Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Mai 1986

Die guten Werke

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Als Martin Luther gegen die katholische Kirche aufstand, war eines seiner Hauptangriffsziele das „Gute Werk“. Er hat die guten Werke verteufelt und verdammt, von der Werkerei im katholischen Bereich gesprochen; und diese Haltung ist in Deutschland haften geblieben. In so manchen Universitätslehrsälen können Sie heute noch Attacken gegen das gute Werk hören.

Die katholische Kirche hat immer, auf biblischem Boden stehend, am guten Werk, an der Nützlichkeit, ja an der Notwendigkeit der guten Werke festgehalten. Was ist ein gutes Werk? Gute Werke sind freiwillige Handlungen des Menschen, die dem Willen Gottes gemäß sind und mit Rücksicht auf Gott geübt werden und darum von Gott belohnt werden.

Gute Werke sind also einmal freiwillige Handlungen. Nichts Erzwungenes, nichts Angeordnetes kann als gutes Werk bezeichnet werden. Was wir pflichtmäßig tun müssen, das sind keine guten Werke, darin erfüllen wir eben den Auftrag, den Gott uns gegeben hat durch unsere Anlagen und Fähigkeiten, durch unsere Ausbildung und durch die Stelle, an die er uns gesetzt hat. Gute Werke sind freiwillige Handlungen, also Handlungen, die nicht anderswoher auferlegt werden, die nicht erzwungen werden. Gefängnisinsassen, die ein bescheidenes Essen zu sich nehmen müssen oder die gleichsam fasten müssen, verrichten damit kein gutes Werk. Es müssen freiwillige Handlungen sein, die aus dem Herzen kommen.

Gute Werke müssen zweitens dem Willen Gottes gemäß sein. Sie dürfen also nicht, in keiner Hinsicht vom Willen Gottes abweichen. Ich tue kein gutes Werk, wenn ich mit gestohlenem Gut einen anderen bereichere. Es ist kein gutes Werk, wenn ich bete, obwohl mich die Pflicht zum Arbeiten ruft. Ein gutes Werk muß in jeder Hinsicht dem Willen Gottes gemäß sein.

Und schließlich drittens: Ein gutes Werk muß mit Rücksicht auf Gott geübt werden. Man kann äußerlich gute Taten auch aus anderen Rücksichten üben. Ich gebe z.B. ein Almosen, weil mir der Bettler keine Ruhe läßt. Das ist kein gutes Werk. Das ist selbstverständlich nichts Böses, aber das ist auch kein gutes Werk im übernatürlichen Sinne. Es ist ein natürlich gutes Werk, aber kein übernatürlich gutes Werk, und wir sprechen ja hier von übernatürlichen, d.h. heilswirksamen guten Werken.

Ein gutes Werk muß mit Rücksicht auf Gott geübt werden. Rücksicht auf Gott heißt, um seinen Willen zu erfüllen, um seinen Geschöpfen zu helfen, um in seinem Dienste sich auszuzeichnen, um sich damit anfanghaft gleichsam den Himmel zu erwerben. Das sind gute Werke, die mit Rücksicht auf Gott geübt werden.

Wessen Motivation nicht einwandfrei ist, der vollbringt kein gutes Werk. Wer vor den Menschen gesehen werden will, wer sich dadurch die Achtung und die Liebe anderer erwerben will, wer in die Zeitung kommen will, der übt kein gutes Werk. Bei den guten Werken müssen vielmehr die Weisungen des Herrn beachtet werden: „Die linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut.“ „Wenn man fastet, soll man sich das Gesicht waschen, damit die Menschen nicht sehen, daß man fastet.“ Von den Pharisäern hieß es: „Sie haben ihren Lohn schon empfangen.“ Sie werden keinen himmlischen Lohn bekommen, weil sie schon irdischen Lohn empfangen haben, nämlich die Bewunderung und den Beifall der Menschen.

Unter den guten Werken gibt es eine Rangordnung. Jene guten Werke sind die höchsten, die aus der vollendeten Gottesliebe hervorgehen. Je größer die Gottesliebe ist, um so wertvoller das gute Werk. Auch die Tatsache, daß ein gutes Werk mehr Überwindung kostet, daß mehr Widerstände zu überwinden sind, macht es zu einem besonders wertvollen guten Werk.

Die hauptsächlichen guten Werke sind Beten, Fasten und Almosengeben. Mit Beten ist jeder Akt der Gottesverehrung gemeint, also nicht nur das stille häusliche Gebet, sondern auch der Besuch der heiligen Messe, der Empfang der Sakramente, das Anhören der Predigt, jeder Akt der Gottesverehrung fällt unter das gute Werk Beten. Und ebenso ist es beim Fasten. Da ist nicht nur der Wegfall von Speisen oder der Abbruch von Speisen gemeint, sondern jede Überwindung der sinnlichen Natur, also Überwindung der Neugierde, Überwindung der Geschwätzigkeit, Überwindung der Bequemlichkeit, alles das ist unter „Fasten“ einbegriffen. Und ähnlich ist es beim Almosengeben. Das ist nicht nur die milde Gabe, die wir jemandem in die Hand drücken, sondern das Almosengeben umfaßt alle Werke der leiblichen und der geistlichen Barmherzigkeit, also Kranke besuchen, Trauernde trösten, Unwissenden recht raten als ein paar Beispiele für Werke der geistlichen Barmherzigkeit – das sind gute Werke, die unter „Almosengeben“ fallen.

Diese drei guten Werke oder besser diese drei Gruppen der guten Werke: Beten, Fasten, Almosengeben sind den Hauptfehlern, den Hauptlastern des Menschen entgegengesetzt, nämlich der Hoffart, der Augenlust und der Fleischeslust. Das Gebet ist gegen die Hoffart gerichtet. Beim Beten macht man sich klein und demütig für Gott. Das Fasten ist gegen die Fleischeslust, gegen die sinnliche Natur und ihre Gefahren gerichtet. Und das Almosengeben wendet sich gegen die Augenlust, gegen den Hang zum Besitzen und Genießen, der im Menschen lebt.

Die guten Werke sind unsere Wegweiser zum Himmel. Der Herr verlangt gute Werke. Er hat uns das Gericht angekündigt nach den guten Werken. Wenn man Kranke besucht, wenn man Nackte bekleidet, wenn man Heimatlose aufgenommen und wenn man Tote begraben hat, dann haben wir die Werke vollbracht, die uns den Himmel öffnen. Gott wird die Werke beim Gerichte lohnen, und er wird diejenigen, die keine guten Werke aufzuweisen haben, strafen. Er hat in vielen Gleichnissen die Notwendigkeit der guten Werke hervorgehoben, vor allem und besonders deutlich in dem Gleichnis von den Talenten. Da gibt ein reicher Mann seinen Knechten zehn Telente, fünf Talente und ein Talent, je nach ihrer Fähigkeit. Und dann verreist er, und er erwartet – er erwartet! –, daß diese Männer mit den Talenten (das sind ja Geldsummen) arbeiten. Nach langer Zeit kommt er zurück und fordert Rechenschaft. Der Mann, der zehn Talente empfangen hatte, hat zehn weitere dazugewonnen, hat also seine empfangene Summe verdoppelt. Ebenso der andere mit fünf Talenten. Er hat weitere fünf dazugewonnen. Und zum Schluß kommt der, der nur ein Talent empfangen hatte. Er hatte nichts dazugewonnen. Er hatte auch nichts veruntreut; er brachte das eine Talent wieder und sagte: „Ich habe es vergraben, damit es nicht etwa gestohlen wird.“ Und doch wird er verurteilt, weil er mit seinem Talent nicht gearbeitet hatte, weil er untätig und bequem und nutzlos dieses Talent bei sich behalten hatte.

Wir sollen also mit unseren Talenten, mit unseren Gaben, Anlagen und Fähigkeiten arbeiten, sollen gute Werke verrichten, um auf diese Weise im Gerichte Gottes bestehen zu können. Wir haben drei Freunde. Der erste ist das Geld. Es verläßt uns im Tode. Der zweite sind unsere Angehörigen. Sie verlassen uns am Grabe. Der dritte Freund sind unsere guten Werke. Die gehen mit uns vor den Richterstuhl Gottes.

O mögen sie dort, meine lieben Freunde, o mögen sie dort mit lauter Stimme für uns sprechen!

Amen.

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