Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
10. Januar 2010

Versagen und Schuld des Königs Herodes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Ein Mord ist immer dramatisch. So gehört das Kapitel über den bethlehemitischen Kindermord zu den aufregendsten Ereignissen des Neuen Testamentes. Wenn ein Lehrer, ein Religionslehrer, es versteht, diese Geschichte gut zu erzählen, dann leuchten die Augen der Kinder beim Erscheinen der Weisen, und dann freuen sie sich, wenn das Jesuskind dem Verfolger entwischt ist, und sie beben in ihren Herzen, wenn sie hören, wie die Knäblein in Bethlehem und der Umgebung geschlachtet werden. Das hat sich tief in die Herzen der Kinder eingeprägt, wenn sie es jemals in der richtigen Weise von ihrem Lehrer, ihrem Religionslehrer, vernommen haben. Und auch die Gestalt des Herodes. Er ist ihnen das ganze Leben gegenwärtig als der Gipfel der Abgefeimtheit und Grausamkeit.

Verfolgen wir die Geschichte. Die Ankunft der Weisen aus dem Morgenlande wird zunächst in Jerusalem wenig Aufsehen erregt haben. Es kamen viele Karawanen aus dem Zweistromland, aus Arabien nach Jerusalem. Aber was die Weisen erzählten, das machte die Runde. Die Erzählung von einem Stern, der ihnen erschienen war, und von der Bedeutung dieses Sterns, der eine Königsgeburt anzeigte, das wurde ein Stadtgespräch und drang auch in den Königspalast zu Herodes. Wenn er in einem Punkte keinen Spaß verstand, dann war das die Nachfolgefrage. Der Stern, den die Weisen gesehen hatten, erregte sofort sein Interesse, sein ungeheucheltes Interesse: „Wo? Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Die Furcht vor dem kommenden Messias erfüllte das ganze Leben des Herodes. Er hat von 40 vor bis 4 vor Christus regiert, 36 Jahre als König von Judäa. Aber wenn er von einem Thronprätendenten, von einem Thronanwärter hörte, dann wurde er unruhig. Deswegen steht in der Heiligen Schrift: „Herodes erschrak und ganz Jerusalem mit ihm.“ Ja, warum ganz Jerusalem mit ihm? Die Leute wußten, wie der König auf diese Nachricht reagieren würde. Sie kannten sein Mißtrauen, seinen Argwohn und auch seine Entschlossenheit, sofort einen Nebenbuhler zu beseitigen.

Zunächst mußte er in Erfahrung bringen, wo der König geboren worden sei. Da ließ er die Schriftgelehrten kommen, die sich in der Bibel besser auskannten als er. Er war ja ein Halbjude. Die Bevölkerung von Palästina, die jüdische Bevölkerung haßte ihn, weil er kein richtiger Jude war. Und deswegen hat er sich auch mit der Religion wenig befaßt, aber die Schriftgelehrten, die er befragte, wußten es: „Du, Bethlehem, im Lande Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Judas. Aus dir wird hervorgehen der Hirte, der Fürst, der Israel regieren soll.“ Herodes war alarmiert. Der Thron, sein Thron, seine Nachfolge, seine Familie ist in Gefahr. Dafür hatte er ein feines Ohr.

Sein Leben war voll von Unruhe und von außergewöhnlichen Aktionen. Sein eigener Vater, Antipater, war ermordet worden durch Gift bei einem Gastmahl. Er selbst war ein tüchtiger Herrscher. Daran kann man nicht rütteln. Herodes war ein großer König. In der Dürre hatte er sein silbernes und goldenes Tafelgeschirr versetzen lassen, um damit Saatgut und Getreide in Ägypten zu kaufen. Er hatte sein Reich davor bewahrt, eine römische Kolonie zu werden. Er war selbständig, wenn auch von Roms Gnaden, aber er war selbständig; er war ein selbständiger König. Er hatte seinem Volke die relative Freiheit erhalten. Er hatte auch die jüdischen Nationalisten, diese Eiferer, zurückgehalten, die mit dem Schwert die Römer vertreiben wollten, denn er wußte, das konnte nur übel ausgehen. Er hatte für Ruhe und Wohlstand in seinem Lande gesorgt. Herodes war ein tüchtiger Herrscher. Die Landwirtschaft blühte, der Handel, das Gewerbe. Neue Städte hat er gegründet, brauchbare Häfen angelegt. Vor allem: Er hat einen neuen Tempel gebaut, einen Tempel, der schöner und größer war als der Tempel Salomons. Damit hatte er natürlich für sich und seine Herrschaft geworben. Eines freilich war ihm nicht gelungen, nämlich die Liebe seiner Untertanen zu gewinnen.

Auch mit seiner Familie hatte er wenig Glück. Er hatte zehn Frauen und vierzehn Kinder, zehn Frauen und vierzehn Kinder. Leidenschaftlich liebte er seine Gemahlin Mariamne. Aber als er hörte, dass sie in eine Verschwörung verwickelt war, da ließ er sie und ihre Mutter töten. Ebenso erging es seinen beiden Söhnen Alexander und Aristobul. Diese Söhne strebten nach dem Thron, und das konnte Herodes nicht leiden. So ließ er Alexander und Aristobul, die zwei Söhne, die er von der Mariamne hatte, töten. Der älteste Sohn Antipater trachtete ebenfalls danach, sein Nachfolge anzutreten. Was tat Herodes? Er ließ ihn töten. Kurz vor dem Ende seines Lebens hat er noch Befehl gegeben, die wichtigsten Mitglieder der palästinensichen Elite zu töten. Der Befehl kam nur nicht mehr zur Ausführung, weil er starb.

Und jetzt wird Herodes gedacht haben: Dieser neugeborene König, den mir die Weisen angezeigt haben, muss verschwinden. Er wird gedacht haben: Das ist Notwehr, das ist eine Notstandshandlung, das ist eine Staatsnotwendigkeit. Den Ausdruck kennen wir ja von der Frau Merkel, nicht wahr: Staatsräson. Was wird er gedacht haben? Die Staatsnotwendigkeit zwingt mich, den Nebenbuhler zu töten. Er war taub für die Pläne und Absichten Gottes. Nie hatte er sein Herz bereitet für die Ankunft des Messias. In jener Stunde, die auch seine Stunde hätte werden können, nämlich die Stunde der Geburt des Messias, in jener Stunde hat er versagt, wurde er als zu klein, zu irdisch empfunden. Auch von ihm gilt das Wort: „Die Seinigen nahmen ihn nicht auf.“

Herodes ist der typische Vertreter jener Menschen, die Gott und seinen Gesalbten als Konkurrenten der eigenen Macht und Herrschaft fürchten. Die Machthaber und Liebaber dieser Welt, meine Freunde, sind immer in Furcht vor der Macht Gottes. Deswegen der Mord an den Propheten, deswegen der Mord an den Priestern, deswegen der Haß gegen die Kirche, deswegen die Abneigung gegen die Religion. Sie wollen das Wort von der Sünde und von dem Gericht über die Sünde nicht hören. Die Menschen wollen sich von Gott nicht stören lassen in ihren Neigungen und Vergnügungen. Sie wollen nichts davon hören, dass ein Tag in der Woche Gott gehört, an dem man beten und opfern soll. Sie wollen an diesem Tage schlafen, ausschlafen und Spaß haben, aber nicht in die Kirche gehen. Sie wollen nicht hören, dass wir ehrbar wandeln sollen, nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Ausschweifung und Unzucht, nicht in Streit und Eifersucht, wie der Apostel Paulus im Römerbrief schreibt.

Der schottische Schriftsteller Bruce Marshall berichtet in seinem seiner Bücher von einem Gespräch, das ein französischer Priester in Paris mit einem Straßenbahnschaffner hatte. Der Schaffner beklagte sich über die Politik, das sei eine elende Sache. Der Priester fragte ihn: „Warum versuchen Sie es nicht einmal mit der Religion?“ Der Schaffner entgegnete, er habe mehrfach daran gedacht, es mit der Religion zu versuchen, aber er sei entmutigt worden, denn die Religion sei gegen zu viele Dinge. Sie sei gegen Hochmut, gegen freie Liebe, gegen Mißmut, gegen Faulheit, und das sei ein bißchen viel, um Franzosen anzulocken. Der Priester erwiderte, er betrachte das aus der falschen Sicht; die Religion sei nur gegen diese Dinge, weil sie für andere Dinge sei. Sie sei für Bescheidenheit, Großmut, Keuschheit, Demut, Enthaltsamkeit, Nächstenliebe, Fleiß. Der Schaffner sagte, die Dinge für die die Religion ist, seien ja noch viel niederdrückender als die, gegen die sie ist. Da wolle er sich lieber an die Politik halten, denn die wende sich sowieso nur gegen Leute, die man nicht ausstehen könne. In diesem Zwiegespräch ist etwas Richtiges getroffen, nämlich die Abneigung gegen die Religion wegen der Forderungen, die die Religion an den Menschen stellt. Niemand hat etwas gegen Ärzte, denn die Ärzte wollen ja nur heilen. Sie verlangen nichts von den Menschen. Aber alle haben etwas gegen Priester, denn die Priester fordern etwas, fordern etwas, was tief einschneidet in das Leben. Deswegen werden sie gehaßt. Das ist auch der Grund, weswegen sich die Parlamentarier weigern, den Namen Gottes in die Verfassung zu schreiben, denn sie fürchten, dass unter Berufung auf diesen Namen Forderungen erhoben werden, Forderungen, die sie hindern sollen, Gesetze zu machen, die Gottes Gesetze verletzen. Gott ist ihnen lästig, weil er gebietet, was sie nicht wollen, und weil er verbietet, was sie wollen. Das Werkzeug der Kirche ist ihnen widerwärtig, weil sie die Gebote und Verbote Gottes verkündet.

Die Schuld des Herodes war groß, und dennoch war sie kleiner als die jener Männer, die 30 Jahr später den Tod des Messias zu verantworten hatten, der Sadduzäer, die die Priesterschaft stellten, der Pharisäer, die nach dem Buchstaben des Gesetzes leben wollten. Sie waren näher am Tempel als Herodes; sie kannten die Schrift besser als er. Weil ihre Einsicht hätte tiefer sein sollen, war auch ihre Schuld größer. Herodes starb bald nach seiner Staatsnotwendigkeit, nach dem Mord von Bethlehem. Über diejenigen aber, die leidenschaftlich die Kreuzigung Jesu forderten, kam, wie sie es gefordert hatten, das Blut des Gerechten. Am Ende der Welt wird dieses Blut über alle kommen, die ihn nicht aufnahmen und bis heute nicht aufnehmen. Es wird das Gericht kommen, das der Vater dem Sohne übergeben hat.

Amen.

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