Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
17. November 1991

Die Formen der Gottesverehrung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir nahmen unseren Ausgangspunkt bei einem Ausspruch des Königsberger Philosophen Imanuel Kant. Er bezeichnete jeden Gottesdienst als „Afterdienst Gottes“ und sagte, man könne Gott nicht anders ehren, als indem man sittlich einwandfrei lebt. Wir haben die Irrtümlichkeit dieser Auffassung erkannt. Aber wir haben noch die weitere Aufgabe, die Formen der Gottesverehrung uns vor Augen zu führen. Gott wird ja nicht nur durch Gebet geehrt, nein, es gibt auch andere Weisen, wie unsere Gottesverehrung sich ausdrücken kann. Wir wollen am heutigen Sonntag von zwei dieser Formen sprechen, nämlich erstens vom Opfer und zweitens vom Gelübde.

Die erste Weise, Gott zu ehren, mit der wir uns heute befassen wollen, ist das Opfer. Opfer ist die Darbringung, die sichtbare Darbringung einer Gabe, die aus dem Eigentum ausgeschieden wird und moralisch oder physisch vernichtet oder wenigstens verändert wird zur Anerkennung Gottes als des Schöpfers und Zieles, als des Begnadigers und des Herrn über Leben und Tod. Das Opfer ist also eine gesteigerte Weise der Gottesverehrung. Es entspringt aus der Devotion, aus der Hingabe an Gott, und deswegen kann man auch nur Gott opfern. Das Opfer kann als Zielpunkt nicht einen Menschen haben, sondern nur Gott. Opfer werden Gott dargebracht.

Da erhebt sich die Frage: Ist denn nicht Gott sowieso schon der Eigentümer von all dem, was uns gehört? Ist er nicht der Schöpfer und der Herr dieser Erde? In einem gewissen Sinne trifft das selbstverständlich zu. Alles, was uns an Eigentum zufällt, ist Gott als dem Obereigentümer zugehörig. Aber er hat es uns zur Verfügung überlassen, und weil wir darüber verfügen können, deswegen können wir auch aus unserem Eigentum, aus unserem Vermögen etwas ausscheiden und Gott weihen. Wenn wir also im Meßopfer unser Scherflein in den Klingelbeutel legen, wenn wir ein Meßstipendium hingeben, damit es einer Messe zugeordnet wird in einer bestimmten Intention, dann scheiden wir etwas aus unserem Eigentum aus. Und da wir es Gott unmittelbar nicht geben können – „Mein sind die Tiere des Feldes“, sagt er – weil wir es Gott nicht unmittelbar geben können, geben wir es seinen Dienern, geben wir es den Armen, in denen er sich gegenwärtigsetzt. Es ist also durchaus möglich, durch das Opfer Gott zu ehren.

Freilich, die eben genannten Weisen, Opfer zu bringen, sind nur ein schwacher Abglanz dessen, was wir eigentlich opfern, nämlich unsere Persönlichkeit in der Verbindung mit dem Opfer Christi. Gott hat uns ein Opfer bereitet in der Hingabe seines Sohnes, und er hat dafür gesorgt, daß dieses Opfer uns zugänglich ist im Meßopfer. Er will, daß wir in dieses Opfer uns eingliedern, daß wir in die Opfergesinnung eingehen, die Jesus bewiesen hat, als er vom Ölberg über den Palast des Hohenpriesters zum Berge Golgotha geschritten ist. Er will, daß wir uns diesem Opfer anschließen und mit Christus und in Christus uns selbst opfern. Wenn also die Opfergabe auf dem Altare liegt, dann sagen wir gleichsam zu Gott: Siehe, so liege ich vor dir wie diese Opfergabe; so will ich mich hingeben, wie diese Opfergabe, der hingegebene Christus, vor dir liegt. Es kommt also beim Opfer entscheidend auf die Opfergesinnung, auf die Opferbereitschaft, auf den Opferwillen an.

In der Kirche St. Maria auf der Höhe in Soest in Westfalen kann man ein Bild sehen, das aus dem 13. Jahrhundert stammt. Über dem Torbogen ist Gott Vater abgebildet, wie er die Hand zum Segnen erhebt, rechts von ihm erscheint Abel mit einem Lamm auf seinen Händen, links Kain mit Getreideähren. Abel aber hat sein Antlitz zu Gott erhoben. Er strahlt gleichsam, und über ihm steht das Spruchband: „Opfer will ich dir bringen und deinen Namen heilig halten.“ Bei Kain aber steht der Spruch: „Siehe, ich gebe dir die Ähren des Feldes, aber mein Herz behalte ich für mich.“ Wie hat doch dieser Künstler des 13. Jahrhunderts das Wesen des Opfers, der Opfergesinnung, der Opferhingabe in diesem Bilde eingefangen! Wir geben Gaben, und das ist ein wirkliches Weggeben, wir trennen uns von Werten, die uns zugehörig sind, aber in diesen Werten sollen und wollen wir uns selbst Gott schenken, sollen und wollen wir uns selbst Gott übereignen. Und das macht erst das Opfer wertvoll: die Opfergesinnung. Mürrisches Geben, unfreundliches, unwilliges Geben ist nicht ein Opfer, das Gott gefällt. Wie sagt doch das 1. Buch der Heiligen Schrift: „Und Gott schaute mit Wohlgefallen auf die Gaben des Abel, aber die Gaben des Kain schaute er nicht an.“ Auch Kain hat aus seinem Vermögen weggegeben, aber das Herz hat er zurückbehalten, und deswegen hat er seine Gabe entwertet.

Wir sollen,  meine lieben Freunde, unsere Hauptaufgabe darin sehen, im Opfer Christi, im Meßopfer uns selbst zum Opfer darzubringen. Das Opfer mit Christus, das wir in der Messe vollziehen, soll sich ethisch in unserem Leben fortsetzen. Wir sollen auch außerhalb der heiligen Messe Opfer bringen, wie man sagt. Das heißt, wir sollen Opfergaben an andere geben in der Hinrichtung, um Gott zu verehren, an Bedürftige, an Behinderte. Wir sollen auch opferähnliche Akte setzen, z. B. schweigen, wo man reden möchte, Selbstverleugnung, Überwindung. All das, was uns schwerfällt, kann in diesem Sinne ein Opfer sein, nämlich wenn es in Verbindung mit der Religion, mit der Gottesverehrung Gott dargebracht wird. Da werden also unsere oft so leidvollen Handlungen geadelt und in eine höhere Sphäre gehoben, wenn wir sie verbinden mit der Opfergesinnung, die Christus bewiesen hat und die der Vater im Himmel von uns erwartet.

Die zweite Weise, Gott zu verehren, ist das Gelübde. Das Gelübde ist ein wohlüberlegtes, freies, freiwilliges Versprechen, das Gott gemacht wird über ein mögliches und besseres Gut. Ein Versprechen ist das Gelübde, also nicht ein bloßer Vorsatz. Wenn man ein Gelübde macht, dann verpflichtet man sich anders, als wenn man sich bloß etwas vornimmt. Ein Gelübde verpflichtet wegen der Tugend der Gottesverehrung unter Sünde. Man will Gott damit ehren, daß man ihm etwas verspricht, und das ist eine hohe und von der Heiligen Schrift gelobte Weise, Gott zu ehren. Im Alten Testament wird oft von Gelübden gesprochen, wenn etwa eine kinderlose Mutter einen Sohn erfleht und sagt: Wenn ich einen Sohn erhalte, will ich ihn Gott weihen, will ich ihn zum Tempeldienst bestimmen. Der Apostel Paulus hat mehrfach Gelübde gemacht und sie erfüllt. Die Gelübde sind also durch die Heilige Schrift geheiligt. Sie müssen in Erkenntnis der Tragweite dessen, was man gelobt, in Freiwilligkeit und mit Verfügungsgewalt über das Objekt, über den Gegenstand gemacht werden. Ein erzwungenes Gelübde wäre kein rechtes Gelübde, und ein Gelübde, dessen Tragweite man nicht überschaut, könnte unter Umständen von den kirchlichen Oberen irritiert oder kommutiert oder dispensiert werden.

Man muß auch Herr über den Gegenstand des Gelübdes sein. Wenn etwa ein Ehegatte das Gelübde macht, auf die eheliche Einung zu verzichten, und solche Gelübde sind ja gemacht worden, dann verliert er zwar das Recht, die eheliche Einung zu fordern, aber er muß sie auf Verlangen des anderen leisten, denn er ist nicht Herr über dieses hohe Gut der ehelichen Einung. Gelübde verpflichten immer nur den, der sie macht, wenn es sich um persönliche Gelübde handelt. Wenn es sich dagegen um sachliche Gelübde handelt, wo also ein äußerer, sichtbarer Geldwert erbracht wird, dann müssen auch die Erben dieses Gelübde erfüllen.

Wenn ich sage, Gelübde verpflichten nur den, der sie macht, dann haben Sie auch die Lösung dafür, daß die Passionsspiele in Oberammergau die Bevölkerung nicht deswegen verpflichten, weil im Jahre 1633 die damals lebenden Bewohner das Gelübde gemacht haben. Nur diese wurden durch das Gelübde verpflichtet. Aber die jetzigen Bewohner haben in Achtung vor ihren Vorfahren und in Dankbarkeit zu dem damaligen gottgewirkten Aufhören der Pest das Gelübde aufgenommen und das Spiel weitergeführt bis in unsere Tage.

Gelübde werden oft in Not gemacht, und zwar sind es dann bedingte Gelübde. Ich habe einmal von einem Fall gehört, wo jemand einen Verkehrsunfall hatte und in seinem Auto eingesperrt war, nicht heraus konnte. Da hat die betreffende Person das Gelübde gemacht, alle Tage ihres Lebens die heilige Messe zu besuchen, wenn sie noch einmal lebend und gesund aus dem verschlossenen Wagen herauskomme. Das war ein bedingtes Gelübde, nämlich an die Bedingung geknüpft, daß sie aus diesem Gefängnis befreit wird.

Es gibt auch unbedingte Gelübde. Der heilige Pfarrer von Ars zum Beispiel hat ein solches Gelübde gemacht, als er 18 Jahre alt war. Es ging mit dem Lernen mehr schlecht als recht, er war ein unbeholfener Bauernjunge, und das Ziel des Priestertums drohte ihm zu entschwinden. Da machte er das Gelübde, eine Wallfahrt zum heiligen Franz Regis in La Louvex zu machen, und auf diesem Wege nur von dem zu leben, was er erbettelt. Er hat dieses Gelübde gemacht, er hat es auch erfüllt, und siehe da, die Gnade Gottes war mit ihm. Fortan konnte er die Schwierigkeiten des Studiums bewältigen und ist dann der große, gottbegnadete Seelsorger und Heilige von Ars geworden.

Die protestantischen Reformatoren haben die Gelübde bekämpft aus Unverständnis oder aus persönlichen schlechten Erfahrungen, die sie gemacht hatten, weil sie, wie etwa der Augustinermönch Luther, sich nicht an die Ordnung, die sie gelobt hatten, gehalten haben. Wir wissen von Luther, daß er die ganze Woche kein Brevier gebetet hat und dann am Samstag das Gebet nachzuholen versuchte. Wer nicht in der Ordnung lebt, der ist auch nicht in der Lage, Gelübde zu erfüllen. So gibt es auch den Gelübdebruch. Ich erwähne zum Beispiel den deutschen Kaiser Friedrich II. Er hatte das Gelübde gemacht, einen Kreuzzug zu unternehmen, um das Heilige Land, vor allem die Stadt Jerusalem, von den Mohammedanern zu befreien. Aber er schob die Erfüllung immer und immer wieder auf, bis der Papst sagte: Jetzt ist die Geduld zu Ende, und ihn in den Kirchenbann tat. Das war ein nichterfülltes Gelübde.

Das Gelübde ist eine Weise, Gott zu ehren, wobei wir eben Gott ein Werk versprechen, um ihn zu ehren. Wir nehmen etwas auf uns, um ihn zu ehren. Und welche Ehre,  meine lieben Freunde, welche Ehre ist in allen Jahrhunderten der Kirchengeschichte von den Menschen Gott erwiesen worden, die etwas, die sich selbst ihm im Gelübde übergeben haben! Ich denke an unsere Ordensschwestern, die in den Krankenhäusern Gott in den Armen und Kranken gedient haben. Was war das eine Zierde unserer Kirche! Im Jahre 1942 traten die Nationalsozialisten an den Chef der Psychiatrischen Klinik in München, den berühmten Professor Bumke, einen Protestanten, heran und legten ihm nahe, die Ordensschwestern, die katholischen Ordensschwestern aus der Klinik zu entfernen. Da gab er ihnen zur Antwort: „Wenn ihr die Schwestern herausnehmt, dann könnt ihr mich gleich mitnehmen.“ Diese Schwestern, die ihr Leben, ihr junges, blühendes Leben Gott geweiht hatten, waren eine Zierde unserer Kirche. Sie waren ein lebendiger Beweise für den Sieg des Geistes über das Fleisch. Sie waren ein herrliches Zeugnis für die Übermacht Gottes über das Irdische. So sind also öffentliche Gelübde zum bene esse, zum Wohlsein der Kirche unentbehrlich.

Opfer und Gelübde sind Weisen, Gott zu verehren. Wir wollen diese Weisen hochschätzen, wollen sie nach unseren Kräften und nach unseren Möglichkeiten nutzen, um Gott zu ehren, um auf diese Weise das Gebot des Herrn zu erfüllen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deinem ganzen Gemüte, mit allen deinen Kräften.“ Auf diese Weise werden wir diesem Gebote nachkommen

Amen.

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