Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Mai 2018

Dankbarkeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am Schluss der heutigen heiligen Messe werden wir beten: „Erfüllt mit heiligen Gaben, bitten wir dich, o Herr, gib, dass wir allezeit in Danksagung verharren.“ Danksagung ist Ausdruck der Dankbarkeit. Dankbarkeit ist jene Tugend, die den Willen geneigt macht, empfangene Wohltaten anzuerkennen und zu vergelten. Mit ihr soll eine gewisse Schuld gegen andere abgetragen werden. Dankbarkeit schulden wir Gott und den Menschen. Die biblische Auffassung führt alle Dankbarkeit auf die religiöse Dankbarkeit zurück. Im Alten Testament ist Dankbarkeit ein gewichtiger Teil der Gottesverehrung. Der Mensch muss danken, wenn er Gott in der rechten Weise verehren will. Im Neuen Testament schlägt Paulus den Grundakkord christlichen Lebens an, wenn er an die Epheser schreibt: „Danket allezeit Gott, dem Vater, für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus“ – danket allezeit Gott, dem Vater, im Namen unseres Herrn Jesus Christus für alles. Unser erster Dank an Gott ist die Anerkennung und das Lob der Wirklichkeit des unendlichen Gottes. Im Gloria der heiligen Messe sprechen wir: „Wir danken dir für deine große Herrlichkeit“, d.h. wir danken Gott dafür, dass er so ist, wie er ist. Unser Gott ist kein Baal und kein Moloch und auch kein Allah, der den Selbstmordattentätern das Paradies verspricht. Unser Gott ist der Schöpfer Himmels und der Erde, der Vater Jesu Christi, der Vater der Erbarmungen und der Gott allen Trostes. Wir danken sodann für die Menschwerdung des LOGOS, des Wortes Gottes, des Sohnes des Vaters: „Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen und hat Fleisch angenommen.“ Dass der Unsichtbare sichtbar geworden ist, dass der Schöpfer die Gestalt des Geschöpfes angenommen hat, dieses unfassbare Geschehen ist wahrhaft Anlass zu nie endendem Dank. Wir danken Gott, Jesus Christus und dem Heiligen Geist für die Lehre, die sie uns in der Natur und in der Offenbarung geschenkt haben. Wir wissen, wer Gott ist und was wir ihm schulden. Wir kennen seinen heiligen Willen über den Menschen. Wir haben vom dreifaltigen Gott gelernt, wozu wir auf Erden sind, wie wir unser Leben zu gestalten haben, was es um Ehe und Jungfräulichkeit ist. Dankbar müssen wir sein, dass wir in der wahren katholischen Kirche leben und sein dürfen. Sie ist der Leib Christi, das Haus Gottes. „Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad in seine Kirch berufen hat.“ Welches Glück ist es, einer Kirche anzugehören, die solche Frauen wie Katharina von Siena und Theresia von Avila und Männer wie Franz von Sales und Johannes Vianney hervorgebracht hat, welches Glück ist es. Gott hat seines Sohnes nicht geschont, sondern ihn für die ganze Menschheit als Sühnopfer hingegeben. Wir danken Gott für das Opfer seines Sohnes. Er hat ihn in den Tod gegeben, um allen Menschen den Weg zum Leben, zum Leben in der Gnade und in der Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott zu ebnen. Gott wollte diesem Opfer gleichsam Dauer verleihen, indem wir sein Gedächtnis und seine Vergegenwärtigung feiern dürfen. Die Feier der Eucharistie ist Danksagung an Gott durch Jesus Christus für die Gabe der Erlösung. Mit Preis und Danksagung hat schon die Urkirche das Todesgedenken ihres Herrn begangen. Welches Glück ist es, im Messopfer in das Leiden, Sterben und Auferstehen des Herrn eingehen zu dürfen. Ich zögere nicht, meine lieben Freunde, von mir selbst zu bekennen: Für mich ist das größte Glück dieses Lebens, täglich das Messopfer feiern zu dürfen. Wir müssen Gott im besonderen Dank sagen für die Gabe des Herrenleibes in der heiligen Kommunion. Gott gibt uns in der Kommunion nicht einen Gegenstand, er gibt sich uns selbst. Obgleich Gott allmächtig ist, konnte er nichts Besseres geben. Obwohl er der Weiseste ist, wusste er nichts Besseres zu geben. Obwohl er der Reichste ist, hatte er nichts Besseres zu geben. In der konsekrierten Hostie ist der Herr Himmels und der Erde wahrhaft, wirklich und wesentlich zugegen. Er ist zugegen mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit. Dafür Dank zu sagen, ist wahrhaft, würdig und recht.

Dankbarkeit, meine lieben Freunde, ist die Antwort der Liebe auf empfangene Liebe. Danken müssen wir Gott für seine Allwirksamkeit. Wir haben ja vor einigen Wochen davon gesprochen, dass Gott die Schöpfung fortwährend neu hervorbringt. Seine Erhaltung ist nichts anderes als die Fortsetzung der Schöpfung. Er ist in allem Tun, auch in allem menschlichen Tun, der Haupttätige. Wir stimmen ein und arbeiten mit ihm zusammen in allem, was wir denken, reden, handeln. Dank müssen wir Gott sagen für die Wohltaten, die wir von ihm empfangen haben. Er ist der Spender aller natürlichen und übernatürlichen Gaben. Wir schulden ihm Dank für seine Vorsehung. Wir danken ihm für seine Fügungen und Führungen. Gewiss, er hat uns Kummer und Leid nicht erspart. Kein Mensch kommt an Prüfungen und Versuchungen vorbei. Ein jeder muss Schweres tragen und ertragen, so will es das Gesetz Christi. Dennoch wird wohl niemand unter uns sein, der nicht sagen kann: „In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet.“ Wir schulden Gott Dank für seine Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist die Liebe zu dem gefallenen Geschöpf, zu der verunglückten Kreatur. Gott hat den Menschen nicht in seinem Sündenelend gelassen, er hat sich aufgemacht, ihn aus der Sündenmacht zu befreien. Er hat diese Befreiung mit seinem eigenen Leben bezahlt. Durch sein kostbares Blut hat er die Vergebung der Sünden erwirkt.

Der Dank gegen Gott muss eigentlich immer in uns sein, er darf nie verstummen. Der heilige Vinzenz von Paul sagte einmal: „Man muss mindestens so viel Zeit aufwenden, zu danken, wie man Zeit verwendet, zu bitten.“ Der Dank gegen Gott muss schon im Morgengebet laut werden. „O Gott, du hast in dieser Nacht so väterlich für mich gewacht. Ich lob und preise dich dafür und dank für alles Gute dir.“ Wir sollen an jedem Morgen beten: „Ich danke dir für diesen Tag, dass ich ihn erleben darf. Lass mich ihn zu deiner Ehre, zum Heil meiner Seele, zum Segen für die übrigen Menschen verbringen.“ Ähnlich ist es am Abend. Es geziemt sich ein Abendgebet: „Bevor ich mich zur Ruhe begeb, zu dir, o Gott, mein Herz ich heb, und sage Dank für jede Gab, die ich von dir empfangen hab.“ Gott ist der Spender aller natürlichen und übernatürlichen Gaben. Und so schulden wir ihm Dank für Nahrung, Kleidung und Wohnung. Nichts ist selbstverständlich. Denken wir an die vielen Hungernden, an die vielen Unbehausten, an die vielen Nackten in dieser Welt. Gott, dem Spender aller Gaben, zu danken für die Ernährung, für Speise und Trank ist ein gewichtiges Element der Gesamthaltung gegenüber Gott; deswegen sind die Tischgebete so wichtig. In ihnen wird der Dank gegen Gott laut. Wir wissen, wie abhängig unsere Bauern, Landwirte und Gärtner vom Wetter und vom Klima sind. Sonnenschein und Regen müssen zur rechten Zeit und im rechten Maße eintreten, wenn die Saaten gedeihen und die Früchte reifen sollen. Gott ist der Herr auch der Tiefdruckgebiete. Trockenheit und Regenfluten, Frost und Hagel können verheerenden Schaden an Saaten und Früchten anrichten. So sind wir aufgefordert, Gott für das Gedeihen der Feldfrüchte zu danken. Es gibt ein eigenes Fest, an dem der Dank für die Ernte ausgesprochen wird: das Erntedankfest. Die Israeliten feierten sogar zwei Erntedankfeste: das erste für die Getreideernte, das zweite für die gesamte Ernte. Wir schulden Gott Dank dafür, dass wir arbeiten dürfen, dass wir einen Beruf haben, in dem wir uns auswirken und unseren Unterhalt verdienen dürfen. Es ist ein unbeschreibliches Glück, arbeiten zu dürfen. Schauen wir auf die Unglücklichen, die durch körperliche oder geistige Leiden daran gehindert sind, sich in den Arbeitsprozess einzugliedern. Schauen wir auf die Bedauernswerten, die keinen Arbeitsplatz finden und das harte Brot der Arbeitslosigkeit essen müssen. Die Heiligen haben es dahin gebracht, Gott sogar für das Leid, das ihnen geschickt wurde, zu danken. Der heilige Johannes vom Kreuz erbat von Gott als Geschenk, er möge ihn in Verachtung und Misshandlung weiterleben lassen, damit er für ihn noch mehr leiden könne. Mein unvergesslicher Bischof Ferdinand Piontek lehrte uns im Priesterseminar, wie wir uns bei Unglück, Verlust und Schicksalsschlägen verhalten sollen. Er sagte, dann sollen wir beten: „Es ist gut mich, dass du mich gedemütigt hast.“ Das ist der Dank: Es ist gut für mich, dass du mich gedemütigt hast. Danken müssen wir Gott für die wertvollen Menschen, die wir kennenlernen dürfen. Ihre Qualitäten, ihre Fähigkeiten, ihre Tugenden lassen uns nicht an den Menschen irre werden. Wir erleben ja so viel Lüge und Täuschung, Untreue und Verrat, da tut es wohl, wertvolle, aufrichtige, treue, zuverlässige Menschen zu finden, ihnen zu begegnen, sich von ihren Tugenden beschämen und erbauen zu lassen.

Der Christ führt alles Gute auf die Schöpfung und das Christusereignis zurück. Seine Danksagung schließt aber auch jene ein, die ihm die Gaben der Schöpfung und des Heils vermitteln, also die Menschen. Wir müssen danken den Menschen, die uns das Leben geschenkt haben, die uns im Leben begleitet haben, die uns in der Not beigestanden haben, die uns in der Trübsal getröstet haben. Danken müssen wir unseren Priestern und Lehrern. Wir haben von ihnen Unvergängliches empfangen. Der Dank gegen Menschen wird durch den Gedanken an Gott vertieft. Der Wohltäter erkennt sich als Verwalter Gottes. Er gibt weiter, was er von Gott empfangen hat. Er läutert seine Absicht, er empfindet das Geben als eine Ehre und eine Freude. Und umgekehrt: Der Beschenkte schaut gleichfalls zum erhabenen Ursprung alles Guten auf. Er sieht hinter dem freigiebigen Menschen den göttlichen Schenker, der ihm diese Gaben zu verleihen eingegeben hat. Er vereint in sich selbst Demut und Würde, und er wird gemahnt zum gewissenhaften Gebrauch der Gaben.

Danksagung, Dankbarkeit ist eine Grundhaltung der Jünger Jesu. Paulus fordert die Apostel und die Gläubigen auf, Gott für alles zu danken durch Jesus Christus – für alles. Als der heilige Johannes Chrysostomos nach einer schmerzhaften Verbannung – man hatte ihn ja vertrieben von seinem Bischofssitz – den Tod kommen sah, da sprach er: „Gott sei Dank für alles.“ Dankbarkeit, meine lieben Freunde, ist der Schlüssel zum Glück. Man kann nicht dankbar und unglücklich sein. Der Undank ist immer eine Art Schwäche. „Ich habe nie gesehen, dass tüchtige Menschen undankbar gewesen wären“, hat einmal Goethe gesagt. Ich habe nie gesehen, dass tüchtige Menschen undankbar gewesen wären. Der Apostel Paulus sieht im Undank gegen den erkannten Gott die letzte Quelle des Heidentums. Im Römerbrief schreibt er: „Obwohl die Heiden Gott kannten, haben sie ihn nicht als Gott geehrt oder ihm Dank abgestattet, sondern wurden nichtig in ihren Überlegungen, und ihr unverständiges Herz verfinsterte sich.“ Wir werden am Schluss dieser heiligen Messe beten: „Erfüllt mit heiligen Gaben, bitten wir dich, o Herr, dass wir allezeit in Danksagung verharren.“

Amen.

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