Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
19. Oktober 2014

Außerhalb der Kirche kein Heil

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Das Heil des Volkes bin ich, so spricht der Herr, beobachtet meine Gesetze.“ Mit diesen Worten beginnt die heutige heilige Messe, der Introitus, das Eingangslied. „Das Heil des Volkes bin ich, so spricht der Herr, beobachtet meine Gesetze.“ Mit diesen Worten ist der Grundgedanke des heutigen Evangeliums ausgedrückt. Der Vergleich mit einer Hochzeit, mit einem Hochzeitsmahl, mit einem hochzeitlichen Gewand ist hergebracht in der israelitischen Religion. Beim Propheten Hoseas heißt es: „Ich vermähle mich mit dir (dem Volk) auf ewig, ich vermähle mich mit dir rechtskräftig und gesetzlich; in Zartheit und Liebe vermähle ich mich mit dir auf das Festeste, dann wirst du deinen Herrn erkennen.“ Gott will unser Gott, wir sollen sein Volk sein. Das ist der Sinn dieses Hochzeitsbildes. Zu einer solchen Hochzeit gehört das hochzeitliche Gewand. Die Stände wurden – zumindest früher – durch ihr Gewand unterschieden. Jeder Stand hatte sein eigenes Kleid. Und auch heute noch treten ja Polizeibeamte in ihrer Kleidung auf, Soldaten in ihrer Uniform, Bahnbedienstete mit ihrem Dienstkleid. Wir haben auch ein Gewand bekommen bei der Taufe. Da hat der Priester zu uns gesprochen: „Nimm hin dieses hochzeitliche Gewand, dieses weiße Kleid und trage es unbefleckt vor den Richterstuhl unseres Gottes.“ Dieses hochzeitliche Gewand ist die heiligmachende Gnade, ist die Freundschaft, mit der wir zu Gott stehen, ist seine Huld, die uns mit einer neuen Qualität überkleidet.

Diese Gedanken vom Hochzeitsmahl, vom hochzeitlichen Kleid enthalten eine zweifache Lehre für uns, nämlich erstens: Die Geladenen wollten nicht kommen. Wer sind die Geladenen? Es sind alle Menschen. Alle Menschen sind geladen, die Offenbarung Gottes in Christus anzunehmen. Jesus ist der universale Offenbarer und Träger der Wahrheit. „In keinem anderen“, so predigt Petrus an Pfingsten, „in keinem anderen ist Heil. Es ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben den Menschen, dass sie mit ihm sollten selig werden.“ Rettung gibt es nur in Christus. Das ist keine Anmaßung, das ist der Wille Gottes. Niemand kann nach seiner Fasson selig werden. Alle, die erlöst werden und zum Heil kommen, werden es durch Christus. Er selbst sagt von sich: „Niemand kommt zum Vater als durch mich.“ Ohne Christus gibt es kein Heil. Christus lebt in seiner Kirche weiter. Die Kirche ist sein Organ, mit dem er die Menschen zum Heil führt. Die Kirche vermittelt das Heil. Und deswegen, weil Christus und Kirche untrennbar miteinander verknüpft sind, gibt es keine Möglichkeit, gerettet zu werden, ohne die Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in Übereinstimmung mit der gesamten zweitausendjährigen Lehre der Kirche erklärt: „Die einzige wahre Religion ist verwirklicht in der katholischen, apostolischen Kirche, die von Jesus den Auftrag erhalten hat, sie unter allen Menschen zu verbreiten.“ Also muss sich auch ein jeder dieser Kirche anschließen. Sie ist der Hort der Wahrheit, sie allein. Die Kirche ist das universale vom Sohne Gottes eingesetzte Heilssakrament. Außerhalb der Kirche ist kein Heil. Wir wissen, dass in anderen Religionen Splitter der Wahrheit sind, Elemente der Wahrheit, Spuren – vestigia – Spuren der Wahrheit. Aber sie sind weder ein Heilsweg noch ein Heilsmittel. Nun ist aber Gott gerecht. Er lohnt und straft nach den Taten der Menschen in Gerechtigkeit. Er schenkt und versagt das Heil nach Verdienst und Schuld. Deswegen gilt: Es wird niemand verworfen, der ohne Schuld ist. Wer also ohne Schuld die Kirche nicht findet, aber Gott aus ehrlichem Herzen sucht, kann durchaus das Heil erlangen. Alle, die außerhalb der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche stehen, erlangen es durch die Kirche, weil sie nämlich den Willen haben, alles das zu tun, was Gott zu ihrem Heil verordnet hat. Nun hat aber Gott verordnet, dass sie in die Kirche eintreten. Also wären sie, wenn sie es erkennen würden, auch bereit, in diese Kirche einzutreten. In diesem Sinne ist die Kirche tatsächlich allein-seligmachend. Sie ist die Arche des Heiles, und sie vermittelt den Menschen das Heil. Alle Erlösungsgnaden fließen nur mit Hinblick auf Christus und seine Kirche.

Die Kirche lädt nun alle ein, sich ihr anzuschließen. Aber nicht alle folgen der Einladung. Warum treten die Menschen nicht in die Kirche ein? Die Einladung steht. Warum folgen sie ihr nicht? Vor kurzem hat der lutherische Pfarrer Andreas Theurer ein Büchlein geschrieben mit dem Titel: „Warum werden wir nicht katholisch?“ Er selber ist nämlich mit seiner Familie katholisch geworden. Ja, warum werden sie nicht katholisch? Wir vermögen nicht, in die Herzen der Menschen zu schauen. Aber wir können aus ihrem Reden und Verhalten erschließen, warum sie der Kirche fern bleiben. Viele bemühen sich nicht um religiöse Erkenntnis; sie suchen die Wahrheit nicht. Sie geben sich zufrieden mit der Arbeit und Erholung, mit Essen und Trinken. Sie sind zufrieden, wenn sie die Bedürfnisse des irdischen Lebens befriedigen können. Für bescheidene religiöse Ansprüche haben sie ja die ökumenischen Andachten. Manche haben auch keine Gelegenheit, wahrhaft überzeugte und nach ihrer Überzeugung lebende katholische Christen zu erleben. Es fehlt ihnen das Vorbild. Und das ist die Frage, die wir an uns stellen müssen: Sind etwa wir schuld, dass die Menschen nicht zur Kirche finden? Versperrt ihnen unser Leben den Zugang zu der Arche des Heiles? Ich kannte die evangelische Frau eines katholischen Gemüsehändlers. Die Frau sagte eines Tages zu mir: „Ich wäre katholisch geworden. Aber wenn man ein Bild vor sich hat wie ich mit meinem Manne, der die Religion überhaupt nicht praktiziert und noch ein Ehebrecher ist, wie soll ich dann zu dieser Kirche finden?“ Seit dem nachkonziliaren Zusammenbruch in unserer Kirche fällt es suchenden Menschen schwer, in ihr und durch sie die Wahrheit zu finden. Die Einheit im Glauben ist zerbrochen! Wir haben Prediger und Religionslehrer, die nicht mehr den wahren Glauben predigen und verkündigen. In der Vergangenheit konnten wir gegen Irriges lehrende Amtspersonen die sichere Verkündigung der Träger des kirchlichen Lehramtes anrufen. Aber auch in dieser Hinsicht hat sich manches gewandelt. Es gibt Bischöfe, die nicht mehr fraglos hinter der Lehre der Kirche stehen! Ich erinnere an Äußerungen der Herren Ackermann und Marx. Können die Menschen die Kirche finden, wenn der Anschein entsteht, sie sei nicht mehr die Säule und Grundfeste der Wahrheit? Wenn auch am Heiligen Stuhl Zweifel aufkommen? Der große Jurist Carl Schmitt hat es so formuliert: „Alles schwimmt, sagt Heraklit; der Felsen Petri, der schwimmt mit.“ Was soll denn die Bischofssynode, die wir soeben erlebt haben? Wissen wir nicht mit untrüglicher Sicherheit, was der Wille Gottes über der Ehe und über der geschlechtlichen Sittlichkeit ist? Wissen wir es nicht seit zweitausend Jahren? Benötigen wir eine derartige Versammlung, wo nur verkehrten Ansichten eine Plattform geboten wird?! Jedermann sieht, dass hier von Bischöfen und Kardinälen an der Lehre der Kirche gerüttelt wird! Kommunionwürdig ist, wer frei von schwerer Sünde ist. Wer in einer ungültigen Ehe lebt, der befindet sich im Dauerzustand der schweren Sünde. Nur wenn er ihn beendet, kann er den Leib des Herrn empfangen. Ein sündhafter Zustand – das möchte ich dem Herrn Kardinal Kasper sagen – ein sündhafter Zustand hört nicht dadurch auf, sündhaft zu sein, dass er lange andauert. Ist das so schwer zu verstehen?

Einem der Geladenen fehlte das hochzeitliche Gewand. „Freund, – Freund! – wie bist du hier hereingekommen ohne hochzeitliches Gewand?“ Der Mann verstummte; er war verlegen, er wusste keine Antwort. Seine Verfehlung ist schwerwiegend. „Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die Finsternis draußen.“ Für ihn ist kein Platz in dem festlich erleuchteten Hochzeitssaal. Meine lieben Freunde, am vergangenen Sonntag wurde hier in dieser Kirche um 15.00 Uhr der neue Pfarrer eingeführt. Dabei wurde das Evangelium vom Hochzeitsmahl vorgetragen. Aber hören und staunen Sie, ohne den Schluss von dem Manne ohne hochzeitliches Gewand. Das hat man weggelassen. Passt es nicht mehr in die nachkonziliare Szene? Verstößt es gegen den heute üblichen Heilsoptimismus?

Die Berufung zum Christentum ist noch nicht die Rettung. Wir müssen vielmehr im Christentum verharren, wir müssen in der Kirche bleiben, wir müssen wahre Glieder des Leibes Christi werden. Glieder, meine lieben Freunde, können den Leib nicht verlassen. Sie können abgeschnitten werden, aber dann müssen sie sterben. Menschen, die aus der Kirche fliehen, verlassen die Arche des Heiles. Warum tun sie das? Häufig aus irdischen, weltlichen Gründen. Wegen der Kirchensteuer, so sagt man, oder wegen ärgerlicher Vorfälle von Priestern und Bischöfen. Meine lieben Freunde, sind wir in die Kirche eingetreten wegen eines Menschen oder wegen unseres Gottes und Heilandes? Und bleiben wir in der Kirche wegen eines Menschen oder wegen der Wahrheit und der Gnade? Verlässt jemand den Fußballclub FC Bayern, weil Uli Hoeneß ins Gefängnis gehen musste wegen Steuerhinterziehung? Kündigt jemand sein Konto bei der Deutschen Bank, weil da ein Manager vor Gericht gezogen wird? Hier in Budenheim wurde ein vor Jahrzehnten am Ort wirkender Pfarrer verdächtigt, eine unerlaubte Beziehung zu einer in der Pfarrei tätigen Dame zu unterhalten. Eine meiner Nachbarinnen hat sich deswegen von der Kirche abgewandt, wie mir ihr Mann, der Protestant ist, erzählte. Ich habe zuverlässige Männer dieser Pfarrei befragt. Männer, die um die Verhältnisse wissen. Sie haben mir entschieden und einmütig gesagt: „Diese Behauptung ist ein falsches Gerücht. Daran ist nichts wahr.“ Ich habe noch nie etwas davon gehalten, sich wegen Schwächen und Mängeln von Menschen von der Kirche zu trennen. „Die Trennung von der Kirche ist immer ein größeres Übel als die Übel, denen man durch die Trennung entgehen will“, schrieb im dritten Jahrhundert der heilige Bischof Cyprian. Die Trennung von der Kirche ist immer ein größeres Übel als die Übel, denen man durch die Trennung entgehen will. Was bringt die Flucht aus der Heilsgemeinde Christi? Woraus wollen die Flüchtlinge das Wort Gottes entnehmen? Woher die Gnade schöpfen? Wer hindert uns, fromm zu sein, wenn ein Priester und ein Bischof versagt?

Wir müssen in der Kirche bleiben und in der Kirche als Christen leben. Im zweiten christlichen Jahrhundert schrieb Justin in seiner Verteidigungsschrift für die Christen: „Wenn ein Christ in seinem Wandel sich nicht so zeigt, wie Christus uns gelehrt hat, so soll er nicht als Christ angesehen werden, mag er auch mit der Zunge die Lehre Christi bekennen.“ Auf das Leben kommt es an, auf die Verwirklichung. An erster Stelle muss ein Glied der Kirche im unverkürzten Glauben der Kirche stehen. Der Glaube prägt die Kirche, gibt ihr ein unverwechselbares Gesicht. Wer zur Kirche gehören will, muss ihren Glauben teilen. Was nützt es, in die Kirche aufgenommen zu werden und nicht am Glauben der Kirche festzuhalten. Unser Heil hängt am Glauben. Der Apostel Paulus hat es immer wieder eingeschärft, so im Brief an die Römer: „Wenn du mit dem Munde bekennst, Jesus ist Herr, und im Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten erweckt hat, dann wirst du gerettet werden.“ An die Korinthergemeinde schreibt er: „Ich tu euch das Evangelium kund, dass ich euch gepredigt habe, dass ihr angenommen habt, indem ihr fest steht. Durch dieses werdet ihr auch gerettet, wenn ihr es so festhaltet, wie ich es euch verkündet habe, denn sonst wäret ihr vergeblich gläubig geworden.“ Wir glauben, wie die Kirche glaubt, nicht was ein Theologe uns vorträgt. Vor wenigen Wochen fragte mich eine Krankenschwester nach dem Tübinger Theologen Küng. Ich sagte ihr: „Das ist ein Abgefallener.“ Da wurde sie böse und sagte: „Dann bin ich auch abgefallen.“ Denn sie hatte sich offenbar auf diesen Mann eingelassen und seine Theologie. Aber Küng ist kein Christ mehr. Das bezeugt ein so berühmter Theologe wie Hans Urs von Balthasar.

An zweiter Stelle muss ein Christ treu zur Sittenlehre der Kirche stehen.Was nützt es, Glied der Kirche zu sein, aber die Gebote, die sie in Gottes Namen verkündet, zu missachten. Das Halten der Gebote verbindet uns doch mit Christus, es bekräftigt die Zugehörigkeit zur Kirche, es bezeugt unsere Liebe zum Heiland. Niemand hat das deutlicher ausgesprochen als der Apostel Johannes: „Daran erkennen wir, dass wir ihn (Christus) erkannt haben, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner und in dem ist nicht die Wahrheit.“ Es ist das unmessbare Glück, meine lieben Freunde, dass wir die Gebote Gottes kennen. Wir dürfen über vieles froh sein, was in unserer Kirche vorhanden ist, aber ich persönlich habe es immer als ein wahrhaftig unmessbares Glück empfunden, zu wissen, was ich tun muss, weil Gott es so geordnet hat. Denn das ist der Weg des Heiles. Es kann nichts heilsam sein, was gegen den Willen Gottes ist. Es ist metaphysisch unmöglich, dass eine Sünde dem Menschen Heil bringt – das ist metaphysisch unmöglich. Die Gebote des Herrn sind ein sicherer Führer. Sie belehren den Menschen, sie machen Toren zu Weisen. Christus, meine lieben Freunde, macht seine Jünger für die getreue Weitergabe seines Erlösungswerks an alle Menschen bis ans Ende der Zeit verantwortlich. Was er den Aposteln auftrug: „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern“, das ist an uns gesagt. Beim Gericht werden wir gefragt werden: Was hast du getan, um die Menschen deiner Umgebung zum Glauben, zur Kirche zu führen? War dein Leben ein Zeugnis für Christus?

Amen.

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