Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
3. April 1988

Der Osterglaube der Kirche (1)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

„Er ist dem Kephas erschienen, danach den Zwölfen.“ Das sind Worte aus dem Ur-Credo, dem Ur-Glaubensbekenntnis, das uns im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes aufbewahrt ist und das wir soeben in der Lesung vernommen haben. Er erschien dem Kephas – das ist der hebräische Name für Petrus – danach den Zwölfen. In diesem Ur-Credo (1 Kor. 15.3-5) wird eine ganze Reihe von Aussagen gemacht, und das Subjekt dieser Aussagen ist Christus. „Christus starb für unsere Sünden gemäß den Schriften. Er wurde begraben. Er ist auferweckt worden gemäß den Schriften. Er erschien des Kephas, danach den Zwölfen.“ Man könnte diese sukzessive Reihe, dieses Aufeinanderfolgen auch ausdrücken, indem man sagt: Nachdem er gestorben war, wurde er begraben. Nachdem er begraben war, wurde er auferweckt. Nachdem er auferweckt worden ist, erschien er dem Kephas, hiernach den Zwölfen. Es handelt sich bei all diesen Ereignissen um ein und dieselbe Person; das ist das Wichtige an dieser Reihe. Der Auferweckte ist kein anderer als der Gestorbene. Ein und derselbe Christus ist am Kreuze gestorben, ist begraben worden, ist auferweckt worden und ist erschienen.

Auf dieses Erscheinen nun kommt es uns an. „Er erschien dem Kephas, hiernach den Zwölfen.“ Was will das besagen? Er „erschien“, heißt es im heiligen Bericht. Die Kirche muß wissen, was mit diesem Wort gemeint ist, denn wie in der Vergangenheit, so treten auch heute Irrlehrer auf und verdrehen die Botschaft des Evangeliums. Er erschien dem Kephas, hiernach den Zwölfen.

Man sagt, nach dem Karfreitag hätten sich die Apostel wieder an Jesus erinnert, und diese Erinnerung hätten sie als Erscheinungen ausgegeben. Ohne Zweifel haben sich die Jünger nach dem Karfreitag an Jesus erinnert, das steht ja im 2. Kapitel des Johannesevangeliums: „Nachdem er von den Toten auferstanden war, erinnerten sie sich, daß er dies gesagt hatte.“ Nämlich: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“ Sie erinnerten sich zweifellos. Aber da ist einer, der konnte sich nicht erinnern, denn er kannte Jesus nicht. Erinnern kann man sich ja nur an etwas, was man selbst mitgemacht hat. Der Apostel Paulus führt nämlich die Reihe der Erscheinungszeugen fort. Er erwähnt den Kephas und die Zwölf und sagt: Das habe ich überkommen, das stammt aus der Urgemeinde, das ist von mir nicht erfunden, nicht einmal formuliert, sondern ich gebe es euch so wieder, wie ich es selbst empfangen habe. Danach formuliert er selbst, nämlich 1 Kor. 15.6-8. Zunächst heißt es: „Er erschien dem Kephas, hiernach den Zwölfen.“ Danach aber kommt noch dreimal vor: „Er erschien“; nämlich: „Er erschien mehr als fünfhundert Brüdern, von denen die meisten noch leben.“ Man kann also hingehen und sie fragen. „Nur einige sind entschlafen; danach dem Jakobus, hierauf allen Aposteln. Zuletzt erschien er auch mir.“ Aha! Da ist einer, der konnte sich nicht erinnern, Paulus selbst. Denn er hatte den Herrn nicht gesehen zu seinen Lebzeiten. Er war nicht mit ihm gewandert durch Galiläa und durch Judäa. Eine Erinnerung ist also bei ihm ausgeschlossen. An diesem Erscheinugszeugen scheitert die Erklärung, die Jünger hätten sich nur erinnert und das hätten sie als Erscheinung ausgegeben.

Nein, der Herr ist ihnen erschienen, und dieses Erscheinen wird von Paulus noch näher erklärt im 9. Kapitel des 1. Korintherbriefes und im Galaterbrief. Im 9. Kapitel sagt er: „Habe ich nicht den Herrn gesehen?“ Also dieses Erscheinen ist ein Sehen, und dieses Sehen vollzog sich bei ihm vor Damaskus. Auf dem Weg nach Damaskus, da hat er den Herrn gesehen, und dieses Sehen beschreibt der Galaterbrief als ein „Offenbaren des Herrn in mir“. Es geht nämlich dabei darum, die Selbständigkeit seines Apostolates gegenüber anderen zu behaupten. Er sagt: „Ich habe das Evangelium nicht von Menschen empfangen, sondern in der Offenbarung Jesu Christi.“ Und diese Offenbarung ist geschehen da, vor den Toren von Damaskus.

Der Evangelist Lukas hat die Erscheinungen noch deutlicher beschrieben als Paulus selbst. „Der Herr ist auferweckt worden und dem Kephas – dem Simon Petrus – erschienen.“ So heißt es im ersten Geschichtswerk des Lukas, in seinem Evangelium. Lukas hat ja zwei geschrieben, ein Evangelium und die Apostelgeschichte. In der Apostelgeschichte geht er noch näher auf die Erscheinungen ein. „Er hat sich nach seiner Auferstehung lebend vorgestellt.“ So beschreibt Lukas im 1. Kapitel der Apostelgeschichte diese Erscheinung. „Er hat sich lebend vorgestellt.“ Er, der im Tode zerrissen worden war, er, der begraben worden war, er hat sich nach seiner Auferweckung lebend seinen Jüngern vorgestellt. Er hat sich gezeigt. Und an einer anderen Stelle, ebenfalls in dem Geschichtswerk der Apostelgeschichte, heißt es: „Gott hat ihn sichtbar werden lassen.“ Gott hat ihn nicht bloß auferweckt, Gott hat ihn sichtbar werden lassen. Und Gott hat ihn nicht bloß sichtbar werden lassen, sondern – so heißt es in der Petruspredigt im 10. Kapitel der Apostelgeschichte – „Wir haben mit ihm gegessen und getrunken nach seiner Auferstehung.“ Mit einem Leichnam ißt man nicht und trinkt man nicht, aber mit einem Auferstandenen, der sich zeigt, der sich selbst vorstellt und sich den Jüngern offenbart, mit dem kann man essen und trinken.

Man hat gesagt, das sei Apologetik. Ja natürlich ist das Apologetik, das ist Verteidigung des Glaubens gegen seine Bezweifler. Und es ist offenbar nötig, daß man solche Apologetik betreibt, weil die Leugner der Auferstehung nicht nur in Korinth zu finden waren, sondern auch heute vorhanden sind.

Es gibt keine Auferstehung von den Toten, sagten einige in Korinth. Ja, sagt Paulus, „wenn es keine Auferstehung von den Toten gibt, dann ist auch Jesus nicht auferstanden, dann ist sinnlos unsere Predigt, dann ist sinnlos euer Glaube, dann sind wir noch in unseren Sünden.“ Und deswegen die Kraft und der Nachdruck, mit denen er und alle Auferstehungzeugen, alle Jünger des Herrn die Erscheinungen des Herrn verteidigen.

Da hat man auch noch zu einer anderen Erklärung gegriffen. Man sagt, die Apostel hätten ein Widerfahrnis des Sehens gehabt, ein Widerfahrnis, und dieses Widerfahrnis hätten sie verknüpft mit der Vorstellung von der endzeitlichen Auferstehung der Toten. Durch diese Verknüpfung habe es ein Schlußverfahren gegeben, und so seien sie zu der Meinung gekommen, an Jesus habe sich schon das ereignet, was für die Endzeit erwartet werde. In Wirklichkeit sei das aber eine subjektive Meinung. Objektiv sei selbstverständlich Jesus nicht auferstanden, denn wie sagt der evangelische Theologe Bulfmann: „Ein toter Leib kann nicht mehr lebendig werden.“ Ja, das sagen ja die Fleischer auch, nicht wahr? Ein Widerfahrnis! Ja, was ist denn den Jüngern widerfahren, wenn Jesus nicht auferstanden ist? Das ist doch nichts anderes als die Träume eines Geistersehers, mit Immanuel Kant zu sprechen.

Gerade dagegen wendet sich das Zeugnis der Apostel und Evangelisten. Bei einer Erscheinung, als die Jünger erstaunt sind und fassungslos, da sagte ihnen der Herr: „Seht meine Hände und Füße!“ Warum denn Hände und Füße? Ja, weil man da eben die Spuren der Wunden sehen kann, weil man da die Relikte der Nägel sehen kann. „Ein Geist hat doch nicht Knochen und Fleisch, wie ihr es an mir seht.“ Kein Geist, sondern der wirklich Auferstandene ist ihnen begegnet. Nicht die Jünger haben ein Widerfahrnis interpretiert, sondern der Auferstandene interpretiert sich selbst! Er erklärt sich selbst als den wirklich vom Tode Auferstandenen.

Das ist der Inhalt der Osterbotschaft. „Er erschien dem Kephas, hiernach den Zwölfen.“ Warum sagt der Apostel Paulus nicht bloß: „Er erschien“? Er fügt vielmehr diejenigen hinzu, denen er erschien. Das tut er deswegen, weil zu der Auferstehung die Auferstehungszeugen gehören, weil zu den Erscheinungen die Erscheinungszeugen gehören. Gewiß, den Vorgang, das Ereignis der Auferstehung selbst hat niemand beobachtet. Aber es gibt einen Auferstandenen, und wenn es einen Auferstandenen gibt, dann muß es ja wohl auch eine Auferstehung geben. Wo kommt er denn sonst her, der Auferstandene, wenn nicht eine Auferstehung vorhergegangen ist? Und dieser Auferstandene, dieser Auferweckte ist erschienen dem Kephas und den Zwölfen und all denen, die der Apostel im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes noch aufzählt.

Das ist das Zeugnis der Urgemeinde. Das ist das Zeugnis der Apostel. Das ist keine Erfindung von überreizten Nerven. Es ist das Zeugnis derer, die ihn gesehen haben, die mit ihm gesprochen haben, die mit ihm gegessen und getrunken haben. So glauben wir und nach diesem Glauben leben und sterben wir.

Amen.

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