Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
21. Dezember 1997

Die Auferweckung – Glaube der Urkirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

An vielen vergangenen Sonntagen haben wir uns bemüht, Jesus Christus als den gottgesandten Heiland zu erkennen und zu erweisen. Der Beweis für seine gottentstammte Wesensart und seinen göttlichen Auftrag ist vielgestaltig. Aber kein Ereignis ist mächtiger in seiner Beweiskraft als die Auferstehung oder die Auferweckung aus dem Grabe. Daß die Urchristenheit an Jesus als den Auferstandenen geglaubt hat, wird von niemandem bezweifelt. Die Predigten des Petrus in der Apostelgeschichte bezeugen eindeutig die Wahrheit: Jesus Christus ist durch die Macht des Vaters von den Toten erweckt worden. In der Pfingstpredigt erklärt Petrus: „Ihn hat aber Gott auferweckt, nachdem er ihn von den Wehen des Todes befreit hatte. Er konnte ja von diesem unmöglich festgehalten werden. Diesen Jesus hat Gott auferweckt, des sind wir Zeugen. So nehme denn das ganze Haus Israel mit voller Gewißheit zur Kenntnis, daß Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Messias gemacht hat.“

Die Auferstehung wird von Petrus in eine Linie mit der Kreuzigung und dem Begräbnis gestellt. Er will damit kundmachen: Die Auferstehung ist so real und so historisch, wie es Kreuzigung und Begräbnis sind. Er verkündet dieselbe Wahrheit in der Predigt im Hause des Cornelius. „Wir sind Zeugen von allem, was er getan im Lande der Juden und zu Jerusalem. Ihn haben sie getötet, indem sie ihn ans Kreuzesholz hängten. Diesen erweckte Gott am dritten Tage und ließ ihn erscheinen.“

Die Predigt des Petrus wird in vollem Umfange vom Völkerapostel Paulus geteilt. Im 2. Brief an Timotheus schreibt er: „Denke daran, daß Jesus Christus von den Toten auferstanden ist, er, der aus dem Samen Davids stammt. Das ist meine Heilsbotschaft. Dafür erdulde ich Leiden, ja Fesseln wie ein Verbrecher.“ „Diese Auferweckung ist durch die Macht und Kraft des himmlischen Vaters geschehen“, schreibt Paulus im Brief an die Epheser. „Diese Macht hat Gott an Christus kundgetan, da er ihn von den Toten erweckte und zu seiner Rechten im Himmel setzte. Dort thront er nun über alle Herrschaft, Macht und Gewalt.“ Die bedeutendste Stelle freilich ist im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes zu finden. „Ich mache euch, Brüder, aufmerksam auf die Heilsbotschaft, die ich euch verkündet habe, die ihr angenommen habt, in der ihr feststeht. Durch sie werdet ihr gerettet, wenn ihr sie genau so festhaltet, wie ich euch verkündet habe; sonst hättet ihr ja vergebens geglaubt. Ich habe euch nämlich vor allem vorgetragen, was auch ich selbst überkommen habe, nämlich daß Christus für unsere Sünden gestorben ist gemäß der Schrift, daß er begraben worden und am dritten Tage wieder auferstanden ist gemäß der Schrift.“

Der Inhalt des Auferstehungsglaubens der Urgemeinde läßt sich in drei Sätzen zusammenfassen, nämlich erstens: Der gestorbene Herr ist wahrhaft zum Leben erweckt worden. Dieses Ereignis ist ein ebenso geschichtliches Ereignis wie sein Tod und sein Verbringen in das Grab. Die Rede von der Auferstehung ist nicht der Ausdruck für eine übergeschichtliche Wahrheit, für die sie die Modernisten ausgeben wollen. Die Rede von der Auferstehung ist auch nicht ein symbolischer Ausdruck für den sich immer wiederholenden Vorgang des Lebens und des Sterbens in der Natur. Nein, die Auferstehung ist so real, so orts- und zeitgebunden wie der Tod und das Begräbnis. Zweitens: Jesus ist leibhaftig auferstanden. Die Leibhaftigkeit wird unterstrichen, wenn in der Verkündigung der Kirche immer gesagt wird: „Er ist wahrhaft auferstanden.“ Also nicht bloß in einem symbolischen, übertragenen Sinne, sondern in seiner Leibhaftgkeit. Die Zeugen betonen diese Leibhaftigkeit, wenn sie sagen, daß sie Jesus berührt haben, daß sie mit ihm gegessen haben, daß sie mit ihm getrunken haben, daß sie mit ihm gewandert sind. Das alles kann man von einem Geist oder von einem Gespenst nicht sagen. Jesus ist leibhaftig vom Tode auferweckt worden. Paulus ist besonders viel daran gelegen, die Leibhaftigkeit der Auferstehung in seinem 1. Korintherbrief zu betonen. In Korinth waren nämlich Zweifel an der Auferstehung des Fleisches laut geworden. Und wie begegnet Paulus diesen Zweifeln? Indem er auf einen hinweist, der leibhaftig auferstanden ist, nämlich Jesus Christus. Der ganze Beweis im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes hinge in der Luft, wenn Paulus nicht der Überzeugung wäre: Jesus ist wahrhaftig, leibhaftig auferstanden. Drittens: Die Leibhaftigkeit des Auferstandenen ist aber verschieden von der irdischen Leibhaftigkeit. Er ist ein Verwandelter. Gesät wird ein verweslicher, schwacher, irdischer Leib; auferweckt wird ein unverweslicher, herrlicher, himmlischer Leib. Dieser Leib vermag durch geschlossene Türen zu gehen, plötzlich zu erscheinen und zu verschwinden. Die Leibhaftigkeit des Auferweckten ist verwandelt. Das ist der Inhalt des neutestamentlichen Glaubens an die Auferstehung. Wie aber ist er entstanden? – Der Glaube an die Auferstehung des Herrn ruht auf zwei Säulen,

1. auf dem leeren Grab,

2. auf den Erscheinungen.

Jesus wurde nach seinem Tode vom Kreuze abgenommen und von Joseph von Arimathäa, der sich den Leichnam erbeten hatte, in ein in Stein gehauenes Grab verbracht. Er wurde also nicht, wie Goguel und andere behaupten, in eine allgemeine Verbrechergrube geworfen, nein, er wurde in ein bestimmte, lokalisierbares Grab verbracht. Es ist das Grab des Joseph von Arimathäa. Als aber am Morgen des ersten Wochentages die Frauen zum Grabe kamen, stellten sie fest, daß das Grab geöffnet und der Leichnam verschwunden war. Das Grab war leer. Der Frauen bemächtigte sich das helle Entsetzen. Sie waren bestürzt und ratlos, sie stürmten zurück nach Jerusalem. Sie teilten ihre Beobachtung den Aposteln mit. Diese liefen hinaus, zuerst Petrus und Johannes. Sie prüften nach, was die Frauen berichtet hatten, und stellten ihrerseits fest: Das Grab war leer! Der Gekreuzigte, der Begrabene befand sich nicht mehr an der Stelle, wo man ihn zur Ruhe gebettet hatte. Das leere Grab weckte den Glauben an die Auferstehung nicht. Die Apostel waren bestürzt, sie waren ratlos. Sie wußten keine Erklärung. Es mußte etwas anderes dazu kommen, um sie gewiß zu machen, daß der Tote nicht bloß irgendwo anders hin verbracht worden sei, sondern daß er zur Herrlichkeit des Vaters erhöht worden war. Dieses andere waren die Erscheinungen. Sie sind deswegen der Hauptgegenstand des Angriffes der Ungläubigen, auch der ungläubigen Theologen.

Gegen die Wirklichkeit der Erscheinungen werden mehrere Einwände vorgebracht. Man sagt, es seien Halluzinationen, also Einbildungen ohne realen äußeren Reiz gewesen; der Auferstehungsglaube, die Auferstehungshoffnung, die Auferstehungsbegeisterung habe diese Halluzinationen hervorgebracht, und auf diese Weise seien die Jünger zu dem Glauben gekommen, Jesus sei wirklich auferweckt worden. Wir müssen auf diese Vorwürfe antworten.

Wenn wir die Psyche der Apostel betrachten, dann müssen wir sagen: Sie waren nüchterne Männer aus dem Volke, abgehärtet in Seestürmen und in der Arbeit in der freien, frischen Luft. Es waren keine verstiegenen Phantasten, keine Spinner, die sich leicht etwas einbilden. Sie waren nicht empfänglich für Halluzinationen. Es waren auch Männer von ganz verschiedener Vorbildung und Geistesart. Sie waren für gruppenpsychologische und gruppendynamische Geschehnisse nicht empfänglich. Diese Männer waren kein geeignetes Subjekt, um Halluzinationen aus dem Inneren hervorzutreiben.

Als die Erscheinungen geschahen, haben sich die Apostel ganz anders verhalten, als sich die Menschen bei Halluzinationen verhalten. Bei Halluzinationen, die aus dem Inneren kommen, vollzieht sich folgender Vorgang: Die Menschen haben Empfindungen, daß sich etwas ereignet, daß sie etwas sehen, daß sie etwas spüren, und sie werden davon überwältigt. Und erst, wenn sie dann zu sich kommen, prüfen sie nach: Was war das eigentlich? Habe ich mich getäuscht, oder war das eine wirkliche Begebenheit außerhalb von mir? Ganz anders bei den Erscheinungen des Auferstandenen. Hier werden die Apostel und die Empfänger der Erscheinungen nicht überwältigt, sondern sie sehen zunächst etwas ganz anderes. Als Magdalena die Erscheinung des Auferstandenen hat, da meint sie, es sei der Gärtner. Die Emmaus-Jünger treffen einen Wanderer; ihre Augen sind gehalten. Sie vermögen ihn nicht als den Herrn zu erkennen. Die elf Apostel am Osterabend meinen, es sei ein Gespenst, das vor ihnen steht, ein Geist. Und die Jünger beim reichen Fischfang werden erst beim Genuß des Fisches gewahr, daß der Herr es ist, der ihnen hier erschienen ist. Also ganz anders als bei Halluzinationen. Die Zeugen der Erscheinungen des Auferstandenen sehen zuerst etwas anderes, und dann prüfen sie nach; und erst die Nachprüfung, erst die Kritik an dem, was sie sehen, überzeugt sie davon, daß es der Herr ist. Diese kritische Prüfung schließt eine psychogene Entstehung der Erscheinungen aus.

Wenn die Erscheinungen subjektive Visionen wären, dann müßten sie sich unbegrenzt fortsetzen. Wer immer den Glauben und die Begeisterung hat, der müßte solche Halluzinationen erzeugen können. Ganz anders die Erscheinungen des Herrn. Sie setzen ein und brechen ab. Nach vierzig Tagen sind sie beendet. Sie sind deswegen beendet, weil sie von außen kamen. Eben nicht die Begeisterung, eben nicht der Glaube, eben nicht die Hoffnung hat sie hervorgetrieben, sondern äußere Einwirkungen haben die Zeugen davon überzeugt, daß ihnen hier jemand erscheint, der kein anderer ist als der auferweckte Herr und Heiland.

Die Ungläubigen sagen: Die Begeisterung, der Glaube, die Hoffnung bezüglich Jesus und seines Weiterlebens haben die Visionen hervorgetrieben. Aber, meine lieben Freunde, wie ist denn diese Begeisterung, wie ist denn dieser Glaube entstanden? Hier wird das, was bewiesen werden soll, vorausgesetzt. Der Glaube war zusammengebrochen. Der Glaube war den Aposteln durch die Ereignisse des Karfreitags erschüttert worden. Aus diesem erschütterten und zertrümmerten Glauben konnten subjektive Visionen gar nicht hervorgehen. In ihrem Inneren waren sie verstört, und sie waren kleinmütig und verzagt, sie waren deprimiert. Ja, wie sollten solche Männer einen sieghaften Glauben an Christus, den Auferstandenen, gewinnen, ohne daß etwas von außen und von oben ihnen widerfahren wäre? Ihre ganze Verfassung läßt nicht zu, daß ihr angeblicher Auferstehungsglaube die Visionen erzeugt habe. Dazu hätte es einer langen Zeit bedurft, und die steht nicht zur Verfügung. Denn am dritten Tage ist der Osterglaube da. Er ist da, weil er von außen und von oben in ihnen auferbaut wurde. Nicht der mächtige Eindruck, den Jesus bei ihnen zu Lebzeiten hinterlassen hatte, hat die Auferstehungshoffnung hervorgetrieben, sondern allein die Begegnung mit dem auferweckten Herrn und Heiland hat sie von der Realität der geschehenen Auferstehung überzeugt.

Jesus ist der Lebendige, weil er durch die Macht des Vaters vom Tode auferweckt worden ist. Er hat in seinem irdischen Leben und nach seiner Auferstehung den Jüngern Weisungen und Lehren vermittelt über das Reich Gottes. Er hat ihnen die Frohbotschaft geschenkt und die Wege des Heils gewiesen. Die entscheidende Frage, die wir uns hier stellen müssen, ist: Ist die Botschaft Jesu ein Irrlicht, das die Menschen blendet? Ist sie der Traum eines bemitleidenswerten Schwärmers? Ist sie das Werk der Anmaßung eines gewissenlosen Abenteurers? Die Antwort kann nur lauten: Jesus Christus ist gekommen und hat gehandelt in der Vollmacht und im Auftrag des himmlischen Vaters. Jesus war mächtig in Wort und Tat vor Gott und den Menschen. Gott hat ihn beglaubigt durch Machterweise, Wunder und Zeichen. Er hat vor allem das große, das Riesenwunder des Jonas gewirkt zu seiner Legitimation, nämlich die Auferweckung aus dem Grabe.

Jesus Christus ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der aber zum Eckstein geworden ist. In ihm allein ist Heil.

Amen.

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