Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 2002

Fuit epiphania domini

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zum Fest der Erscheinung des Herrn Versammelte!

Das Fest Epiphanie hat einen dreifachen Inhalt. Drei Ereignisse sind es, die in ihm gefeiert werden und die alle auf das Sichtbarwerden unseres Herrn und Heilandes hinweisen: 1. das Erscheinen der Weisen aus dem Morgenland, 2. die Ereignisse bei der Taufe Jesu am Jorden und 3. die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana.

Daß die Weisen aus dem Morgenland nach Bethlehem geführt wurden, ist ein offenkundiges Wunder Gottes. Sie wurden geführt durch einen Stern, und wir werden gleich Überlegungen anstellen, wie dieser Stern zu erklären sein mag. Der Stern zog vor ihnen her, und sie kamen in das Haus – Christus war nicht mehr in der Krippe! Sie kamen in das Haus, in das er umgezogen war. Dort schenkten sie ihm ihre Gaben, Gold, Weihrauch und Myrrhe. Man deutet diese Gaben wie folgt: Gold auf das Königtum, Weihrauch auf die Gottheit Christi und Myrrhe auf sein Begräbnis. Durch dieses Erscheinen der Weisen, durch ihre Gaben, durch ihre Anbetung wurde Christus geoffenbart. Er erschien! Er erschien den Vertretern der Heidenwelt. Die Hirten waren die Vertreter des Judentums, die Weisen aus dem Morgenland sind die Vertreter der Heidenwelt.

Das zweite Ereignis ist die Taufe Jesu im Jorden. Da zerriß der Himmel, und eine Stimme ertönte: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefaßt habe.“ Wie immer man das deuten mag, eines ist sicher: Hier bekennt sich der himmlische Vater zu seinem Sohn Jesus Christus. Hier wird offenbar, daß nicht nur eine Doublette des Täufers vorhanden ist, ein Prophet wie andere auch, sondern daß hier der erschienen ist, auf den die Propheten hingewiesen haben, den sie angekündigt haben und auf den Johannes zeigte: „Dies ist das Lamm Gottes.“ Dadurch wurde Jesus wiederum sichtbar gemacht. Es war seine Erscheinung, die Erscheinung seiner Gottgehörigkeit, ja die Erscheinung seiner Gottentstammtheit. Der Vater im Himmel hat sich zu seinem Sohn bekannt. Daran kann man jetzt nicht mehr rütteln.

Die dritte Erscheinung des Herrn geschah in Kana. Da ging den Hochzeitsleuten der Wein aus. Das ist ja peinlich, wenn man bei einer solchen Feier nicht genug zu trinken hat. Wahrscheinlich ist die Schar, die Jesus mitbrachte, so groß und so durstig gewesen, daß der Wein eben vor der Zeit ausging. Aber der Herr wußte Rat. Er hat mit seiner Wundermacht Wasser in Wein verwandelt. Da zeigte Jesus, wer er ist. Da offenbart er seine Herrlichkeit, nämlich als der gottentstammte Wundertäter. Da wurde klar, daß er der Herr über die Elemente ist, der Herr über die Natur, und das ist nur einer. Herr über die Natur ist nicht ein Mensch, Herr über die Natur ist nur Gott. „Und seine Jünger glaubten an ihn.“

Nun sind freilich die beiden zuletzt erwähnten Ereignisse nicht der Hauptpunkt des heutigen Festes. Heute ist die Hauptsache das Erscheinen der Weisen aus dem Morgenlande vor dem Kind, das Maria geboren hatte. Die Geburt Jesu fällt höchstwahrscheinlich in das Jahr 7 v. Chr. Ich habe mich nicht versprochen. Jesus ist geboren 7 v. Chr. Die Zeitrechnung, die wir heute haben, ist eben fehlerhaft. Sie stammt aus dem 6. Jahrhundert von dem Mönche Dionysius Exiguus, und er hat sich verrechnet. Die Geburt Jesu muß vor dem Jahre 1 liegen, weil sie nämlich in die Zeit des Herodes fällt, und Herodes ist 4 v. Chr. gestorben. Also muß Jesus mindestens vier Jahre vor unserer Zeitrechnung geboren sein. Wir nehmen an, daß es das Jahr 7 war, in dem Jesus geboren worden ist. 7 vor unserer Zeitrechnung ist die Geburt Jesu anzusetzen.

Die Heidenwelt, deren Vertreter die Weisen sind, kannte die Prophezeiungen, die über den Erlöser kündeten, nicht, und deswegen wartete sie auch nicht auf den Erlöser wie die Juden, die durch die Propheten vorbereitet waren, auf ihn zu warten. Ihnen mußte Gott mit einem anderen Mittel zu Hilfe kommen, damit sie den Weg zu dem neugeborenen König der Juden, der Heiden und der ganzen Welt fanden. Es geschah durch einen Stern – aster, so heißt das griechische Wort, das der Evangelist Matthäus benutzt, aster – ein Stern hat sie zu dem Jesusknaben geführt. Was war das für ein Stern? Das hat die Astronomen vieler Jahrhunderte bewegt, nachzuforschen, was für ein Stern das gewesen sein könnte.

Im 16. Jahrhundert lebte der große Astronom Tycho de Brahe, ein Däne. Tycho de Brahe war der Meinung, der Stern, der in Bethlehem geleuchtet hat, sei eine Supernova gewesen, also ein Neustern, ein Neustern in der Konstellation von Kassiopeia, und er nannte diesen Neustern Pelegrina, Pilgerin. Dieser Stern ist nämlich zur Zeit seiner astronomischen Wirksamkeit erschienen, und er nahm an, daß das ein periodisch wiederkehrender Stern sei, der alle 313 Jahre sich zeigt und dann wieder verschwindet. Wenn man zurückrechnet, dann kommt man auf das Jahr 12 oder 11 v. Chr. Das ist auch schon der Haupteinwand gegen diese Hypothese, nämlich das Erscheinen des Sternes liegt zu lange vor der Geburt Christi, die wir in das Jahr 7 v. Chr. setzen müssen.

Man hat sich um andere Erklärungen bemüht. Der große Astronom Johannes Kepler, unser Landsmann, hat angenommen, daß der Stern die Konjunktion, also die Begegnung der beiden Planeten Jupiter und Saturn gewesen sei. Tatsächlich sind um diese Zeit, in der Jesus geboren wurde, Jupiter und Saturn sich sehr nahe gekommen, so daß sie aus der Ferne wie ein Stern erscheinen konnten. Man nennt das eine Sternenkonjunktion, also eine Sternenverbindung, eine Sternenbegegnung. Aber gegen diese Hypothese kann man den Einwand erheben, daß Astronomen – und die Weisen aus dem Morgenlande waren Astronomen – ein Doppelgestirn, das nahe beieinander steht, von einem Einzelstern unterscheiden können. Und so nahe waren ja nun Jupiter und Saturn auch wieder nicht, daß man sie für einen einzigen Stern halten konnte. Die Planeten Jupiter und Saturn sind übrigens auch im Jahre 1940 so nahe gewesen, wie sie um die Geburt Jesu gewesen sind. Auch damals haben die Astronomen diese Nähe der beiden Planeten beobachtet.

Ein anderer Astronom meinte, es sei eine Sternenbegegnung von Venus und Jupiter gewesen. Venus und Jupiter seien sich so nahe gekommen, daß man sie für einen einzigen Stern gehalten habe, und diese Hypothese ist wahrscheinlicher, weil sich diese beiden Planeten noch näher gekommen sind als Jupiter und Saturn. Und außerdem ist ja die Venus ein viel hellerer Stern. Es ist also denkbar, daß diese Hypothese mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat als die von Kepler aufgestellte.

 Aber damit hat man sich nicht zufriedengegeben. Es wurden noch andere Erklärungen vorgebracht. Man dachte an einen Kometen, also an einen Stern, der in die Atmosphäre eintritt und dann wieder verschwindet. Wir alle haben gehört vom Halleyschen Kometen. Der Halleysche Komet erscheint alle 76 Jahre; zuletzt ist er erschienen im Jahre 1986. Damals haben die Russen, die Amerikaner und auch die Europäer Sonden nach oben geschickt, um Fotografien aufzunehmen vom Halleyschen Kometen. Der Halleysche Komet ist tatsächlich etwa um das Jahr 7 zu erblicken gewesen. Es könnte sein, daß der Halleysche Komet der Stern war, der die Weisen zum Krippenkind geführt hat. Noch näher heran führt die Hypothese, daß der Finsler-Komet der Stern der Weisen gewesen sei, denn der Finsler-Komet, der auch periodisch erscheint, hat ebenfalls um die Zeit der Geburt Jesu eine Erscheinung gehabt.

Das sind die Hypothesen, welche die Astronomen aufgestellt haben, um zu erklären, welches der Stern von Bethlehem gewesen sein könnte. Alle diese Hypothesen haben eine unüberwindliche Schwierigkeit, nämlich: Die Bewegung der Sterne geht für unseren Augenschein immer von Osten nach Westen. Aber der Stern von Bethlehem ist ja nicht nur von Osten nach Westen gewandert, nämlich als er die Weisen aus dem Perserreich zum Krippenkind führte. Nein, der Stern von Bethlehem ist auch von Norden nach Süden gewandert, nämlich von Jerusalem nach Bethlehem. Er hat also seine Richtung geändert; er hat gleichsam die Fahrtrichtung geändert, und das ist mit all diesen Hypothesen nicht zu erklären. Denn diese Sterne ändern ihre Richtung nicht. Sie ziehen ihre Bahn, wie sie es immer getan haben, ohne daß sie eine Richtungsänderung vornehmen.

Was ergibt sich daraus? Wir werden annehmen müssen, daß der Stern von Bethlehem ein Wunderstern war, daß es eine von Gott gefügte Lichterscheinung war, die die Weisen zum Jesusknaben geführt hat. Gott hat eingegriffen, um diejenigen, welche die Prophezeiungen nicht kannten, zu dem Erlöser der Welt zu führen. Er hat eine Erscheinung am Himmel, was immer es auch gewesen sein mag, hervorgebracht, welche den Weisen aus dem Morgenlande den Weg wies. Und Tycho de Brahe, dieser gläubige dänische Astronom, hat schon im 16. Jahrhundert gesagt: „Fuit opus dei – es war ein Werk Gottes.“ Fuit epiphania domini – es war die Erscheinung des Herrn.

Amen.

 

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