Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. April 2001

Die Sakramente als gottesdienstliche Zeichen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vielleicht ist manchem von Ihnen schon der Gedanke gekommen: So viele Beichten habe ich abgelegt, so oft die Gnade des Bußsakramentes empfangen, so viele heilige Kommunionen habe ich empfangen, den Herrn in mein Herz aufgenommen, und doch spüre ich immer noch, daß ich sittlich weit zurück bin hinter dem Ziel, das der Herr mit gesetzt hat. Haben denn die Sakramente versagt? War der häufige Empfang des Bußsakramentes und des Altarsakramentes nutzlos? Diese Frage kann einem kommen, und wir wollen versuchen, sie heute zu beantworten, indem wir darauf hinweisen, daß erstens die Sakramente gottesdienstliche Zeichen sind und daß sie zweitens Gnadenmittel sind. Wenn wir diese Unterscheidung sauber durchführen, kann sie uns hilfreich werden für das Verständnis der vielen Sakramentenempfänge und des beklagenswert geringen sittlichen Nutzens.

Die Sakramente sind gottesdienstliche Zeichen. Das besagt folgendes: Die Kirche ist dazu bestimmt, das Heilswerk Christi, sein Leben und Wirken, sein Sterben und Auferstehen, gegenwärtig zu setzen. Das ist ihre Aufgabe. Sie hat eine repräsentative Funktion gegenüber dem Heilswerk Christi. Sie setzt es gegenwärtig, und zwar zu dem Zweck, daß die Kirchenglieder in dieses Heilswerk Christi eingehen können. Die einzelnen Sakramente sind Epiphanien des Heilswerkes Christi, Erscheinungen des Heilswerkes Christi. In ihnen setzt der himmlische Vater durch den Dienst der Kirche das Heilswerk Christi gegenwärtig, damit wir in dieses Heilswerk eingehen können. In den Sakramenten ruft Christus den Menschen an und bewegt sich auf ihn zu. Die Sakramente sind Liebeszeichen und Hoheitszeichen Christi, Liebeszeichen, weil er darin auf uns zugeht, um mit uns eine Begegnung zu halten, Hoheitszeichen, weil er es verbindlich macht, daß wir die Sakramente empfangen. Gleichzeitig sind die Sakramente Wirkweisen der Liebe Christi, denn in den Sakramenten wird die Liebe Christi, die der Vater in die Welt gesandt hat, gegenwärtig. In den Sakramenten ist deswegen das Heilswerk Christi greifbar und faßbar. Und schließlich muß man auch noch sagen: Die Sakramente sind auch Wirkweisen des Heiligen Geistes. In ihnen entfaltet der Heilige Geist die Wirksamkeit, die Christus ihm zugeschrieben hat. Die Sakramente sind also Veranstaltungen des dreifaltigen Gottes, in denen das Heilswerk Christi gegenwärtig gesetzt wird, damit wir in es eingehen können.

Der Mensch, der Sakramente spendet und empfängt, bejaht darin den Liebeswillen Gottes. Er beugt sich unter die Hoheitszeichen Gottes. Er anerkennt Gottes Herrlichkeit, und durch diese Anerkennung der Herrlichkeit Gottes gewinnt er sein Heil. Eines ist mit dem anderen untrennbar verbunden. Der Mensch kann nicht anders sein Heil gewinnen, als indem er sich der Gottesherrschaft unterwirft. Und umgekehrt: Wer die Gottesherrschaft in sich aufrichtet, aufrichten läßt, der gewinnt das Heil. Das eben geschieht im Sakramentenempfang. Hier werden gottesdienstliche Zeichen gesetzt, in die der Mensch eingeht, um Gott zu verherrlichen und dadurch sein Heil zu gewinnen. In den Sakramenten gibt sich der Mensch, der bereitete Mensch, dem Liebeswillen Gottes hin. Die Sakramente sind deswegen Gottesdienst, Gottesverehrung. Das ist ihre erste und oberste Aufgabe, Gott zu dienen, Gott zu ehren, die Herrschaft Gottes anzuerkennen und in die Herrschaft Gottes einzugehen, indem man sich ihr unterwirft und sie über sich Herr werden läßt. In den Sakramenten nehmen wir teil an der Verherrlichung Gottes, die Christus während seines Lebens dem Vater im Himmel erwiesen hat. Man darf also nicht zuerst und nicht ausschließlich die Sakramente als Mittel zur sittlichen Besserung ansehen; das sind sie auch, gewiß. Aber zuoberst und zuvörderst sind die Sakramente Weisen, in denen wir Gott verherrlichen, indem wir in die Verherrlichung Christi eingehen, die er während seines irdischen Lebens dem Vater erwiesen hat und nicht aufhört, im Himmel dem Vater zu erweisen. Die Sakramente sind gottesdienstliche Zeichen; sie sind Gottesdienst, sie sind Kultakte. Und diese Kultakte haben einen Wert in sich, wenn man sie richtig setzt. In ihnen antworten wir auf den Ruf Gottes, unterwerfen wir uns seiner Herrschaft, gehen wir ein in seine Liebe.

Freilich darf darüber nicht vergessen werden, daß die Sakramente Gnadenmittel sind. Das Konzil von Trient hat für alle Zeiten definiert: „Die Sakramente enthalten die Gnade und teilen sie denen mit, die kein Hindernis entgegensetzen.“ Die Sakramente enthalten die Gnade und teilen sie denen mit, die kein Hindernis entgegensetzen. Das zu verkündigen, war im 16. Jahrhundert notwendig, denn da traten die Glaubensneuerer auf und entleerten die Sakramente, wie ich gleich erklären werde. Und so hat das Konzil von Trient einige Lehrsätze aufgestellt, die ganz deutlich die Wirkweise der Sakramente beschreiben:

„Wer sagt, die Sakramente des Neuen Bundes seien nicht zum Heil notwendig, sondern überflüssig, und die Menschen könnten ohne sie oder ohne das Verlangen nach ihnen durch den Glauben allein von Gott die Gnade der Rechtfertigung erlangen, der sei ausgeschlossen.“

„Wer sagt, die Sakramente seien allein dazu eingesetzt, den Glauben zu nähren, der sei ausgeschlossen.“

„Wer sagt, die Sakramente des Neuen Bundes enthielten nicht die Gnade, die sie bezeichnen, oder sie teilten nicht selber die Gnade denen mit, die kein Hindernis entgegensetzen, als ob sie nur äußere Zeichen der durch den Glauben erlangten Gnade und der Gerechtigkeit seien und gewisse Kennzeichen des christlichen Bekenntnisses, nach denen sich vor den Menschen Gläubige und Ungläubige unterscheiden, der sei ausgeschlossen.“

„Wer sagt, die Gnade werde durch die Sakramente, soweit es auf Gott ankommt, nicht immer und allen gegeben, auch wenn man sie richtig empfängt, sondern nur manchmal und einigen, der sei ausgeschlossen.“

„Wer sagt, durch die Sakramente des Neuen Bundes werde die Gnade nicht kraft des vollzogenen Ritus mitgeteilt, sondern zur Erlangung der Gnade reiche der bloße Glaube an die göttliche Verheißung hin, der sei ausgeschlossen.“

Diese Lehrsätze, die ich soeben vorgetragen habe, geben genau die falschen Lehrmeinungen der sogenannten Reformatoren des 16. Jahrhunderts wieder. Bei ihnen herrscht zwar eine bunte Mannigfaltigkeit der Ansichten, aber man kann doch gewisse gemeinsame Züge herausarbeiten, die vom Konzil von Trient getroffen und natürlich verworfen werden. Für die sogenannten Reformatoren, also für die Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts, waren die Sakramente nicht Gnadenmittel, nicht Medien, durch die Gott seine Gnade verleiht, sondern nach ihnen dienen die Sakramente allein dazu, den Glauben zu wecken und zu nähren. Und dieser Glaube allein rechtfertigt, nicht die Sakramente rechtfertigen; der Glaube allein rechtfertigt, nicht die Sakramente. Sie haben also die Sakramente entleert. Die Glaubenszeichen der Sakramente sind für sie keine wirksamen Verursacher der Gnade. Am weitesten ging der schweizerische Glaubensneuerer Zwingli. Für ihn sind die Sakramente nichts anderes als Erkennungszeichen der Christen. Sie unterscheiden die Christen von den Nichtchristen, und sie dienen dazu, den Glauben vor der Gemeinde zu bekennen. Gegen diese Entleerung der Sakramente hat sich das Konzil von Trient zur Wehr gesetzt. Es hat eindeutig festgestellt: Die Sakramente sind gewiß Glaubenszeichen, aber sie sind wirklichkeitserfüllte Glaubenszeichen. Sie sind Glaubenszeichen, sie sind eine Christuspredigt. In den Sakramenten kann man, wenn sie richtig vollzogen werden, den Glauben der Kirche tatsächlich ablesen, und zwar den Glauben an das Heil, das Christus beschafft hat und das jetzt durch die Sakramente zugewendet wird. Die Sakramente sind Christuspredigt, das ist wahr, aber Christuspredigt ist eben nicht bloß Reden über Christus oder Reden über Vorstellungen, die wir uns von Christus machen, sondern echte Christuspredigt ist Zeugnis im Heiligen Geiste. Ja, in der wirklichen Predigt legt der Heilige Geist selbst durch den Prediger Zeugnis ab. Es bleibt also unbestritten: Die Sakramente sind eine Predigt, sie sind ein Christuswort, aber sie sind ein wirklichkeitserfülltes Christuswort; sie wirken das, was sie predigen, sie bringen das hervor, was sie anzeigen. Sie sind im wahrsten Sinne schöpferisch. Die Sakramente sind wirklichkeitserfüllte Christuszeichen.

Die Heilige Schrift bestätigt diese Auslegung der Sakramente, welche das Konzil von Trient gegeben hat. Wenn der heilige Johannes in seinem Evangelium schreibt, daß die Wiedergeburt dadurch erfolgt, daß man im Wasser und im Heiligen Geiste getauft wird, dann schreibt er eben der Taufe die Ursächlichkeit der Neugeburt, der Wiedergeburt zu. Die Wiedergeburt wird durch das Wasser der Taufe im Heiligen Geiste, durch die Kraft des Geistes hervorgebracht. Ähnlich ist es bei der heiligsten Eucharistie. Da sagt der Herr im Johannesevangelium: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.“ Und an einer anderen Stelle: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben.“ Hier wird also dem Genuß des im Sakrament verborgenen Herrn die Wirkung zugeschrieben, daß dadurch die Verbindung mit Christus hervorgebracht wird und ihre Krönung im Himmel erfährt.

Wir sollen und wollen weiterhin die Sakramente als Gnadenzeichen, als Gnadenmittel ansehen und empfangen. Wir wollen aber auch dabei bedenken, daß wir in ihnen Gott einen Dienst erweisen. Der Bewegung von oben nach unten, nämlich der Gnade, die Gott uns schenkt, entspricht, muß entsprechen die Bewegung von unten nach oben. Wir müssen uns in ihnen an Gott hingeben, wir müssen durch sie in die Verherrlichung Gottes durch Christus eingehen, wir müssen in den Sakramenten die Liebe des Heiligen Geistes in uns aufnehmen und in seiner Kraft Zeugnis für Christus abgeben. Es hat einmal einer gesagt: „Die Sakramente sind die deutlichsten Denkmale der Liebe Gottes.“ Wahrhaftig, das sind sie. Sie sind die deutlichsten Denkmale der Liebe Gottes, sie wirken das, was sie anzeigen, wenn immer der Mensch ihnen kein Hindernis entgegensetzt.

Amen.

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