Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
16. April 2006

Auferstehung – Zentrale Mitte des Glaubens

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

Im 19. Jahrhundert lebte in Tübingen der evangelische Theologe David Friedrich Strauß. Er hatte begonnen als ein gläubiger evangelischer Christ, und er endete als ein wütender Bekämpfer des Christentums. Von diesem David Friedrich Strauß stammt der Satz: „Den Mittelpunkt des Mittelpunktes, das eigentliche Herz des Christentums bildet die Auferstehung Jesu.“ Da hat David Friedrich Strauß richtig gesehen. Der Mittelpunkt des Mittelpunktes, das eigentliche Herz unseres Glaubens ist die Auferstehung Jesu. Wenn die Auferstehung Jesu feststeht, dann steht alles fest; wenn aber die Auferstehung Jesu wankt, dann wankt alles! Zweitausend Jahre vorher hatte schon Paulus einen ähnlichen Gedanken geäußert: „Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist leer unsere Predigt, dann ist auch leer euer Glaube. Dann seid ihr noch in euren Sünden. Dann sind auch die verloren, die in Christus entschlafen sind.“ Es kommt also alles, aber wirklich alles auf die Wahrheit der Auferstehung Jesu an.

Der Ausspruch des Apostels gilt in dogmatischer und in apologetischer Hinsicht. In dogmatischer Hinsicht: Unsere ganze Erlösungsgewißheit, unsere Erlösungswirklichkeit ruht auf der Auferstehung Jesu. In apologetischer Hinsicht: Die Auferstehung Jesu ist die Bestätigung des himmlischen Vaters, dass Jesus der gottgesandte Sohn gewesen ist. Das Auferstehungswunder ist das Beglaubigungswunder Jesu; es weist ihn als den Gottgesandten aus. Ohne die Überzeugung, dass Jesus auferstanden ist, hätte es nie eine christliche Predigt gegeben, ja ist das Christentum undenkbar. Es muss ein historischer Kern sein, auf den sich das Christentum beruft. Und dieser historische Kern ist die wahre und wirkliche Auferstehung Jesu. Der Inhalt und das Wesen der Auferstehung ist ein Geheimnis des Glaubens. Was mit Jesus geschah, das ist nicht durch rationale Schlussfolgerung oder durch empirische Untersuchung festzustellen, sondern nur soweit es uns Gott geoffenbart und erschlossen hat. Jesus ist ja nicht einfach in seine frühere Daseinsweise zurückgekehrt wie Lazarus oder wie der Jüngling in Naim. Wenn das der Fall wäre, da hätten ihn auch seine Feinde sehen können. Nein, er ist in eine himmlische, verklärte Daseinsweise übergegangen, und diese Daseinsweise war nur denen zugänglich, in denen Gott die Glaubensbereitschaft hervorgebracht hatte.

Dennoch darf man sich nicht zurückziehen und sagen: „Man muss eben glauben, dass Jesus auferstanden ist.“ Gewiß muss man glauben, aber man muss auch die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses überprüfen. Wir können nur glauben, wenn wir auch die menschliche Gewissheit gewonnen haben: Es ist vernünftig, zu glauben. Die Auferstehung ist eben nicht nur ein Geheimnis göttlicher Wirksamkeit, sondern auch eine geschichtliche Tatsache. Die Quellen unserer Offenbarung machen es eindeutig klar: Das übernatürliche, gottgeschenkte Glaubenswissen ist vorangehend gebunden an die Glaubwürdigkeit Jesu und seines Zeugnisses. Die Ereignisse um die Auferstehung Jesu geschehen im Raum und in der Zeit der Geschichte, aber der Inhalt und das Wesen ist übergeschichtlicher Art.

Die erste Zeugin von dem, was am Auferstehungsmorgen geschehen ist, war Maria aus Magdala. Sie ist die große, beherrschende Frau der urchristlichen Gemeinde, denn sie hat den Herrn gesehen. Zunächst kam sie an das Grab, fand es geöffnet und den Leichnam verschwunden. Fassungslos stürzt sie nach Jerusalem zurück und meldet dem Petrus, was sie beobachtet hatte: „Sie haben den Herrn aus dem Grabe genommen, und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ Ein rein negativer Befund. Maria von Magdala sah das leere Grab, und ihre logische Folgerung war: Man hat den Leichnam entfernt. Kein Gedanke an Auferstehung. Warum nicht? Weil die Auferstehung nicht aus der menschlichen Erfahrung abgeleitet werden kann. Sie quillt aus der Allmacht Gottes. Petrus und Johannes eilen zum Grabe. Sie haben keine Minute versäumt. Johannes als der Jüngere ist zuerst angekommen, aber er lässt dem Älteren den Vortritt. Er selbst geht nicht ins Grab, nur Petrus betritt das Grab. Was sieht er da? Die Binden, mit denen der Leib des Herrn umwickelt war, zusammengefaltet, und das Schweißtuch an einer anderen Stelle. Man kann sich fragen: Warum werden diese Nebensächlichkeiten beschrieben? Johannes will feststellen: Das Grab war leer, und der Tote war nicht da. Er selbst freilich sah und glaubte. Johannes hat schon an dieser Stelle den Glauben gefunden. Aber sein Bekenntnis enthüllt uns noch mehr: Dieser Glaube war keine bloß menschliche Gewissheit, sondern er war ein Geschenk Gottes. Die menschliche Glaubensgewißheit ist bei ihm zum untrüglichen göttlichen Glauben geworden. Inzwischen waren die Frauen zu den übrigen Aposteln geeilt und berichteten, was sie gesehen hatten. Der Evangelist Lukas bemerkt, was die Apostel von dieser Meldung der Frauen hielten. Sie hielten sie für Geschwätz. Kein Gedanke an die Auferstehung.

Auch andere liefen in die Stadt zurück, nämlich die Soldaten. Das Peinlichste, was geschehen konnte, war geschehen: Der Tote, den sie bewachen sollten, war verschwunden. Und das musste jetzt bemäntelt werden. So erfanden die Hohenpriester, Meister der Verstellung, eine Propagandalüge: „Saget: Die Jünger sind gekommen und haben, während wir schliefen, den Toten gestohlen.“ Und damit das Wachvergehen ihnen nicht zum Verhängnis wurde, wollten sie sich beim Landpfleger dafür einsetzen, dass sie dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Der sichere Ausgangspunkt für den historischen Nachweis der Auferstehung ist das Glaubenszeugnis der Apostel. Kein Evangelium, meine Freunde, kein Brief wäre geschrieben worden, wenn nicht die Apostel und die ganze Urkirche davon überzeugt gewesen wären: Christus ist auferstanden. So schreibt Paulus an Timotheus: „Gedenke, dass der Herr Jesus, der Sproß Davids, von den Toten auferstanden ist. So lautet mein Evangelium, um dessentwillen ich Leiden dulde, selbst Fesseln trage wie ein Übeltäter.“ Und als die Apostel darangehen, einen Ersatzmann zu wählen für den Judas, da sagen sie: Es muss einer sein, der von Anfang an dabei war, als Jesus mit uns wandelte, von der Taufe am Jordan bis zu seiner Aufnahme, damit er Zeuge der Auferstehung sein kann. Das ist das Wesen des Apostels, das ist sein grundlegender Auftrag, Zeuge der Auferstehung Jesu zu sein. Und so wählt man dann den Matthias, der offenbar diesem Erfordernis entspricht. In der Apostelgeschichte sind uns mehrere Predigten des Petrus aufbewahrt, und der Duktus dieser Predigten ist immer derselbe: Gott hat Jesus von Nazareth auferweckt, dessen sind wir Zeugen. Wir sind Zeugen von allem, was er getan hat in Jerusalem und im Judenlande. Den haben sie getötet, indem sie ihn ans Kreuz hängten. Diesen hat Gott am dritten Tage auferweckt und sichtbar erscheinen lassen den von Gott bestimmten Zeugen. Also, meine Freunde, das leere Grab ist nicht der Ursprung des Glaubens an die Auferstehung. Das leere Grab ist nur ein Korollar: Wenn Jesus wirklich, leibhaftig auferstanden ist, dann musste das Grab leer sein, aber die Auferstehung wird nicht bewiesen durch das leere Grab, sondern durch die Erscheinungen des Auferstandenen.

Und da hat uns nun Paulus im 1. Korintherbrief eine ganze Liste von Zeugen aufgeführt. „Ich tue euch kund, meine Brüder, das Evangelium, das ich euch gepredigt habe, das ihr angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, in dem ihr gerettet werdet, wenn ihr es nur festhaltet, wie ich es euch gepredigt habe.“ Und was hat er gepredigt? „Ich habe euch verkündet, was ich selbst überkommen habe, dass Christus für unsere Sünden gestorben ist gemäß den Schriften, dass er begraben wurde und auferweckt wurde am dritten Tage gemäß den Schriften, dass er dem Kephas (das ist der hebräische Name für Petrus) erschienen ist, danach den Zwölfen, danach fünfhundert Brüdern auf einmal, danach dem Jakobus, darauf allen Aposteln, zuletzt auch mir, der ich gleichsam eine Fehlgeburt bin.“ Dieses Zeugnis gilt mit Recht als das älteste literarische Zeugnis über die Auferstehung Jesu. Der 1. Korintherbrief ist etwa geschrieben worden im Jahre 55. Paulus muss alle diese Tatsachen berichtet bekommen haben, als er etwa im Jahre 35 oder 38 nach Jerusalem kam und dort Erfahrungen und Berichte sammelte. Was meldet nun Paulus in seinem 1. Korintherbrief? Erstens, dass Christus für unsere Sünden gestorben ist gemäß den Schriften. Der Tod ist wichtig zu bemerken, denn es hat immer Leute gegeben, die schon den Tod Jesu bezweifelt haben. Er sei nur scheintot gewesen und habe sich diebisch gefreut, als er vom Kreuze herabsteigen konnte, haben manche behauptet. Das ist natürlich lächerlich! Aber diese Lächerlichkeit muss zurückgewiesen werden. Er ist gestorben, und zwar gemäß den Schriften, also nach dem Willen Gottes für unsere Sünden, zu unserem Heile. Die zweite Tatsache: Er ist begraben worden. Auch diese Tatsache ist gewichtig; denn er war tot, er war mausetot, und nur einen Toten führt man in ein Grab hinein. Das Grab, das Jesus nach seiner Hinrichtung aufnahm, das war leer. Und es war wiederum leer, als Jesus auferstanden war. Wenn also Paulus vom Grabe spricht, dann macht er einen Hinweis darauf: Geht hin und seht es euch an! Das Grab ist leer. Die dritte Tatsache ist, dass er auferweckt wurde am dritten Tage gemäß den Schriften. Sie wissen ja, meine Freunde, dass in den Evangelien zwei Reihen zu beobachten sind, die die Auferstehung beschreiben: Er ist auferstanden und er ist auferweckt worden. Das ist kein Widerspruch, sondern ergänzt sich gegenseitig. Er ist auferstanden aus eigener Kraft, weil er der Sohn Gottes war; er ist aber auch auferweckt worden, weil der Vater in der Auferweckung das Ja zu seinem Leben und Sterben gesprochen hat. Deswegen ist die Wendung: Er ist auferweckt worden in apologetischer Hinsicht ganz wichtig, weil sie anzeigt, dass Gott die Hauptursache der Auferstehung Jesu war. Und dann die vierte Tatsache: Er ist erschienen. Er ist sichtbar geworden. Er hat sich sehen lassen. Das griechische Wort, das an dieser Stelle steht, bedeutet, dass etwas aus dem Unsichtbaren hervortritt, und zwar ohne Zutun derer, die es sehen – ohne Zutun derer, die es sehen. Damit wird die Visionshypothese abgewiesen, dass die Apostel sich etwas eingebildet hätten, dass sie eine überreizte Phantasie gehabt hätten. Nein, sie wurden von dem, was von außen auf sie eindrang, gleichsam überwältigt. Genau das ist es. Er ist ihnen erschienen, er ist hervorgetreten aus dem Unsichtbaren, ohne Zutun von seiten des Subjektes, dem die Erscheinung zuteil wird.

Paulus führt die Zeugen der Auferstehung an, weil die Christen nur durch sie Kenntnis von der Auferstehung Christi erhielten. An keiner Stelle der Evangelien wird berichtet, dass jemand dabei war, als die Auferstehung geschah. Es ist immer nur ihre Wirkung bezeugt, nämlich dass es jetzt einen Auferstandenen gibt. Und die Zeugen werden angeführt, weil sie die Wirklichkeit der Auferstehung Jesu den Menschen, denen sie das Evangelium bringen, bezeugen können. Der urchristliche Auferstehungsglaube war ein Glaube an ein einmaliges Ereignis. Nirgends, meine Freunde, werden innere Gründe namhaft gemacht für die Auferstehung. Immer nur wird der eine Beweis, der einzige Beweis geliefert, der für historische Fakten gilt, nämlich das Zeugnis derer, die die Wirklichkeit dieses Ereignisses erfahren und festgestellt haben. Die große Zahl der Zeugen führt Paulus an, damit man sich ihrer bedient. Er erwähnt eigens, dass von den fünfhundert, die Jesus gesehen haben, noch eine ganze Menge leben. Man kann hingehen, man kann sie fragen, und sie werden bezeugen, was sie gesehen haben.

Ach, meine Freunde, lasst uns nicht zweifeln, lasst uns glauben, fest und unerschütterlich wie Petrus und Johannes, wie Maria Magdalena. „Erstanden ist er aus dem Grab, der Heiland, meiner Hoffnung Stab. Er geht nach Galiläa hin, dort, Jünger, eilt, dort seht ihr ihn.“

Alleluja. Alleluja.

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