Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Mai 2012

Fürchte dich nicht, du kleine Herde

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Abschiedsstimmung liegt über der Rede, die wir soeben im Evangelium dieses Sonntags gehört haben. Der Herr kehrt zurück zum Vater. Aber er gibt ihnen einen Trost: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben.“ Dieses Wort wendet sich an die Jünger. Sie werden inmitten einer feindlichen Welt eine kleine, unansehnliche, geschmähte und verfolgte Gemeinschaft bilden. Die Kleinheit ihrer Zahl könnte sie unsicher und bange machen. Aber sie sollen wissen, dass sie diejenigen sind, die Gott für den dereinstigen Besitz des Reiches erwählt hat. Die Gewissheit des Heils, das ihnen eine feindliche Welt nicht rauben kann, soll ihnen das Gefühl des Geborgenseins verleihen.

Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben. Er geht von dannen. Aber in einer anderen, in einer erhabeneren Weise bleibt er bei ihnen. „Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt.“ Und er verheißt ihnen die Kraft aus der Höhe: „Ihr werdet ausgerüstet werden mit der Kraft aus der Höhe.“ Der Geist wird bei ihnen sein.

Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben – dieses Wort ist auch uns gesagt. Und wir wollen versuchen, es zu deuten. Was meint der Herr, wenn er von der kleinen Herde spricht? Nun, gewiss zunächst, dass die Zahl der Anhänger Jesu gering sein wird. Eine Minderheit innerhalb einer anders denkenden Mehrheit. Eine kleine Herde sind unsere Glaubensbrüder in der Diaspora, in Brandenburg, in Sachsen, in Mecklenburg, nur wenige Prozent katholische Christen inmitten einer Überzahl von Andersgläubigen und Ungläubigen. Nur eine winzige Zahl findet sich am Sonntag zum Gottesdienst zusammen. Ich habe in der Niederlausitz, meine lieben Freunde, die Messe vor sechs und vier Leuten gelesen. Die Sonntagsmesse vor sechs und vier Personen. In China leben 1 300 000 000 Menschen. Aber nur jeder Hundertste ist ein Katholik. Dreizehn Millionen Katholiken unter einer übergroßen Zahl Andersgläubiger oder Ungläubiger. Im Maßstab der Erde sind wir katholische Christen eine kleine Schar. Die Anhängerschaft des Islam wächst in rasender Geschwindigkeit in Asien, in Afrika. Mit den Erdölmilliarden werden überallhin Prediger ausgesandt, Moscheen gebaut, Koranschulen errichtet. Der Islam ist reich. Er kann seine Anhänger beschenken. Seine Religion ist leicht. Er hat eine eingängige Dogmatik, eine populäre Moral, selbstverständlich mit Mehrehe und Ehescheidung. Unsere Kirche hat es schwer, aus der kleinen Herde zu einer großen Gemeinschaft zu werden. Ihr Glaube ist anspruchsvoll. Ihre Sittenlehre ist erhaben. Denn unsere Religion stammt nicht von Menschen; sie ist von Gott gegeben. Und Gott ist ein anspruchsvoller Herr. Seine Gedanken sind den Menschengedanken überlegen. Dennoch: die Kirche soll wachsen. Die Herde Christi soll nicht klein bleiben. Sie soll groß werden; sie soll die gesamte Menschheit umfassen – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Gott ist nicht ein Mensch geworden, damit Millionen und Abermillionen ihn nicht kennen, seine Stimme nicht hören, ihm fremd bleiben. Nein, der auferstandene Herr befiehlt: „Geht hin und unterweiset alle Völker – ohne Ausnahme.“

Bei Markus heißt der Sendebefehl: „Gehet hin in alle Welt und kündet das Evangelium allen Geschöpfen – ohne Ausnahme.“ Wir achten die Menschen anderer Religionen, aber wir wollen ihnen das hohe Gut der wahren Religion vermitteln. Sie sollen zu Christus finden, denn in ihm ist alles Wertvolle geborgen, was in ihren Religionen vorhanden ist. Dazu aber gewinnen sie unendlich viel mehr, wenn sie zu uns stoßen. Immerhin macht die Mission Fortschritte: In China wurden zu Ostern zweiundzwanzigtausend Erwachsene getauft. Zweiundzwanzigtausend Erwachsene, in dieser doch relativ kleinen Kirche. Die Kirche wächst. Aber nicht überall. Es ist schmerzlich feststellen zu müssen: Die Kirche in Europa schrumpft. Sie schrumpft in unserer Heimat, in unserer Diözese. Eine kleine Herde, die immer kleiner wird. Was sind die Ursachen? Die Christenheit ist müde geworden. Die christlichen Familien sind klein. Kinderreiche Familien sind selten. Die Zahl der Särge in unseren Gemeinden ist größer als die der Wiegen. Hundertausende geben die religiöse Praxis auf, verlassen ihre Gemeinde, trennen sich von unserer Kirche. Eine kleine Herde, die immer kleiner wird. Das ist die Wirklichkeit. Meine lieben Freunde, die Gründe für die Trennung von Glauben und Kirche sind nicht stichhaltig. Die uns den Rücken kehren, berufen sich zumeist auf Schwächen und Versagen von Kirchengliedern, von Priestern und Bischöfen. Ich bin der Letzte, der die Pflichtvergessenheit und Verfehlung vertuschen will. Aber ich sage auch in aller Klarheit: Man kann nicht an Gott rächen wollen, was einem Menschen antun. Man darf nicht Christus entgelten lassen, was seine Jünger zu verantworten haben. Die Flucht aus der Kirche bringt nichts hervor. Und es bleibt das Wort des heiligen Cyprian richtig: „Das Übel der Trennung von der Kirche ist immer schlimmer als die Übel, denen man durch die Trennung entgehen will.“ Das Übel der Trennung von der Kirche ist immer schlimmer als die Übel, denen man durch die Trennung entgehen will.

„Fürchte dich nicht, du kleine Herde“, sagt unser Herr. Klein ist die Herde an Zahl, aber sie ist auch klein, weil unter denen, die den Namen Christen tragen, zu wenige wahrhaft christliche Menschen sind. Die wahren Jünger sind nicht zahlreich. Getauft und gefirmt sind alle. In die Nachfolge Christi berufen sind alle. Aber nicht alle folgen dem Herrn nach. In dem Buch von der ‚Nachfolge Christi‘ schreibt der Verfasser vor sechshundert Jahren, was auch heute gültig ist: „Jesus hat jetzt viele Jünger, die im himmlischen Reich mit ihm herrschen möchten, aber zu wenige, die sein Kreuz auf Erden tragen wollen. Viele, die seinen Trost begehren, aber wenige, die seine Trübsal teilen mögen. Viele, die mit ihm essen und trinken möchten, aber wenige, die mit ihm fasten wollen. Viele möchten mit ihm Freude haben, aber wenige wollen für ihn leiden. Viele folgen Christus bis zum Brotbrechen im Abendmahlssaal, aber wenige bis zum Trinken aus dem Leidenskelche.“

Die Zahl der wahren Nachfolger Christi ist nicht hoch. Wir erleben das Phänomen der Halb- oder Viertelgläubigkeit. Menschen, die sich als Christen, die sich als Katholiken bezeichnen, bekennen sich nicht zum vollen und ganzen Glauben, sondern lediglich zu einer Auswahl, zu einem verkürzten, verdünnten, ausgehöhlten Glauben. Wir erleben das Phänomen, dass Menschen ein Auswahlchristentum leben. Sie suchen sich aus den Lehren und Einrichtungen des Christentums aus, was ihnen passt. Wir erleben das Phänomen einer Teilidentifikation mit der Kirche, das heißt, viele stehen nicht lückenlos und restlos hinter der Kirche, sondern distanzieren sich von ihr, wenn sie angefochten wird. Meine lieben Freunde: Man kann nicht – etwa wie Carl Zuckmayer – einzelne Dogmen der Kirche fallen lassen. „An die Hölle glaube ich nicht“, sagte Carl Zuckmayer, „höchstens für den Hitler“. Nein, so geht es ja wohl nicht. Man kann sich nicht aussuchen aus den Glaubenssätzen, was einem gefällt und was einem nicht gefällt. Die Glaubenssätze der Kirche sind alle auf dem Amboss gelegen, sie sind alle unter den Hammerschlägen der Verfolgung geschmiedet worden. Unser Glaube ist gesalbt mit dem Blut der Märtyrer, geweiht mit dem Zeugnis der Jahrhunderte.

Der katholische Glaube ist von solcher Art, dass man nichts hinzufügen, aber auch nichts von ihm wegnehmen kann, ohne das Ganze zu zerstören. Wer auch nur ein Dogma leugnet, wendet sich gegen die Autorität, welche die Dogmen geschaffen hat: also Gott und die  Kirche. Wenn man dieser Autorität auch nur an einer Stelle widerspricht, widersetzt man sich ihrem Ganzen. Nein, der katholische Glaube ist und muss bleiben: Dogmenglaube. Dass wir ihn bekennen dürfen, macht uns demütig und dankbar. Heinrich Heine, der jüdische Dichter, der ja zum Christentum übergetreten ist, stand einmal bewundernd vor der Domkirche in Antwerpen. Er betrachtete sie nachdenklich, und dann sagte er: „Die Menschen, die diesen Dom geschaffen haben, hatten Dogmen. Wir haben nur Meinungen. Mit Meinungen baut man keine Dome.

Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat dem Vater gefallen, euch das Reich zu geben. Klein ist die Herde Christi auch wegen ihrer Schwäche. Sie hat etwas Hilfloses und etwas Armseliges an sich. Sie ist vom Menschlichen, all zu Menschlichen, bedrückt und erfüllt. Sie verbirgt die Herrlichkeit und Schönheit des großen Gottes. Diese kleine Herde wirft lange Schatten über das Licht, das von Christus ausgeht. Der Herr hat die Christen gesammelt; er hat sie zu seinen Brüdern und Schwestern gemacht. Er lebt und wirkt in ihrer Mitte. Aber er wird auch von seinen Brüdern und Schwestern verdeckt. Er ist wie unter einer schweren Hülle verborgen, durch uns. Alles in dieser Kirche wird nunmehr seit der Himmelfahrt von Menschenhänden vollbracht, mit Menschenworten gelehrt, in Menschentaten vollzogen. Einstens kam er in Menschengestalt auf die Erde, aber an ihm war etwas Leuchtendes, Strahlendes. Johannes schreibt in seinem Prolog: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater voll der Gnade und Wahrheit.“ Nun aber, jetzt, wandelt er weiter durch die Welt in der Gestalt der Menschen, in der Gestalt der Mühseligen und Beladenen, sogar der sündigen und fehlenden Menschen, der erbärmlichen und kleinlichen Menschen, denn wir alle sind sein Volk, die Schafe seiner Weide. In dieser kleinen Herde lebt er fort, bis zum Ende der Zeiten. Oft ist ihre Weisheit, die Weisheit ihrer Lehre von viel Menschlichem beim Verstehen und bei der Auslegung umschattet. Der Fernsehpfarrer Wolfgang Beck forderte beim ‚Wort zum Sonntag‘ die Zuhörer auf, sich dem Relativismus zu verschreiben. Relativismus, das heißt: alles ist gleichgültig, es gibt keine Wahrheit. Oft ist auch die Frömmigkeit der Kirchenglieder von mancher menschlichen Kleinheit und Torheit umnebelt. In der vergangenen Woche schickte mir ein Herr aus München einen Beitrag zu, auf dem war folgendes zu lesen: „Sowjetische Wissenschaftler haben eine Tiefbohrung vorgenommen und sie haben einen Hohlraum erreicht. Aus diesem Hohlraum haben sie das Geschrei unzähliger menschlicher Stimmen vernommen.“ – Meine lieben Freunde, diese Erzählung gibt unseren Glauben der Lächerlichkeit preis. Wir können noch so tief in die Erde graben, aber wir werden zur Hölle nicht vorstoßen. Die Hölle ist uns verborgen. Das Glauben, das Beten, das Lieben und das Hoffen der kleinen Herde hat noch so viel von Bruchstücken an sich, so viel von Kindlichem und Kindischem. Wir pilgern durch dunkle Täler und über Tränenwege. Es ist eben das Göttliche mit vielem Menschlichen vermischt und in allem Menschlichen wird das Göttliche verdunkelt.

Wir wollen der Wahrheit die Ehre geben: Es gibt unter den Gliedern der Kirche wahre Nachfolger Christi, tapfere Mütter, treue Väter, eifrige Kinder. Die Gnade Gottes ist eine Macht. Und diese Macht bezeugt sich auch heute in den Menschen, die in die Fußstapfen des Herrn treten. Wir haben vorbildliche Laien, heiligmäßige Priester, fromme Ordensschwestern. Aber deren Zahl ist zu gering. Wir haben heilige Menschen, auch heute; aber es sind zu wenige. Wir haben Kämpfer für die Sache Gottes. Aber es müssten mehr sein. Zu viele scheuen sich, um Christi willen Auseinandersetzungen auf sich zu nehmen, Konflikte auszuhalten. Zu viele wollen Ruhe haben, wollen es sich bequem machen. Nein, wir wollen, meine lieben Freunde, wir wollen ganze Christen sein. Des Katholiken charakteristisches Zeichen soll sein, dass er die Religion lebt, nicht, dass er von ihr redet.

Eine kleine Herde ist die Kirche auch, weil sie oft kleine und kleinliche Menschen in sich birgt, Menschen mit ihrer Schwäche, mit ihrer Sünde, mit ihrer Lauheit, mit ihrer Kälte, mit ihrer Gleichgültigkeit, mit ihrer Schuld. So viel Bosheit ungeratener Söhne, so viel Verrat seitens der eigenen Jünger, so viel Treulosigkeit und Abfall der Seinen. Ich bin keineswegs der Meinung, dass alles das stimmt, was man in der Zeitung liest oder anderen Medien entnimmt an Anklagen und Beschuldigungen gegen die Kirche und Kirchenangehörige. Ich bin überzeugt, dass vieles erfunden, an der Haaren herbeigezogen, vergröbert, übertrieben und unzulässig verallgemeinert wird. Aber es bleibt ein Rest an Beschwerden und Bezichtigungen, die Kirche und Kirchenglieder trifft; und dieser Rest ist zu viel für eine Gemeinschaft der Erlösten.

Der Kirche wird es nie an Verfolgung fehlen. Aber das ist das Siegel ihrer Treue zum Heiland. Gerade dann ist die katholische Kirche erkennbar, wenn sie verfolgt wird. Dann ist sie erkennbar als der geheimnisvolle Leib Christi, der auf dem ganzen Weg durch die Geschichte die Wundmale des Herrn trägt. Der Teufel hält sich an die Profis, nicht an die Amateure. Die Feinde der heiligen Religion, die von außen gegen sie anstürmen sind jedoch weniger zu fürchten, als die Widersacher, die im Innern gegen sie wühlen. Also diejenigen, die den wahren Glauben aushöhlen, die die katholische Sittenlehre verfälschen, die dem Heiligen Vater den Gehorsam aufkündigen. Ich habe hier vor mir, meine lieben Freunde, einen Leserbrief einer Dame, der vor kurzem in der Presse erschien. Diese Dame schreibt folgendes: „Vor fast sechs Jahren bin ich zur katholischen Kirche konvertiert. Nicht aus eigener Überlegung, sondern durch die Führung Gottes. Ich liebe diese Kirche über alles. Ich habe es aber noch nie erlebt, dass man über den Papst und den Vatikan etwas Positives berichtet hat. In den meisten Fällen gehört zur Berichterstattung Arroganz und Überheblichkeit. Was die Kirche wirklich braucht“, schreibt diese Dame, „ist eine Reform von innen, die radikale Hinwendung zum Herrn und seinem Evangelium.“ – O wie Recht hat diese Konvertitin! Eine kleine Herde, welcher der Herr das Reich versprochen hat.

Die kleine Herde wird einmal vor dem Richterstuhl Christi stehen. Wird sie vor ihm bestehen? Zur Gänze oder nur in Teilen? Wie steht es mit der Zahl der Erlösten? Der Geretteten, der zum Heil Gekommenen? Ist das auch eine kleine Herde, nur eine kleine Herde? Unser Herr warnt vor leichtfertigem Heilsoptimismus. Einmal fragte jemand Jesus: „Herr, sind es wenige, die gerettet werden?“ Er antwortete: „Ringet darum, durch die enge Pforte einzugehen, denn viele, sage ich euch, werden versuchen einzugehen, aber sie vermögen es nicht.“ Ein andermal mahnte der Herr: „Gehet ein durch die enge Pforte, denn weit ist die Pforte und breit ist die Straße, die ins Verderben führt. Und viele sind es, die darauf wandeln. Wie eng ist die Pforte und wie schmal ist der Pfad, der ins Leben führt. Und wenige sind es, die ihn finden.“

Wir danken dem Heiligen Vater, dass er in jüngster Zeit die in den deutschen Messbüchern seit einigen Jahrzehnten gebräuchliche Formel „für alle“ bei der Heiligen Wandlung durch die biblischen Worte – durch die biblischen Worte – „für viele“ ersetzt hat. Wir danken ihm. Denn Christus hat gewiss sein Erlösungswerk für alle vollbracht. Aber es ist ungewiss, ob es alle sich aneignen. Sein Sühnewerk reicht für alle, aber es steht zu fürchten, dass es nicht in allen wirksam wird. Man muss also unterscheiden zwischen dem Genügen des Opfers Christi und dem Wirksamwerden des Opfers Christi. Die Worte „für alle“ sind keine Übersetzung, sondern eine Erläuterung. Und diese Erläuterung hat der HHHeilige Vater jetzt durch die Übersetzung ersetzt, mit Recht ersetzt.

Grundlegend für das Heil, also für die Ewigkeit in der Schau Gottes sind Glaube und Taufe. Die letzten Worte des Herrn vor seiner Himmelfahrt lauten: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden.“ Wir haben also Aussicht, zu denen zu gehören, die im Gericht Gottes bestehen können. Wir tragen das Siegel des lebendigen Gottes an unserer Stirn. Wir sind die Schafe seiner Weide. Freilich besteht kein Automatismus zwischen Glaube und Taufe und im Erlangen des Heils. „Willst du zum Leben eingehen“, sagt der Herr zu dem Jüngling, der ihn fragt, wie er den Himmel gewinnen könne, „willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote.“ Die Gebote sind also grundlegend, damit wir unsere Anwartschaft auf das Heil sicher machen. – Den Geboten entgegengesetzt sind die Sünden. „Wisst ihr nicht“, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth, „wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden?“ Und dann nennt er die Werke der Ungerechtigkeit: Unzucht, Unreinheit, Schwelgerei, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zorn, Zank, Spaltung, Parteiung, Neid, Mord, Trunkenheit und was dergleichen Ähnliches. Die derlei Dinge tun, werden das Reich Gottes nicht erben. Die Gebote wollen nach Wortlaut und Sinn erfüllt werden, also im Aufblick zu Gott, in der Liebe zum himmlischen Vater, nicht bloß äußerlich. „Wenn eure Gerechtigkeit nicht die der Pharisäer übertrifft, werdet ihr in das Himmelreich nicht hineinkommen“, sagt der Herr. Um des Reiches Gottes willen muss man manchmal harte Entscheidungen treffen, scharfe Schnitte vornehmen, denn „Das Himmelreich leidet Gewalt, und nur die Gewalt gebrauchen, reißen es an sich.“ Und dann dieses furchtbare Wort: „Wenn deine Hand oder dein Fuß dir zum Ärgernis wird, dann hau‘ sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser, du gehst verstümmelt in das Leben ein als mit zwei Händen und mit zwei Füßen in das ewige Feuer.“

Unser Herr ist im Begriffe, zum himmlischen Vater zurückzukehren. Aber er hat uns einen Trost gegeben. Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben. Wir wollen uns deswegen an unseren Heiland wenden und ihm sagen: „Du auffahrender Herr, bleibe du bei deiner Kirche, bleibe bei deiner kleinen Herde, denn sonst müssten wir uns gar zu sehr fürchten, vor allem vor uns selbst. Vor der eigenen Schwäche müssten wir uns fürchten, dass wir immer wieder dich verleugnen und verraten. Bleibe du bei uns und stärke uns, denn wir wissen ja zu gut: Würde jeder Gläubige ganz treu sein, dann würde er sein Leben zu einem Abglanz deines Lebens machen, dann würde er mit seiner Person die Kirche schmücken, ehren und groß machen.“ Jeder Heilige, jeder Bekenner, jeder Märtyrer, jede Jungfrau, jeder fromme Beter hat sie in aller Wahrheit geschmückt und geehrt und erhoben und ist damit Zeuge der Göttlichkeit unseres Heilandes geworden. Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben. Amen.

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