Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Mai 2008

Zeugnis geben für Christus im Heiligen Geist

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Es liegt eine eigenartige Weihe über den Texten der heutigen heiligen Messe. Sie sind von einer Stimmung erfüllt, die man leichter nachfühlen als beschreiben kann. Vielleicht verstehen wir die Texte am besten, wenn wir annehmen, dass die Jüngergemeinde in der Stunde, zu der sie im Abendmahlssaale versammelt war, ähnliche Gedanken gehabt und ähnliche Gebete gesprochen hat. Wir müssen uns in die Jüngergemeinde hineindenken, die nach der Himmelfahrt des Herrn im Abendmahlssaal, wie wir wissen, versammelt war. Das Ereignis der Himmelfahrt hat sie zutiefst bewegt. Es klingt eine Jubelstimmung in ihnen: Aufgefahren ist Gott im Jubel, der Herr beim Schalle der Posaunen. Die Himmelfahrt war für die Jünger kein trauriges, sondern ein freudiges Ereignis, und sie sind jetzt innerlich zur Ruhe gekommen. Sie wissen, der Meister ist endgültig eingetreten in die jenseitige Welt. Er ist enthoben aller Gefährdung. Auf Erden hat er sich seinen Hassern und Verfolgern ausliefern wollen. Aber jetzt ist er ihnen entzogen, jetzt ist der Haß seiner Feinde nicht mehr fähig, ihm Leides zuzufügen. Er ist einmal gestorben für die Sünden, jetzt stirbt er nicht mehr.

Er ist auch eingegangen in die Herrlichkeit des Vaters, hat Platz genommen zur Rechten des Vaters, also am Ehrenplatz des Vaters. Ohne Bild gesprochen: Er hat die Herrlichkeit des Vaters empfangen und die Herrschaft über Himmel und Erde angetreten. Er hat auch den Lohn empfangen für sein Leben, Leiden und Sterben. Jetzt hat er einen Namen bekommen, der über alle Namen ist, so dass sich in diesem Namen alle Knie beugen müssen im Himmel, auf der Erde und unter der Erde. Die Freude über die Aufnahme Jesu in die Herrlichkeit des Vaters lebt in den Jüngern.

Aber nicht nur die Freude. Auch die Sehnsucht ist in ihnen wach geblieben, die Sehnsucht, sein Antlitz zu schauen. Im Eingangslied haben wir ja gerade gebetet: „Erhöre, o Herr, mein Rufen. Es spricht zu dir mein Herz. Zeige mir dein Antlitz, dein Antlitz wende nicht hinweg von mir.“ Die Sehnsucht bleibt, den Herrn zu sehen, sein geliebtes Antlitz zu schauen. Dieses Lied könnten die Jünger im Abendmahlssaal gesungen haben, in ihm lebt die christliche Sehnsucht nach dem Kommen des Herrn, die in dem Rufe ausklang: „Maranatha“ – Komm, Herr Jesus!

Diese Sehnsucht teilen wir, meine Freunde. Auch wir harren auf den Herrn. Wir warten auf seine Wiederkunft, „von dannen er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten“, so beten wir in jedem Credo der heiligen Messe. Wir sind gewiß, dass der Herr seine Verheißung erfüllen wird. Er wird wiederkommen mit großer Macht und Herrlichkeit. Die Engel haben es bei der Himmelfahrt angekündigt: „Dieser Jesus, den ihr habt auffahren sehen, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen.“ Wir wissen nicht, wann er kommen wird. Die Uhr Gottes geht anders als die Uhren der Menschen. Vor ihm sind tausend Jahre wie ein Tag. Der Herr wird kommen, wann seine Stunde geschlagen hat. Und eines ist sicher: Was jederzeit eintreten kann, ist immer nahe. Deswegen haben alle Generationen der Christen mit dem Kommen des Herrn gerechnet, mit Recht gerechnet. Und ich sage noch einmal: Was jederzeit eintreten kann, ist immer nahe. Er wird kommen, und alle werden ihn sehen, die Blasierten und die Skeptiker, die Hasser und die Verfolger, die Agnostiker und die Atheisten, und auch die, die ihn durchbohrt haben. Sie alle werden ihn sehen.

In der Epistel ergreift das Oberhaupt der Urkirche, Petrus, das Wort. Nach der Himmelfahrt hat er sofort die Leitung der Gemeinde übernommen, und als geistlicher Hausvater spricht er zu uns in der Epistel, knapp, nüchtern, wie es seine Art war, ein rauher Fischersmann. Seine Forderungen sind klipp und klar: Seid klug und wachsam im Gebete! Liebet einander allezeit! Seid gastfreundlich zueinander ohne Murren! Dienet einander! Das sind seine Weisungen. Sie gipfeln in der Liebe zueinander. Die Nächstenliebe ist nun einmal das Hauptgebot des Christentums, und ihm zu genügen, ist uns täglich aufgegeben.

In jenen Tagen nach der Himmelfahrt war das Evangelium noch nicht aufgeschrieben. Aber alles, was der Herr gesagt hatte, war lebendig in den Herzen der Jünger. Sie erinnerten sich an seine Abschiedsrede am Gründonnerstag, und die haben wir ja eben im Evangelium vernommen: „Wenn der Tröster kommt, den ich vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, er wird Zeugnis von mir abgeben.“ Sie wissen, wie notwendig sie dieses Zeugnis brauchen. So vieles ist ihnen dunkel und unklar geblieben, und so harren sie jetzt auf die Verheißung, die der Herr ihnen gegeben hat. Der Tröster, er wird kommen! Er heißt der Geist der Wahrheit. Das bedeutet: Er ist die Wahrheit, und er lehrt die Wahrheit. Der Geist der Wahrheit, er ist die Kraft der Verkündigung und die Seele der Kirche. Kraft dieses Geistes steht die Kirche in der Wahrheit. Ohne diesen Geist wäre die christliche Kirche längst in Irrtum und Wahn versunken, hätten sich die Menschen Gott nach ihrem Bilde geschaffen, hätten sie die Gebote Gottes nach ihren Gelüsten gemodelt. Das ist das Geheimnis der katholischen Kirche, dass in ihr der Geist der Wahrheit lebendig ist. Wir kennen die Ärgernisse, wir kennen die Verluste, wir kennen die Schwächen. Wir wissen das alles, und wir verheimlichen es nicht. Aber wir glauben an diese Kirche, weil der Geist der Wahrheit sie bewegt und belebt und weil er in ihr herrscht. Man wird immer in dieser Kirche die Wahrheit finden können. Sie mag hie und da verborgen sein, es gibt falsche Propheten auch in unserer Kirche. Aber der Geist der Wahrheit sorgt dafür, dass die Wahrheit niemals untergehen wird in dieser Kirche.

Der Geist der Wahrheit ertüchtigt auch die Gläubigen, Zeugnis von der Wahrheit abzulegen. Das Zeugnis ist ein dreifaches. Es ist einmal ein Zeugnis des Wortes. Wir müssen mit unserer Rede für die Wahrheit des Glaubens einstehen. Wir haben die heilige Pflicht, den Menschen, die uns begegnen, Zeugnis von der Wahrheit zu geben. Das Zeugnis ist zweitens ein solches des Lebens. Unser Leben muss für die Wahrheit zeugen. „Führt einen ehrbaren Wandel unter den Heiden“, so mahnt der Apostel. „Sie sollen eure guten Werke sehen und Gott preisen am Tage der Heimsuchung.“ Aber das Zeugnis kann auch drittens ein Zeugnis des Blutes sein. Es werden Verfolgungen über die Christen kommen, und nur in der Kraft des Heiligen Geistes können sie die Verfolgungen überstehen. Solche Zeugen hat es gegeben und gibt es immer wieder, meine lieben Freunde.

Am 1. Mai ist Freiherr Philipp von Boeselager gestorben im Alter von 91 Jahren. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb von ihm, er sei ein überzeugter und überzeugender Katholik gewesen – ein überzeugter und überzeugender Katholik! Und wir haben einen Herrn in unserer Mitte, der das bezeugen kann. Unser lieber Lorenz Schreiber aus Klein-Winternheim hat in seinem Regiment gedient. Herr Schreiber, ich darf Sie bitten, stehen Sie einmal auf, damit die Leute sehen, wen wir unter uns haben! Er kann bezeugen, dass Philipp von Boeselager wahrhaftig ein gläubiger und bezeugender Katholik war. Dieser Offizier hat zur heiligen Messe gedient, wenn Feldgottesdienst war, und das im Heere Hitlers. Einmal war Philipp von Boeselager eingeladen in einer Runde von Generälen, und der General Burgdorf, der Chefadjutant Hitlers, erklärte: „Nach dem Kriege werden nicht nur die Juden aus der Wehrmacht entfernt, sondern auch die Katholiken!“ Da stand Boeselager auf und sagte zu Burgdorf: „Das ist ja interessant, was Sie da sagen. Ich bin aktiver Offizier. Ich bin fünfmal verwundet, ich habe im Kampf für unser Volk das Ritterkreuz empfangen. Da muss ich mich also nach dem Kriege nach einem anderen Beruf umsehen.“ So ist Boeselager vor Burgdorf hingetreten und hat seinen Glauben bekannt. Gott braucht solche Zeugen, meine lieben Freunde. Aber Zeuge kann man nur sein, wenn man überzeugt ist. Die letzte innere Sicherheit des Glaubens gibt nur der Heilige Geist. „Was nicht aus deinem Herzen stammt, das dringt auch nicht zu Herzen. Das Licht, das dir im Auge flammt, es leuchtet sehr und zündet mehr als hunderttausend Kerzen.“

Die letzte innere Sicherheit des Glaubens ist nur möglich als Geschenk des Heiligen Geistes. Und das müsste unser großes Gebet sein in der Pfingstoktav, dass wir die Kraft des Geistes empfangen, dass wir die Firmungsgnade in uns erneuern, dass es hell und stark in uns wird, um Zeugnis abzulegen von unserem Glauben, um Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die uns beseelt.

Welches Maß an Prüfungen uns bevorsteht, wissen wir nicht. Aber wir ahnen, dass es kälter wird um uns. Die Gleichgültigkeit gegen die Religion und der Haß gegen die Religion nehmen zu. Wir Priester spüren zuerst, am allerersten die Feindseligkeit, die Abwehr und das Befremden der Menschen, wenn sie uns begegnen. Aus ihren Augen, aus ihrem Gesicht, aus ihrem Verhalten spricht das Erstaunen, die Verwunderung, das Befremden. Was, gibt es die auch noch, die Pfaffen? Was wollen die noch? Wir werden harten Zeiten entgegengehen, aber, meine Freunde, wir sind nicht verlassen. Um der Auserwählten willen werden die Tage der Prüfung abgekürzt werden. Der verklärte Herr zur Rechten des Vaters hat uns nicht vergessen. Er betet für uns mit einem Gebet für seine Zeugen. Mit einem Lied von ergreifender Innigkeit geleitet uns heute die Kirche zum Opfermahl: „Vater. solange ich bei ihnen war, habe ich sie bewahrt, die du mir gegeben hast. Jetzt aber gehe ich zu dir. Ich bitte nicht: Nimm sie weg von der Welt, sondern ich bitte: Bewahre sie vor dem Bösen!“

Der Herr betet für uns. Und welches Gebet kann inniger, dringender und der Erhörung gewisser sein als das Gebet unseres Herrn? Er betet in uns und für uns, dass wir bewahrt bleiben vor der Ansteckung der Welt, dass der Unrat uns nicht ergreift und dass die Versuchung uns nicht überwindet.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt