Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Dezember 2013

Die Kirche als Organ der Endzeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Martyrologium, dem Heiligenverzeichnis der römischen Kirche, wird am heutigen Tage der geschichtliche Augenblick der Geburt Jesu zunächst zurückbezogen auf die Schöpfung, und danach werden die einzelnen Stadien des Geschehens in der Welt aufgezählt: die Geburt Abrahams, die Berufung des Moses, die Salbung Davids zum König, und erst am Schluss heißt es, dass Jesus Christus, der ewige Gott und ewige Sohn des ewigen Vaters, in Bethlehem, von Maria der Jungfrau, geboren worden ist, um durch seine gnadenreiche Ankunft die Welt zu weihen – um durch seine gnadenreiche Ankunft die Welt zu weihen. Das war der Augenblick, auf den die Welt gewartet hatte: die jüdische, die griechische, die römische Welt. Sie wartete auf den Augenblick, in dem die Welt ihren Ursprung und ihr Ziel in sich aufnehmen sollte.

Buddha war ein Religionsstifter; er begründete den Buddhismus. Konfuzius war ein Religionsstifter; er steht am Anfang der Weltanschauung, denn eine Religion kann man sie kaum nennen, am Anfang der Weltanschauung des Konfuzianismus. Mohammed war ein Religionsstifter; er erfand den Islam. Jesus Christus ist kein Religionsstifter; er ist die Religion selbst. Die Religion, die Gott zum Urheber hat, die Religion, deren Inhalt er ist und deren Gegenstand er ist. Die genannten Religionsstifter wollten die Menschen belehren; Jesus kam, um sie mit Gott zu verbinden. Die Religionsstifter nahmen die Welt als gegeben hin; Jesus Christus ist ihr Ursprung. Gewiss, bekennen wir im Glaubensbekenntnis, dass Gott Himmel und Erde geschaffen hat, aber das hindert nicht, dass auch Jesus mit der Schöpfung zu tun hat. Johannes sagt es: „Durch Ihn ist alles geschaffen, was geschaffen ist.“ Und Paulus bekennt: „Er ist Gottes, des unsichtbaren Bild, Erstgeborener der Schöpfung, denn in Ihm ward alles erschaffen: das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften und Gewalten und Mächte: Alles ward durch Ihn und für Ihn geschaffen. Er ist vor allem, und alles hat in Ihm seinen Bestand.“ So im Briefe an die Kolosser. Im Brief an die Hebräer heißt es: „Ihn hat Gott zum Erben eingesetzt, und durch Ihn hat er das Weltall erschaffen. Er ist der Strahl seiner Herrlichkeit, das Abbild seines Wesens. Er ist es, durch den alles ist, und durch den auch wir sind.“ Das fleischgewordene Wort Gottes, das Wort, durch das alles geworden ist, der menschgewordene Gottessohn, ist der Herr der Welt. Kraft der hypostatischen Union, kraft der Verbindung mit der göttlichen Wesenheit und mit der göttlichen Person, ist der Mensch Jesus der Herr der Welt. Die Fülle der Gottheit strömt auf ihn über. Die Gnade des Hauptes geht in die heilige Menschheit Jesu ein. Alle Religionsstifter versuchten, auf je ihre Weise, die Menschen nach ihren Ansichten zu formen. Jesus erlöst sie von ihren Sünden. Das hat weder Buddha noch Konfuzius noch Mohammed versucht. Dazu reichte ihre Kraft nicht. Gott selbst musste kommen, um die Menschheit zu erlösen.

Die Gottesgelehrten haben sich den Kopf darüber zerbrochen, ob der LOGOS auch Mensch geworden wäre, wenn die Menschen nicht gesündigt hätten. Die Frage ist müßig. Gott hat seit Ewigkeit vorausgesehen, dass sie sündigen würden, und hat deswegen auch seit Ewigkeit beschlossen, seinen Sohn auf die Erde zu senden. Die Ordnung der Erlösung und die Ordnung der Schöpfung haben ein und denselben Grund: Sie unterstehen der gleichen Herrschaft, nämlich der Herrschaft Jesu Christi. Die Religionsstifter gewannen Anhänger und herrschten durch ihre Lehren. Sie vermehrten die Zahl ihrer Anhänger durch Gewalt und Krieg, insbesondere der Islam breitete sein Macht durch Zwang und Terror aus, bis heute. Nicht so Jesus Christus. Er herrscht über das Universum durch seine Schöpfungskraft.

Er ist der Ursprung, aber er ist auch das Ziel der Schöpfung. Sein wesenhaftes Ziel ist: den neuen Himmel und die neue Erde zu schaffen. Es wird einmal die Stunde schlagen, in der das Universum verwandelt wird, in der das Unterworfensein der Schöpfung unter Leid und Tod ein Ende findet. Es wird einmal die Feindschaft zwischen Natur und Mensch und unter den Menschen untereinander zu Ende gehen. Es wird einmal die Offenbarung der ganzen Herrlichkeit Gottes über der Schöpfung sichtbar werden. Noch, noch ist diese Herrschaft Gottes nicht offenbar. Noch ist sie verborgen. Noch sehen wir nicht, dass die Mächte dieser Erde, dieser Welt entthront sind. Noch können die Menschen meinen, dass sie tatsächlich die Macht haben. Aber die Christen wissen schon, dass Christus der Sieger, der Herr und der König ist. „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Auf seinen Schultern ruht Weltherrschaft!“ Das Urbekenntnis der Christen ist dieses, dass Jesus der Christus ist, der Sohn des lebendigen Gottes, der unser und der ganzen Welt Herr ist. Alle Religionsstifter befehlen ihren Anhängern, sind die Führer ihrer Gemeinschaften, aber sie sind alle Teile. Christus gebietet über das Ganze. Ihre Herrschaft ist eine angemaßte; seine Macht ist eine wesenhaft eigene. Christus, der fleischgewordene Sohn Gottes, ist das Haupt der Menschheit. Wir gehören nicht einer Sekte an, einer Konfession, einem Teilbereich des Religiösen, sondern wir gehören dem an, der über alles gebietet, demjenigen, der das Haupt des Alls ebenso wie das Haupt der Kirche ist. Gott hat dem All in Christus ein Haupt gegeben, unter dem es geeint und aufgerichtet ist. Das geschieht durch die Kirche. Die Kirche ist das Organ, mit dem Gott die ganze Welt seiner milden Herrschaft unterwerfen will. In seiner Kirche und durch die Kirche will Christus das Haupt des Alls werden, will er als das Haupt des Alls anerkannt werden. Das nächste Ziel, das er hat, ist natürlich die Kirche selbst, in der die Herrschaft Christi schon offenbar ist. Aber die Kirche weist über sich selbst hinaus. Sie ist nicht um ihrer selbst willen da, sondern um der Welt willen, um der Schöpfung willen. Durch die Kirche soll die Welt hineinwachsen in die Fülle Christi. Damit ist der Kirche ihre geschichtliche Aufgabe gesetzt. Da, wo wirklich Kirche ist, wo die Gläubigen in der Kirche wahrhaft leben, wo die Kirche wächst an Verdienst und Zahl, da verwirklicht sich die Heimholung der Schöpfung, die mit dem Kommen des Herrn zu Bethlehem begonnen hat. Darin ist das letzte Ziel des erhöhten und seine Gaben ausspendenden Christus gelegen: durch die Kirche soll die Vollendung des Alls geschehen. Unsere Kirche ist nicht eine simple Religionsgemeinschaft. Sie ist nicht eine Konfession unter anderen, sie ist das Organ Gottes zur Heiligung der gesamten Schöpfung. Unsere Kirche steht, nach Gottes Anordnung, nicht in Konkurrenz zum Buddhismus, zum Konfuzianismus und zum Islam. Sie ist von Gott bestimmt, die falschen Religionen zu überwinden. Sie soll die ganze Menschheit in sich vereinigen. Dazu ist Christus gekommen, dazu gibt es das Weihnachtsfest, dazu ist die Kirche begründet. Wenn wir also, meine lieben Freunde, in diesen Tagen die Menschwerdung des LOGOS begehen, dann erinnern wir uns daran, dass damit die ganze Welt geweiht worden ist. Diese Weihe hat begonnen in dem Krippenkind, sie hat sich fortgesetzt auf alle die Anhänger, die Jesus gewonnen hat, sie geschieht fortwährend in der Feier des eucharistischen Opfers, wo die Welt geweiht wird in der „sakramentalen Epiphanie“ von Golgota. Jetzt und hier, meine lieben Freunde, ist uns die Aufgabe gesetzt, uns einzugliedern in die große Reihe derer, die Jesus als den Herrn der Welt, als den LOGOS, als den Sohn des Vaters bekennen. Hier und jetzt müssen wir diese Aufgabe wahrnehmen, in uns selbst, in unserem Herzen, in unserer Umgebung. Hier und jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Welt geweiht wird und geweiht bleibt, bis sie ihre Vollendung findet im neuen Himmel und in der neuen Erde.

Amen.

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