Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Juni 2011

Das unbegreifliche Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Ich habe hier vor mir ein Buch, das die Urkunden der kirchlichen Lehrverkündigung enthält, Texte der Päpste, der Konzilien und Glaubensbekenntnisse. An erster und vielleicht wichtigster Stelle steht das sogenannte Athanasianische Glaubensbekenntnis. Es ist benannt nach dem Bischof Athanasius von Alexandrien, der im 4. Jahrhundert viele Jahre lang die Kirche zu Alexandrien regiert hat. Von diesem Glaubensbekenntnis sagt ein evangelischer Theologe: „Wer das Athanasianische Glaubensbekenntnis beschworen hat, der hat die Gesetze des menschlichen Denkens abgeschworen.“ Ich wiederhole noch einmal diesen Satz. Er sagt: „Wer das Athanasianische Glaubensbekenntnis beschworen hat, der hat die Gesetze des menschlichen Denkens abgeschworen.“ Wir Priester beten dieses Glaubensbekenntnis am Dreifaltigkeitssonntag eines jeden Jahres. Ich will Ihnen nicht das gesamte Glaubensbekenntnis hier vortragen, es ist ja sehr ausführlich. Aber ich will Ihnen einige Sätze daraus vorlesen. „Dies ist der katholische Glaube: Wir verehren den einen Gott in der Dreifaltigkeit und die Dreifaltigkeit in der Einheit, ohne Vermengung der Personen und ohne Trennung der Wesenheit. Eine andere ist nämlich die Person des Vaters, eine andere die des Sohnes, eine andere die des Heiligen Geistes. Aber Vater und Sohn und Heiliger Geist haben nur eine Gottheit, gleiche Herrlichkeit, gleich ewige Majestät. So ist der Vater Gott, der Sohn Gott, der Heilige Geist Gott. Und doch sind es nicht drei Götter, sondern es ist nur ein Gott. So ist der Vater Herr, der Sohn Herr, der Heilige Geist Herr. Und doch sind es nicht drei Herren, sondern es ist nur ein Herr. Denn wie wir nach der christlichen Wahrheit jede Person einzeln als Gott und Herrn bekennen, so verbietet uns doch auch der katholische Glaube, drei Götter oder drei Herren anzunehmen.“

Wenn wir das Athanasianische Glaubensbekenntnis beten, begehen wir nicht einen Denkfehler, indem wir sagen: Drei ist eins, sondern wir sagen: Drei kommt den Personen zu, eins kommt der Wesenheit zu. Wir machen also nicht eine falsche Rechnung auf.

Was im Athanasianischen Glaubensbekenntnis bekannt wird, ist auch in anderen Lehrdokumenten der Kirche zu finden, so vor allem in dem berühmten Glaubensbekenntnis des Konzils zu Toledo (Spanien) im Jahre 675. Da heißt es: „Nicht nämlich ist der Vater derselbe wie der Sohn, nicht ist der Sohn derselbe wie der Vater noch ist der Heilige Geist derselbe wie der Vater oder der Sohn, obwohl freilich der Vater dasselbe ist wie der Sohn, dasselbe der Sohn wie der Vater, dasselbe der Vater und der Sohn wie der Heilige Geist. Wenn wir nämlich sagen, der Vater sei nicht derselbe wie der Sohn, nehmen wir Bezug auf die Verschiedenheit der Personen. Wenn wir aber sagen, der Vater sei dasselbe wie der Sohn, der Sohn dasselbe wie der Vater, der Heilige Geist dasselbe wie Vater und Sohn, dann bezieht sich das deutlich auf die Natur.“

Unser Glaube ist nicht von Menschen bezogen, sondern stammt von Gott. Die Ungläubigen, welche die Dreifaltigkeit leugnen, haben versucht, zu erklären, wie es zu diesem Glauben kam, auch wenn die Dreifaltigkeit nicht existiert. Ähnlich wie sie den Glauben an die Ostergeschehnisse erklären wollen, obwohl Ostern kein geschichtliches Ereignis ist, so suchen sie auch die Dreifaltigkeit zu erklären, obwohl es sie gar nicht gibt. Man hat behauptet, sie sei aus Babylon bezogen, aus Persien, aus Ägypten, aus Indien. Ja, man hat sogar gesagt, die stamme aus Alzey, denn in Alzey hat man drei Mitrasköpfe gefunden, drei Köpfe des Götzen, des heidnischen Gottes Mitras, und davon könne die Dreifaltigkeit abgeleitet sein. Das ist natürlich alles völliger Unsinn. Es ist ein verzweifeltes Bemühen, den Glauben zu erklären, ohne selbst zu glauben. Der Glaube an die Dreifaltigkeit ist ursprünglich und gänzlich christlich, christlichen Ursprungs. Wir haben das Zeugnis der Offenbarung und der Tradition. Die Offenbarung lehrt es uns bei der Himmelsstimme, die über Jesus herabkam, als er getauft wurde. Die Himmelsstimme bezeugt nämlich den Vater, der Täufling ist der Sohn, das Taubenähnliche, was sich herabsenkte, ist der Heilige Geist.

Noch deutlicher ist die Dreifaltigkeit ausgesprochen im Taufbefehl: „Ihr sollt alle Menschen zu meinen Schülern machen und sie taufen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Dreimal kommt das Wort „und“ vor: und des Sohnes, und des Heiligen Geistes. Das deutet auf die Verschiedenheit der Personen. Und dreimal kommt der bestimmte Artikel vor: der Vater, der Sohn, der Heilige Geist. Auch das bezeugt die Verschiedenheit der Personen. Diese beiden Merkmale zwingen uns, unterschiedene Personen anzunehmen, verbieten uns zugleich, den einen dem anderen unterzuordnen. Sie werden nebeneinander gestellt, nicht untereinander. Der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Und die Gemeinsamkeit wird ausgedrückt durch den Namen, nicht auf die Namen, sondern auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, in einer Kraft und Autorität – eben der Gottheit – wird die Taufe gespendet.

Diese beiden Stellen aus der Heiligen Schrift sind nicht die einzigen, die bezeugen, dass es einen dreifaltigen Gott gibt. Die Apostel beschreiben die Dreifaltigkeit in ihren Briefen wiederholt, z.B. der heilige Paulus im 2. Korintherbrief: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ Hier haben wir die drei: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ Und Petrus, der erste Papst, schreibt an die Christen, die auserwählt sind: „Zufolge der Vorherbestimmung Gottes, des Vaters, durch die Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blute Jesu Christi.“ Wiederum die Dreiheit: Vorherbestimmung Gottes, des Vaters, Heiligung des Geistes, Gehorsam und Besprengung mit dem Blute Jesu Christi. Im 1. Korintherbrief schreibt Paulus: „Ihr seid abgewaschen, geheiligt und gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geiste unseres Gottes.“ Wiederum die drei: im Namen Unseres Herrn Jesus Christus, im Geiste unseres Gottes.

Die Tradition spricht nicht weniger deutlich als die Heilige Schrift. Die Apostel haben von Anfang an den dreifaltigen Gott, wenn auch in unbeholfenen Wendungen, gepredigt. Es mußte sich allmählich erst eine Terminologie durchringen, vom Heiligen Geist geleitet. Aber sie haben die Taufe gespendet im Namen des dreifaltigen Gottes, sie haben die Glaubensbekenntnisse formuliert, so dass immer der dreifaltige Gott darin vorkommt. Die Kirchenväter haben die Lehre des dreieinigen Gottes verteidigt, vor allem der genannte Athanasius. Im kirchlichen Leben und Handeln spielt die Dreifaltigkeit eine große Rolle. Wir taufen noch heute im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir machen das Kreuzzeichen und sprechen dabei: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Es gibt auch immer wieder Gebetsformeln, die den dreifaltigen Gott aussprechen: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.“ Und die Schlußformel der Gebete in der heiligen Messe erwähnen den dreifaltigen Gott: „Durch unseren Herrn Jesus Christus, deinem Sohn, der mit dir lebt in der Einheit des Heiligen Geistes als Gott in alle Ewigkeit.“

Schrift und Tradition bezeugen den dreifaltigen Gott. Gewiß, dieses Geheimnis ist sicher das größte und tiefste des ganzen christlichen Glaubens. Es ist ein Geheimnis, das auch, nachdem man es zu erklären versucht hat, den Geheimnischarakter nicht verliert. Der Geheimnischarakter des dreifaltigen Gottes, meine lieben Freunde, muss gewahrt bleiben, wenn Gott Gott bleiben soll. In dem Geheimnischarakter drückt sich die Weltüberlegenheit Gottes, die absolute Transzendenz, das Ganz-anders-Sein Gottes aus.

Wir können die Dreifaltigkeit auch nicht mit dem natürlichen Licht des Verstandes erkennen. Mit dem natürlichen Licht des Verstandes erkennen wir Gott, erkennen wir Gottes Dasein, aber nicht den dreifaltigen Gott. Diese Offenbarung ist dem Kommen des Erlösers vorbehalten.

Man hat versucht, die Dreifaltigkeit zu erklären. Die bedeutendste Erklärung ist vielleicht vorgelegt worden vom heiligen Augustinus. Er hat die sogenannte psychologische Trinitätslehre begründet. Worin besteht sie, kurz gesagt? Nun, Augustinus geht aus von der Denktätigkeit des Geistes. Wenn der Geist sich selbst erkennt, dann bildet er ein Bild von sich. Ähnlich-unähnlich erzeugt Gott, wenn er sich selbst erkennt, ein Bild von sich, und das ist der Sohn. Soweit überhaupt Menschliches mit Göttlichem verglichen werden kann, kann man diese Erklärung annehmen. Indem Gott sich selbst erkennt, erzeugt er ein Bild von sich, und dieses Bild ist eine Person, nämlich der Logos. Ähnlich ist es mit dem Heiligen Geist. Man hat also versucht, den ewigen Hervorgang des Geistes aus dem Vater und dem Sohn zu erklären. Danach geht der Heilige Geist aus dem Willen des Vaters oder der gegenseitigen Liebe von Vater und Sohn hervor. Vater und Sohn lieben sich mit einer so intensiven Liebe, dass sie eine Person ist. Man kann die Hauchung als einen unendlichen Liebesakt auffassen. Man muss sich freilich bewußt sein, dass dieser geniale Versuch des heiligen Augustinus ein Bild bleibt, ein Bild, das zu erklären, was eigentlich unerklärbar ist, das auszusagen, was eigentlich unaussagbar ist. Und so sind auch alle Versuche, die Dreifaltigkeit bildlich darzustellen, kümmerliche Unternehmungen. In der Ostkirche wird die Dreifaltigkeit dargestellt in drei Engeln. Drei Engel oder drei Jünglinge sollen die Dreifaltigkeit abbilden. In der Dreifaltigkeitskirche, die ich als Knabe jahrelang besucht habe, wurde die Dreifaltigkeit dargestellt im „Gnadenstuhl“. Was ist das, ein Gnadenstuhl? Nun, da wird der Vater als älterer Mann dargestellt, und er hält mit seinen beiden Händen das Kreuz, an dem der Sohn hängt, und über ihnen schwebt der Heilige Geist. Das ist der Gnadenstuhl, ein Versuch, ein kümmerlicher Versuch, das Geheimnis der Dreifaltigkeit auszudrücken. Auch das dreiseitige Dreieck hat man versucht als Bild der Dreifaltigkeit auszugeben. Ein dreiseitiges Dreieck, das eben eine Ähnlichkeit, eine entfernte, eine unendlich entfernte Ähnlichkeit mit dem dreifaltigen Gott darstellen soll. Man muss, wenn man von der Dreifaltigkeit spricht, die Natureinheit festhalten und die Personenverschiedenheit. Es ist nicht so, dass die drei Personen in Gott zu vergleichen sind mit einem Triumvirat, wie wir es aus der römischen Geschichte kennen. Da haben sich drei Personen zusammengeschlossen zu einer Machtkonstellation. Nein, die Einheit in der Dreifaltigkeit ist keine Einheit von drei Individuen, die in einer kollektiven Einheit zusammengefaßt werden. Es ist eine Einheit des Wesens, so wie Jesus es sagt: „Ich und der Vater sind eins.“ Damit ist die Einheit in der Wesenheit ausgesagt: „Ich und der Vater sind eins.“ Der Sohn empfängt bei der Zeugung die Substanz des Vaters, aber der Vater behält auch die Substanz. Er gibt sie hin, und er verläßt sie nicht. Ähnlich ist es mit der Personenverschiedenheit. Sie ist begründet durch die Hervorgänge. Der Vater zeugt den Sohn, Vater und Sohn hauchen den Heiligen Geist. Zwei reale Hervorgänge, vier Relationen, vier Beziehungen. Die Personen werden konstituiert durch die gegensätzlichen Beziehungen. Vater ist ja schon eine Beziehung im Namen zum Sohn, und Sohn ist eine Beziehung zum Vater, und Heiliger Geist ist eine Beziehung zu Vater und Sohn durch die gemeinsame Hauchung.

Meine lieben Freunde, ich bin mir bewußt, dass ich unfähig bin, das Geheimnis der Dreifaltigkeit auszuloten. Es kommt darauf an, dass wir es festhalten, dass wir es bekennen, dass wir es leben, dass wir unser Leben vollziehen im dreifaltigen Gott. Durch den Vater, durch den Sohn und durch den Heiligen Geist leben wir, und durch die drei göttlichen Personen sollen wir den Aufstieg zum Himmel vollziehen. Es gibt zwei Gefahren, die wir vermeiden müssen. Die erste Gefahr besteht darin, dass man den Tritheismus vertritt, die Dreigottlehre. Sie tritt dort auf, wo die Einheit zugunsten des Unterschiedes der drei Personen unterbewertet wird. Sie tritt dort auf, wo die Eigenständigkeit der drei Personen so herausgestellt wird, dass die Einheit Gottes als eine nachträgliche, gewissermaßen kollektive Einheit gedacht wird. Das ist der erste Fehler. Der zweite besteht darin, dass man eine ökonomische Trinität der immanenten Trinität entgegensetzt. Das ist heute verbreitet. Was besagt ökonomische Trinität? Nun, sie besteht darin, dass man von einer absteigenden Vermittlung im Heilsgeschehen spricht. Der Vater bringt den Sohn als Schöpfungsmittler hervor und sendet ihn als Erlöser. Der Geist ist dessen Diener. Sohn und Geist sind demnach nur mindere Emanationen, Ausstrahlungen des Göttlichen. Diese ökonomische Trinität ist ein Versuch, das Geheimnis der Trinität aufzulösen. Das haben auch die Arianer getan und die Monarchianer. Nein, die ökonomische Trinität, also die Dreifaltigkeit in den Sendungen, ist dieselbe wie die Trinität im Schoße Gottes. Die ökonomische Trinität ist die immanente Trinität. Die kirchliche Lehre lehnt es ab, im Sohn und im Heiligen Geist Gestalten eines Abstiegs zu sehen, der sie vom Göttlichen entfernt. Sie sind selbst göttliche Wesenheiten. Sohn und Geist sind nicht Instrumente des göttlichen Handelns, sie sind Mitursache und Mitsubjekt alles göttlichen Handelns.

Meine lieben Freunde, Einheit der Natur und Dreiheit der Personen, das ist das Wesen der Trinität. Wir beten an den einen Gott in drei Personen, und wir verehren die Dreifaltigkeit im einen Wesen. „O heilige Dreifaltigkeit und ungeteilte Einheit.“ So sollten wir oft rufen und sollten uns begnügen mit den jahrhundertelangen Ergebnissen des kirchlichen Nachdenkens und der Nachhilfe des Heiligen Geistes. Wir sollten weiter beten: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

Amen.

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