Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Oktober 1989

Gott, der allmächtige Schöpfer der Welt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderund, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt, der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ So hat der große Philosoph von Königsberg, Immanuel Kant, einmal geschrieben. Er konnte staunen über die Wirklichkeit um uns und in uns, über die Welt, den Sternenhimmel, aber auch über das Bewußtsein und das Gewissen im Menschen. Tatsächlich muß man staunen. Haben Sie, meine lieben Freunde, sich schon einmal klargemacht, daß es ja auch nichts geben könnte? Wäre es nicht auch denkbar, daß wir, die Tiere und die Menschen, die Erde und die Sterne, nicht existierten? Ist es denn notwendig, daß wir auf dieser Erde wandeln und vor uns viele Generationen und vielleicht auch nach uns noch viele Menschen? Ist das notwendig, oder könnte es auch anders sein?

Auf diese Frage haben schon viele Geister eine Antwort versucht. Wenn Sie einmal die Tischgespräche Hitlers lesen, dann finden Sie, daß er sich oft mit dieser Frage beschäftigt hat. Er gab die Antwort des Agnostizismus, d.h. wir wissen nicht, was wäre, es ist eben so, und man darf nicht fragen, ob es auch anders sein könnte. Er verzichtete also im Grunde auf eine Antwort. In den Mythen der falschen Religionen wurde auch versucht, diese Frage zu lösen, und die Lösung fiel entweder im Sinne des Monismus oder des Dualismus aus. Im Sinne des Monismus, das heißt, es gibt nur eine einzige Art von Wirklichkeit, und sie erklärt sich selbst, gewöhnlich eine einzige Art von Wirklichkeit im Sinne des Materialismus. Es gibt nur Materie und Erscheinungsweisen der Materie und sonst nichts. Der Dualismus nimmt ein gutes und ein böses Prinzip an, die miteinander streiten. Das böse Prinzip hat die Materie ins Leben gerufen und das gute Prinzip den Geist. Das Böse und das Gute kämpfen miteinander, aber der Sieg des Guten steht am Ende.

Gegenüber dem Agnostizismus und dem Monismus und dem Dualismus hält der Glaube, unser christlicher Glaube, die richtige Antwort bereit. Wir bekennen sie jedesmal im Glaubensbekenntnis: Ich glaube an Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde. Das katholische Dogma sagt: Alles, was außer Gott ist, ist von Gott aus nichts geschaffen. Schöpfung nennt man die Hervorbringung aus nichts. Das Nichts ist nicht etwa Substrat, ein Gegenstand, aus dem etwas hervortritt, sondern will gerade die Abwesenheit eines jeden angenommenen Substrates, sei es ein Stoff, sei es ein Geist, sein. Gott hat die Welt kraft seines Willens, ohne daß etwas ihm vorgegeben gewesen wäre, geschaffen. Das ist das katholische Dogma. Kann man dieses Dogma begründen? Ja, man kann es begründen. Die Welt ist kontingent, d. h. sie trägt ihren Grund nicht in sich selbst. Es ist nichts in der Welt, was so geartet wäre, daß man sagen müßte: Die Welt muß bestehen. Nein, sie könnte ebensogut auch nicht bestehen.

Der Gottesname in der hebräischen Bibel heißt „Jahwe“. Jahwe bedeutet „Der da ist“. Gott ist der Seiende. Und aus dieser Bezeichnung, daß Gott der Seiende ist, kann man erkennen, daß alles Außergöttliche von ihm ins Sein gerufen worden ist. Alles Außergöttliche ist ein Nichts, solange es Gott nicht ins Dasein ruft. Und so sagt der Prolog des Johannesevangeliums: „Alles ist durch ihn geschaffen worden, und nichts ist ohne ihn geworden.“ Nichts Außergöttliches hat eine Existenz, die nicht auf Gott zurückzuführen wäre.

Der Gottesname, der 6000 mal in der griechischen Bibel des Alten Testamentes vorkommt, heißt „Herr“. Wenn Gott als der Herr bezeichnet wird und wenn ihm somit ein Eigentums- und ein Herrschaftsrecht zugeschrieben wird, dann deswegen, weil er sich dieses Eigentums- und Herrschaftsrecht durch die Schöpfung erworben hat. Gott ist Herr, weil er der Schöpfer ist. Und so sagt es dann auch der erste Satz der Bibel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Der Anfang ist der absolute Anfang, vor dem, was die Welt betrifft, nichts war. Gott schuf Himmel und Erde, das will sagen: alles. Himmel ist die gesamte Wirklichkeit über- und außerhalb der Erde, und die Erde, das ist eben unser Planet. Er schuf; das hebräische Wort „barah“ bedeutet gewöhnlich „hervorbringen aus nichts“. Und so hat uns die Offenbarung des Alten Testamentes die Grundwahrheit vermittelt: Gott ist Schöpfer. Diese Wahrheit hält die Mutter der makkabäischen Brüder ihren Söhnen vor, als sie zum Martyrium geführt werden. „Mein Sohn,“ sagt die Mutter, „schau den Himmel und die Erde an und was darin ist, und denke daran, daß Gott alles aus nichts geschaffen hat!“ Ja, warum sagt denn die Mutter das? Sie sagt es deswegen, um den Sohn zu ermutigen, um ihn zu ermuntern, den Tod zu erleiden. Denn der, der die Welt erschaffen hat, der kann ihm auch ein Leben bereiten, nachdem man ihm den Leib mit dem Folterwerkzeug zerrissen hat.

Gott ist der Schöpfer. Er hat die Welt mit seinem freien Willen geschaffen, nichts hat ihn gezwungen. Er wurde weder von außen noch von innen durch eine Notwendigkeit veranlaßt, die Welt zu schaffen. Aus welchem Motiv hat er denn die Welt geschaffen? Er hat sie erschaffen aus Güte. Er wollte endlichen Geschöpfen Anteil an seiner Vollkommenheit geben. Er wollte, daß sich endliche Geschöpfe glückselig freuen darüber, daß sie zum Sein erweitet, daß sie ins Dasein gerufen sind. Das Motiv der Weltschöpfung war Gottes Güte. Und der Zweck? Zu welchem Zweck hat Gott die Welt erschaffen? Er hat die Welt erschaffen zu einem höchsten Zweck, nämlich um seiner eigenen Verherrlichung willen. Die Menschen sollten die Herrlichkeit Gottes erkennen und dadurch Gott preisen. Sie sollten durch die Erfahrung und die Erkenntnis der geschaffenen Dinge zur Erkenntnis des Schöpfers geführt werden und aus den Vollkommenheiten, die sie auf Erden vorfinden, auf die unendliche Vollkommenheit des Schöpfers schließen. Das ist ja der Weg aller Gottesbeweise. Die Gottesbeweise schließen aus den endlichen Vollkommenheiten auf die unendliche Vollkommenheit dessen, der das alles geschaffen hat.

Alles hat Gott mit Weisheit gemacht. Die Welt ist sinnvoll und geordnet. Pascal hat einmal geschrieben, daß ein mathematischer Geist die Welt gemacht haben muß. Denn die Gesetze der Mathematik, die wir entdecken – nicht erfinden, sondern entdecken –, die Gesetze der Mathematik lassen sich in der Welt, in der Wirklichkeit nachweisen. Der Schöpfer der Welt muß ein mathematischer Geist gewesen sein – freilich ein Geist von unendlicher Weisheit und unendlicher Kraft. Gott hat die Welt aus nichts geschaffen, das bedeutet, er besaß nicht irgendwelche Voraussetzungen. Wenn wir schaffen, müssen wir immer das benutzen und auf dem aufbauen, was andere bereitgestellt, entdeckt und erfunden haben. Wir brauchen Werkzeuge, um zu schaffen. Gott in seiner unendlichen Vollkommenheit bedarf keines außergöttlichen Dinges, um die Schöpfung ins Dasein zu rufen.

Warum, meine lieben Freunde, hat uns Gott denn geoffenbart, daß er der Schöpfer ist? Er hat es uns geoffenbart vorzüglich um dreier Dinge willen. Erstens um seine sittliche Forderung gegen uns zu begründen. Er ist der Schöpfer und damit der Herr, und er gibt seinen Willen kund in seinen Geboten. Er kann Gesetzgeber sein, weil er ja alles, was ist, geschaffen hat und infolgedessen auch seine Gesetze in diese geschaffenen Wesen hineingelegt hat und ihnen das moralische Gesetz gegeben hat, mit dem sie Gott gehorchen und ihn anerkennen sollen. Das ist nämlich der zweite Grund, warum Gott uns geschaffen hat, daß wir ihm danken, daß wir ihm danken für die Fülle des Seins, die er uns vermittelt hat. Die meisten Menschen kennen nur das Bittgebet, und das ist falsch. Wir müssen auch loben und danken, ja zuerst loben und danken. Die Jünglinge im Feuerofen haben nicht Gott gebeten, sie vom Feuer zu befreien, sondern sie haben im Feuerofen Gott gepriesen wegen seiner Werke, wegen des Himmels und der Erde und den Strömen und dem Frost und dem Feuer und der Sonne.

Hier liegt auch der Grund darin, warum wir in die Kirche gehen. Wir gehen in die Kirche, um Gott zu verherrlichen. Wir nehmen am Gottesdienst teil, um Gott zu preisen. Das müssen Sie Ihren Kindern und Ihren Enkelkindern sagen, daß wir Gott schuldig sind, ihn zu verehren. Und wer das nicht tut, der vergeht sich gegen Gottes Schöpfungswillen. Wir kommen zusammen am Sonntag, um Gott zu verherrlichen, und wenn der Mensch das nicht tut, dann verweigert er Gott die schuldige Ehre. Wer den Gottesdienst nicht besucht, ist objektiv gesehen schlechter als derjenige, der ihn besucht. Das muß man ganz offen aussprechen. Auch wenn uns viele vorhalten: Die in die Kirche gehen, sind auch nicht besser. Doch, sie sind besser! Schon allein deswegen, weil sie Gott mit Zunge und Herz sowie in Gemeinschaft verherrlichen, also das erste Gebot Gottes erfüllen.

Der dritte Grund, warum Gott uns seinen Schöpfungsplan, seine Schöpfungswirklichkeit enthüllt hat, liegt darin, daß wir Hoffnung haben. Derjenige, der die Welt geschaffen hat, derjenige, der die Welt erhält, wird sie auch vollenden. Gott bleibt der Herr der Welt. Er wird seinen Plan mit der Wirklichkeit, die er ins Leben gerufen hat, vollenden. Er wird ihn zum Ziele führen. Wir können ganz unbesorgt sein: Es geschieht nichts, was nicht im Plane Gottes vorgesehen ist. Wir dürfen Hoffnung haben, so wie die Mutter der makkabäischen Brüder ihren Söhnen Hoffnung machte, indem sie sie auf den Schöpfer verwies. Derjenige, der die Welt ins Dasein gerufen hat, der kann auch denjenigen, die um seines Namens willen den Tod leiden, ein neues, ein besseres Leben schenken.

Der Schöpfungsglaube, meine lieben Christen, ist also von ganz eminenter praktischer Bedeutung. Weil Gott unser Schöpfer und Herr ist, deswegen kann er uns sittliche Gesetze geben, die die Kirche verkündet. Weil Gott der Schöpfer und Herr ist, deswegen müssen wir ihn loben und ihm danken, müssen wir Gottesdienst halten. Weil Gott der Schöpfer und Herr ist, deswegen dürfen wir hoffen, daß er uns nach diesem armen irdischen Leben ein jenseitiges Leben in seiner Freude schenken wird.

Amen.

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