Lobpreiset ihn mit Herz und Sinn! Die ganze Welt erzähle mit frohem Mut, was Gott uns tut. Lobsingt von ganzer Seele!“

Amen. Alleluja.

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