Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. Juli 1995

Das Bischofsamt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Sichtbarkeit der Kirche ist ein entscheidender Faktor, um sie zu erkennen und zu ihr zu finden. In der Welt von heute gibt es zahllose religiöse Verbände. Viele Heilslehren bieten sich an, um den Menschen eine Wohltat zu erweisen, wirklich oder vermeintlich. In diesem Pluralismus, in dieser ungeordneten Vielfalt muß es Kennzeichen geben, um zu der Kirche zu finden, die nach Gottes Willen die Menschen um sich sammeln soll. Solche Merkmale sind vorhanden; Christus hat sie selbst seiner Kirche eingestiftet. Es sind vor allem der Glaube, das Glaubensbekenntnis mit bestimmten satzhaften Formulierungen, der Gottesdienst, ein ganz bestimmter Gottesdienst, nämlich ein Opfergottesdienst, Sakramente, sieben an der Zahl, aber auch die Verfassung, eine bestimmte Struktur der Kirche. Fundamental für die katholische Kirche, wie sie Christus gewollt hat, ist der Unterschied zwischen Klerus und Volk. Im Klerus wiederum gibt es eine Hierarchie, eine Stufung. Wir haben am vergangenen Sonntag die Spitze dieser Hierarchie kennengelernt, nämlich das Papsttum. Wir wollen uns heute die übrigen Glieder derselben vor Augen führen, nämlich Bischofsamt, Priesteramt und Diakonat.

Die Bischöfe sind die Nachfolger der Apostel. Ihnen ist die Sendungsgewalt der Apostel eigen. Man kann diese Gewalt unterscheiden in Weihegewalt, die das Leben zeugt, und in Hirtengewalt, die das Leben ordnet. Den Bischöfen zugeordnet sind die Priester als Gehilfen und ihnen wiederum die Diakone. Auf dem Konzil von Trient hat die Kirche in der Abwehr der Aufstellungen der sogenannten Reformatoren ihre Lehre über die göttliche Stiftung und das göttliche Wesen der Hierarchie endgültig und lichtklar vorgelegt. „Opfer- und Priestertum“, heißt es dort, „sind nach göttlicher Anordnung so verknüpft, daß sich beides in jeder Heilsordnung findet. Da also im Neuen Bund in der katholischen Kirche nach der Einsetzung des Herrn die heilige Eucharistie als sichtbares Opfer gefeiert wird, so muß man auch bekennen, daß es in ihr ein neues, sichtbares, äußeres Priestertum gibt, daß dieses Priestertum von unserem Herrn und Heiland eingesetzt wurde, daß den Aposteln und ihren Nachfolgern im Priestertum die Gewalt übertragen wurde, seinen Leib und sein Blut zu verwandeln, darzubringen und auszuteilen sowie Sünden zu vergeben und zu behalten, das zeigt die Heilige Schrift. Und das hat die Überlieferung der katholischen Kirche immer gelehrt.“ Das sind fundamentale Aussagen des Konzils von Trient. Nun geht das Konzil noch ins einzelne und beschreibt, wie die genannten Glieder der Hierarchie innerlich ausgestattet sind. „Da im Sakrament der Weihe ein Merkmal eingeprägt wird, das nicht zerstört und nicht weggenommen werden kann, so verurteilt die heilige Kirchenversammlung die Auffassung derer, die behaupten, die Priester des Neuen Bundes hätten nur eine zeitweilige Vollmacht, und auch wer richtig geweiht sei, könne wieder Laie werden, wenn er den Dienst des Gotteswortes nicht versehe.“ Diese Lehre richtet sich natürlich eindeutig gegen die protestantische Auffassung, wo es keine Priester gibt, die ein unauslöschliches Merkmal in sich tragen, sondern lediglich Amtsträger menschlichen Rechtes, die nur zeitweilig aufgestellt sind, um einen Dienst zu verrichten, den die Gemeinschaft notwendig hat. Sie können selbstverständlich aus diesem Dienst ausscheiden und sind dann, genau wie alle anderen, von ihrem Amte ledig. Deswegen sagt noch einmal das Konzil von Trient: „Wenn jemand behauptet, alle Christen seien in gleicher Weise Priester oder alle seien ohne Unterschied mit geistlicher Vollmacht ausgestattet, dann heißt das nichts anderes als Verwirrung in die kirchliche Hierarchie bringen.“

In den Lehrsätzen, die das Konzil zum Schluß seiner Ausführungen aufstellt, hat es noch einmal in scharfer Form die Lehre auf den Punkt gebracht: „Wer sagt, im Neuen Bund gäbe es kein sichtbares und äußeres Priestertum oder keine Vollmacht, den wahren Leib und das Blut des Herrn zu verwandeln und darzubringen, Sünden zu vergeben und zu behalten, sondern nur das Amt und den bloßen Dienst an der Verkündigung des Evangeliums, der sei ausgeschlossen. Wer sagt, die Weihe sei nicht ein wahres und eigentliches, von Christus eingesetztes Sakrament, der sei ausgeschlossen. Wer sagt, durch die heilige Weihehandlung werde nicht der Heilige Geist mitgeteilt und es sei sinnlos, wenn der Bischof sage: „Empfange den Heiligen Geist!“ und es werde durch ihn nicht ein Merkmal eingeprägt, oder wer einmal Priester war, könne wieder Laie werden, der sei ausgeschlossen.“

Diese Lehrsätze des Konzils von Trient sind das Echo dessen, was uns die Heilige Schrift berichtet. Christus hat einen Zwölferkreis ausgewählt und ihm Vollmachten und Aufträge gegeben. Wir nennen diesen Zwölferkreis die Apostel. Das sind Apostel im eigentlichen, im strengen Sinne. Wir werden gleich sehen, daß es auch noch Apostel in einem weiteren Sinne gibt. Nur die Zwölf – und dann der hinzugekommene Paulus  – sind Apostel im eigentlichen, strengen Sinne. Diese Apostel sollten das neue Gottesvolk bilden und leiten. Deswegen mußten sie selbstverständlich Nachfolger haben. Auch wenn der Herr das nirgendwo gesagt hat, ist es selbstverständlich, daß er wünschte, daß sie Apostel an ihrer Stelle Gehilfen und Nachfolger bestellten. Aber da gibt es einen Unterschied, nämlich zwischen dem Ersten der Apostel und den übrigen Aposteln. Der Erste der Apostel konnte nur einen Nachfolger haben, denn er ist ein einzigartiger Beauftragter. Sein Amt ist singulär, sein Amt gibt es nur einmal in der Kirche. Deswegen kann nur einer dem Ersten der Apostel nachfolgen, und das ist, wie wir wissen, der Bischof von Rom.

Die übrigen Apostel sollten ebenfalls Nachfolger haben, aber nun nicht bloß elf. Es ergibt sich aus der Sache, daß die Apostel viel mehr Nachfolger bestimmen sollten als bloß die elf, die sie waren, denn sie sollten ja das Evangelium bis an die Grenzen der Erde tragen. Diese Aufgabe machte es notwendig, daß sie möglichst viele Nachfolger bestellten, die ihnen bei dieser Aufgabe behilflich waren.

Nun wird die falsche Auffassung vertreten, meine lieben Freunde, es genüge, um dem apostolischen Ursprung der Kirche treu zu bleiben, wenn es Männer gäbe, die das apostolische Zeugnis weitertragen. Hauptsache, ja eigentlich nur notwendig, sei, daß es in der Kirche Beauftragte gebe, welche die apostolische Sendung, also den Glauben zu verkünden, weitertragen. Selbstverständlich gehört das zur apostolischen Aufgabe. Selbstverständlich muß es Männer geben, welche das Evangelium, das die Apostel uns verkündet haben, weitertragen. Aber das genügt nicht, sondern die Verkündiger des Evangeliums müssen durch eine ununterbrochene Sendungsreihe mit den Aposteln in Verbindung stehen. Jeder heutige Bischof, der diesen Namen zu Recht trägt, muß in einem lückenlosen Verfahren seinen Ursprung bis auf einen Apostel zurückführen können. Das ist historisch nicht immer möglich, weil viele Unterlagen verlorengegangen sind. Aber es ist gar keine Frage, daß jeder katholische Bischof heute noch, wenn alle Unterlagen auffindbar wären, zeigen könnte, daß er von einem der Apostel abstammt. Jeder Apostel hat Nachfolger eingesetzt. Diese Nachfolger haben wieder anderen die Hände aufgelegt, und so ist es weitergegangen in lückenloser Reihe bis zu dem heutigen gültig geweihten Bischof der katholischen Kirche. Dieses unerläßliche Erfordernis ist der Grund, warum wir die sogenannten Bischöfe in Schweden, in Dänemark, in Norwegen, in Finnland oder auch in Deutschland nicht als gültige Bischöfe anerkennen können; denn ihre Sendungsreihe läßt sich nicht lückenlos zurückführen auf einen Apostel. Bei ihnen fehlt es an der Sukzession, an der Nachfolge, an der echten apostolischen Nachfolge.

Die Christen haben versucht, soweit es bei der bruchstückhaften Überlieferung möglich war, Sukzessionslisten aufzustellen, also die Reihenfolge der Männer aufzuzeichnen, die sich abgelöst haben im Dienst am Evangelium und wo einer dem anderen die Hände in sakramentaler Weihe aufgelegt hat. Solche Sukzessionslisten sind uns aus dem 2. Jahrhundert schon überliefert, etwa von Hegesipp und später von Eusebius in seiner Kirchengeschichte. Die apostolische Herkunft muß also in einer lückenlosen Sendungsreihe gründen.

Die Apostel haben, als sie sich nach der Sendung des Herrn verstreuten, ein bestimmtes Verfahren eingehalten, wie sie ihre Nachfolger bestellten. Sie haben geeignete Männer ausgewählt, haben ihnen die Hände auferlegt und gebetet und ihnen damit das Sakrament der Weihe gespendet. Dann haben sie sie ausgesandt. Diese Männer haben an bestimmten Orten die Kirche eingepflanzt und wiederum ihrerseits für die Nachfolge gesorgt. Am deutlichsten ist uns dieser Vorgang in Jerusalem. Jerusalem ist ja die Keimzelle der Kirche. Die dortige Gemeinde ist das Glaubens- und Missionszentrum der Kirche gewesen. Und wer steht an der Spitze der Kirche in Jerusalem? Jakobus, genannt der „Herrenbruder“, ein Verwandter des Heilandes. Die Sippe des Herrn hatte einen besonderen Vorrang bei der Bestellung von Bischöfen. Und so hat man Jakobus zum Bischof von Jerusalem gemacht.

Aber er ist nicht allein. Es wird uns berichtet, daß neben ihm „Presbyter“ stehen. Presbyter heißt Ältester. Das Wort Älteste ist nicht vom Lebensalter gemeint, auch nicht vom Bekehrungsalter, sondern das Wort Älteste besagt ein Amt. Wir wissen aus heidnischen Zeugnissen, daß es zum Beispiel in heidnischen Vereinen Älteste gab. Das waren nicht etwa die ältesten Männer, sondern das waren die Vorsteher. Und wenn jetzt in Jerusalem Jakobus Älteste aufstellt, dann wissen wir, diese Älteste, diese Presbyter sind nichts anderes als die Vorgänger der heutigen Priester. Die Apostel und die von ihnen eingesetzten Nachfolger haben um sich Presbyter geschart, derer sie bedurften, um die Gemeinden zu betreuen, um die Sakramente zu spenden, um den Glauben zu verkündigen, um die Zucht aufrechtzuerhalten. Und diese Presbyter sind die zweite Stufe in der Hierarchie unter den Bischöfen. Wir sind auch genau unterrichtet, wie es zu den Diakonen kam. In Jerusalem gab es Konflikte, Streit zwischen den Witwen der aus der Diaspora stammenden Juden und den Witwen der Juden, die dort zu Hause waren. Um diesen Streit zu schlichten, sagten die Apostel: Wir wollen Männer aufstellen, die sich der Verteilung der Liebesgaben in der Gemeinde, besonders an die Witwen und deren Kinder, widmen, und so bestellten sie „unter Gebet und Handauflegung“ sieben Männer. Diese sieben Männer sind keine anderen als die heutigen Diakone. Sie haben die Liebestätigkeit zu üben, sie haben das Evangelium zu verkünden, sie haben den Priestern bei ihrem Dienste Hilfe zu gewähren. Wir sehen also in Jerusalem eine Gemeinde, die aufgebaut ist, wie wir sie heute kennen. An der Spitze der Bischof Jakobus, umgeben von Presbytern, den Priestern, und zu deren Hilfe die Diakone.

In den Gemeinden, die Paulus gegründet hat, war es ähnlich. Überall, wo Paulus hinkam, bestellte er Presbyter, welche die Funktionen wahrzunehmen hatten, die er, solange er selbst anwesend war, ausgeübt hat. Aber er selbst blieb an der Spitze. Die von ihm gegründeten Gemeinden standen weiterhin unter seiner Leitung und Aufsicht. Er war der Bischof dieser Gemeinden. Die von ihm eingesetzten Presbyter wandten sich an ihn, wenn sie Rat brauchten, er gab ihnen Befehle und Weisungen, er drohte auch, mit der Rute zu kommen, er hatte also auch Strafgewalt, wenn es notwendig war.

Zu Anfang scheint die Terminologie, scheinen also die Ausdrücke, mit denen man die Amtsträger bezeichnete, noch nicht endgültig festgelegt worden zu sein. Der Apostel zählt auf: „Gott hat eingesetzt Apostel, Propheten, Lehrer, Evangelisten, Hirten.“ Fünf Funktionen oder Ämter: Apostel, Propheten, Lehrer, Evangelisten, Hirten. Jedem dieser Männer war eine bestimmte Aufgabe zugeordnet. Apostel im weiteren Sinne – im weiteren Sinne! – waren die Männer, derer sich die Urapostel bedienten, um den Verkehr mit den Gemeinden aufrechtzuerhalten. Denn Apostel heißt ja an sich Gesandter. Die Propheten waren Männer, die vom Heiligen Geist erfüllt waren und die Weisungen des Heiligen Geistes vermittelten. Sie standen gewissermaßen in mystischer Weise in Kontakt mit dem Heiligen Geiste und konnten deswegen den Gemeinden zukünftige Dinge aufgrund bestimmter Einsprechungen des Geistes mitteilen. Die Lehrer waren solche Amtsträger, die wir heute Katecheten nennen, die das Evangelium auslegten und erklärten, die die Menschen einführten, die zum Glauben kommen wollten. Evangelisten waren Missionare. Sie gingen hinaus und verkündeten das Evangelium. Und Hirten waren die Vorsteher. Paulus spricht eigens davon, daß es solche Vorsteher gibt, etwa im ersten Brief an die Thessalonicher: „Meine Brüder, wir bitten euch, daß ihr jenen Anerkennung zollt, die unter euch arbeiten und euch im Herrn vorstehen.“ Und euch im Herrn vorstehen! Das sind keine anderen als die Presbyter. Sie sind es, die im Herrn, d.h. durch göttliche Brufung und göttliche Weihe, den anderen vorstehen. Sie verdienen Anerkennung und Gefolgschaft.

Wie es zu dieser Auserwählung kam, das beschreibt der Apostel Paulus sehr genau in den beiden Briefen an Timotheus. Im ersten Brief an Timotheus schreibt er: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, welche dir verliehen worden ist infolge von Weissagung durch Handauflegung der Priesterschaft!“ Und im zweiten Timotheusbrief: „Ich ermahne dich, die Gnadengabe Gottes wieder zu erwecken, welche in dir ist durch die Auflegung meiner Hände.“ Hier, meine lieben Freunde, haben wir etwas, was uns gewiß macht: Die Lehre des Konzils von Trient vom Amt stammt aus dem Evangelium. Es ist von der Gnadengabe die Rede, die in dem Timotheus ist, also bleibend vorhanden ist. Er übt nicht nur eine Funktion aus, es ist ihm nicht nur ein zeitweiliger Dienst zu eigen, nein, er hat etwas, was er nicht verlieren kann. Er hat ein unauslöschliches Merkmal: Er hat die Gnadengabe, die in ihm bleibt. Und wodurch ist sie in ihn gekommen? „Durch die Auflegung meiner Hände.“ Paulus hat ihm das Sakrament der Bischofsweihe gespendet. Und die Presbyter haben, wie das heute noch üblich ist, bei der Weihe ebenfalls ihre Hände aufgelegt zur Bestärkung und zur Festigung dessen, was durch den Bischof geschehen ist.

Die katholische Kirche, so sehen wir, sitzt im Evangelium. Sie sitzt mit ihrem Begriff vom Priestertum, mit ihrem Begriff von Hierarchie mitten in der Heiligen Schrift. Amt Hierarchie und Weihe sind kein fremdes Gemächte, sind kein hellenistisches Zubringsel, sondern es ist Geist vom Geist des Evangelium, was in unserer Kirche lebendig ist.

Die Amtsträger, meine lieben Freunde, sollen mit ihrem Leben dem Amt entsprechen. Sie alle wissen, daß man, wenn man die Weihe empfängt, zu besonderen Diensten bevollmächtigt wird, daß man aber nicht automatisch auf eine höhere Stufe der Heiligkeit gehoben wird, sondern das Streben nach Heiligkeit bleibt aufgegeben. Der Geweihte ist gefordert, das, was er empfangen hat, in einem heiligen Leben zu bewähren. Dabei kann man scheitern. Wir hörten in den vergangenen Jahren von häufigem Scheitern. Wir lesen, wie Priester – und auch Bischöfe – ihrer Aufgabe, heilig zu werden, untreu werden, wie sie sich in Sünden, in schwere Sünden verstricken, wie manche sogar straffällig werden, mit dem Gesetz des Staates in Konflikt geraten. Niemand ist von diesen Vorgängen stärker betroffen als das wirklich gläubige Volk. Die gläubigen katholischen Christen leiden mit ihrer Kirche, wenn sie vom Fehltritt eines Priesters, wenn sie vom Versagen eines Bischofs hören. Sie möchten ihre Kirche anziehend, schön, glänzend, strahlend sehen, und sie müssen in so manchen ihrer Amtsträger das Gegenteil erfahren. Das Versagen von Amtsträgern, meine lieben Freunde, hindert nicht, daß die Kirche im Amt, in der Hierarchie sichtbar wird. Sie verliert dadurch nicht ihre Sichtbarkeit. Es wird nur der Glanz der Sichtbarkeit gemindert. Auch von dem unwürdigen Amtsträger gilt das Wort: „Niemand nimmt sich selbst die Ehre, sondern nur, wer berufen ist wie Aaron. Jeder Hohepriester wird aus Menschen bestellt und für die Menschen, damit er Gaben und Opfer darbringe für die Sünder. Er muß Mitleid haben mit den Unwissenden und Irrenden, weil er ja selbst behaftet ist mit Schwachheit.“

Das also ist die Erklärung, die uns der Hebräerbrief gibt für das traurige Verhalten so mancher Amtsträger. Weil er selbst mit Schwachheit behaftet ist, deswegen kann und soll er Mitleid haben mit den Irrenden und Unwissenden. Aber er soll sich freilich auch aus dem Schlamm erheben und ein würdiger und getreuer Amtsträger Christi werden.

Vor vielen Jahren, meine lieben Freunde, habe ich einmal ein Buch geschrieben über die deutschen Bischöfe in der Reformationszeit. Von den vielen, vielen Bischöfen, die ich darin vorgeführt habe, ist mir einer in besonderer Erinnerung geblieben. Es ist der Erzbischof Christoph von Bremen. Bremen und Hamburg war einmal ein Erzbistum und bestand aus lauter katholischen Christen, bis die Reformation diesen Frühling vernichtet hat. Christoph von Bremen nun stammte aus dem Geschlecht der Braunschweiger, einem zügellosen Geschlecht. Früh zum Priester bestimmt, ohne rechte Ausbildung und ohne gediegene Anleitung, ist er sehr früh in sein hohes Amt gekommen. Und so hat er eine Periode gehabt, in der er sittlich versagte. Es sind immer wieder dieselben Dinge, also die Zuneigung zum anderen Geschlecht. Er hat auf diesem Gebiete versagt. Aber das war nur eine kurze erste Periode seines Wirkens. Er war ja fünfzig Jahre Bischof. Dann hat er sich aus dem Schlamm erhoben und ist ein vorbildlicher Bischof geworden, der bis zum letzten Atemzug seines Lebens gegen den Abfall gekämpft hat, der an Weihnachten drei heilige Messen feierte im Dom zu Verden und sich mit äußerster Anstrengung bei Kaiser und Reich, bei Papst und Mitbischöfen bemüht hat, die Flut des Protestantismus einzudämmen. Er hat keinen Erfolg gehabt. Aber er ist in die Geschichte eingegangen als ein Bischof, der, nach kurzer Verirrung, zur Treue zum Heiland zurückgefunden hat  und einen hohen sittlichen Stand erreicht hat, der in aussichtsloser Lage der Kirche gedient hat und der nach menschlichem Urteil die Siegespalme errungen hat.

Amen.

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