Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. November 2000

Über Christus als den ewigen Hohenpriester

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Was dünkt euch von Christus? Wessen Sohn ist er?“ Das ist die Frage, die uns beschäftigt und nicht los läßt. Sie läßt uns deswegen nicht los, weil darauf so viele falsche Antworten gegeben werden. Viele Jahre lang hat an der Universität Saarbrücken der katholische Theologe Josef Blank gelehrt. Wenn man ihn fragte: Wer ist Christus? Was dünkt euch von ihm?, da gab er zur Antwort: Christus ist nicht Priester. Es gibt kein Priestertum im Neuen Testament. Und weil Christus kein Priester ist, gibt es auch keine menschlichen Priester, die an seinem Priestertum Anteil haben. Das hat dieser Mann jahrzehntelang gelehrt unter den Augen seines Bischofs, des Herrn Spital. Er hat es gelehrt, bis der Tod ihm den Mund verschloß.

Was dünkt euch von Christus? Der Glaube der Kirche gibt eine andere Antwort, als Herr Blank sie gegeben hat. Der Glaube der Kirche sagt: Christus ist Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedech. Sein Mittlertum ist identisch mit seinem Priestertum. Kraft seiner Annahme einer menschlichen Natur, kraft seiner Menschwerdung ist Christus Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedech. Als Priester hat er ein Opfer dargebracht, und das war der Gipfel seines Priestertums. Er hat uns gewiß auch erlöst durch sein Wort, denn sein Wort ist heilskräftig, sein Wort besitzt sakramentalen Charakter. Christus hat uns auch durch sein Wort erlöst, indem er uns den Sinn seines Handelns deutete, aber auch, indem er uns ansprach und durch sein Wort Heil vermittelte. Seine Forderungen sind heilsmächtiges Tun. In seinen Forderungen ergreift er uns und zieht uns in sein Herrlichkeitsleben hinein. Aber noch einmal: Sein ganzes Reden und Tun gipfelt in seinem Opfer, im Opfer des Kreuzes. Am Kreuze hat Christus ein wahres und eigentliches Opfer dargebracht, und weil er ein Opfer dargebracht hat, ist er Priester, ist er Priester in Ewigkeit.

Das deutlichste Zeugnis vom Priestertum Christi findet sich im Brief an die Hebräer. In diesem bedeutsamen Lehrschreiben des Neuen Testamentes wird uns Christus als der von Gott berufene Priester vorgestellt. „Jeder Hohepriester wird aus den Menschen genommen und für die Menschen bestellt in ihren Angelegenheiten bei Gott, damit er Gaben und Opfer für die Sünden darbringe. Er kann ja Mitleid haben mit denen, die unwissend sind und irren, da auch er behaftet ist mit Schwachheit. Deshalb muß er, wie für das Volk, so auch für sich selbst opfern für die Sünden. Niemand nimmt sich selbst die Würde, sondern nur wer berufen ist von Gott, wie Aaron. So hat sich auch Christus nicht selbst die Ehre eines Hohenpriesters gegeben, sondern der, der zu ihm gesprochen hat: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt. Wie er auch an einer anderen Stelle sagt: Du bist Priester ewiglich nach der Ordnung des Melchisedech. In den Tagen seines Fleisches hat er Bitten und Flehen mit lautem Geschrei und unter Tränen zu dem emporgesandt, der ihn vom Tode retten konnte, und er hat dank seiner Gottesfurcht Erhörung gefunden. Obwohl Sohn, hat er doch Gehorsam gelernt aus dem, was er gelitten, und so vollendet, ward er allen, die ihm gehorchen, Urheber ewigen Heiles, wie er denn von Gott als Hoherpriester nach der Ordnung des Melchisedech angesprochen wird.“

Dieser Priester, von dem hier die Rede ist, ist ein barmherziger und treuer Hoherpriester. Von ihm können wir Hilfe und Beistand erwarten, denn so heißt es wiederum im Hebräerbrief: „Er mußte in allem gleich werden den Brüdern, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester für sie bei Gott zu werden, um die Sünden des Volkes zu sühnen. Denn da er selbst unter der Versuchung gelitten, kann er auch denen helfen, die versucht werden.“ Er ist ein mächtiger Hoherpriester, denn seine Macht ist darin begründet, daß er der Sohn Gottes ist. Er gibt uns Mut, zum Throne der Gnade hinzutreten. „Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der hindurchgegangen ist durch die Himmel, Jesus, den Sohn Gottes, so wollen wir festhalten an dem Bekenntnis. Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid haben könnte mit unseren Schwächen, vielmehr einen solchen, der in allem uns gleich versucht worden ist, die Sünde ausgenommen.“ Und weil wir einen solchen Hohenpriester haben, können wir voll Vertrauen hintreten zum Throne der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden.

Christus ist Priester, aber freilich ein anderer Priester als die Priester des Alten Bundes. Die Priester des Alten Bundes waren Priester durch Abstammung. Weil sie zu einem bestimmten Stamme gehörten, deswegen wurden sie automatisch Priester. Christus ist Priester, weil der Logos die menschliche Natur angenommen hat. Bei seiner Menschwerdung ist er zum Priester geweiht worden, nicht etwa, wie manche sagen, bei seiner Messiasweihe anläßlich der Taufe. Nein, durch die Menschwerdung und bei der Menschwerdung ist er zum Priester von Gott eingesetzt worden. Er ist ein anderer Priester als alle anderen. Ein solcher Priester ziemte uns, heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern und erhaben über die Himmel, der nicht nötig hat, wie die Hohenpriester zuvor für die eigenen Sünden Opfer darzubringen, dann für die Sünden des Volkes. Dieser Priester hat ein für allemal das Opfer dargebracht. Er hat es getan, als er sich selbst opferte, und dieser Priester ist deswegen ein Priester auf ewig und unbedingt. „Er, der ewig bleibt, hat ein unvergängliches Priestertum. Deshalb kann er immerdar jene retten, die durch ihn sich Gott nahen. Er lebt ja allezeit, um als Fürbitter für sie einzutreten.“

Christus ist Hoherpriester, das ist das erste Dogma. Das zweite lautet: Christus hat ein Opfer für die Menschheit dargebracht, indem er sich am Kreuze freiwillig zum Opfer darbrachte. Das Kreuzesopfer ist der Vollzug des Priestertums. Dem vollkommenen Priestertum Christi entspricht ein vollkommenes Opfer. Er selbst ist die Opfergabe. Die Opfergaben im Alten Bunde konnten die Gewissen nicht reinigen; sie waren unvollkommen. Im Neuen Bunde ist die Opfergabe vollkommen, weil Christus selbst sie ist. Er hat kraft ewigen Geistes sich selbst makellos Gott dargebracht, und dieses Opfer vermag unsere Gewissen zu reinigen von toten Werken, damit wir dienen dem lebendigen Gott.

Dieses Opfer ist ein für allemal geschehen. Nachdem nämlich Moses alle Gebote dem ganzen Volke verkündet hatte, nahm er das Blut der Kälber und Böcke mit Wasser und Wolle und Ysop, besprengte das Volk: Dies ist das Blut des Bundes. So war es im Alten Bunde. Aber diese Opfer sind jetzt alt und vergreist. Jetzt kommt das Opfer des Neuen Bundes. Nicht ein von Händen gefertigtes Heiligtum ist es , in das Christus eingegangen ist, sondern er ist in das ewige Heiligtum eingegangen. Er hat sich einmal geopfert, um die Sünden vieler auf sich zu nehmen, ein zweites Mal wird er ohne Sünde erscheinen. Dieses Opfer hat Kraft für immer, es ist das letzte, es ist das endgültige Opfer. Seine Wirkung ist Sühne für die Übertretungen, Reinigung der Gewissen und Heiligung der Menschen. Er tritt im Himmel immerfort für die Menschen ein. Er hat uns des Erbes der höheren Güter teilhaftig gemacht.

Das Kreuzesopfer Christi war auch nicht das, was die liberale Theologie meint, nämlich ein heldenhaftes Sterben angesichts einer hoffnungslosen Lage oder das mutige Auf-sich-Nehmen eines unentrinnbaren Schicksals. Das ist kein Opfer; das wäre Prophetenschicksal, wie auch Herr Kasper sagt. Nein, was Christus getan hat, ist ein Opfer. Er sich freiwillig dem Vater im Himmel dahingegeben, um dadurch die Sünden der Welt zu sühnen. Daß er es freiwillig getan hat, wird uns versichert, indem dreimal eine Leidensvoraussage berichtet wird. Christus hat dreimal vorhergesagt, daß er leiden werde, daß er leiden müsse, weil der Vater es so bestimmt hat, und daß er leiden wolle, weil er dem Willen des Vaters gehorsam sein wollte. Das erstemal war es, als Petrus das Messiasbekenntnis gesprochen hat. Da sagte Jesus in der Beantwortung: „Er fing an, sie zu belehren, der Menschensohn müsse vieles leiden, von den Ältesten, Oberpriestern und Schriftgelehrten verworfen und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.“ Er redete ganz offen davon, aber die Jünger wollten es nicht hören. Der Apostel Petrus wollte es ihm ausreden. Aber da fuhr ihn Jesus an: „Weg von mir, Satan!“ Derjenige, der ihm das Leiden ausreden will, will ihm das Opfer ausreden, und der ist ein Versucher. Deswegen sagte Jesus: „Weg von mir, Satan!“ Ein zweites Mal sagte Jesus seine Leiden voraus, als sie aufbrachen nach Jerusalem. Er belehrte seine Jünger und sagte ihnen: „Der Menschensohn wird in die Hände der Menschen überliefert werden. Sie werden ihn töten, aber drei Tage nach seinem Tode wird er auferstehen. Sie verstanden die Rede nicht, scheuten sich aber, ihn zu fragen.“ Und so mußte er sie ein drittes Mal belehren, als sie nämlich auf dem Wege nach Jerusalem waren, diesmal aber mit allen Einzelheiten,nämlich: „Sie waren nun auf dem Wege nach Jerusalem hinauf. Jesus ging vor ihnen her. Sie staunten und folgten ihm voll Furcht. Da nahm er die Zwölf beiseite und begann zu ihnen zu sprechen, was ihm widerfahren werde. Seht, wir ziehen hinauf nach Jerusalem. Der Menschensohn wird den Oberpriestern und Schriftgelehrten überliefert werden. Sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden übergeben. Diese werden ihn verspotten und anspeien und geißeln und töten. Aber nach drei Tagen wird er auferstehen.“ Mit bereitem Herzen und mit gesammelter Kraft ging Christus dem Tode entgegen. Es kommt nicht ein Schicksal über ihn, sondern er geht in sein Lebensopfer hinein, wie er es vorausgesagt hat, nämlich daß er gekommen ist, nicht bedient zu werden, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Opfer für die vielen, als Sühnopfer für die vielen. Da hat er noch deutlicher gesprochen als bei den Leidensweissagungen. Er will sein Leben hingeben als Sühnopfer für die vielen. Und das hat er wiederholt beim Letzten Abendmahle. Da wird er seinen Leib hingeben für die sündigen Menschen und sein Blut vergießen zur Vergebung der Sünden. Darin wird der neue Bund, die neue Gottesordnung aufgerichtet werden. „Nehmet hin, das ist mein Leib. Das ist mein Blut des Neuen Bundes, das für viele vergossen wird.“ Darin liegt der Opfercharakter – „das für viele vergossen wird“. Für viele, das ist Opferterminologie, nämlich zum Nutzen von anderen und anstatt anderer wird sein Blut vergossen. Diese Verkündigung Jesu wird aufgenommen von den Aposteln, etwa vom Apostel Paulus, der oft auf Christus als das Sühnopfer zu sprechen kommt, im Römerbrief beispielsweise: „Alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes. Sie werden gerechtfertigt ohne Verdienst durch seine Gnade durch die Erlösung in Christus Jesus. Ihn hat Gott dargestellt als blutiges Sühnopfer.“ Ihn hat Gott dargestellt als blutiges Sühnopfer. An einer anderen Stelle desselben Briefes: „Er wurde dahingegeben um unserer Sünde willen und ist auferstanden um unserer Rechtfertigung willen.“

Christi Leib ist Opferleib, Christi Blut ist Opferblut, wie etwa im Abendmahlsbericht aus dem ersten Korintherbrief zu lesen ist: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe. In der Nacht, in der er verraten wurde, nahm er Brot, dankte, brach es und sprach: Nehmet und esset, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Das ist Opferterminologie! Der für euch hingegeben wird. „Auf gleiche Weise nahm er den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute. Sooft ihr ihn trinkt, tut es zu meinem Andenken. Sooft ihr nämlich dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, verkündet ihr den Tod des Herrn.“ Und noch eine letzte Stelle aus dem Galaterbrief, in dem der Apostel den Christen in dieser Gemeinde schreibt: „Um uns aus dieser schlimmen Welt zu erretten, hat er sich selbst für unsere Sünden dahingegeben. So war es der Wille unseres Gottes und Vaters.“

Der Apostel Johannes lehrt nichts anderes als der Apostel Paulus. Jesus ist die Versöhnung für unsere Sünden. In seinem ersten Brief: „Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, doch nicht nur für unsere, sondern auch für die der ganzen Welt. Und darin sind wir der Liebe Gottes gewiß, daß er seinen Sohn gesandt hat als Sühneopfer für unsere Sünden.“ Johannes berichtet auch eine der ergreifendsten Aussagen des ganzen Neuen Testamentes, nämlich wie Johannes der Täufer auf Jesus hindeutete und sagte: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt.“ Die Hörer wußten sofort, was gemeint ist, denn von diesem Lamm Gottes war im Alten Bunde die Rede, von dem Lamm Gottes, das der Gottesknecht ist und das die Leiden anderer trägt. „Er hat aber unsere Leiden getragen, unsere Schmerzen auf sich genommen. Wir hielten ihn für geschlagen, für getroffen von Gott. Doch ob unserer Sünden wurde er verwundet, ob unserer Frevel zerschlagen. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm. Wie Schafe irrten wir alle umher, jeder ging seinen eigenen Weg. Er wurde mißhandelt, doch gab er sich willig darein, tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird.“ Was der Prophet Isaias Hunderte von Jahren zuvor verkündet hatte, nämlich daß ein unschuldiges Lamm die Sünden der anderen hinwegträgt, das hat sich erfüllt in dem Lamm Jesus Christus, das gekommen ist, vom Vater gesandt, um unsere Sünden hinwegzutragen.

Das ist unser Glück, meine lieben Freunde, das ist unsere Zuversicht, das ist unsere Hoffnung. Jetzt muß eigentlich aus dem Herzen eines jeden Christen der Jubelruf emporbranden, den uns Paulus in den Mund gelegt hat: „Er hat mich geliebt und sich für mich dahingegeben.“

Amen.

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