Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. Mai 2001

Die Wirkungen des Taufsakramentes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Ein eherner Grundsatz der katholischen Sakramentenlehre lautet: Die Sakramente wirken das, was sie bezeichnen. Man kann also vom Zeichen ausgehen und auf die Wirkung schließen. Beim Taufsakrament ist das offensichtlich leicht zu erkennen. Denn die Taufe ist eine Abwaschung, und was äußerlich geschieht, das wird innerlich bewirkt, nämlich: Die Taufe reinigt von den Sünden, befreit von der Schuld, teilt den Heiligen Geist mit und führt in die Gemeinschaft der Kirche ein. Diese drei Wirkungen hängen eng zusammen. Wer nämlich gereinigt ist von der Schuld, der kann nur im Heiligen Geiste leben, und alle, die im Heiligen Geiste leben, sind in der Gemeinschaft der Kirche versammelt. Die Mitteilung des Heiligen Geistes schließt wiederum zwei Dinge in sich, nämlich die Übereignung an den dreifaltigen Gott und die Gemeinschaft mit Christus. Die Gemeinschaft mit Christus wiederum teilt sich in die Begegnung mit ihm und in die Vereinigung mit ihm. Wir wollen also nacheinander diese verschiedenen, aber doch zusammenhängenden Wirkungen der heiligen Taufe betrachten.

Erstens: Die Reinigung von der Sünde. Das Konzil von Florenz im Jahre 1439 hat, um die getrennten Armenier wieder mit der katholischen Kirche zu vereinigen, ein Glaubensbekenntnis vorgelegt, in dem es von der Taufe heißt: „Die Wirkung dieses Sakramentes ist die Vergebung jeder Schuld, der Erbschuld und der persönlichen Schuld sowie jeder Strafe, die diese Schuld nach sich zieht. Deshalb kann man den Getauften für die vergangenen Sünden keine Genugtuung auferlegen, sondern sie kommen sogleich ins Himmelreich und zur Anschauung Gottes, wenn sie sterben, bevor sie eine Schuld begehen.“ Die Taufe reinigt von der Erbschuld, sie befreit von persönlicher Schuld, sie nimmt von uns die ewige Strafe. Diese Wirkung der Taufe war der Grund, weshalb in den ersten Jahrhunderten viele zum Glauben gekommene Menschen sich erst am Ende des Lebens taufen ließen. Sie haben die Taufe aufgeschoben bis kurz vor dem Tode, weil sie sagten: Dann ist mir der Eingang in das Himmelreich sicher, dann bin ich aller Strafen ledig und dann bin ich von aller Schuld befreit.

Die Taufwirkungen werden in der Heiligen Schrift an vielen Stellen hervorgehoben. Es ist immer das Grundlegende, daß nämlich diejenigen, die sich bekehren, zur Taufe kommen müssen, um von ihren Sünden befreit zu werden. Am Pfingstfest sagt Petrus zu der versammelten Menge: „Bekehret euch, und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden! Dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.“ Taufe und Geistbegabung gehören zusammen. Sündenvergebung kann nicht bestehen ohne Mitteilung des Heiligen Geistes. Der Apostel Paulus hat oft die reinigende Wirkung der Taufe hervorgehoben, etwa wenn er im 1. Korintherbrief schreibt: „Früher seid ihr Räuber, Diebe, Trunkenbolde gewesen, aber nun seid ihr abgewaschen, ja geheiligt, ja ihr seid gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geiste unseres Gottes.“ Wiederum die Verbindung zwischen Abwaschung und Begabung mit dem Heiligen Geiste. An einer anderen Stelle beschreibt der Apostel Paulus diese Wirkung der Taufe folgendermaßen. Er sagt: „Denn ihr seid alle Kinder Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. Ihr alle, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen.“ Hier erklärt er die Taufe als ein Anziehen Christi; man nimmt gewissermaßen die Person Christi in sich auf. „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen.“ Und wieder an einer anderen Stelle, im Brief an Titus, beschreibt der Apostel die Taufe wie folgt: „Als die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Heilandes, erschien, hat er nach seiner Erbarmung uns gerettet durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung, wie der Heilige Geist sie schafft.“ Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung. Taufe ist gleichsam eine neue Geburt, nämlich im Heiligen Geiste, und ist eine Erneuerung; der alte Mensch wird ausgezogen, der neue Mensch wird angezogen. Um noch ein letztes Wort zu zitieren. Der heilige Petrus schreibt in seinem 1. Briefe: „Ihr seid durch die Taufe errettet, denn sie ist nicht ein Ablegen körperlichen Schmutzes, sondern eine Anrufung Gottes um ein gutes Gewissen durch die Kraft der Auferstehung Jesu Christi.“

Das also ist die Hauptwirkung der Taufe, nämlich Abwaschung von der Schuld, von der Erbschuld, von der persönlichen Schuld und von der Strafe. Freilich – das muß ich dazusagen – freilich muß derjenige, der als Erwachsener zur Taufe kommt, etwas Persönliches mitbringen, nämlich die Reue. Wer nämlich nicht bereut, dem wird durch die Taufe zwar die Erbsünde vergeben, aber es werden nicht die persönlichen Sünden vergeben.

Die zweite Wirkung der Taufe besteht darin, daß der Mensch mit Christus vereinigt wird. Die Übertragung von Tod und Auferstehung Christi bringt die Gemeinschaft mit Christus hervor. Die christliche Existenz ist ja eine Gemeinexistenz mit Christus. Wer Christ ist, der hat teil am Heilswerk Christi, an seinem Tod und an seiner Auferstehung, und Tod und Auferstehung gewinnen Macht über den Menschen in der Taufe. Die Taufe überträgt die Frucht von Tod und Auferstehung Jesu auf den Menschen. Er wird einbezogen in das Sterben Christi und in die Auferstehung Christi; er nimmt teil an der Heilstat Christi und wird dadurch verwandelt in einen  zweiten Christus. Die Taufe wirkt Gemeinschaft mit Christus und Ähnlichkeit mit Christus. Dieser Sachverhalt ist nirgends deutlicher ausgesprochen als im Brief des Apostels Paulus an die Römer: „Was sollen wir sagen? Werden wir in der Sünde verharren? Das ist ferne. Da wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch in ihr leben? Oder wisset ihr nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind?“ Das besagt nämlich: Wer tot ist, der kann nicht mehr sündigen, der ist der Sünde gestorben. „Denn mitbegraben sind wir mit ihm durch die Taufe auf den Tod, damit, wie Christus auferstanden ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir einen neuen Lebenswandel führen.“ Wir sind nicht nur mit Christus gestorben, wir sind auch mit Christus auferstanden. Auch die Auferstehung Christi ist auf uns übertragen worden, die Kraft, die Macht seiner Auferstehung. Deswegen, wenn wir mit ihm durch Ähnlichkeit mit seinem Tode verwachsen sind, so werden wir es zugleich auch mit seiner Auferstehung sein. „Dies wissen wir, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der sündige Leib zerstört werde und wir fürderhin nicht mehr der Sünde dienen. Wer gestorben ist, der ist gerechtfertigt von der Sünde. Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, daß wir zugleich auch leben werden mit ihm; denn Christus stirbt nach seiner Auferstehung nicht mehr.“ Das ist also die zweite, beglückende Wirklichkeit der Taufe. Wer getauft ist, ist in der Gemeinschaft mit Christus, er ist ihm ähnlich geworden, er lebt mit Christus, dem Auferstandenen in einem neuen Leben.

Die dritte Wirkung der Taufe ist die Eingliederung in die Kirche. Wiederum sagt das vorhin erwähnte Konzil von Florenz: „Die erste Stelle von allen Sakramenten hat die heilige Taufe, die Pforte des geistlichen Lebens; denn durch sie werden wir Glieder Christi und eingefügt in den Leib der Kirche.“ Glieder Christi, eingefügt in den Leib der Kirche. Wer von der Sünde befreit und mit dem Heiligen Geist begabt ist, wer Christus verähnlicht ist und wer in die Gemeinschaft mit Tod und Auferstehung Christi eingegangen ist, der wird versammelt zu einem Volke, zu dem Volke Gottes. Die Taufe gliedert in die Gemeinschaft der Christusgläubigen ein; sie macht die Getauften zu Gliedern der Kirche, des Volkes Gottes, des mystischen Leibes Christi. Das ist zum Beispiel ausgesprochen im 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther: „Wie nämlich der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich ihrer viele sind, doch einen Leib bilden, also auch Christus. Denn in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft, ob Juden oder Heiden, ob Sklaven oder Freie, und alle sind wir mit einem Geiste getränkt.“

Nun ist hier freilich eine Schwierigkeit zu beachten, denn die Taufe allein genügt offensichtlich nicht, um zu einem Gliede am Leibe Christi zu machen. Es muß zur Taufe etwas hinzukommen, was eben von der Taufe vorausgesetzt wird, nämlich der Glaube. Wer nicht glaubt und im Unglauben oder im Irrglauben die Taufe empfängt, der kann nicht zu einem Gliede, zumindest nicht zu einem vollen Gliede am Leibe Christi werden. Die alte Kirche hat alle, die nicht den rechten Glauben hatten, nicht als Glieder der Kirche angesehen. Wenn sich da heute ein gewisser Wandel zugetragen hat, dann ist zu fragen, ob er berechtigt ist. Man darf nicht die Taufe überhöhen und dadurch den Glauben abwerten. Der Glaube ist freilich auch kein Ersatz für die Taufe, außer in der Bluttaufe. Aber die Taufe, das sei noch einmal gesagt, setzt den Glauben voraus. Glaube und Taufe zusammen bewirken die Rechtfertigung des Menschen. Deswegen muß daran festgehalten werden, daß nur jene, die den wahren katholischen Glauben bekennen und in diesem Glauben reumütig die Taufe empfangen, volle Glieder der Kirche werden.

Schließlich kann man viertens noch ein letztes erwähnen, nämlich daß die Taufe Übereignung an den dreipersönlichen Gott bedeutet. Sie wird ja gespendet im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der griechische Text dieser Formel ist eindeutiger. Er sagt nämlich, man wird getauft auf den Namen, eis to onoma, auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und diese Präposition eis (auf) besagt, daß man durch die Taufe dem dreifaltigen Gott übereignet wird. Es ist eine Anverlobung an Gott, es ist eine Übereignung an den dreifaltigen Gott, die sich in der Taufe vollzieht. Die Verbundenheit und die Verähnlichung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus führt eben zur Gemeinschaft und zur Ähnlichkeit mit dem dreipersönlichen Gott. Taufe ist Weihung an den dreipersönlichen Gott. Der Getaufte gehört dem dreipersönlichen Gott an, ihm ist er geweiht und geheiligt. Das wird zum Beispiel im Briefe des Apostels Paulus an die Epheser deutlich ausgesprochen: „Ein Leib und ein Geist, wie ihr berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ In dieser Aussage wird die Übereignung des Getauften an den dreifaltigen Gott deutlich ausgesprochen.

Die meisten von uns sind getauft worden in einem Alter, wo sie noch kein Selbstbewußtsein hatten. Wir wurden als Säuglinge getauft, und das ist recht so, denn wir sollten eben vom ersten Tage unseres Lebens an in der Gnade leben, und das Gnadenleben sollte sich dann entfalten. In der Macht der Gnade sollten wir die Entscheidungen vollziehen, die im Laufe des Lebens unweigerlich auf jeden Menschen zukommen. Aber diese Taufweise hat natürlich die Auswirkung, daß wir keine Erinnerung mehr an unsere Taufe haben und daß wir vielleicht auch nicht die rechte Wertschätzung der Taufe haben. Wer als Erwachsener getauft wird, wer vom Zustand der Zerrissenheit, der Gottentfremdung, der Unheilssituation in die Heilssituation durch die Taufe überführt wird, der hat ein ganz anderes Bewußtsein davon, was die Taufe bedeutet. Er kann dann auch mit viel größerer Freude und Überzeugung das singen, was das schöne Mainzer Kirchenlied sagt:

„O Seligkeit, getauft zu sein, in Christus neu geboren.

Von aller Schuld bin ich befreit, erlöst ist, was verloren.

Wer kann ermessen, welche Gnad‘ mir Gott, der Herr erwiesen hat!

Mein Leben soll es danken.

O Seligkeit, getauft zu sein, in Christus eingesenket,

am Leben der Dreieinigkeit ward Anteil mir geschenket.

Ich bin der Kirche Christi Glied. Ein Wunder ist’s, wie das geschieht.

Ich bete an und glaube.

An Jesu Christi Priestertum hab ich nun teil in Gnaden.

Zum Opferdienst, zum Gotteslob hat er mich eingeladen.

Ich bin gesalbt zum heil’gen Streit, bin Christi Königreich geweiht.

Ihm will ich leben, sterben.“

Amen.

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