Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. April 1986

Die Pflicht, Fast- und Abstinenztage zu halten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Du sollst die gebotenen Fast- und Abstinenztage halten!“ So lautet das 3. Kirchengebot. Das Fasten ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Eigentlich gab es ein Fastengebot ja schon im Paradiese. „Von allen Bäumen darfst du essen, nur von einem nicht!“ Im Alten Bunde wird uns berichtet, wie Moses und Elias gefastet haben – 40 Tage lang. Und von unserem Herrn und Heiland wissen wir, daß er in der Wüste 40 Tage fastete. Schon die Apostel haben Fasten, Fastenzeiten eingeführt. Die Fastenzeiten sind dann im Laufe der Zeit ausgebaut worden, die Älteren unter uns wissen noch, daß es außer der 40-tägigen Fastenzeit in früheren Jahrzehnten das Quatemberfasten gab und das Vigilfasten. Quatemberfasten – viermal im Jahr, jeweils drei Tage; Vigilfasten – Fasten vor hohen Feiertagen wie Weihnachten, Pfingsten, Ostern, Peter und Paul, Mariä Himmelfahrt.

Wir unterscheiden drei Arten des Fastens. Einmal das Abbruchsfasten, das darin besteht, daß man sich an der Speise Abbruch tut, daß man also weniger ißt, daß man sich nur einmal sättigt am Tag. An zweiter Stelle das Enthaltungsfasten oder Abstinenz genannt. Dieses Fasten besteht darin, daß man auf bestimmte Speisen verzichtet, in unseren Breiten auf Fleisch und Fleischspeisen. Und schließlich die dritte Art, die beides zusammenfaßt – Fasten und Abstinenz.

Die Kirche ist im Laufe der Jahrhunderte zu immer größerer Nachsicht in bezug auf das Fasten gekommen. In den Zeiten, da der Geist noch in den Menschen lebendig war, wurde streng gefastet, 40 Tage lang hat man sich nur einmal gesättigt, und außerdem wurden die Quatember- und die Vigilfasten beachtet. Aber die Christenheit hat solche Strenge nicht ertragen wollen, vor allem als im 16. Jahrhundert ein Mann namens Luther aufstand und das Fastengebot in Grund und Boden verdammte. Es war im 16. Jahrhundert immer ein Zeichen, daß jemand vom katholischen Glauben abgefallen war, wenn er das Fastengebot nicht mehr hielt. Luther hat seiner Bewegung damit viele Anhänger verschafft, daß er das Fasten abschaffte; denn die meisten Menschen sagen eben: „Ich will essen, wann es mir schmeckt. Ich will mir von der Kirche nicht in den Kochtopf schauen lassen.“ Und mit dieser Parole wie mit vielen anderen hat dieser Herr aus Wittenberg große Triumphe gefeiert.

Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum die Kirche glaubte, auch nicht mehr an dem vollen, strengen Fasten festhalten zu können. Die Konkurrenz des Protestantismus, der eben das Fastengebot verwarf und bis heute verwirft, war zu stark.

Es sind dann die wenigen Fast- und Abstinenztage übrig geblieben, die wir heute noch haben, nämlich zwei Fasttage und die Freitage als Abstinenztage. Die beiden einzigen Fasttage, die heute noch vorgeschrieben sind, sind der Aschermittwoch und der Karfreitag. Abstinenztage sind dagegen alle Freitage des Jahres. Die Abstinenz ist ein schönes Zeichen der Erinnerung an den Tod Christi; denn natürlich enthalten wir uns am Freitag von Fleisch, weil an diesem Tage der Herr und Heiland für uns gestorben ist. Wir wollen ihm zeigen, daß wir uns daran erinnern, daß wir dankbar dafür sind und daß wir ihm unsere Dankbarkeit durch die Tat bezeugen, daß wir etwas mit ihm leiden wollen, und wenn es auch nur in der bescheidenen Form ist, daß wir auf die beliebten Fleischspeisen verzichten. Aber daran sollten wir um jeden Preis und in jedem Falle festhalten. Ja, das sollte auch ein Kennzeichen von uns Katholiken sein, daß wir aus Liebe, Dankbarkeit und Mitleid mit unserem Heiland an diesem Tage Abstinenz halten.

Das Fasten hat viele wohltätige Wirkungen. Wer fastet, dessen Geist wird klar. Schon in der Schule haben wir den Satz gelernt: „Ein voller Bauch studiert nicht gern.“ Und tatsächlich ist das (viele) Essen und die Eßlust der Beförderung der geistigen Tätigkeit nicht günstig. Dagegen ist die Bescheidung im Essen geeignet, die Verstandestätigkeit zu erleichtern.

Fasten stärkt auch den Willen; denn wer sich überwindet im Essen, in der Eßlust, in der Gaumenlust, der ist auch imstande, andere Versuchungen und Verlockungen zu überwinden. Fasten stärkt den Willen. Fasten erwirbt auch Tugenden; denn wer sich in der Nahrungsaufnahme überwindet, der beherrscht auch seine sonstigen Ungebärdigkeiten, der gewinnt also Sanftmut, Geduld, Keuschheit, er ist durch das Fasten geübt, die Gereiztheit, die Ungeduld, die Unkeuschheit zu besiegen.

Fasten sichert auch die Erhörung des Gebetes. Wir lesen immer wieder im Buch der Bibel, wie Menschen durch das Gebet und durch das Fasten Gott gewissermaßen gezwungen haben, daß er ihnen gnädig war. Als Jonas in die große Stadt Ninive ging und verkündete, daß sie untergehen werde, da zog der König seine herrlichen Gewänder aus und setzte sich in die Asche. Da verkündete er ein allgemeines Fasten für Menschen und Tiere, und durch diese Bußübung bewogen, verschonte Gott Ninive. Die Erhörung des Gebetes sehen wir auch bei der Errettung der Stadt Bethunia. Diese Stadt wurde von dem Feldherrn Holofernes belagert. Die Bewohner nahmen ihre Zuflucht zum Fasten. Da erweckte Gott eine Frau, um sie von dem feindlichen Heer zu befreien, Judith, die den Holofernes tötete.

Die Fastenden sind die Freunde Gottes. Durch Fasten war Moses geeignet, mit Gott Umgang zu pflegen und die 10 Gebote entgegenzunehmen.

Auch die Gesundheit wird durch Fasten gefördert. Der Arzt Hippokrates, der Stammvater gewissermaßen der Ärzte, hat einmal das Diktum geprägt: „Ich habe mich niemals sattgegessen.“ Er hat angeblich ein Alter von 140 Jahren erreicht. Das Fasten ist geeignet, den Körper länger zu erhalten als das Nachgeben gegenüber der Eßlust.

Nun gibt es Menschen, die sagen: „Hat nicht der Heiland selbst gesagt: 'Nichts, was in den Mund hineingeht, verunreinigt den Menschen'? Sind denn die Speisen schlecht?“ O gewiß nicht. Aber der Heiland hat auch gesagt: „Was aus dem Herzen kommt, verunreinigt den Menschen!“ Und das ist, auf das Fasten oder auf das Essen angewandt, eben die Gaumenlust, das ist der Ungehorsam gegen die Gebote der Kirche, die nun einmal sagt: „Du sollst die gebotenen Fast- und Abstinenztage halten!“ Das verunreinigt den Menschen!

Gewiß ist das Fasten nicht die Vollkommenheit, aber verbunden mit Gebet und Almosen kann das Fasten leicht zur Vollkommenheit führen. Gebet, Fasten und Almosen – das sind für uns, die wir nicht im Kloster leben, die geeigneten Wege,um die Vollkommenheit zu erlangen. Wenn man fastet, soll man gleichzeitig beten und dem Nächsten durch Mildtätigkeit helfen. Auf diese Weise wird das Fasten fruchtbar für unsere Beziehung zu Gott und zum Menschen.

„Du sollst die gebotenen Fast- und Abstinenztage halten!“ Wir wollen dieses Gebot, meine lieben Christen, so ernst nehmen, wie es von der Kirche gemeint ist. Und wenn es in den letzten Jahren, Jahrzehnten, ja schon eigentlich Jahrhunderten abgeschwächt worden ist, dann soll es uns doch eine Mahnung sein, einmal die verbliebenen Fast- und Abstinenztage gewissenhaft zu halten und zum anderen an den anderen Tagen ein bescheidenes, ein genügsames Leben zu führen, das ersetzt, was an Fasttagen heute nicht mehr geboten ist. Der Segen dieses Gehorsams wird sich in unserem Leben zeigen.

Amen.

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