Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
24. Juli 2011

Die Taufe – das Sakrament der Begnadung und des Heiles

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am gestrigen Samstag las ich in der Mainzer Zeitung eine Anzeige, wie ich sie noch nie gelesen hatte. Es zeigte eine Familie die Geburt und Taufe ihrer Tochter Mathilde an, am 7 Juli geboren, am 16. Juli getauft. Und der kundige Vater hatte über diese Anzeige geschrieben: „Dieses Bad wäscht das Gefäß nicht einfach ab, sondern schmilzt es vollständig um.“ Ein Wort des heiligen Johannes Chrysostomus. Dieses Bad wäscht das Gefäß nicht einfach ab, sondern schmilzt es vollständig um.

Die Geburt zu dem irdischen Leben ist nicht zugleich die Geburt zum ewigen Leben. Es braucht eine Wiedergeburt, und diese gewährt das Bad der Taufe. Diese Anzeige paßt gut zu der Epistel des heutigen Sonntags, denn sie spricht ja von der Taufe. Sie ist eine Epistel der Tauftheologie. Es ist wichtig, sich zu erinnern, was die Taufe ins uns bewirkt: Sie macht aus einem Kind Evas ein Kind Gottes, aus einem Nichtbegnadeten einen Begnadeten. Sie ist das Sakrament der Begnadung. Sie ist das Sakrament des Heiles. Niemand kann gerettet werden, der nicht durch dieses Tor in das Christusgeheimnis eingegangen ist.

Die Menschen des Alten Bundes erwarteten ihr Heil von der Beobachtung des Gesetzes. Viele haben das Gesetz ernst genommen, haben sich gemüht, es zu halten. Aber dieses Heilsmittel ist abgetan durch Jesus Christus. Das alttestamentliche Gesetz ist gefallen mit dem Christusereignis. Christen werden des Heiles nicht teilhaftig durch das alttestamentliche Gesetz, sondern durch den Anschluß an Christus, durch die Hineinnahme in das Leben Christi. Durch Christus gelangen sie zum himmlischen Vater. Aber zu Christus kommt man nur durch den Glauben und durch die Taufe. Der Christ ist also frei vom alttestamentlichen Gesetz.

Aber diese Freiheit konnte mißdeutet werden, und sie ist mißdeutet worden. Es sind in der frühen Kirche Menschen, Sektierer aufgestanden, die die Freiheit als Ungebundenheit deuteten. Sie meinten, man könne in sittlichen Fragen nach eigenem Gutdünken entscheiden, weil man ja nicht mehr unter dem Gesetz stehe. Der Apostel Paulus wehrt diese verkehrte Auffassung entschieden ab. Er sagt: Es ist unmöglich, dass der Christ noch sündigt. Es ist Falsch, was ihr sagt, nämlich dass man durch reichliches Sündigen Gott Gelegenheit gibt, viel Gnade zu erweisen. Das ist eine unmögliche Formel. Ein Verbleib in der Sünde ist für den Christen unmöglich, denn er ist in der Taufe der Sünde gestorben und zu einem neuen Leben auferweckt worden.

Das ist der Erklärung bedürftig, meine lieben Freunde. Das müssen wir uns erklären lassen. Die Sündenmacht hat einen Anspruch auf den Sünder, denn durch die Sünde begibt er sich in ihre Gewalt. Sie kann über ihn verfügen, und sie hat über ihn verfügt, nämlich durch den Tod. Sie hat den Tod beauftragt, mit dem Sünder so zu verfahren, wie er es verdient, nämlich er muss sterben, er muß ewig sterben. Der Apostel Paulus erkennt diesen Anspruch der Sündenmacht an. Jawohl, die Sündenmacht hat das Recht, den Tod des Sünders zu fordern. Aber diese Forderung ist beglichen, diese Forderung ist abgetan. Sie ist beglichen durch den Sühnetod Christi. Er hat das, was die Sünde zu Recht fordern konnte, nämlich den Tod, er hat diesen Schuldschein an das Kreuz geheftet und ihn dadurch zerrissen. Der Tod Jesu ist ein stellvertretender Sühnetod. Jesus starb nicht für sich, sondern er starb für uns. Er büßte nicht eigene Schuld, er büßte die Schuld der Menschen.

Nun erhebt sich die Frage: Wie kommen wir jetzt in die Nähe des Sühnetodes Christi, wie werden wir mit ihm bekleidet? Wie erfahren wir seine Wirkmacht? Die Antwort lautet: Der Tod Christi wird uns übertragen in der Taufe. Im Sakrament der Wassertaufe wachsen wir zusammen mit Christus, mit Christus, dem Gestorbenen und mit Christus, dem Auferstandenen. Das Wasser überträgt mystisch-sakramental, wirklich und nicht bloß gedacht, überträgt mystisch-sakramental die Wirkung des Todes Christi auf den Getauften. Wir sind getauft auf seinen Tod. Es ist ein wirkliches Sterben, nicht ein gedachtes. Es ist aber ein Geschehen in der Tiefe, das der Erfahrung nicht zugänglich ist. Wir wissen, sagt Paulus, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, denn der Tod Christi war ja ein Kreuzestod. So sind wir also als Kreuzesangehörige mit Christus gekreuzigt worden. Wenn wir aber tot sind für die Sünde, dann kann die Sünde nichts mehr fordern. Ein toter Leib rührt sich nicht mehr. Mit einem toten Leib kann man nichts mehr anfangen. Wir sind also frei geworden von der Sündenmacht. Die Sündenmacht hat ihren Sklaven verloren.

Wir wachsen aber in der Taufe nicht nur zusammen mit dem sterbenden, mit dem gestorbenen, mit dem gekreuzigten Christus, wir wachsen auch zusammen mit dem auferstandenen Christus. Wir werden nicht bloß von seinem Tode erfaßt, sondern auch von seinem Leben. Das ist die gewaltige Wirkung der Taufe: Der Christ, der Getaufte, ist durch dir Taufe ein neuer Mensch geworden und als solcher zu einem neuen Leben befähigt und verpflichtet. Das ist es, was wir zuerst sehen wollen, die Verpflichtung, die Verpflichtung, zu dem Taufgeschehen zu stehen. Wir sind der Sünde tot und sollen also dem Leben dienen, dem Leben in Christus, dem Gnadenleben, dem sittlich einwandfreien Leben. Wir sollen jetzt unsere Glieder Christus zur Verfügung stellen. Wir sollen dem jetzt Dienst leisten, mit dem wir zusammengewachsen sind, nämlich mit dem auferstandenen Christus. Also: Freiheit vom Gesetz heißt nicht Ungebundenheit, sondern heißt Eingehen eines neuen Dienstverhältnisses, jetzt nicht ein Dienstverhältnis gegenüber der Sündenmacht, sondern ein Dienstverhältnis gegenüber Christus. Das alttestamentliche Gesetz hört unwiderruflich auf als Heilsfaktor. Christen werden nicht durch die Beobachtung des alttestamentlichen Gesetzes des Heiles teilhaftig. Sie werden gerecht gemacht und gerettet durch den Glauben an Christus und die Gnade, die Christus uns am Kreuze verdient hat. Die Christen sind frei, aber ihre Freiheit darf nicht mißverstanden werden. Der Kollege des Apostels Paulus, der heilige Petrus, schreibt in seinem ersten Brief: „Ihr seid frei, aber ihr dürft die Freiheit nicht als Deckmantel der Bosheit gebrauchen.“ Nicht als Deckmantel der Bosheit gebrauchen.

Die Taufe bringt also die Verpflichtung, in einem neuen Leben zu wandeln. Neue Menschen müssen in einem neuen Leben wandeln. Sie bringt aber auch die Befähigung, in diesem neuen Leben zu wandeln. Die sittlichen Gebote bestehen ja weiter und sind zu beobachten, aber sie sind jetzt gleichsam eine Selbstverständlichkeit geworden. Wer ein neuer Mensch ist, der muss auch neu leben. Die Beobachtung der Gebote entspringt jetzt dem neuen Leben der Gnade. Die Gebote treten geichsam nicht mehr von außen an den Menschen heran, sondern sie quillen aus seinem Inneren. Er sieht es als selbstverständlich an, dass er jetzt heilig leben muss, nachdem er heilig gemacht wurde. Die Beobachtung der Gebote ist für den Getauften nichts anderes als eine Folgerung aus seinem neuen Leben.

Der Apostel Paulus hat das nicht allein gelehrt. Johannes sagt dasselbe. In seinem ersten Briefe schreibt er: „Wer in Christus bleibt, sündigt nicht.“ Wer in Christus bleibt, sündigt nicht. Das ist ausgeschlossen, das paßt nicht zueinander. Im Getauften sind nämlich die Kräfte der Auferstehung wirksam. Der Christus, mit dem der Getaufte in der Taufe zusammengewachsen ist, überträgt ihm seine Macht, über die Sünde zu herrschen, die Macht, mit der er den Tod überwunden hat.

Auch wir, meine lieben Freunde, werden auferstehen. Wir bekennen nicht als leere Formel im Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten“ oder „Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches.“ Die Auferstehung ist eine notwendige Folge unseres Zusammengewachsenseins mit Christus. Denn Christus stirbt nicht mehr, und wer mit ihm zusammengewachsen ist, auf den gehen auch die Kräfte der Auferstehung über. Wie Christus nicht im Tode geblieben ist, so werden auch die zu Christus Gehörigen nicht im Tode bleiben. Sie werden leibhaftig auferstehen, am Jüngsten Tage gewiß, aber diese Hoffnung ist gesichert. Wodurch? Durch das Angeld. Das ist ein interessanter Begriff, den der Apostel Paulus hier in die Theologie eingeführt hat. Der griechische Ausdruck heißt arrabon, Angeld. Angeld ist soviel wie die Anzahlung. Man macht, wenn man einen Gegenstand erwirbt, eine Anzahlung; die volle Summe wird dann später entrichtet. Aber die Anzahlung gibt schon das Recht auf den Gegenstand. So ähnlich-unähnlich hält es Paulus mit der Taufe. Wir haben die Anzahlung erhalten. Die volle Auszahlung steht noch aus. Und was ist nun die Anzahlung? Die Anzahlung ist eine dreifache. Das Angeld ist nämlich einmal die sittliche Auferstehung, von der ich schon sprach, der Wandel in einem neuen Leben. Die Christen als neue Menschen wandeln in einem neuen Leben. Sie haben Christus angezogen und sie sind deswegen auch zu einem Wandel in Gerechtigkeit und Heiligkeit befähigt und verpflichtet. Wer Christus angezogen hat, ist ein neues Geschöpf. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Die Vergangenheit war dunkel, die Gegenart ist hell. Ihr wart eins Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht, Licht im Herrn. Christen sagen deswegen nicht, die Gebote sind zu schwer, man kann sie nicht halten. Nein, Christen beobachten die Gebote. Wenn unsere Feinde uns höhnisch fragen: Wo sind denn die neuen Menschen, die Christus angezogen haben? Dann verweisen wir auf das Heer der Heiligen, auf alle die Männer und Frauen, deren Name mit S anfängt: Sankt Johannes, Sankt Petrus, Sankt Paulus, Sankt Johannes Bosco, Sancta Cäcilia, Sancta Hildegardis, Sancta Theresia, Sancta Maria Goretti. Wir verweisen auf das Heer der Martyrer und Bekenner, auf das Heer der Frauen und Jungfrauen. In allen Jahrhunderten gab es Menschen, viele Menschen, unzählige Menschen, die in der Kraft der Gnade heroische Tugend bewiesen haben. Menschen, die aus dem Glauben gelebt haben wie Bernhard Lichtenberg, Menschen, die das Fleisch und die Welt besiegt haben. Dem Lamme folgt ein Heldengeschlecht von Männern und Frauen, die niemand zählen kann. Wir haben die neuen Menschen. Und nicht nur die kanonisierten Heiligen gehören dazu, nein, auch die zahllosen unbekannten Christen, die Stillen im Lande, die lauter und ohne Tadel leben, die Gott die Ehre geben und den Menschen Gutes tun, die vielen, die beten und arbeiten, die helfen und schenken, die ein schweres Leben geduldig aushalten, die ein Kreuz tragen, das sonst niemand tragen mag. Jawohl, wir haben die neuen Menschen, und wir haben sie in großer Zahl.

Dann fragen wir aber auch unsere Gegner: Wo sind denn eure Heiligen? Sind sie in den Verbänden der Gottlosen oder in den Vereinen der Schwulen und Lesben? Sind es jene, die Gott nicht gehorchen, die Gott nicht ehren, die Gott nicht danken, deren unverständiges Herz verfinstert ist, die den wahren Gott mit Götzen vertauschen, die Geschöpfe verehren, die Macht, das Geld und die Lust? Sind das eure Heiligen? Wo sind denn eure Heiligen, ihre Feinde Christi? „Sind es jene, die den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen vertauschen? Die Männer, die den natürlichen Umgang mit der Frau aufgeben und in wilder Gier gegeneinander entbrennen?“ wie Paulus im Römerbrief schreibt. Wir haben das Angeld des neuen Lebens. Wir haben die Menschen, die das neue Leben auch tatsächlich verwirklichen.

Ein zweites Angeld, das uns Gott gegeben hat, ist der Heilige Geist. Den Getauften wird der Heilige Geist verliehen. Die Getauften sind Geistempfänger, Geistträger. In Taufe und Firmung sind sie geisterfüllte Menschen geworden. „Wißt ihr nicht, dass ihr Tempel des Heiligen Geistes seid, der in euch wohnt?“ ruft Paulus den Korinthern zu. Wir haben den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, lieber Vater. Wir haben ihn empfangen, wir haben seine Gaben erhalten: Weisheit, Wissenschaft, Verstand, Rat, Stärke, Frömmigkeit, Furcht des Herrn. Wir kennen seine Früchte: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Treue, Sanftmut, Mäßigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit. In diesem Geiste leben wir. Von diesem Geiste lassen wir uns treiben. Das sind die Kinder Gottes, die sich vom Geiste Christi treiben lassen. Wenn wir durch den Geist die Regungen des Fleisches töten, werden wir leben. Diese kostbare Gabe macht uns gewiß: Der uns seinen Geist schenkt, wird uns auch die Vollendung gewähren. Der Geist ist die Erstlingsgabe. Der Erstlingsgabe folgen die weiteren Gaben. Und wem Gott die Erstlingsgabe gibt, dem gibt er auch die ganze Ernte. Wenn der Geist dessen in uns ist, der Christus belebt hat, dann wird auch Gott den sterblichen Leib in uns beleben, eben durch den Geist, der in uns wohnt. Der Geist ist das zweite Angeld.

Es gibt aber noch ein drittes Angeld auf die einstige Auferstehung. Das ist die Einkehr der Seele in den Himmel, die Heimkehr zu Gott. Der Christ, der stirbt, versinkt nicht im Nichts. Der unsterbliche Teil seines Wesens, die geistige Seele, kehrt heim zu Christus. Christus erwartet sie und nimmt sie auf. Er ist vorangegangen als Quartiermacher. Er hat eine Wohnung im Himmel für uns bereitet. Christen hoffen also nicht nur auf die Auferstehung des Fleisches am Ende der Tage, Christen hoffen auch auf die Aufnahme der Seele in die Herrlichkeit Gottes, in die Seligkeit des Himmels. Gewiß, das ist eine Teilerlösung, aber diese Teilerlösung macht uns der Vollerlösung am Ende der Tage gewiß. Paulus ist der Zeuge dieser untrüglichen Hoffnung. „Ich habe das Verlangen“, schreibt er im Gefängnis, „aufgelöst zu sein und mit Christus zu sein.“ Ja, warum will er denn aufgelöst sein, also sterben? Ja, damit er mit Christus ist. Er weiß, wenn er stirbt, kommt er zu Christus. Danach sehnt er sich. In dieser Gewißheit jubelt er: „Für mich ist das Leben Christus und das Sterben Gewinn.“ Nanu, das Sterben Gewinn? Wieso denn? Ja, weil es ihn mit Christus vereinigt. Der Christus, an den er hier glaubt, wird ihn drüben ihn schauen lassen. Wenn seine irdische Zeltwohnung abgebrochen wird, dann wartet auf ihn ein unvergängliches Haus, eine unvergängliche Behausung im Himmel. Und was Paulus für sich erhofft, das gilt auch für uns.

Deswegen, meine lieben Freunde, lassen Sie sich nicht irremachen durch die Leugner des ewigen Lebens. Es ist und es bleibt wahr: Dem Menschen wird das ewige Leben geschuldet, soweit er ein Kind Gottes ist. Das wird er dadurch, dass er Christus ähnlich wird. Diese Verähnlichung aber verdanken wir der Taufe. „Wenn wir bloß in diesem Leben auf Christus gehofft hätten, dann wären wir die bejammernswertesten Menschen“, schreibt Paulus im 1. Korintherbrief. Aber unsere Hoffnung geht auf das Leben jenseits des Todes. Christus ist von den Toten erstanden, und zwar als Erstling, als Erstling der Entschlafenen. Dem Erstling folgen die anderen. Das sind jene, die zu Christus gehören, das sind wir.

„Getrost, nach dieses Lebens Sorgen durchschlummern wir des Grabes Macht, bis an dem ew’gen Frühlingsmorgen unsterblich jeder einst erwacht.“

Amen.

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