Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. Januar 2001

Die Unterschiede bei den Religionen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor kurzem hat der Erzbischof von Salzburg einen Brief geschrieben. In diesem Briefe stehen folgende Sätze: „In zwei Fällen wurde innerhalb kurzer Zeit eine ,Messe‘ gefeiert, in der der katholische Priester die Konsekrationsworte über das Brot, der andere Geistliche über den Kelch sprach. Diese Interzelebration ist nicht nur streng verboten, sondern wenn der Geistliche der anderen Seite keine Weihe hat, auch ungültig. Wenn ein Priester das weiß und dennoch konzelebriert, täuscht er seine Gläubigen und fügt dem Leib der Kirche schweren Schaden zu. Der Bischof muß handeln, wenn er sich nicht selbst schuldig machen will, und er muß wirksam handeln.“

Der Erzbischof von Salzburg hat als erster und einziger deutschsprachiger Bischof die Schäden erkannt, die heute durch einen verirrten Ökumenismus der Kirche zugefügt werden. Es handelt sich um einen regelrechten Mißbrauch des eucharistischen Opfersakramentes, darüber hinaus aber auch der übrigen Sakramente, der in unserer Zeit eingerissen ist. Heute wird vielfach an Unwürdige die heilige Kommunion ausgeteilt. Heute wird die Krankensalbung ungültig gespendet an Alte und Nicht-Kranke. Heute wird Menschen die Lossprechung erteilt, die nicht den Vorsatz haben, die schwere Sünde zu meiden. Das alles sind greuliche Mißbräuche der heiligen Sakramente, jener Gnadenzeichen, die Christus seiner Kirche geschenkt hat, damit sie durch diese Zeichen und Wirklichkeiten das Heil vermittelt. Wir wollen deswegen heute beginnen, uns Gedanken zu machen über die Sakramente, die Sakramente der Kirche. Am heutigen Tage wollen wir die katholischen Sakramente von den protestantischen und von den heidnischen zu unterscheiden versuchen. Wir fragen an erster Stelle: Was sind Sakramente in der katholischen Kirche? Was bedeuten sie im Protestantismus? und: Was besagen die Sakramente oder Mysterien in den heidnischen Religionen?

Jahrhundertelang waren die Sakramente für die Christen, für die katholischen Christen Selbstverständlichkeiten. Die Kirche hatte es nicht nötig, sich näher mit ihnen zu befassen. Man gebrauchte sie, weil man von ihrer Wirklichkeit und Wirksamkeit überzeugt war. Als aber im 16. Jahrhundert die Glaubensneuerer auftraten, mußte die Kirche die Sakramente näher erklären, mußte sie sich daran machen, Beschreibungen und Definitionen der Sakramente zu geben. Und das hat dann das Konzil von Trient auch einläßlich getan. Diese Kirchenversammlung bestimmte die Sakramente als „sinnenfällige Zeichen einer heiligen Sache und sichtbare Gestalten der unsichtbaren Gnade“, sowie, daß die Sakramente „heiligende Kraft besitzen“. Sinnenfällige Zeichen einer heiligen Sache; sichtbare Gestalten der unsichtbaren Gnade; heiligende Kraft geht von ihnen aus. Ja, das Konzil von Trient sagt noch ausdrücklich, daß die Sakramente Gnade enthalten und vermitteln. Die Sakramente sind Gnadenmittel, denn sie enthalten die Gnade, und sie vermitteln sie den würdigen und bereiteten Empfängern.

Im Anschluß an das Konzil von Trient hat der Römische Katechismus die Sakramente bestimmt als „sinnfällige Sachen, die aufgrund göttlicher Einsetzung Heiligkeit und Gerechtigkeit sowohl anzeigen als auch zu bewirken die Fähigkeit besitzen“. Es ist also so, wie wir hoffentlich als Kinder gelernt haben, daß das Sakrament durch drei Elemente konstituiert wird, nämlich ein sinnlich wahrnehmbares Zeichen der Gnade, die Verursachung der Gnade durch das Sakrament und die Einsetzung durch Gott bzw. Jesus Christus. Diese drei Elemente stehen nicht mechanisch nebeneinander, sondern die Verursachung der Gnade erfolgt durch die Setzung des Zeichens aufgrund der Einsetzung durch Christus. Die Sakramente bewirken das Heil, d. h. sie haben auch eine kultische Funktion, denn Heil wird nur immer bewirkt, wenn der Mensch Gott anbetet, und die Sakramente sind Vorgänge, in denen Gott angebetet wird und dadurch dem Menschen das Heil zugewendet wird. Wir wissen also jetzt, was Sakramente im katholischen Sinne sind: von Christus gestiftete Zeichen der Gnade, welche die Gnade, die sie anzeigen, auch bewirken.

Ganz anders, meine lieben Freunde, ist das Verständnis der Sakramente im Protestantismus. Auch der Protestantismus beansprucht Sakramente zu haben, wenn auch nur zwei. Aber er behauptet Sakramente zu besitzen. Nur werden diese Sakramente wesentlich anders verstanden als in der katholischen Kirche; denn im Protestantismus – und das haben wir ja im vergangenen Jahre ausführlich bedacht – geschieht das Heil allein durch das rechtfertigende Wort. Das Wort rechtfertigt, heiligt den Menschen, d. h. die Sakramente können keine rechtfertigende, heiligende Wirkung im eigentlichen Sinne haben. Das muß von vornherein festgehalten werden. Das protestantische Sakramentsverständnis ist insofern vom katholischen wesentlich verschieden. Innerhalb des Protestantismus gibt es dann wieder drei, mindestens drei verschiedene Auffassungen vom Sakrament. Nach Luther ist das Sakrament Zeichen der Rechtfertigung und in gewissem Sinne Unterpfand des Heiles, d. h. es weckt den Glauben im Menschen, und der Glaube rechtfertigt dann den Menschen. Also immerhin, hier wird noch eine Wirkung vom Sakrament ausgesagt, die mit dem Heil zu tun hat. Das Sakrament weckt den rechtfertigenden Glauben, und aufgrund dieses rechtfertigenden Glaubens werden die Menschen gerechtfertigt. Die Sakramente festigen und wecken in denen, die sie gebrauchen, den rechtfertigenden Glauben.

Wiederum wesentlich verschieden von dieser Auffassung Luthers ist die Ansicht von Zwingli. Nach Zwingli ist der Ausdruck Sakrament abzuweisen; er ist unbiblisch. Er sieht in Taufe und Abendmahl rein symbolische Handlungen. Die beiden Vorgänge Taufe und Abendmahl sind nach ihm Erkennungszeichen, also Mittel, womit die Christen sich von anderen unterscheiden. Sie sind Gedächtnishandlungen: Man denkt bei ihnen an Jesus Christus. Sie sind Bekenntnisbilder: Man drückt damit seinen Glauben an Christus aus. Aber die Sakramente wirken nicht das Heil, denn sie können es nicht wirken.

Nicht weit von dieser Auffassung ab liegt die von Calvin vorgetragene Ansicht. Nach ihm stärken die Sakramente den Glauben, sie vergewissern den Menschen, daß er gläubig ist. Sie bezeugen seine Frömmigkeit; sie sind ein Zeichen des Bekenntnisses. Aber auch bei Calvin ist sicher: Die Sakramente sind kein mitwirkender Faktor der Heilsvermittlung. Sie sind kein mitwirkender Faktor der Heilsvermittlung.

Noch viel weiter ab liegt die Auffasung der freien protestantischen Gemeinschaften, etwa der Baptisten oder Methodisten. Nach ihnen sind Taufe und Abendmahl keine Sakramente, sondern die Taufe ist eine Aufnahmezeremonie, und das Abendmahl ist ein Gemeinschaftsmahl. Die Aufklärungstheologie sieht in den Sakramenten allein symbolische Zeichen, in denen sich die Frömmigkeit ausdrückt und die Erinnerung an Christus geweckt wird.

Das alles muß man sich vor Augen halten, wenn man bedenkt, wie heute die Unterschiede verwischt werden. Wie kann ein katholischer Priester, der den katholischen Glauben einmal gelernt hat, sich zusammentun mit einem protestantischen Religionsdiener, um das Heiligste zu vollziehen, was die Kirche hat, nämlich das eucharistische Opfersakrament? Wie ist das möglich? Welche Verwirrung muß in diesem Kopfe eingezogen sein!

Wir müssen noch zu sprechen kommen auf die heidnischen Sakramente oder Mysterien, wie man sie auch nennt. Diese heidnischen Religionen haben eine große Blüte erlebt in der Zeit des Hellenismus. Das ist jene Epoche, die nach Alexander dem Großen einsetzte und zu einer Vermählung von griechischem Geist und vorderasiatischen Religionen führte. Da sind die Religionen entstanden wie der Mithraskult, der hier auch bei uns in Dieburg und an anderen Orten seine Pflege hatte, durch die Soldaten hierhergebracht. Da sind Kulte entstanden wie die Verehrung der Astarte oder der Kult von Isis und Osiris in Ägypten, der Kult des Adonis in Syrien, der Kult der Demeter in Eleusis und viele andere. Diese Mysterien waren folgendermaßen aufgebaut: Die Menschen glaubten, wenn sie sich an den Mysterienhandlungen, von denen ich gleich einiges sagen werde, beteiligten, daß sie dann das Heil gewinnen würden, also Bewahrung vor Unglück, vor Krankheit, vor allem aber Gewinnung der Unsterblichkeit nach dem Tode. Sie erhofften all dies von den Göttern, die in diesen Kulten gefeiert wurden. Die Götter stellte man sich vor als Wesen, die einmal auf dieser Erde gewandert sind, das Leben der Menschen geteilt haben, dann gestorben sind und wieder auferweckt werden. Die Mysterienkulte versprachen den Menschen das Heil, die sich an dem Ritus ihres Kultes beteiligten. Sie nahmen an, daß sich das Sterben und Auferstehen der Götter in dem Kult wiederholt, und an dieser Wiederholung muß der Mensch teilnehmen, um Anteil zu gewinnen an ihrer eigenen Unsterblichkeit.

Die Gestalten dieser Mysterienkulte waren sehr verschieden. Ich will den einen oder anderen Fall erwähnen. Ich denke an das Taurobolium. Das geschah in folgender Weise: Der Myste, der Einzuweihende wurde in eine Grube gestellt, dann schlachtete man einen Stier und schüttete das Blut des Stiers über den Mysten. Ein anderer Kult war der des Dyonisus. Man versammelte sich in der Nacht auf einer Bergeshalde und stürmte hinaus in die dunkle Nacht und geriet durch den Rundtanz in Raserei. Dann stürzte man sich auf die Opfertiere, die bereitstanden, und bohrte die Zähne in das rohe Fleisch und genoß dieses Fleisch. Das waren Kulte in der vorchristlichen Zeit. Und jetzt kommt die Religionsgeschichte daher – und das ist teilweise in die Religionsbücher Eurer Kinder eingegangen – und sagt: Ja, das ist eben der Ursprung der christlichen Sakramente. Da kommen die christlichen Sakramente her; sie sind Fortsetzungen der Mysterienreligionen. Ja, wenn es so wäre, dann wären wir einem grauslichen Irrtum unterlegen, dann wären unsere Sakramente nichtig.

Meine lieben Freunde, es gibt drei wesentliche und entscheidende Unterschiede zwischen den Mysterienreligionen und den christlichen Sakramenten.

1. In den Mysterienreligionen sucht der Mensch eine Beziehung zu Gott. Er will Einfluß auf Gott, ja Macht über Gott gewinnen, und die erlangt er, wenn er an dem Kult teilnimmt. Im christlichen Sakrament ist es genau umgekehrt. Hier gewinnt nicht der Mensch Macht über Gott, sondern Gott zieht den Menschen in sein Leben hinein. In den Sakramenten handelt Gott am Menschen, nicht der Mensch an Gott. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Mysterien der Heiden und den christlichen Sakramenten.

2. Die Götter der Heiden sind Mythen, d. h. es sind Erfindungen des Verstandes. In ihnen verkörpert sich nichts anderes als die Natur. Die Götter sind Verkörperungen von Naturkräften und Naturvorgängen. So wie die Natur wächst, blüht, verwelkt und untergeht, so ähnlich denkt man es sich bei den Göttern. Die Götter sind nur Verkörperungen von Naturkräften und Naturvorgängen. Sie können den Menschen deswegen auch nicht über die Natur hinausführen, sie ziehen ihn nur in die Natur hinein. Der Mensch wird in diesen Kreislauf der Natur hineingezogen durch die Mysterien. Ganz anders die christlichen Sakramente. Christus ist eine geschichtliche Gestalt. Er ist einmal gestorben und stirbt nicht mehr. In den christlichen Sakramenten wiederholt sich nicht Sterben und Auferstehen Jesu, sondern es wird gegenwärtiggesetzt. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Wir sprechen von repraesentatio, nicht von repetitio. Christus ist über die Natur erhaben und vermag deswegen den, der sich ihm anvertraut, aus der Natur, aus dem Naturkreislauf herauszuführen in das Leben des Vaters.

3. Die christlichen Sakramente sind von den heidnischen Mysterien auch dadurch unterschieden, daß sie an sittliche Voraussetzungen geknüpft sind. Wer Sakramente empfängt, muß bestimmte innere, seelische Haltungen mitbringen. Er muß beispielsweise, wenn die Taufe ihre Wirkung entfalten soll, die persönlichen Sünden bereuen. Wenn ein erwachsener Täufling zur Taufe kommt und seine persönlichen Sünden nicht bereut, werden sie ihm durch die Taufe nicht vergeben. Ähnlich ist es beim Bußsakrament. Der Priester kann zehnmal sprechen: „Ich spreche dich los von deinen Sünden.“ Wenn der Betreffende keine Reue hat und keinen Vorsatz mitbringt, dann ist die Lossprechung ungültig, und er behält seine Sünden. Anders bei den Mysterienreligionen. Da braucht man sich nur in den Kult hineinzubegeben, um Anteil zu gewinnen an dem Leben und Sterben der Gottheit. Die bloße Teilnahme wirkt gleichsam magisch die Hineinnahme in die Vergöttlichung. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Ich habe versucht, in Kürze in dieser ersten Predigt, meine lieben Freunde, den Unterschied zwischen den Sakramenten der katholischen Kirche, Sakramenten im Protestantismus und Pseudosakramenten, Mysterien in den heidnischen Religionen Ihnen vor Augen zu führen. Für uns sind die Sakramente das heilige Vermächtnis Christi. In ihnen beten wir Gott an, vollziehen wir unseren Kult. In ihnen handelt Gott an uns, wirkt er das Heil. Durch die Sakramente wächst die Kirche heran, immer neue Glieder werden ihr durch die Taufe gewonnen und andere durch das Bußsakrament gereinigt. Die Sakramente sind Lebenselemente, Strukturelemente, Aufbauelemente der Kirche. Sie sind die heiligen Gaben, die Christus uns vermacht hat.

Amen.

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